Leitsatz (amtlich)

Eine deutsche Reederei muß für die auf ihren Schiffen beschäftigten pakistanischen Seeleute (Laskaren) auch dann Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Unfall- und grundsätzlich auch zur Arbeitslosenversicherung entrichten, wenn sie nach anderen Vorschriften verpflichtet ist, die Krankenfürsorge zu übernehmen und bei einem Unfall Kompensationsbeträge an den Verunglückten zu zahlen, Abzüge von der Heuer für die Sozialversicherung aber nicht vornehmen darf.

Die gesetzliche Regelung über die Beitragspflicht enthält insoweit weder eine Lücke noch verstößt sie gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung des GG Art 3 Abs 1 und der Verhältnismäßigkeit des Mittels (GG Art 20 Abs 1).

 

Leitsatz (redaktionell)

Versicherungsrechtliche Beurteilung der auf deutschen Seefahrzeugen beschäftigten ausländischen Besatzungsmitglieder.

Es gibt im geltenden innerstaatlichen Recht keinen geschriebenen oder ungeschriebenen Rechtssatz des Inhalts, daß ausländische Arbeitnehmer von der deutschen Sozialversicherung nicht erfaßt werden, wenn sie bereits nach dem Recht ihres Heimatstaates einen ausreichenden Versicherungsschutz haben.

Die Einbeziehung von ausländischen Besatzungsmitgliedern deutscher Seefahrzeuge in die deutsche Sozialversicherung sowie das Fehlen einer dem RVO § 1231 Abs 2 (AVG § 8 Abs 2) entsprechenden Befreiungsvorschrift in der Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz des GG Art 3 Abs 1 noch gegen das in GG Art 20 Abs 1 enthaltene Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel bzw der Zumutbarkeit.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17, § 539 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09; AVAVG § 56 Abs. 1 Fassung: 1957-04-03, § 65a Fassung: 1957-07-27; AFG § 168 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; RVO § 1231 Abs. 2; AVG § 8 Abs. 2 Fassung: 1924-05-28

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Teil-Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 12. November 1971 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Arbeitslosenversicherungspflicht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 65 a AVAVG nicht besteht.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Klägerin, für den bei ihr beschäftigten pakistanischen Seemann (Laskaren) - den Beigeladenen zu 2), einen Chief Petty Officer - Beiträge zur Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten.

Die Klägerin beschäftigt seit Ende des vorigen Jahrhunderts aus klimatischen Gründen Laskaren auf ihren im Persischen Golf und in den indischen Gewässern verkehrenden Schiffen. Die Anmusterung erfolgt nach pakistanischem Recht; die Klägerin ist hiernach verpflichtet, die Krankenfürsorge zu übernehmen und bei einem Unfall Kompensationsbeträge an den Verunglückten zu zahlen; Abzüge von der Heuer für die Sozialversicherung darf sie nicht vornehmen.

Bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I S. 241) hat die Klägerin keine Sozialversicherungsbeiträge für die bei ihr beschäftigten ca. 1000 pakistanischen Seeleute (Laskaren) gezahlt. Seitdem fordert die Beklagte von der Klägerin Beiträge für die Laskaren in Höhe von ca. 250000 DM jährlich (Bescheid vom 17. November 1967).

Die Beklagte beruft sich auf die Vorschriften der §§ 165 Abs. 1 Nr. 1, 539 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und auf § 56 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG). Eine Befreiungsmöglichkeit, wie sie nach § 1231 Abs. 2 RVO für die gesetzliche Rentenversicherung eingeräumt worden sei, gebe es für die gesetzliche Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung nicht. Die Erhebung von Beiträgen sei auch nicht verfassungswidrig.

Der Widerspruch der Klägerin ist erfolglos geblieben (Bescheid vom 21. Februar 1968). Nach Klageerhebung beim Sozialgericht (SG) Bremen hat dieses Gericht mit Beschluß vom 30. Oktober 1968 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß § 13 Nr. 11 des Gesetzes über das BVerfG angerufen. Es hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob eine Verletzung des Grundrechtes der Gleichbehandlung vor dem Gesetz insoweit gegeben sei, als nach dem Inkrafttreten des UVNG in der RVO und in dem AVAVG keine Bestimmungen enthalten seien, die die auf den Seeschiffen der Klägerin beschäftigten Laskaren von der Versicherungspflicht in der Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung ausschlösse. Nachdem das BVerfG Bedenken gegen die Formulierung der Anfrage erhoben hatte, hat das SG Bremen mit Beschluß vom 18. Februar 1969 den Vorlagebeschluß aufgehoben und mit Urteil vom selben Tage unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 17. November 1967 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1968 festgestellt, daß die von der Klägerin beschäftigten Laskaren, die nach pakistanischem Recht gemustert werden, von der deutschen Sozialversicherungspflicht befreit seien.

Nach Einlegung der Berufung durch die Beklagte hat das Landessozialgericht (LSG) Bremen die Bundesanstalt für Arbeit in N (Beigeladene zu 1), den Chief Petty Officer G M (Beigeladener zu 2) und die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bonn (Beigeladene zu 3), beigeladen. Mit "Teilurteil" vom 12. November 1971, berichtigt gemäß § 138 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluß vom 6. Dezember 1971, hat das LSG Bremen das Urteil des SG Bremen vom 8. Februar 1969 bezüglich des Beigeladenen zu 2) aufgehoben und die Klage insoweit als unbegründet abgewiesen, als sie die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 2) zur gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung betrifft.

Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Gesetzeslücke bestehe nicht. Die Erwägungen des SG Bremen, daß hinsichtlich der Versicherungsfreiheit der Laskaren eine gesetzliche Regelung für die in Frage kommenden Sozialversicherungszweige fehle und daher ungleiche Tatbestände gleichbehandelt würden, treffe nicht zu. Eine "planwidrige Unvollständigkeit" als Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesetzeslücke liege nicht vor. Verfolge man den Gang der Entwicklung seit 1893, der zu der gegenwärtigen Ausgestaltung der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften geführt habe, so könne eine Gesetzeslücke nicht angenommen werden.

