Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1963 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 3. Mai 1961 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen, soweit es sich um die Gewährung der Bergmannsrente handelt.

Im übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der im April 1906 geborene Kläger leistete von 1920 bis 1945 241 Pflichtbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung, davon 200 als Lehrhauer, Hauer und Fahrhauer. Danach betätigte er sich als selbständiger Fuhrunternehmer und entrichtete von 1946 bis 1956 weitere 72 freiwillige Monatsbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung.

Im April 1957 beantragte er die Gewährung von Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit, hilfsweise wegen Vollendung des 50. Lebensjahres (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Reichsknappschaftsgesetzes – RKG –). Der Hauptantrag wurde unangefochten abgelehnt. Auf den Hilfsantrag hin zahlte die Beklagte gemäß ihrer Verfügung vom 14. Februar 1958 dem Kläger Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 3.100,– DM. Sie lehnte jedoch mitBescheid vom 27. Oktober 1959 die Gewährung der Bergmannsrente auch nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG ab, da der Kläger die Wartezeit nach § 49 Abs. 2 RKG nicht erfüllt habe, weil freiwillige Beitragsleistungen nicht auf sie angerechnet werden könnten; gleichzeitig forderte sie die bereits geleisteten Abschläge in voller Höhe vom Kläger zurück.

Auf die Klage hin verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte, dem Kläger ab Antragstellung Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG zu gewähren. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) war der Ansicht, daß der Kläger sämtliche Voraussetzungen der §§ 45 Abs. 1 Nr. 2 und 49 Abs. 2 RKG im Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt habe. In die Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten gemäß § 49 Abs. 2 RKG seien auch alle Zeiten einer freiwilligen Versicherung in der knappschaftlichen Rentenversicherung miteinzubeziehen. In § 50 Abs. 2 RKG werde der Begriff „Versicherungszeit” vom Gesetzgeber eindeutig definiert. Aus ihm ergebe sich, daß zu den anrechnungsfähigen Versicherungszeiten jene Zeiten zählten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung (Pensionsversicherung) Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung wirksam entrichtet worden oder die nach § 51 RKG als Ersatzzeiten auf die Wartezeit anzurechnen seien. Eine Unterscheidung zwischen Beiträgen der Pflichtversicherung und Zeiten der freiwilligen Versicherung werde in § 50 Abs. 2 RKG vom Gesetzgeber ebensowenig getroffen wie eine solche, ob freiwillige Beiträge während gleichzeitiger Beschäftigung in knappschaftlichen Betrieben erbracht wurden oder nicht. Es lasse sich kein Anhaltspunkt dafür erkennen, daß diese Definition des Begriffs „Versicherungszeit” in § 50 Abs. 2 nicht auch für § 49 RKG gelten solle.

Auch die Tatsache, daß nach dem Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz (KnVNG) eine freiwillige Versicherung in der knappschaftlichen Rentenversicherung ohne gleichzeitige knappschaftliche Tätigkeit zukünftig unmöglich sei (§ 33 RKG), ändere nichts an dieser Auslegung des § 49 Abs. 2 RKG. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) zu der in gewisser Weise hier vergleichbaren Alterspension des § 37 RKG aF könne auf das jetzt geltende Recht nicht übertragen werden. Revision wurde zugelassen.

Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Revision ein. Sie rügt die Verletzung des § 49 Abs. 2 RKG: Freiwillige Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung könnten auf die für die Erfüllung der besonderen Wartezeit des § 49 Abs. 2 RKG erforderliche Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten nur dann angerechnet werden, wenn sie während einer gleichzeitigen Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb entrichtet worden seien. Diese Auslegung ergebe sich aus dem im KnVNG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, zumindest aber aus dessen Überlegungen bei der Schaffung der bergmännischen Sonderleistung nach § 45 Abs. 1 und 2 RKG, ferner aus der noch heute zu beachtenden ständigen Rechtsprechung des RVA (GE 3613, AN 1930, 34; GE 5303, AN 1939, 277; ge 3361, AN 1929, 79) zu § 36 bzw. § 37 RKG aF. Bei der Auslegung gesetzlicher Vorschriften sei der in ihnen zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend (BSG 6, 252 f). Sinn und Zweck des gesamten Gesetzes stünden höher als der Wortlaut eines einzelnen Satzes einer Vorschrift. Ferner müsse die Auslegung des Gesetzes seinem Zweck und seiner Systematik entsprechen. Hiernach sowie unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Bergmannsrente stünde fest, daß nur der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG beziehen solle, der mindestens 25 Jahre in einem kappschaftlichen Betrieb gearbeitet habe, davon 15 Jahre als Hauer oder in gleichgestellten Arbeiten. Dies müsse daher für die Auslegung des § 49 Abs. 2 RKG maßgebend sein.

