Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. kunstgeschichtlicher Unterricht. Einrichtung der Erwachsenenbildung. kunstgeschichtlicher Vortrag. Museum. Lehre von Kunst. publizistische Tätigkeit iS des KSVG. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Kunstgeschichtlicher Unterricht in einer Einrichtung der Erwachsenenbildung ist keine Lehre von Kunst iS des KSVG; kunstgeschichtliche Vorträge in Museen vor einem begrenzten Zuhörerkreis sind auch keine publizistische Tätigkeit iS des KSVG.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
KSVG § 1 Fassung: 1988-12-20, § 2 Sätze 1-2, § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 9; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. September 1997 geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die 1944 geborene Klägerin, die ein Studium der Kunstgeschichte absolviert hat, begehrt die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Seit 1967 ist sie, zunächst neben ihrem Studium und einem bis Ende August 1994 betriebenen Zweitstudium, in der Erwachsenenbildung tätig und hat kunsthistorische Vorträge über Malerei, Bildhauerei und Kulturgeschichte gehalten. Die Vorträge, die ihre Haupterwerbstätigkeit darstellen, haben von ihr selbst ausgewählte Themen und Kunstobjekte zum Gegenstand und finden in Berliner Museen statt; Anmeldungen sind bei ihr selbst vorzunehmen. Seit 1989 hält sie darüber hinaus an der Lessing-Hochschule kunstwissenschaftliche Studienkurse für Erwachsene ab. Einzelne Vorträge der Klägerin sind in Zeitschriften bzw im Rundfunk veröffentlicht worden; mit der Verwertungsgesellschaft „Wort” hat sie 1983 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen.
Ihren Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG lehnte die Beklagte ab: Bei ihrer Tätigkeit als Museumsführerin und Vortragende bei der Lessing-Hochschule präsentiere die Klägerin lediglich unbestrittene Fakten. Dies könne nicht als „künstlerische oder schöpferische Leistung” angesehen werden (Bescheid vom 24. Mai 1995; Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Juli 1996). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angegriffenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, daß die Klägerin seit dem 1. September 1994 der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege (Urteil vom 3. September 1997). Die Abhaltung kunstwissenschaftlicher Studienkurse für Erwachsene in der Lessing-Hochschule müsse als Lehre von Kunst iS von § 2 KSVG gewertet werden. Kunst lehre nicht nur derjenige, der zur Ausübung von Kunst befähige, sondern auch derjenige, der bei Laien den Weg dafür bereite, daß sie als Endabnehmer künftig Kulturprodukte erwerben. Maßgebend sei die Mitwirkung des Lehrenden bei der Vermarktung von Kunst. Soweit die Klägerin in den Staatlichen Museen Berlin-Dahlem in eigener Regie Vorträge halte, handele es sich um eine publizistische Tätigkeit „in anderer Weise”. Ergänzend sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin neben ihrer Vortragstätigkeit gelegentlich in Zeitschriften und im Rundfunk Beiträge veröffentliche.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte eine Verletzung des § 2 KSVG geltend. Die Tätigkeit der Klägerin als Dozentin für Kunstwissenschaft könne nicht als Lehre von Kunst angesehen werden. Kunst lehre nur derjenige, der künstlerische Fertigkeiten vermittele. Es reiche nicht aus, wenn lediglich das Verständnis von Kunst gefördert werde. Bei der Vortragstätigkeit in Museen handele es sich nicht um eine publizistische Tätigkeit „in anderer Weise” iS von § 2 Satz 2 KSVG. Voraussetzung einer publizistischen Tätigkeit sei, daß von dem Publizisten Medien in Anspruch genommen werden, wie dies bei Schriftstellern und Journalisten der Fall sei. Hinsichtlich der Veröffentlichung einzelner Vorträge in Zeitschriften bzw im Rundfunk fehle es an der Erwerbsmäßigkeit iS von § 1 KSVG.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. September 1997 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juli 1996 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG festgestellt.
Nach § 1 KSVG (idF durch das KSVG-ÄndG vom 20. Dezember 1988 – BGBl I 2606) werden selbständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung (RV) der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und seit dem 1. Januar 1995 in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische bzw publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Als Künstler iS des Gesetzes bezeichnet § 2 Satz 1 KSVG in der genannten Fassung denjenigen, der Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Das Merkmal der „erwerbsmäßigen” Ausübung der Tätigkeit soll zum Ausdruck bringen, daß die künstlerische Tätigkeit zum Zwecke des Broterwerbs und nicht nur aus Liebhaberei ausgeübt werden muß (vgl Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl, § 1 RdNr 15). Daß die Klägerin die Tätigkeiten als Dozentin für die Lessing-Hochschule und die Vortragstätigkeit in Berliner Museen dauerhaft und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ausübt, ist vom LSG festgestellt worden und unter den Beteiligten nicht streitig.