Die Einbeziehung der Laskaren in die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung verstoße weder gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Grundgesetz (GG) noch verstoße sie gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel oder das der Zumutbarkeit.

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege nur dann vor, wenn für eine gesetzliche Differenzierung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender Grund ersichtlich sei und deshalb die Regelung für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich bezeichnet werden müsse. Ausländische Seeleute auf deutschen Seeschiffen seien nach dem Territorialitätsprinzip grundsätzlich versicherungspflichtig. Das Fehlen einer dem § 1231 Abs. 2 RVO entsprechenden Befreiungsvorschrift verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 GG, weil für eine Differenzierung ein vernünftiger Grund erkennbar sei und die unterschiedliche Behandlung aus diesem Grunde nicht als willkürlich bezeichnet werden könne.

Der Gesetzgeber habe ausweislich des schriftlichen Berichts des Bundestags-Ausschusses für Sozialpolitik vom 25. Januar 1963 (BT-Drucksache IV 938 neu) das Bedürfnis verneint, eine dem § 1231 Abs. 2 RVO entsprechende Regelung in das UVNG aufzunehmen, weil dadurch, daß zunehmend zwischenstaatliche Versicherungsabkommen abgeschlossen würden, der Anwendungsbereich einer solchen Vorschrift immer geringer werde. Er habe bei der Regelung eines bestimmten Sachverhalts ein weites Feld gesetzgeberischer Freiheit und könne unter mehreren miteinander konkurrierenden rechtspolitischen Gesichtspunkten wählen, solange sich für die gefundene Regelung wenigstens ein sachlich vertretbarer Gesichtspunkt anführen lasse.

Auch ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel oder das der Zumutbarkeit sei nicht gegeben (Art. 20 GG). Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verlange, daß der einzelne vor unnötigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt bewahrt bleibe; das Rechtsstaatsprinzip verbiete belastende Gesetze, die zur Erreichung des Gesetzeszweckes schlechthin untauglich seien. Aber auch in diesem Fall stehe dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zur Beurteilung der Zwecktauglichkeit des Gesetzes zu. Eine gesetzliche Maßnahme könne daher selbst dann nicht als verfassungswidrig angesehen werden, wenn ihr eine Fehldiagnose des Gesetzgebers zugrunde liege. Außerdem beruhe die deutsche Sozialversicherung auf dem Grundsatz der Pflichtversicherung; sie dürfe einen weitergehenden Sozialausgleich als die Privatversicherung vornehmen. Der Umstand, daß ein Teil der in den drei Versicherungszweigen vorgesehenen Leistungen für die Arbeitnehmer der Klägerin möglicherweise nicht in Betracht komme, mache ihre Versicherung nicht unvertretbar. Das folge aus dem Grundsatz des sozialen Ausgleichs und treffe unvermeidbar auch für eine Reihe ständig im Inland beschäftigter deutscher Arbeitnehmer zu. Die Klägerin müsse zwar nach pakistanischem Recht die Krankenfürsorge übernehmen und bei einem Unfall Kompensationsbeträge zahlen. Es gebe aber keinen allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz des Inhalts, daß durch Akzeptierung fremdstaatlichen Rechts entgegenstehendes innerstaatliches Recht aufgehoben werde. Das deutsche Sozialversicherungsrecht schließe eine Doppelversicherung nicht schlechthin aus.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin die fälschliche Verneinung einer Gesetzeslücke, die Verletzung des Gleichheitssatzes des Artikels 3 GG und einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel bzw. der Zumutbarkeit (vgl. Artikel 20 GG) im Zusammenhang mit mangelnder Sachaufklärung. Das Vorhandensein einer planwidrigen Unvollständigkeit könne nicht schon deshalb verneint werden, weil der Gesetzgeber das Problem angesprochen habe. Eine oberflächliche fehlinformierte Sachbehandlung sei keine sachverständige Problementscheidung. Es sei schon verfassungswidrig, daß für 30 bis 40 v. H. der deutschen Seeleute, die monatelang, manchmal jahrelang deutschen Boden nicht beträten, Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden müßten, obwohl sie nach den §§ 42 ff Seemannsgesetz von dem Reeder Kranken- und Unfallversicherungsschutz erhielten. Um diesen unhaltbaren Rechtszustand zu ändern, der bei der großen Anzahl dieser Seeleute kein Ausnahmetatbestand mehr sei, habe das Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz (KVNG) eine Erstattungsmöglichkeit im Ausland erbrachter Krankenversicherungsleistungen für den Reeder vorgesehen. Dieser Entwurf sei aus politischen Gründen bis heute nicht verabschiedet worden. Sowohl das KVNG als auch das UVNG seien Bestandteil der Anfang der 60er Jahre geplanten sog. Sozialreform. Aus politischen Erwägungen sei die Unfallversicherungsreform vorgezogen worden, so daß auch die Entwurfsbestimmung des § 543 RVO (Ausnahme ausländischer Seeleute von der Unfallversicherung) aus dem Zusammenhang mit der Krankenversicherung gerissen und in einer der letzten Ausschußsitzungen beraten worden sei. Im Ausschuß und im Bundestag sei dann das Problem verkannt worden. Die Mitglieder des Ausschusses für Sozialpolitik seien bei ihren Beratungen Ende 1962 von einer betroffenen Ausländerzahl von 1200 bis 1300 ausgegangen. Die von der Klägerin beschäftigten 800 Laskaren seien nachweislich nicht in dieser Zahl enthalten gewesen. Auf diesen Personenkreis habe sich auch nicht die Bemerkung im schriftlichen Ausschußbericht vom 25. Januar 1963 beziehen können, der Personenkreis werde durch Abschluß weiterer Sozialversicherungsabkommen immer kleiner. Der Gesetzgeber habe die bei der Klägerin damals beschäftigten 800 Laskaren - heute seien es über 1000 - übersehen; das seien 2 v. H. aller auf deutschen Schiffen beschäftigten Seeleute. 2 v. H. Beschäftigte eines Wirtschaftszweiges hätte der Gesetzgeber in der Sozialversicherung nicht übersehen dürfen.