Im übrigen habe bereits schon das RVA für seine Auslegung des § 26 bzw. § 37 RKG aF auf den höher zu bewertenden Sinn und Zweck des RKG zurückgreifen müssen.

Der Kläger habe also nur 241 Monate im Sinne von § 49 Abs. 2 RKG der knappschaftlichen Rentenversicherung angehört. Deshalb stünde ihm Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG nicht zu, und sei er verpflichtet, die empfangenen Beträge zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt,

  • die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1963 sowie des SG Gelsenkirchen vom 3. Mai 1961 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
  • hilfsweise,

    die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig und begründet.

Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger im April 1957 den Antrag auf Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG) gestellt. Nach § 82 Abs. 5 RKG ist bei dieser Rentenart der Rentenantrag Voraussetzung für die Rentengewährung im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 RKG und damit auch für ihren Beginn. Mithin konnte der Versicherungsfall des Klägers frühestens im Zeitpunkt der Antragstellung eintreten, auch wenn er bereits im April 1956 das 50. Lebensjahr vollendet hatte. Auf seinen Rechtsstreit ist somit ausschließlich das ab 1. Januar 1957 geltende neue Recht des RKG in der Fassung des KnVNG vom 21. Mai 1957 (BSG 14, 211) anzuwenden.

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG erhält der versicherte Bergmann Rente, der das 50. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach § 49 Abs. 2 RKG erfüllt hat. Die in § 49 Abs. 2 RKG geforderte Wartezeit ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift erfüllt, wenn eine Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten zurückgelegt ist und während dieser Zeit mindestens 180 Kalendermonate Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet worden sind.

Unstreitig zwischen den Parteien und nach den das Bundessozialgericht (BSG) bindenden Feststellungen des LSG ist, daß der Kläger bereits vor Antragstellung das 50. Lebensjahr vollendet hatte, bei der Beklagten versichert war, mehr als 180, nämlich 200 Monate als Hauer unter Tage gearbeitet, neben diesen Beitragsmonaten 41 weitere Monate Pflichtbeiträge und von 1946 bis 1956 als Selbständiger seinem Einkommen entsprechend 72 freiwillige Monatsbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung geleistet hat. Die Gesamtzahl seiner Monatsbeiträge beträgt also 313, davon 241 Pflichtbeiträge.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob auch die freiwilligen Beiträge des Klägers bei den geforderten 300 Monatsbeiträgen zu berücksichtigen sind. Dies ist entgegen der Auffassung des LSG zu verneinen. Denn es können nur die freiwilligen Beiträge gezählt werden, die er Versicherte während einer Beschäftigung in knappschaftlichen Betrieben entrichtet hat.

Grundsätzlich werden nach § 50 Abs. 1 RKG auf die Wartezeit für die knappschaftlichen Renten die ab 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet, wobei anrechnungsfähige knappschaftliche Versicherungszeiten die Zeiten sind, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung (Pensionsversicherung) Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung wirksam entrichtet worden sind. Dies gilt jedoch für die Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG) nicht uneingeschränkt. Es ergibt sich vielmehr aus der bisherigen Entwicklung dieser Rentenart, daß der Gesetzgeber nicht jede Art freiwilliger Beiträge auf die Wartezeit von 300 Monaten anrechenbar sein lassen wollte. Bei der durch das Gesetz vom 23. Juni 1923 (RGBl I 431) geschaffenen Alterspension war nach § 26 Voraussetzung die Zurücklegung von 25 Dienstjahren. Darunter waren nach der Rechtsprechung des RVA Pensionskassenmitgliedsjahre zu verstehen. Da es damals keine freiwillige Versicherung gab, war mithin Voraussetzung für die Alterspension, daß der Betreffende 25 Jahre in knappschaftlich versicherten Betrieben gearbeitet hatte und Pflichtmitglied gewesen war.

