Beteiligte

Innungskrankenkasse Rheinland-Pfalz Nord, Bezirksdirektion Trier, Trier, Kaiserstraße 28, Klägerin und Revisionsbeklagte

Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten, Mannheim, Dynamostraße 7-9, Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten um Beiträge zur Krankenversicherung.

Der Versicherte M R war auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Bäcker bei der Innungskrankenkasse Trier (IKK) krankenversichert. Am 11. März 1991 wurde er für längere Zeit arbeitsunfähig krank und erhielt zunächst Lohnfortzahlung. Vom 7. April bis zum 6. Mai 1991 und vom 5. Juni 1991 bis zum 10. März 1992 zahlte die IKK Krankengeld; in der Zwischenzeit vom 7. Mai bis zum 4. Juni 1991 führte der zuständige Rentenversicherungsträger eine Rehabilitationsmaßnahme durch und gewährte Übergangsgeld. Mit Bescheid vom 15. Mai 1992 erkannte die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) beim Versicherten eine Berufskrankheit an und bewilligte ihm eine Übergangsleistung unter Anrechnung des erhaltenen Krankengelds; dieses und die darauf entfallenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung erstattete sie der IKK. Die von der IKK außerdem geforderte Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für die Zeit des Krankengeldbezugs lehnte die Beklagte ab und verwies gegenüber dem von der IKK erlassenen Beitragsbescheid vom 28. Oktober 1992 mit Schreiben vom 23. November 1992 auf eine noch ausstehende Klärung durch die Spitzenverbände, so daß sie die Angelegenheit zurückgestellt habe. Außerdem bestritt sie das Recht der IKK, ihr gegenüber einen Verwaltungsakt zu erlassen.

Die daraufhin erhobene Leistungsklage der IKK hatte Erfolg. Mit Urteil vom 10. November 1993 verurteilte das Sozialgericht (SG) die beklagte BG, für den Versicherten Krankenversicherungsbeiträge für die Zeiten des Krankengeldbezugs zu zahlen. Ein Verwaltungsakt sei wegen des Gleichordnungsverhältnisses zwischen den Beteiligten nicht zu erlassen. Die Beitragspflicht ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 251 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), weil der Versicherte so zu behandeln sei, als habe er das ihm kraft Gesetzes zustehende Verletztengeld bezogen. § 105 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren (SGB X) stehe nicht entgegen. Anderenfalls habe es der Unfallversicherungsträger in der Hand, sich durch eine verzögerte Bearbeitung der Beitragspflicht zu entziehen.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Sprungrevision eingelegt. Während des Revisionsverfahrens hat sich die IKK Trier mit weiteren IKK zur jetzigen Klägerin vereinigt. Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 251 Abs 1 SGB V und des § 105 SGB X.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG vom 10. November 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klage sei zulässig, weil der Erlaß eines Verwaltungsakts gegenüber der Beklagten das Gerichtsverfahren letztlich nicht vermeiden könne. Sei die Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes ungeklärt, habe das Bundessozialgericht (BSG) auch sonst schon die Leistungsklage für zulässig erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unzulässig, was im Revisionsverfahren auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten ist (BSGE 10, 218; BSGE 37, 28 = SozR Nr 3 zu § 658 RVO).

Der klagenden IKK fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Beitragsanspruch, denn sie hat die - bereits ausgeübte - Befugnis, ihre Beitragsforderung gegen die Beklagte durch Verwaltungsakt festzusetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG besteht zwischen der Krankenkasse und dem beitragspflichtigen Rehabilitationsträger ein Über- und Unterordnungsverhältnis, das die Krankenkasse zur Entscheidung über Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe durch Verwaltungsakt berechtigt; es hat trotz der dazu geäußerten Kritik an dieser Rechtsprechung festgehalten (BSG SozR 2200 § 381 Nr 24; BSGE 45, 296 = SozR 2200 § 381 Nr 26; BSG SozR 2200 § 381 Nr 29; BSG SozR 2200 § 381 Nrn 39 und 40; BSGE 51, 100 = SozR 2200 § 381 Nr 43; vgl auch Urteil vom 12. Dezember 1990 - 12 RK 35/89, insoweit in BSGE 68, 82 = SozR 3-2200 § 381 Nr 1 nicht wiedergegeben). Mit Urteil vom 13. Mai 1980 hat es deshalb die Klage einer Krankenkasse gegen eine BG auf Zahlung von Beiträgen für die Zeit des Bezugs von Übergangsgeld als unzulässig abgewiesen (BSG SozR 2200 § 381 Nr 40).