Auch der Gleichheitssatz des Artikels 3 GG sei durch das klageabweisende Urteil des LSG verletzt. Die Übertragung des Territorialitätsprinzips auf deutsche Handelsschiffe außerhalb des Geltungsbereichs des GG bedeute, daß der Arbeitgeber Beiträge leisten müsse, ohne daß eine entsprechende Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers dem entspräche. Hier hätte der Gesetzgeber differenzieren müssen; da er dies nicht getan habe, liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Denn für die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte durch den Gesetzgeber müßten zwingende Gründe erkennbar sein. Die Laskaren hielten sich fast stets im Ausland auf; während dieser Zeit könnten Leistungen, insbesondere aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung, nicht erbracht werden. Die kurzen Aufenthalte der Laskaren in Deutschland seien die Ausnahmen. Diese wenigen Ausnahmen rechtfertigten nicht die generelle Einbeziehung der Laskaren in die Sozialversicherung. Ausnahmen von der Ausnahme selbst könnten keinen vertretbaren Grund für eine generelle Ungleichbehandlung des allgemeinen Ausnahmetatbestandes abgeben.

Es liege außerdem ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel bzw. der Zumutbarkeit i. S. des Artikels 20 GG vor. Das LSG habe es unterlassen aufzuklären, in welchem Mißverhältnis die zu zahlenden Beiträge zu den zu erwartenden Versicherungsleistungen stünden. Es genüge nicht, nur darauf abzustellen, daß ausnahmsweise eine Versicherungsleistung an den Beigeladenen zu 2) möglich sei. Der unbeschränkten Beitragspflicht der Klägerin stehe eine minimale, in der Arbeitslosenversicherung sogar gar keine Leistungspflicht der Beklagten gegenüber. Sie erhalte für ihre Beiträge auch keine Entlastung von der ihr auferlegten Fürsorge für die Laskaren, wie es bei jedem anderen inländischen Arbeitgeber der Fall sei. Das der Sozialversicherung zugrunde liegende Prinzip des sozialen Ausgleichs könne das vorliegende generelle Mißverhältnis zwischen fehlendem sozialen Schutz und unbeschränkter Beitragspflicht nicht rechtfertigen.

Nachdem die Klägerin innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 SGG als Antrag nur angegeben hatte, daß das Urteil seinem ganzen Inhalt nach angefochten werde, hat sie später den Antrag gestellt,

das Verfahren auszusetzen und die Sache dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen,

hilfsweise,

das Teilurteil des LSG Bremen vom 12. November 1971 aufzuheben und das Urteil des SG Bremen vom 18. Februar 1969 wiederherzustellen.

Der Beigeladene zu 2) schließt sich diesem Antrag an.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verneint das Vorliegen einer Gesetzeslücke, da der Gesetzgeber sich ausdrücklich mit dem Problem der Versicherungspflicht ausländischer Besatzungsmitglieder befaßt habe. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor, weil die - in der Unfallversicherung durch das Übereinkommen Nr. 19 der Internationalen Arbeitsorganisation ohnehin gebotene- Gleichbehandlung der Laskaren mit den anderen der deutschen Sozialversicherung unterliegenden Arbeitnehmer nicht willkürlich sei. Nicht nur Laskaren, sondern auch andere deutsche und ausländische Versicherungsnehmer kämen nur selten in deutsche Häfen. Der Gesetzgeber dürfe generalisieren; er könne die Versicherungspflicht nicht von der mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeit abhängig machen, daß Versicherungsleistungen in Anspruch genommen würden. Daher verstoße die Sozialversicherung der Laskaren auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Beigeladene zu 1) verweist u. a. auf die große Gruppe der unkündbaren Angestellten, die alle voll beitragspflichtig seien, obwohl sie in aller Regel die Leistungen der Beigeladenen zu 1) nicht in Anspruch nähmen. Im übrigen nimmt sie auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug. Sie beantragt - wie die Beigeladenen zu 3) -

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Insbesondere hat sie den nach § 164 Abs. 2 SGG erforderlichen bestimmten Antrag innerhalb der Frist für die Einlegung der Revision (§ 164 Abs. 1 SGG) gestellt. Die in der Revisionsschrift gemachte Ausführung: "Das Urteil wird seinem ganzen Inhalt nach angefochten" ist als Antrag ausreichend (BSG in SozR Nr. 7 zu § 164 SGG).

Die Revision ist aber - im wesentlichen - unbegründet. Mit Recht hat LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, denn der Beigeladene zu 2) ist in der gesetzlichen Krankenversicherung, Unfallversicherung und grundsätzlich auch in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert (vgl. die aus dem Urteilstenor ersichtliche Einschränkung).

Das LSG durfte sich hierbei auf die Frage der Pflichtversicherung des Beigeladenen zu 2) beschränken, um die an sich notwendige Beiladung sämtlicher auf den Schiffen der Klägerin beschäftigten Laskaren zu vermeiden und die Frage der Versicherungspflicht dieser Arbeitnehmer i. S. eines Teilurteils (vgl. BSG 18, 190, 193) für den Beigeladenen zu 2) - durch Vollendurteil - zu entscheiden.