Durch § 36 des Gesetzes vom 25. Juni 1926 (RGBl I 291) ist darin keine Änderung eingetreten. Es wurde nach dieser Vorschrift Berufsunfähigkeit auf Antrag auch dann als vorhanden angesehen, wenn der Antragsteller das 50. Lebensjahr vollendet, 300 Beitragsmonate zurückgelegt, während dieser Zeit mindestens 180 Beitragsmonate wesentlich bergmännische Arbeiten verrichtet hatte und keine gleichwertige Lohnarbeit mehr ausüben konnte (Alterspension). In § 37 aaO, der § 36 aaO ergänzt, war aber ausdrücklich bestimmt, daß nur in knappschaftlichen Betrieben zurückgelegte Beitragsmonate zu berücksichtigen sind. Das mußte dann aber auch für § 36 aaO gelten. Wenn auch § 37 aaO später entfallen ist, blieb doch, daß § 36 aaO mit diesem Zusatz zu verstehen war. Das RVA hat in seiner grundsätzlichen Entscheidung Nr. 3613 vom 10. Oktober 1929 (AN 1930, 34) unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte ausgeführt, daß in dem Entwurf des Gesetzes eine freiwillige Versicherung ursprünglich nicht vorgesehen, sondern erst später eingeführt worden sei und daß bei der Beratung der freiwilligen Weiterversicherung im Reichstag niemals davon die Rede gewesen sei, daß die freiwilligen Beitragsmonate auch als geeignet zur Erlangung der Alterspension angesehen werden sollten. Diese Auffassung hat das RVA in der grundsätzlichen Entscheidung Nr. 5303 vom 17. März 1939 (AN 1939, 277) aufrecht erhalten und weiter ausgesprochen, daß die Wartezeit nur durch solche freiwilligen Beiträge erfüllt werden könne, die während einer gleichzeitigen Beschäftigung in knappschaftlichen Betrieben entrichtet worden seien. Es hat hier zur Begründung ausgeführt, auch die Alterspension sei eine Pension wegen Berufsunfähigkeit, sie unterscheide sich von der Invalidenpension nur dadurch, daß bei ihr die Berufsunfähigkeit nicht im einzelnen Fall nachzuweisen sei, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung unter Ausschluß des Gegenbeweises vermutet werde. Die Auslegung einer derartigen Vorschrift habe davon auszugehen, daß die gesetzliche Vermutung zu der Erfahrung des Lebens nicht im Widerspruch stehen dürfe. Dies wäre aber der Fall, wenn die erforderliche Mindestzahl von 300 Beitragsmonaten nicht zugleich einer 25-jährigen Dienstzeit in knappschaftlichen Betrieben entsprechen würde. Denn nur hieran könne sich die Vermutung der Berufsunfähigkeit im Sinne der besonderen knappschaftlichen Versicherung knüpfen.

Durch § 9 der Verordnung vom 4. Oktober 1942 (RGBl I 569) über die Neuregelung der Rentenversicherung im Bergbau ist anstelle der Alterspension der Knappschaftssold eingeführt worden. Diesen erhielt auf Antrag der Versicherte, der das 50. Lebensjahr vollendet, 300 Beitragsmonate zurückgelegt, während dieser Zeit mindestens 180 Beitragsmonate wesentlich bergmännische Arbeiten verrichtet hatte und die Anwartschaft erhalten hatte. Auch bei dieser Leistung wurden mit Recht wie bisher freiwillige Beiträge nur angerechnet, wenn sie für eine Beschäftigungszeit in knappschaftlichen Betrieben entrichtet worden wären.