Eine Änderung der Rechtslage, die eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar. Die rechtlichen Befugnisse der Krankenkasse gegenüber dem Arbeitgeber eines versicherungspflichtig Beschäftigten sind dieselben geblieben. Sie sind zwar nicht mehr in getrennten Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige, sondern einheitlich in § 28h Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) geregelt, auf den in Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige verwiesen wird (§ 252 SGB V, § 174 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung [SGB VI]); wo die Verweisung fehlt, wie im Arbeitsförderungsgesetz (AFG), bedeutet das keine inhaltliche Abweichung (vgl die Begründung zur Streichung des früheren § 182 Abs 1 AFG durch Art 5 Nr 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2330; BT-Drucks 11/2221 S 35). Die Befugnis, gegenüber dem Arbeitgeber einen Verwaltungsakt zu erlassen, hängt nicht etwa davon ab, ob dieser privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert ist. Gegenüber Beitragspflichtigen, die nicht Arbeitgeber sind, hat der zum Beitragseinzug berechtigte Versicherungsträger die gleichen Befugnisse, obwohl das Einzugsverfahren für Beiträge auf Sozialleistungen in der Kranken- und Rentenversicherung nicht ausdrücklich geregelt ist (§§ 252 bis 256 SGB V; § 176 SGB VI; vgl aber § 186 Abs 5 AFG). Das war nach früherem Recht ebenso: Damals wie heute folgt die Hoheitsbefugnis des für die Beitragserhebung zuständigen Versicherungsträgers im Verhältnis zum Beitragszahlungspflichtigen aus der ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe, die Finanzierung von Leistungen durch Beiträge zu sichern (vgl BSGE 45, 296 = SozR 2200 § 381 Nr 26). Das ist im Verhältnis zu Privatpersonen nicht anders als zu Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Die von der Rechtsprechung zur Verwaltungsaktbefugnis im Beitragsrecht entwikelten Grundsätze gelten im vorliegenden Fall um so mehr, als die IKK einen Beitragsbescheid tatsächlich erlassen hat. Ohne Anfechtung durch die Beklagte ist der Senat nicht befugt, den Beitragsbescheid inhaltlich zu überprüfen oder daraufhin zu untersuchen, ob er durch die Erhebung der Leistungsklage gegenstandslos geworden ist (vgl BSGE 62, 251 = SozR 1500 § 54 Nr 84 bei einem rechtzeitig angefochtenen Verwaltungsakt). Sollte der Beitragsbescheid bestandskräftig geworden sein, würde eine sachliche Entscheidung im Revisionsverfahren § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzen. Die Erhebung einer Klage gegen den Bescheid im Revisionsverfahren wäre nach § 168 SGG unzulässig.

Dem können Erwägungen der Prozeßökonomie nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Zwar liegt der Grund für die Unzulässigkeit der Leistungsklage darin, daß der Erlaß eines Verwaltungsakts als der "einfachere Weg" für die Durchsetzung der Beitragsforderung gilt, was bei einem grundsätzlichen Streit zwischen Leistungsträgern zu einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Ergebnis fraglich ist; denn es wird dazu wahrscheinlich ohnehin zum Gerichtsverfahren kommen. Abgesehen davon, ob das hier zutrifft, wenn der Beitragsbescheid bindend ist, kann die richtige Verfahrensart nicht davon abhängen, ob wegen der Umstände des Einzelfalls ein Prozeß unvermeidlich erscheint. Auch bei Verwaltungsakten, die gegenüber einem Bürger ergehen sollen, kann ein nachfolgendes Gerichtsverfahren so gut wie sicher sein; das berechtigt den Versicherungsträger jedoch nicht zur unmittelbaren Klageerhebung. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn neben dem materiellen Anspruch auch das Verfahren zu seiner Durchsetzung zweifelhaft ist. Denn nur in diesem Fall kann dem Leistungsträger das Risiko einer reinen Verfahrensentscheidung ohne Klärung der umstrittenen materiellen Frage nicht zugemutet werden (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 21; BSGE 66, 176 = SozR 3-4100 § 155 Nr 1; BSGE 66, 181 = SozR 3-4100 § 145 Nr 1). Diese für rechtliche Zweifelsfälle entwickelte Verfahrenserleichterung kann jedoch schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht auch dann eingreifen, wenn sich die Beteiligten ihrer bedienen, weil sie das in ständiger Rechtsprechung anerkannte Verfahren ohne nähere Begründung nicht beachten wollen. Der besonderen Stellung der Versicherungsträger wird im Verfahrensrecht durch die Ausnahme von der Vorverfahrenspflicht nach § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGG Rechnung getragen. Demnach gilt das Klagesystem des SGG ohne weitere Verfahrenserleichterungen auch für Streitigkeiten der vorliegenden Art unter Versicherungsträgern.

Da das SG die Klage zu Unrecht für zulässig gehalten hat, ist sein Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Haufe-Index 517699

Breith. 1996, 12

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