Der Beigeladene zu 2) ist ein "Chief Petty Officer", zu deutsch (Englisch-Deutsches Wörterbuch von Wildhagen, Bd. 1, 3 Aufl. S. 91, 449) ein "Haupt-Unter-Offizier". Feststellungen darüber, ob der Beigeladene zu 2) als Arbeiter anzusehen ist, oder ob er eine überwiegend leitende, beaufsichtigende oder büromäßige Tätigkeit oder eine verantwortliche Tätigkeit, die besondere Kenntnisse erfordert, ausübt, die ihn zum Angestellten gemäß § 165 b Abs. 1 Nr. 7 RVO machen würde (Peters, Handbuch der Krankenversicherung Teil II, Stand: November 1972, § 165 b Anm. 12), hat das LSG nicht getroffen; ebenso keine Feststellungen über die Höhe seines Verdienstes. Die Angabe des Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung, er sei "Angestellter", kann diese fehlenden Feststellungen nicht ersetzen.

Ist der Beigeladene zu 2) Arbeiter, wäre er gemäß §§ 165 Abs. 1 Nr. 1 (Arbeiter), 165 a Nr. 3 (Seeleute), 477 Nr. 1 RVO (Besatzungen deutscher Seefahrzeuge) Pflichtversicherter in der Krankenversicherung, nach § 539 Abs. 1 Nr. 1, § 835 RVO in der Unfallversicherung, in der Zeit vor dem 1. Juli 1969 nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG idF vom 24. Mai 1968 in der Arbeitslosenversicherung; ab 1. Juli 1969 würde er nach § 168 Abs. 1 des AFG vom 25. Juni 1969 beitragspflichtig sein. Wäre er Angestellter, dann beruhte seine Krankenversicherungspflicht auf §§ 165 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3, 165 b Abs. 1 Nr. 7, 477 Nr. 1 RVO, seine Unfallversicherungspflicht auf §§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 835 RVO. Arbeitslosenversicherungspflicht bzw. Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung würde grundsätzlich nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG bzw. § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gegeben sein. Allerdings ist ein Angestellter auf deutschen Seefahrzeugen nach § 65 a AVAVG in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei gewesen, wenn sein regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst den Grenzbetrag für die Angestelltenversicherungspflicht überstieg. Dies galt auch schon vor dem Inkrafttreten des UVNG (vgl. § 75 AVAVG idF vom 1. Juli 1956). Da Feststellungen dazu fehlen, konnte das angefochtene Urteil nur mit der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Einschränkung bestätigt werden.

Diese Versicherungspflicht besteht unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Beigeladenen zu 2); internationale Versicherungsabkommen, die anderes besagen, bestehen nicht. So werden auch nach § 477 Nr. 1 RVO die Besatzungen deutscher Seefahrzeuge krankenversichert; dies betrifft auch ausländische Seeleute (so sinngemäß auch Peters aaO § 163 RVO Anm. 5 vorletzter Absatz). Als deutsches Seefahrzeug gilt jedes Fahrzeug, das unter deutscher Flagge fährt und ausschließlich oder vorzugsweise zur Seefahrt genutzt wird (§ 163 Abs. 1 RVO). Die im Inland tätigen Personen sind ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit grundsätzlich der deutschen Sozialversicherung unterworfen (RVA GE Nr. 3710 in AN 1930, 187, 188; GE Nr. 3855 in AN 1930, 422; BSG 20, 69, 70; BSG in Breithaupt 1970, 122, 123). Zum Inland gehören auch Seeschiffe, die die Flagge der Bundesrepublik Deutschland führen; ein Schiff auf hoher See gilt nach völkerrechtlicher Auffassung als schwimmender Gebietsteil seines Heimatslandes (Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, 3. Aufl. Bd. I S. 319; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Bd. II, Stand: Juli 1972, § 835 Anm. 8); es wird als solches durch die Führung von dessen Handels- oder Nationalflagge legitimiert (Schaps-Abraham aaO). Da das Schiff die Flagge auch in fremden Häfen führt, muß naturgemäß die Legitimation auch in fremden Häfen gelten; auch dort gilt - entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht - das Schiff als schwimmender Gebietsteil seines Heimatlandes. Die Versicherung des Beigeladenen zu 2) nach deutschem Sozialversicherungsrecht wird nicht durch die Tatsache verhindert, daß er auch nach pakistanischem Recht gegen die Klägerin Anspruch auf Krankenfürsorge und bei Unfall auf Kompensationszahlung hat. Wie der 3. Senat in BSG 17, 173, 179 zu Recht im Falle der Beschäftigung von Deutschen im Ausland ausgeführt hat, bleibt es - wie immer auch die deutsche Regelung des Sozialversicherungsschutzes im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer gestaltet ist - der ausländischen Staatsgewalt unbenommen, die Frage des Versicherungsschutzes für die innerhalb ihres Herrschaftsbereichstätigen Arbeitskräfte unbehindert durch das fremde Recht zu regeln. Überschneiden sich in einem solchen Fall die beiden hoheitlichen Regelungen, so könne das allenfalls zu unerwünschten Doppelversicherungen führen. Ein Rechtssatz, daß die deutsche Sozialversicherung nicht bei einer Person zum Zuge komme, die bereits nach ausländischem Recht gesichert ist, existiert nicht (so mit Recht: LSG NRW in Meuer "Das Beitragsrecht der Sozialversicherung" A III S. 296 A 4 a 7; ebenso: LSG Berlin aaO S. 296 A 4 a 23).

Der erkennende Senat vermag der Ansicht der Klägerin auch nicht zu folgen, daß das Fehlen einer dem § 1231 Abs. 2 RVO entsprechenden Befreiungsvorschrift eine Gesetzeslücke darstelle. Eine Gesetzeslücke setzt immer voraus, daß der Schluß gerechtfertigt ist, der Gesetzgeber würde einen Fall, wenn er an ihn gedacht hätte, in einem bestimmten Sinne geregelt haben (BVerwG 11, 263, 264; Bachof in JZ 1962, 350, 352; Haueisen in "Sozialrecht und Sozialpolitik", Festschrift für K. Jantz, S. 193, 196 = DOK 1968, 66 ff; ähnlich BSG in Breithaupt 1965, 785, 786). Die Einbeziehung auch der Laskaren in die deutsche Sozialversicherungspflicht hat der Gesetzgeber aber nicht versehentlich, sondern bewußt vorgenommen, wie sich aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens ergibt.