Es sprechen nun keine stichhaltigen Gründe dafür, daß der Gesetzgeber bei der Einführung der Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres durch das Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 21. Mai 1957 (BGBl I 533) diese ihm bekannte auf der bisherigen Rechtsprechung beruhende Handhabung aufgeben wollte und jede Art von freiwilligen Beiträgen für die Erfüllung der Wartezeit angerechnet wissen wollte. Weder aus der amtlichen Begründung noch aus den Beratungen im Bundestag, insbesondere auch nicht aus den Ausführungen des Abgeordneten Scheppmann bei der Erörterung der Änderungen im Bundestag (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode Seite 11 553) kann entnommen werden, insoweit eine Änderung des bisherigen Zustandes vom Gesetzgeber gewollt war.

Weil somit die von dem Kläger als Selbständigen geleisteten freiwilligen Beiträge nicht für die Erfüllung der Wartezeit von 300 Beitragsmonaten angerechnet werden können, besteht kein Anspruch auf Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres. Die Klage muß insoweit abgewiesen werden. Dagegen ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif, so weit es sich um die Rückzahlung der gewährten Vorschüsse handelt.

Auch im Sozialversicherungsrecht gilt der allgemeine Grundsatz, daß zuviel oder insgesamt zu Unrecht erhaltene Beträge grundsätzlich vom Empfänger zurückzuzahlen sind. Dies beweisen u. a. die §§ 223 Abs. 2, 622, 1299, 1301, 1312 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung, § 78 der Angestelltenversicherung und §§ 90, 93 Abs. 2, 103 Abs. 5 RKG. Diese Ansicht wurde vom BSG bereits in einer Entscheidung vom 30. April 1956 (BSG 3, 57, 59) anerkannt und späteren Entscheidungen zugrunde gelegt (vgl. u. a. BSG 18, 148; 12, 65, 268).

Der Kläger hätte die Vorschußleistungen nur dann nicht zu Unrecht erhalten, wenn sie ihm durch einen im Sinne von § 77 SGG bindend gewordenen Bescheid der Beklagten gewährt worden wären (vgl. BSG 20, 223, 225 und die dort angegebene Literatur). Dies ist jedoch nicht der Fall. Über den Anspruch der Rentenleistungen muß und kann mit im Sinne von § 77 SGG bindender Wirkung nur durch einen förmlichen Feststellungsbescheid entschieden werden, der bestimmten Anforderungen zu entsprechen hat. Dies ergibt sich für das Gebiet der knappschaftlichen Rentenversicherung aus § 198 RKG, für das Gebiet der Arbeiterrentenversicherung aus § 1631 der Reichsversicherungsordnung, die zwar nicht wortgleich, aber inhaltsgleich sind (vgl. u. a. BSG 12, 204, 206; 13, 83, 85). Ein förmlicher Rentenfeststellungsbescheid nach § 198 RKG muß – wie der Gesetzgeber zwingend vorschreibt – eine gültige Rechtsmittelbelehrung enthalten, außerdem im Falle der Anerkennung eine genaue Berechnung der Rente hinsichtlich Art und Höhe und im Falle der Ablehung eine verständliche Begründung. Das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung und – oder das Fehlen der Berechnung oder eines anliegenden Berechnungsbogens lassen stets darauf schließen und begründen die Vermutung, daß es sich bei dem betreffenden Bescheid oder Schreiben nicht um einen förmlichen Rentenfeststellungsbescheid handelt (vgl. BSG 12, 204; 13, 83, 85). Bloße Mitteilungen über die Gewährung von Rentenvorschüssen oder Abschlageszahlungen erfüllen deshalb im allgemeinen die von einem förmlichen Rentenfeststellungsbescheid geforderten Voraussetzungen nicht.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 14. Februar 1958 an den Kläger, daß dieses Schreiben keinen Feststellungsbescheid darstellt, der den Ansprüchen des § 198 RKG genügen könnte. Im Gegenteil, in ihm wird ausdrücklich gesagt, daß die Rentenfeststellung aus Zeitmangel – anläßlich der Umstellung sämtlicher Renten nach dem KnVNG – noch nicht erfolgen könne und etwaige Mahnungen deshalb zwecklos seien. Berechnungen oder eine Rechtsmittelbelehrung wurden daher überhaupt nicht beigefügt. Ebenso läßt sich aus dem Schreiben kein Anerkenntnis hinsichtlich der Bergmannsrente dem Grunde nach herauslesen, weil hierfür jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Eine Bindung der Beklagten gemäß § 77 SGG durch ihr Schreiben konnte somit weder hinsichtlich der gewährten Vorschüsse noch hinsichtlich der Rente überhaupt eintreten.

