Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte, Beigeladene

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte (als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung) verpflichtet ist, der Klägerin (als Trägerin der Sozialhilfe) Kosten zu ersetzen, die diese zur Anschaffung eines sogenannten Schreibtelefons für die Beigeladene aufgewendet hat.

Die bei der Beklagten krankenversicherte Beigeladene ist taubstumm. Die Klägerin hat für sie die Kosten eines Schreibtelefons in Höhe von 1407, 38 DM übernommen, deren Ersatz sie von der Beklagten begehrt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß es sich bei dem Schreibtelefon um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele und das Gerät im übrigen auch nicht zum unmittelbaren Ausgleich der ausgefallenen Körperfunktionen führe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung des § 182b der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das Gerät ermögliche der Beigeladenen die Kommunikation mit abwesenden Personen und erfülle damit elementare Grundbedürfnisse des täglichen Lebens.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 1982 - 22 KR 111/81 - aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 1407, 38 DM zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet.

Unstreitig hängt der Klageanspruch, da alle sonstigen Voraussetzungen nach § 1531 RVO gegeben sind, allein von der Frage ab, ob das hier fragliche Gerät bei der Beigeladenen als ein Hilfsmittel i.S. der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften anzusehen ist und die Beigeladene einen Anspruch darauf hatte.

Nach der Vorschrift des § 182b RVO - die nach den Versicherungsbedingungen der Beklagten hier anwendbar ist - hat der Versicherte Anspruch auf Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen. Hier kommt allein der Fall des Behinderungsausgleichs in Betracht.

Die Beigeladene ist - nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) des SG - als Taubstumme sowohl am Hören als auch am Sprechen gehindert. Soweit es um die krankhafte Funktionseinbuße des Gehörs geht, ist die Versicherte durch das Gerät imstande, Äußerungen einer ebenfalls mit einem Schreibtelephon ausgestatteten Person visuell statt gehörmäßig aufzunehmen. Entgegen der Ansicht des SG ist insoweit ein Ausgleich der beeinträchtigten Funktion - des Hörens - durchaus gegeben. Der Umstand, daß statt der lautsprachlichen Bewußtseinsaufnahme über das Ohr hier eine schriftsprachliche Bewußtseinsaufnahme über das Auge erfolgt, steht dem Anspruch nicht entgegen (vgl. auch Urteil des Senats vom 26. Oktober 1982, Az: 3 RK 16/82). Aber auch die Tatsache, daß hier ein Ausgleich nur dann stattfinden kann, wenn ebenfalls dem Teilnehmer ein solches Gerät zur Verfügung steht, ändert nichts an dem möglichen Ausgleich. Einem Gerät, das nur im Zusammenhang mit anderen, außerhalb der Sphäre des Behinderten liegenden Geräten einen Ausgleich der krankhaften Funktionsstörung herbeizuführen vermag, kann aber nicht deshalb die Hilfsmitteleigenschaft i.S. des § 182b RVO abgesprochen werden, weil es den Funktionsausgleich nicht ohne das Hinzutreten weiterer Bedingungen erbringen kann. Sonst wäre bei jedem elektrischen Gerät, das von einer Stromzufuhr von außen abhängig ist, die Hilfsmitteleigenschaft zu verneinen. Aber auch soweit es bei der Beigeladenen um eine krankhafte Funktionseinbuße der Sprache geht, ist das Gerät zu einem Ausgleich geeignet, da es die Versicherte in die Lage versetzt, anstelle der mangelnden Lautfähigkeit sich durch Schriftzeichen zu äußern.

Das Gerät ist im krankenversicherungsrechtlichen Sinne aber nicht notwendig. Nach § 182 Abs. 2 RVO, der gleichfalls im Rahmen des § 182b RVO Anwendung findet (BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen), darf die Krankenpflege, zu der auch die Ausstattung mit Hilfsmitteln gehört, das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Zwar läßt sich nicht sagen, daß das Schreibtelefon die sprachliche Funktionseinbuße der Beigeladenen in nur unwesentlichem Umfang auszugleichen vermöge und schon aus diesem Grunde keine Notwendigkeit vorläge. Da ein Hilfsmittel aber nur dann als im krankenversicherungsrechtlichen Sinne notwendig angesehen werden kann, wenn mit ihm "gerade dieses Maß an Krankenhilfe zwangsläufig, unentbehrlich oder unvermeidlich ist" (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Auflage, Stand: Januar 1981, Anm. 3.3 zu § 182 RVO - zum Begriff des "Notwendigen" -), muß der Funktionsausgleich im Rahmen der Erfüllung eines elementaren, normalen Lebensbedürfnisses liegen (BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Auf das Telefonieren mit anderen Schreibtelefonbenutzern - also regelmäßig mit anderen Gehörgeschädigten - ist die Beigeladene in diesem Sinne nicht unvermeidlich angewiesen, zumal die Möglichkeit, sich mit den in Betracht kommenden (abwesenden) Personen schriftlich in Verbindung zu setzen, nicht ausgeschlossen ist. Das mag dann anders sein, wenn zu der Sprach- und Gehörschädigung weitere Umstände kommen, aufgrund derer ein Versicherter unumgänglich auf ein Telefon angewiesen ist. Dafür liegen bei der (27 Jahre alten) Beigeladenen aber keine Anhaltspunkte vor. Darüber, ob die Beigeladene aufgrund von umfassenderen Zuständigkeiten anderer Sozialleistungsträger einen entsprechenden Anspruch hat, war hier aber nicht zu entscheiden.

Da der Klägerin demnach kein Ersatzanspruch nach § 1531 RVO zusteht, konnte ihre Revision gegen das klagabweisende Urteil keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518324

Breith. 1983, 473

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