Von der Krankenversicherungspflicht wurden die Laskaren anfangs durch die Verordnung über versicherungsfreie Dienstleistungen in der Seeschiffahrt vom 16. Dezember 1927 (RGBl I 343), wodurch die Bekanntmachung des Bundesrates betreffend die Befreiung vorübergehender Dienstleistungen von der Krankenversicherungspflicht vom 17. November 1913 (RGBl S 756) ergänzt wurde, befreit, Nunmehr lautete diese Bekanntmachung: "Versicherungsfrei bleiben ferner Dienstleistungen farbiger Seeleute auf deutschen Seeschiffen, bei der Küstenschiffahrt in asiatischen, australischen, ost- oder westafrikanischen Gewässern sowie in dem Verkehre zwischen Häfen in diesen Gewässern oder zwischen diesen und europäischen Häfen, in letzterem Verkehre jedoch nur, wenn es sich um den Dienst in den Kohlen- und Kesselräumen der Dampfschiffe handelt und bei der Anmusterung im Ausland zugleich die Rückfahrt ausbedungen ist." Die Verordnung vom 16. Dezember 1927 beruht auf § 168 RVO idF vom 15. Dezember 1924 (RGBl I 797), wo es hieß: "Die Reichsregierung bestimmt, wieweit vorübergehende Dienstleistungen versicherungsfrei bleiben". Die vorerwähnten Dienstleistungen wurden sonach als vorübergehend angesehen; auch das LSG spricht von einer Anheuerung der Laskaren für höchstens 18 Monate. Die Bekanntmachung vom 17. November 1913 wurde schließlich durch die Erste Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl I 41 ff), Teil IV Art. 25 Abs. 4 Nr. 1 außer Kraft gesetzt. Seit 1945 waren also die von der Klägerin beschäftigten Laskaren krankenversicherungspflichtig.

Durch den Eintritt der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung trat grundsätzlich auch die Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung ein. Denn nach § 69 Nr. 1 AVAVG idF des Gesetzes vom 13. Januar 1938 (RGBl I 33) - Stand vom 15. Mai 1941 - war für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert, wer als Arbeiter oder Angestellter auf Grund der RV) oder des Reichsknappschaftsgesetzes für den Fall der Krankheit pflichtversichert ist. § 69 Nr. 2 AVAVG kam für Seeleute nicht in Frage, da hiernach für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert war, wer als Angestellter aufgrund des Angestelltenversicherungsgesetzes pflichtversichert ist und der Pflicht zur Krankenversicherung nur deshalb nicht unterliegt, weil er die Verdienstgrenze der Krankenversicherung überschritten hat. Nach § 165 Abs. 2 RVO idF des Gesetzes vom 13. Januar 1938 galt für Seeleute schon damals keine Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung (RGBl 1938 I 33). § 69 Nr. 3 AVAVG (angestelltenversicherungspflichtige Angestellte in höherer oder leitender Stellung) dürfte im vorliegenden Fall kaum in Frage kommen und ist außerdem durch die Verordnung vom 17. März 1945 (Teil I Abschn. 4 Art. 8 Abs. 1) gestrichen worden. Somit wurden die von der Klägerin beschäftigten Laskaren durch die Aufhebung der Freiheit von der Krankenversicherungspflicht grundsätzlich auch arbeitslosenversicherungspflichtig, es sei denn, die Sonderbestimmung des damaligen § 75 AVAVG käme zum Zuge. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

In der Unfallversicherung war in dem Entwurf des UVNG 1963 (BT-Drucks. IV/120) vom 11. Januar 1962 ein § 543 RVO enthalten, wonach ausländische und staatenlose Besatzungsmitglieder deutscher Seefahrzeuge, die keinen Wohnsitz im Inland haben, auf Antrag des Reeders von der Versicherung befreit werden konnten, soweit nicht zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Übereinkommen entgegenstanden. In der umfangreichen Begründung zu § 543 UVNG (vgl. S. 53 aaO) wurde u. a. ausgeführt, daß mehrere deutsche Reedereien Ausländer auf deutschen Seefahrzeugen beschäftigten. Es handele sich hierbei hauptsächlich um Inder, Indonesier, Malaien und Eingeborene von Nigeria. Sie gingen in ausländischen Häfen an und von Bord und kämen nicht in das Gebiet der Bundesrepublik. Nur in wenigen Fällen erfolge eine Anmusterung durch die deutschen Musterungsbehörden. Im einzelnen seien die Verhältnisse außerordentlich unterschiedlich. So beschäftige die DDG "Hansa", Bremen (also die Klägerin), in letzter Zeit auf einem Schiff (zwei weitere Schiffe sollen folgen) Laskaren (indische Seeleute), die auf längere Zeit eingestellt und als Mannschaftsdienstgrade eingesetzt würden. Auch diese Laskaren kämen nicht in das Gebiet der Bundesrepublik. Die ausländischen Seeleute seien nach dem zur Zeit geltenden Recht in allen Zweigen der Sozialversicherung versichert. Da sie aber nicht in die Bundesrepublik kämen, erhielten sie im allgemeinen keine Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung. Sie würden daher im Regelfalle von dem Reeder im Rahmen seiner Fürsorgepflicht nach dem Seemannsgesetz auf dessen Kosten betreut. Daher empfehle es sich, diese Personen von der Versicherungspflicht zu befreien und damit auch die deutschen Reeder von der Beitragspflicht zur Unfallversicherung zu verschonen. In der 15. Sitzung des BT-Ausschusses für Sozialpolitik am 28. März 1962 wurde ein Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes erörtert, den § 543 des Entwurfs zu streichen. Es wurden Bedenken dagegen geäußert, in einer Zeit, in der man sich um die guten Beziehungen zu den Entwicklungsländern und um eine Erweiterung des internationalen Sozialrechts bemühe, den Sozialversicherungsschutz für Staatsangehörige von Entwicklungsländern gegenüber dem jetzigen Stand zu verschlechtern (S. 37 aaO). Verlangten ausländische Seeleute auch bis jetzt keine Versicherungsleistungen, solle man doch in einem Gesetz, das auf Jahre hinaus gelten solle, nicht festlegen, daß sie auch künftig keine Ansprüche hätten (S. 38 aaO). Es seien auch längere Beschäftigungsverhältnisse mit indischen Seeleuten denkbar (S. 39 aaO). In der 27. Sitzung des Ausschusses am 25. Oktober 1962 wurde der Antrag, § 543 des Entwurfs zu streichen, einstimmig angenommen (S. 15). Im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik zu dem Entwurf des UVNG vom 25. Januar 1963 (BT-Drucks. IV/938 neu) wurde die Streichung des § 543 empfohlen (S. 44 aaO). Da der Anwendungsbereich der Vorschrift mit dem Abschluß weiterer Sozialversicherungsabkommen kleiner geworden sei und noch werde, erscheine es dem Ausschuß nicht mehr vertretbar, für einen sehr kleinen Personenkreis dem Reeder als Unternehmer eine gesetzliche Sonderstellung einzuräumen. In der 2. und 3. Lesung des UVNG am 6. März 1963 wurde nochmals von einigen Abgeordneten die Wiederherstellung des § 543 UVNG beantragt, in der Plenarsitzung aber nicht begründet und mit großer Mehrheit im Bundestag abgelehnt (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 4. Wahlperiode S. 2821 A und B). Aus diesen gesetzgeberischen Vorgängen ist ersichtlich, daß von einer Gesetzeslücke nicht die Rede sein kann.

