Entscheidungsstichwort (Thema)

Dauer der Arbeitslosigkeit "mindestens einen Kalendermonat"

 

Orientierungssatz

Bestand die Bereitschaft nach Entlassung zum 30.6.1952 sich erst ab 2.7. 1952 (Mittwoch) wieder in Arbeit vermitteln zu lassen, so scheidet eine rentensteigernde Anrechnung des Monats Juli 1952 aus, weil die Arbeitslosigkeit vom 2.7. bis 31.7.1952 nicht iS von § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3 RVO "mindestens einen Kalendermonat" angedauert hat.

 

Normenkette

RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3 Fassung: 1977-06-27

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 28.06.1985; Aktenzeichen L 06 Ar 0656/83)

SG Landshut (Entscheidung vom 28.10.1983; Aktenzeichen S 01 Ar 0518/81)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Monat Juli 1952 als Ausfallzeit (Arbeitslosigkeit) rentensteigernd anzurechnen ist.

Die Beklagte gewährte der 1921 geborenen Klägerin mit streitigem Bescheid vom 21. Juli 1981 ab 1. Juli 1981 vorgezogenes Altersruhegeld nach § 1248 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Rentenberechnung legte sie ua Pflichtbeiträge bis zum 30. Juni und ab 25. August 1952 zugrunde. Der Monat Juli blieb unberücksichtigt, obwohl die Arbeitslosmeldung der Klägerin am Mittwoch, dem 2. Juli 1952, und die laufende Meldung beim Arbeitsamt bis zum 22. August 1952 in der Meldekarte Nr 2 des Arbeitsamtes L bestätigt ist. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin, mit dem sie die Berücksichtigung der Zeit vom 1. Juli bis zum 24. August 1952 als Ausfallzeit begehrte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. November 1981). Die Arbeitslosigkeit der Klägerin habe keinen vollen Kalendermonat gedauert; die Arbeitslosmeldung sei ihr bereits am 1. Juli 1952 möglich gewesen.

Das Sozialgericht (SG) hat den streitigen Bescheid abgeändert und die Beklagte verpflichtet, den Monat Juli 1952 bei der Berechnung des Altersruhegeldes als Ausfallzeit zu berücksichtigen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei am 1. Juli 1952 noch nicht arbeitslos im Sinne von § 1251 Abs 1 Satz 1 Nr 3 RVO gewesen, weil sie sich erst mit der Arbeitslosmeldung am Mittwoch, dem 2. Juli 1952, dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung gestellt habe. Die Klägerin selbst habe im bisherigen Verfahren nicht dargetan, daß sie bereits am 1. Juli 1952 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe. Mithin sei die Mindestzeit der Arbeitslosigkeit von einem Kalendermonat nicht erfüllt.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor: Das angefochtene Urteil beruhe auf einer Unterstellung und einem verfahrensrechtlichen Irrtum. Sie habe stets behauptet, während der streitigen Zeit arbeitslos gewesen zu sein. Aus dem Beschäftigungsverlauf ergebe sich zwingend, daß sie weder aus gesundheitlichen noch persönlichen Gründen gehindert war, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. An ihrer subjektiven und objektiven Verfügbarkeit könne daher kein Zweifel bestehen. Die Beklagte habe im übrigen die Verfügbarkeit der Klägerin niemals bestritten.

Die Klägerin beantragt, "das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 1985 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 21. Juli 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1981 zu verurteilen, bei der Berechnung der Rentenleistung die Zeit vom 1. Juli 1952 bis 24. August 1952 als Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 3 RVO zu berücksichtigen."

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin läßt bei der Fassung ihres Revisionsantrags außer acht, daß sie bereits vor dem SG ihren Antrag auf rentensteigernde Berücksichtigung einer Arbeitslosigkeit auf den Monat Juli 1952 beschränkt hat, weil die Beklagte den Monat August 1952 bereits als Beitragszeit berücksichtigt hat. Diesem eingeschränkten Antrag hat das SG in erster Instanz entsprochen. Nach alledem kann der Senat, der an die Fassung der Anträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 123 iVm §§ 165, 153 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), davon ausgehen, daß die Klägerin ihren früher eingeschränkten Klageantrag nicht erweitern wollte, sondern sinngemäß begehrt, das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das nach ihrer Auffassung zutreffende Urteil des SG zurückzuverweisen.