Werden Vorschüsse auf Renten gewährt, so entsteht hierdurch zwischen den Beteiligten ein öffentlich-rechtliches Verhältnis eigener Art (BSG 18, 151). Es bedeutet, auch wenn dies in der Mitteilung nicht ausdrücklich gesagt ist, daß der Vorschuß nur unter Widerrufsvorbehalt geleistet werde und für den Empfänger hierdurch die Rechtspflicht entsteht, sie bei der endgültigen Rentenfeststellung gegebenenfalls zurückzuzahlen, entweder im Wege gegenseitiger Aufrechnung oder Verrechnung oder bei endgültiger Ablehnung der Rente durch volle Rückzahlung (vgl. BSG 18 aaO; 12, 265, 268; 7, 226, 228). Auch wenn diese Urteile nur zuviel gezahlte Vorschüsse betreffen, so muß dieser Grundsatz auch dann gelten, wenn Vorschüsse erbracht worden sind, die sich nachher in vollem Umfange als nicht gerechtfertigt herausstellen. Die Rückzahlungs- und Ausgleichspflicht liegt also bereits im Begriff des Rentenvorschusses begründet.

Der Empfänger solcher Vorschüsse kann sich hinsichtlich seiner demnach bestehenden Rückzahlungspflicht weder auf Treu und Glauben noch auf den Wegfall der Bereicherung berufen (vgl. u. a. BSG aaO und S. 152; 3, 57, 59). Lediglich bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände haben es der 1. und 11. Senat als unzulässige Rechtsausübung des Versicherungsträgers angesehen, wenn dieser Rentenvorschüsse nach der endgültigen Feststellung zurückforderte (BSG 18, 148, 152; 7, 226, 229), dann nämlich, wenn der Versicherungsträger die endgültige Feststellung ungebührlich lange hinauszögerte und die Rentenvorschüsse übermäßig lange Zeit wie endgültige Leistungen gewährt hatte (Festsetzung nach über 2 1/2 Jahren ohne besonderen Grund bei Erhöhung der Vorschüsse). Es fehlen im vorliegenden Fall jedoch die erforderlichen Feststellungen, um beurteilen zu können, ob bei den besonderen Verhältnissen des vorliegenden Falles nach den genannten Grundsätzen eine Rückforderung der Vorschüsse überhaupt gerechtfertigt ist.

Darüber hinaus ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, in jedem Falle zu Unrecht gewährte Leistungen zurückzufordern. Vielmehr bestimmt § 93 Abs. 3 RKG, daß der Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung Leistungen nicht zurückzufordern braucht, die er zu Unrecht gezahlt hat. Es ist also in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellt, ob sie die zu Unrecht gezahlte Rente zurückfordern will oder nicht. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, ob die Beklagte ihr Ermessen überhaupt ausgeübt hat, es heißt lediglich, der Kläger sei gemäß § 10 Ziff. 11 der Satzung der Reichsknappschaft zur Rückerstattung verpflichtet. Daraus kann nicht entnommen werden, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung vorliegt oder, falls die Beklagte eine Ermessensentscheidung hat treffen wollen, welche Erwägungen für die Beklagte maßgebend waren, auf einer Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Rente zu bestehen.

Aus prozeßökonomischen Gründen erschien es dem Senat zweckmäßig, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Es kann dann in dem neuen Berufungsverfahren die Ermessensentscheidung nachgeholt und sodann sachlich entschieden werden (vgl. Urteil des Senats vom 29. Mai 1964 – 5 RKn 89/62 – und BSG 8, 3).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG überlassen.

 

Unterschriften

Senatspräsident Dr. Berndt ist infolge Eintritts in den Ruhestand verhindert, die Unterschrift zu leisten Dr. Dapprich, Dr. Dapprich, Dr. Krebs

 

Fundstellen

Haufe-Index 707801

BSGE, 44

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