Die Beschäftigung ausländischer Seeleute auf deutschen Schiffen von Seeleuten, die nur selten nach Deutschland kommen, war seit Ende des vorigen Jahrhunderts üblich, und seit 1893 hat der Gesetzgeber diesen Sachverhalt in seine Überlegungen einbezogen. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht hatte er bereits in der Bekanntmachung betr. die Befreiung vorübergehender Dienstleistungen von der Invaliditäts- und Altersversicherung vom 24. Januar 1893 (RGBl S. 5) und in der Bekanntmachung betr. die Befreiung vorübergehender Dienstleistungen von der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 des Invalidenversicherungsgesetzes vom 27. Dezember 1899 (RGBl S. 725) vorgenommen. Auch die spätere, oben angeführte Bekanntmachung des Bundesrates vom 17. November 1913, die Verordnung vom 16. Dezember 1927 beweisen, daß die Frage der Kranken- und damit der Arbeitslosenversicherungspflicht dieser ausländischen Seeleute ein den maßgebenden Stellen geläufiges Problem war. Wenn dann im Dritten Reich (am 17. März 1945) die Versicherungsfreiheit dieser ausländischen Seeleute bewußt durch Aufhebung der Bekanntmachung vom 17. November 1913 beseitigt wurde und der Gesetzgeber in der folgenden Zeit eine Wiederherstellung der Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung nicht für notwendig erachtete, dann kann nicht davon die Rede sein, daß der Gesetzgeber an das Problem ausländischer Seeleute, die kaum nach Deutschland kommen, nicht gedacht hätte. Das vorliegende, ihm bekannte Problem war ihm somit bewußt; er hat es lediglich in einem für die Klägerin ungünstigen Sinne geregelt.

Noch deutlicher ist das Bild hinsichtlich der Unfallversicherungspflicht. Die Frage, ob ausländische Seeleute unversichert bleiben sollten, war Gegenstand ausführlicher schriftlicher Erörterungen im Entwurf des UVNG vom 11. Januar 1962; es war, wie bereits dargelegt, eine Sondervorschrift (§ 543) vorgesehen. Den Verfassern des Gesetzentwurfs war bekannt, daß ausländische Seeleute nach den §§ 42 ff des Seemannsgesetzes vom 26. Juli 1957 während ihres Aufenthalts an Bord oder außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes im Falle einer Erkrankung oder Verletzung auf Kosten des Reeders betreut werden, im allgemeinen aber keine Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung erhielten, da sie nicht in das Bundesgebiet kämen. So wurde sogar die Klägerin selbst und die von ihr beschäftigten Laskaren ausdrücklich erwähnt. Dieser Gesetzentwurf nebst schriftlicher Begründung lag dem Plenum des Bundestages bei der ersten Lesung am 18. Januar 1962 vor und wurde von diesem an den Ausschuß für Sozialpolitik zur Weiterberatung überwiesen (vgl. S. 257 D). Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war dem Ausschuß bekannt, daß die deutschen Reeder Beiträge zur Unfallversicherung zahlen mußten, obwohl die Leistungen von den ausländischen Seeleuten kaum in Anspruch genommen wurden. Andererseits hatte der Ausschuß nicht nur die von der Klägerin beschäftigten Laskaren zu berücksichtigen, für die die Klägerin im Unglücksfalle Kompensationszahlungen leisten muß, sondern sie mußte auch die Lage anderer Seeleute, wie sonstiger Inder, Indonesier, Malayen, Nigerianer, berücksichtigen, für die nicht in jedem Fall eine heimatliche soziale Sicherung zu existieren brauchte. Der BT-Ausschuß hat es außerdem nicht für ausgeschlossen gehalten, daß Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung doch einmal in Anspruch genommen werden könnten; ferner wollte er aus außenpolitischen Gründen den Verdacht der Diskriminierung vermeiden. Dies sind wohlbegründete Überlegungen, die die getroffene Regelung hinreichend erklären und jedenfalls das Vorliegen einer Lücke als ausgeschlossen erscheinen lassen; von einer oberflächlichen Sachbehandlung, wie die Klägerin behauptet, kann nicht die Rede sein. Es trifft zwar zu, daß im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der sozialen Krankenversicherung (KVNG) vom 15. Dezember 1958 (§ 365 Abs. 4) bzw. im KVNG-Ehtwurf vom 14. Januar 1960 (BT-Drucks. III/1540 - § 362 Abs. 4) für den Reeder ein Erstattungsanspruch vorgesehen war, falls er für ein außerhalb des Geltungsbereichs des GG erkranktes Besatzungsmitglied Krankenfürsorge gewährte. Aus den gesetzgeberischen Unterlagen für das UVNG ist aber nicht zu entnehmen, daß der im KVNG-Entwurf vorgesehene Erstattungsanspruch bei den Beratungen zu dem UVNG irgendeine Rolle gespielt hätte. Im übrigen ist der KVNG-Entwurf nie Gesetz geworden. Ob bei einer Reform des Krankenversicherungsrechts eine ähnliche Bestimmung wie der § 365 Abs. 4 bzw. § 362 Abs. 4 KVNG-Entwurf in das neue Krankenversicherungsrecht eingefügt werden würde, ist zumindest zweifelhaft. Denn in den letzten Jahren war, wie z. B. die Einführung des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969 beweist, eine zunehmende Tendenz festzustellen, den Arbeitgeber mehr zu belasten, so daß es fraglich ist, ob die Erbringung von Krankenfürsorge nach arbeitsrechtlichen Vorschriften wie des § 42 des Seemannsgesetzes, heute noch für den Gesetzgeber Anlaß wäre, dem Arbeitgeber einen besonderen Erstattungsanspruch für Reeder einzuräumen. Der Versuch der Klägerin, das Vorliegen einer Gesetzeslücke mit der ausgebliebenen Krankenversicherungsreform zu begründen, vermag daher den erkennenden Senat nicht zu überzeugen.