Nach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 3 RVO idF des - zZt des Eintritts des Versicherungsfalles geltenden - Gesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040) sind Ausfallzeiten auch Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine mindestens einen Kalendermonat andauernde Arbeitslosigkeit unterbrochen worden ist, wenn der bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldete Arbeitslose eine der aaO unter a) bis d) genannten Leistungen bezogen oder aus bestimmten Gründen nicht bezogen hat. Der Monat Juli 1952 kann nicht als Ausfallzeit berücksichtigt werden, weil die Klägerin nach dem Ende ihrer Beschäftigung am 30. Juni 1952 nicht für die Dauer mindestens eines Kalendermonats, dh vom ersten bis zum letzten Tag eines Monats, arbeitslos war. Der Begriff der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 3 RVO ist grundsätzlich wie im jeweils geltenden Recht der Arbeitslosenversicherung auszulegen (BSGE 21, 21 = SozR Nr 12 zu § 1259 RVO; BSGE 29, 120, 123 = SozR Nr 22 zu § 1259 RVO; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, § 1259 Anm II 5B). Voraussetzung der Arbeitslosigkeit ist danach ua die subjektive und objektive Verfügbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieses Erfordernis war in den 1952 geltenden, für die Bestimmung des Begriffs der Arbeitslosigkeit maßgeblichen §§ 87, 87a, 88 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -AVAVG vom 16. Juli 1927 (RGBl I 187) idF des Gesetzes Nr 82 vom 20. Oktober 1947 (Bayerisches GVBl 1947, 185; vgl jetzt § 103 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-) nicht ausdrücklich enthalten, jedoch bereits damals als Merkmal dieses Begriffs anerkannt (BSGE 2, 67, 70 f; SozR 2200 § 1259 Nr 8 S 22 f). Die Arbeitslosmeldung (§§ 95 Abs 1, 110a Abs 1 AVAVG aF) zählt nicht hierzu, sie ist aber Indiz für die Verfügbarkeit des Versicherten, die auch durch andere Umstände nachgewiesen werden kann (BSGE 21, 21, 22 f = SozR Nr 12 zu § 1259 RVO). Das LSG hat indessen im angefochtenen Urteil verneint, daß die Klägerin bereits am 1. Juli 1952 für eine Vermittlung in Arbeit subjektiv verfügbar gewesen sei. Es hat dies im einzelnen damit begründet, die Klägerin habe sich erst am Mittwoch, dem 2. Juli 1952, arbeitslos gemeldet. Zwar könne bei fehlender Arbeitslosmeldung die Verfügbarkeit auch durch andere Umstände dargelegt werden. Die Klägerin habe jedoch weder im Widerspruchs- noch im Klage- oder Berufungsverfahren dargetan, daß sie auch schon am vorhergehenden Tag dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe. Daher könne der Auffassung des SG nicht gefolgt werden, die Klägerin habe mit ihrer Arbeitslosmeldung ihre Verfügbarkeit auch für den 1. Juli 1952 zu erkennen gegeben.

Die Feststellung des LSG, die Klägerin habe sich am Dienstag, dem 1. Juli 1952 noch nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt, sind tatsächlicher, nicht rechtlicher Art. Sie betreffen in bezug auf die Frage der Verfügbarkeit die konkreten Gegebenheiten des Falles, genauer, die Bereitschaft der Klägerin, sich in Arbeit vermitteln zu lassen. An diese Feststellung einer "inneren Tatsache" ist der Senat nach § 163 Halbsatz 1 SGG gebunden, weil die Klägerin hiergegen nicht gemäß §§ 163 Halbsatz 2, 164 Abs 2 Satz 3 SGG form- und fristgerecht begründete Rügen der Verletzung des Verfahrensrechts erhoben hat. Vielmehr hat sich die Klägerin darauf beschränkt vorzutragen, es würde zu einem sonderbaren Ergebnis führen, wenn man mit dem LSG unterstellen wolle, daß sie ausgerechnet und ausschließlich für den 1. Juli 1952 für die Arbeitsvermittlung nicht verfügbar gewesen sei. Damit hat sie in bezug auf ihre behauptete Arbeitsbereitschaft bereits am 1. Juli 1952 allein eine vom LSG abweichende Würdigung der Tatumstände vorgenommen, die für das Revisionsgericht unbeachtlich ist.

Stand die Klägerin jedoch aufgrund der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts mangels einer früheren Arbeitsbereitschaft dem Arbeitsmarkt erst mit dem 2. Juli 1952 zur Verfügung, so scheidet eine rentensteigernde Anrechnung des Monats Juli 1952 aus, weil schon nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt die Mindestdauer der Arbeitslosigkeit von einem Kalendermonat nicht erreicht ist.

Die Revision der Klägerin war nach alledem mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664077

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