Aus den gesetzesvorbereitenden Unterlagen zum UVNG ist nicht zu entnehmen, von welcher genauen Anzahl von ausländischen Seeleuten der Bundestag oder sein sozialpolitischer Ausschuß ausgegangen sind. Es ergibt sich aber hinreichend deutlich aus der Gesetzesvorgeschichte, daß die neue Regelung unabhängig von der genauen Zahl der betroffenen Seeleute gelten sollte. Die Zahl der Internationalen Sozialversicherungsabkommen nimmt erfahrungsgemäß zu; insofern ist die Annahme des BT-Ausschusses für Sozialpolitik in seiner Begründung vom 25. Januar 1963, daß der betroffene Personenkreis durch weitere Sozialversicherungsabkommen immer kleiner werde, begründet. Die Klägerin übersieht, daß der Ausschuß, wie aus der schriftlichen Begründung zu dem UVNG-Entwurf (BT-Drucks. IV/120) zu entnehmen ist, sich nicht nur mit den Laskaren zu befassen hatte. Insofern geht ihr Vorwurf, der Ausschuß habe die Laskaren übersehen, da ein Sozialversicherungsabkommen sich auf sie nicht erstrecke, ins Leere. Da die Klägerin selbst davon spricht, daß es sich in ihrem Falle um 800, heute um über 1000 Laskaren handele, kann die Begründung des BT-Ausschusses vom 25. Januar 1963 nicht beanstandet werden, daß es nämlich nicht vertretbar erscheine, den Unternehmern wegen eines - verhältnismäßig - so kleinen Personenkreises eine gesetzliche Sonderstellung einzuräumen. Im übrigen könnte selbst ein Fehler in den Überlegungen des Gesetzgebers oder gar ein Fehler im Gesetz selbst nicht als Lücke gewertet werden. Wie das Reichsgericht in RGZ 121, 169, 172 zu Recht ausgeführt hat, ist auch das etwa für fehlerhaft zu erachtende Gesetz als solches verbindlich.

Die Heranziehung der Klägerin zur Beitragsleistung für die von ihr beschäftigten Laskaren verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist nicht ein Vorlageverfahren gemäß § 13 Nr. 11 BVerfGG idF vom 3. Februar 1971; daher kann allein das Fehlen einer dem Anliegen der Klägerin Rechnung tragenden besonderen Vorschrift verfassungsrechtliche Einwände noch nicht unzulässig machen. Demgemäß hat auch das Bundessozialgericht in BSG 15, 1 ff geprüft, ob eine Versorgungsverwaltung bei Ausübung des Ermessens gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstoßen hatte. Die Klägerin kann sich demnach zwar durch die Fassung der §§ 165 Abs. 1, 539 Abs. 1 RVO, § 56 Abs. 1 AVAVG, § 168 Abs. 1 AFG und durch Anwendung dieser Vorschriften auf die von ihr beschäftigten Laskaren beschwert fühlen.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist aber nicht gegeben. Art. 3 GG enthält das Gebot, weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Von einer Willkür des Gesetzgebers kann nicht gesprochen werden, wenn er im Rahmen seines freien Ermessens unter mehreren Lösungen im konkreten Fall nicht die nach Ansicht eines Beteiligten "zweckmäßigste", "vernünftigste" oder "gerechteste" gewählt hat. Willkür liegt vielmehr nur dann vor, wenn ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung sich nicht finden läßt, diese sich vielmehr objektiv im Hinblick auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand als tatsächlich und eindeutig unangemessen erweist (BVerfG 3, 58, 135; 4, 18 ff; 4, 144, 155; 6, 201, 206). Bei der Heranziehung zur Beitragsleistung ist außerdem zu beachten, daß normalerweise bei jeder gesetzgeberischen Regelung generalisiert werden muß. Darüber hinaus sind gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende Regelungen grundsätzlich notwendig und verfassungsrechtlich zulässig (BVerfG 9, 20, 31, 32; 17, 1, 23). Zu solchen Massenerscheinungen gehört insbesondere der Beitragseinzug in der Sozialversicherung. Wie oben bereits ausgeführt, unterliegen auch ausländische Arbeitnehmer, die im territorialen Bereich der Bundesrepublik Deutschland arbeiten - dazu gehören auch deutsche Seeschiffe - grundsätzlich der deutschen Sozialversicherung. Angesichts dieser generellen Regelung konnte es dem Gesetzgeber nicht angäng erscheinen, auf Einzelfälle besondere Rücksicht zu nehmen; die Klägerin kann unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Grundsätze nicht verlangen, daß nur wegen der bei ihr beschäftigten ca. 1000 Laskaren eine Sondervorschrift in die RVO eingeführt wird.

Die Versicherungspflicht kann auch nicht grundsätzlich deshalb entfallen, weil nur ein Teil der Leistungen der Sozialversicherung für die Laskaren in Frage kommt; sie muß sich an typischen generellen Sachverhalten orientieren. Es trifft zwar zu, daß Ansprüche auf Krankenhilfe praktisch ruhen, wenn der Seemann sich im Ausland aufhält (§ 480 Abs. 1 RVO; Peters, aaO § 480 RVO Anm. 2 a); seine Ansprüche auf Familienhilfe und Sterbegeld bleiben aber bestehen (§ 482 RVO; Peters aaO Anm. 2 b zu § 480 RVO). Der ausländische Seemann hat ferner zwar gemäß § 847 RVO so lange keinen Anspruch auf Geldleistungen aus der Unfallversicherung, solange der Reeder Krankenfürsorge nach dem Seemannsgesetz erbringen muß; kommt er aber dieser Verpflichtung nicht nach, so gewährt u. U. die Beklagte diese Leistungen. Im übrigen könnte nach Ende der Krankenbehandlungsbedürftigkeit auch ein verunglückter Laskare Unfallrente erhalten, wenn er sich in der BRD aufhält (§ 625 Abs. 1 Nr. 1) oder wenn eine Rechtsverordnung nach § 626 RVO ergangen ist. Es mag sein, daß bis jetzt die Laskaren Versicherungsleistungen nicht in Anspruch genommen haben; dies kann sich aber, wie der Ausschuß für Sozialpolitik in seiner Sitzung vom 28. März 1962 mit Recht ausgeführt hat, in der Zukunft ändern. Es kommt hinzu, daß auch für deutsche Arbeitnehmer die Versicherungsleistungen mitunter sehr verschieden ausfallen, ohne daß bei der Beitragszahlung ein Unterschied gemacht wird. Insoweit hat die Beigeladene zu 1) darauf hingewiesen, daß die große Gruppe der unkündbaren Angestellten trotz voller Beitragspflicht in aller Regel keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten können. Ebenso hat z. B. der alleinstehende, männliche deutsche Versicherte weder Anspruch auf Mutterschaftshilfe noch auf Familienhilfe. Schon diese Beispiele zeigen, daß die Klägerin nicht verlangen kann, daß nur wegen der Tatsache, daß keine bzw. keine volle Leistungspflicht der Versicherungsträger besteht, die von ihr beschäftigten Laskaren von der Versicherungspflicht ausgenommen werden. Einer näheren Sachaufklärung seitens des LSG über das Verhältnis der Beitragsleistung zu den Leistungen der Versicherungsträger hat es daher nicht bedurft.

Auch ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. Der in dieser Bestimmung enthaltene Rechtsstaatsgedanke umfaßt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Mittels. Das gewählte Mittel und der gewollte Zweck müssen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen (BVerfG 10, 89, 117). Eine solche Unverhältnismäßigkeit liegt nicht vor, insbesondere nicht im Hinblick auf die von der Klägerin bereits nach arbeitsrechtlichen Vorschriften zu erbringenden Leistungen. Wie alle Reeder muß auch die Klägerin nach den §§ 42 ff Seemannsgesetz Krankenfürsorge leisten. Diese Verpflichtung ist nichts Neues. Eine Krankenfürsorgepflicht für den Reeder war schon in §§ 48, 49 der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 (RGBl S. 409) bestimmt. Diese Vorschrift bringt somit eine für den Reeder vorgegebene Last, die mit seiner Tätigkeit typischerweise zusammenhängt, und die ihm in aller Regel bekannt sein wird, bevor er seine Tätigkeit aufnimmt. Krankenfürsorgepflichten haben auch andere Arbeitgeber, die nicht Reeder sind, z. B. gemäß § 617 Bürgerliches Gesetzbuch bei Aufnahme des Arbeitnehmers in die häusliche Gemeinschaft. Außerdem vermindert sich durch die Krankenfürsorgepflicht des Reeders die Belastung der See-Krankenkasse und damit letztlich auch die von der Klägerin zu tragende Beitragslast. Auch daß die Klägerin nach pakistanischem Recht Kompensationsbeträge bezahlen muß, ist eine Last, der sie nun einmal unterworfen ist, weil sie - wozu sie der deutsche Gesetzgeber nicht zwingt - pakistanische Seeleute beschäftigt. Das gleiche gilt für die fehlende Möglichkeit, Beitragsanteile von der Heuer der Laskaren abzuziehen. Ob bzw. inwieweit die Klägerin auf die nach pakistanischem Recht zu zahlenden Kompensationsbeträge (künftige) Leistungen aus der deutschen Sozial- bzw. Unfallversicherung anrechnen bzw. den Versicherten auf letztere verweisen kann, war im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht zu entscheiden. Das gleiche gilt für die Frage, ob und inwieweit der Klägerin für die erbrachte Krankenfürsorge ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 222 RVO zusteht.

Über die Höhe der Beitragsforderung war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden; deshalb war auch nicht zu erörtern, ob es dem pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten entspricht, insbesondere in der Unfallversicherung bei der Beitragsgestaltung (Gefahrtarife) auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles gebührend Rücksicht zu nehmen.

Die Revision konnte nach alledem nur mit der aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringfügigen Einschränkung, d. h. im wesentlichen keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 276

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