Die Beklagte wendet sich mit der Revision auch nicht gegen die Annahme des LSG, daß die Klägerin selbständig erwerbstätig ist. Das LSG hat dies zu Recht auch im Hinblick auf die Tätigkeit als Dozentin für Kunstgeschichte an der Lessing-Hochschule angenommen; wobei es zutreffend auf die von ihr abgeschlossenen Dozentenverträge und deren tatsächliche Abwicklung abgestellt hat. Danach steht die Klägerin wegen ihrer weitgehenden Weisungsunabhängigkeit und ihres Honorarausfallrisikos auch insoweit nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Die Klägerin übt jedoch weder in dem einen noch in dem anderen Tätigkeitsbereich eine künstlerische oder eine publizistische Tätigkeit iS des § 2 KSVG aus.
Die Tätigkeit der Klägerin als Dozentin für Kunstgeschichte kann nicht als Lehre von Kunst iS des § 2 Satz 1 KSVG angesehen werden. Zwar hat der erkennende Senat auch die Unterrichtung von Laien als „Lehre von Kunst” angesehen, weil weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien eine Einschränkung dahingehend zu entnehmen ist, daß nur eine Ausbildung zu einer künstlerischen Berufstätigkeit erfaßt werden sollte (BSG SozR 3-5425 § 1 Nrn 2 und 4, § 2 Nr 1). § 2 Satz 1 KSVG bezieht sich jedoch nur auf solche Lehrtätigkeiten, die der aktiven Kunstausübung der Auszubildenden dienen. Gegenstand der Lehrtätigkeit muß die Vermittlung praktischer oder theoretischer Kenntnisse sein, die sich auf die Fähigkeiten oder Fertigkeiten der Auszubildenden bei der Ausübung von Kunst auswirken. Die bloße Vermittlung von Bildungswissen reicht demgegenüber auch dann nicht aus, wenn sie der Fortentwicklung des Kunstverständnisses und der Erweiterung theoretischer Kenntnisse über Kunst dient.
Ein gewisser Rückschluß auf den maßgebenden Inhalt von Lehrtätigkeiten läßt sich schon aus dem Katalog der abgabepflichtigen Unternehmen in § 24 Abs 1 KSVG ziehen. Hierbei handelt es sich in erster Linie zwar nur um eine Aufstellung derjenigen Branchen, die typischerweise künstlerische und publizistische Leistungen verwerten (vgl BT-Drucks 11/2964, S 18) und deshalb dem Grunde nach stets der Künstlersozialabgabepflicht unterworfen werden. Der Katalog zeigt jedoch zugleich auf, in welchen unternehmerischen Tätigkeitsbereichen der Gesetzgeber von einer ständig wiederkehrenden oder zumindest häufigen Verwertung von Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten ausgeht, woraus sich – auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ (SozR 5425 § 1 Nr 1) – erst die Legitimation für die Auferlegung fremdnütziger Abgabenlasten ergibt. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß der Betrieb von Lehreinrichtungen, die ua auch der theoretischen Wissensvermittlung über künstlerische Themen dienen, in diesen Katalog nicht aufgenommen worden ist. Andernfalls müßten auch Schulen, Hochschulen, Universitäten und sonstige Bildungseinrichtungen allgemein zu den abgabepflichtigen Unternehmen zählen. Erfaßt werden jedoch nur Ausbildungseinrichtungen „für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten” (§ 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG).
Die Einbeziehung einer lehrenden Tätigkeit in die Künstlersozialversicherung läßt sich damit rechtfertigen, daß derjenige, der Kunst lehrt, in aller Regel selbst noch ausübender Künstler ist oder ausübender Künstler gewesen ist. Die Zuständigkeit der Künstlersozialversicherung entfällt dann nicht bereits dadurch, daß der Künstler seine eigenschöpferische Tätigkeit aufgibt und sich nur noch darauf beschränkt, sein Erfahrungswissen durch eine Lehrtätigkeit weiter zu vermitteln. Die bisherige Berufsausübung prägt auch die spätere Lehrtätigkeit. Das Selbstverständnis des Lehrenden wird weiterhin das eines Künstlers sein. Auch die Verkehrsauffassung unterscheidet zwischen Künstlern als Dozenten und Kunstwissenschaftlern. Kunstwissenschaft, insbesondere Kunstgeschichte, wird nicht ausschließlich an Kunsthochschulen, sondern auch an den allgemeinen Hochschulen gelehrt, und derjenige, der wie die Klägerin allein ein wissenschaftliches Studium an einer Universität absolviert hat, wird nicht bereits deshalb den Künstlern zugeordnet, weil das Fach Kunstgeschichte ist. Dann gibt es auch keinen sachlichen Zusammenhang, um eine selbständige Lehrtätigkeit auf diesem wissenschaftlichen Gebiet der Künstlersozialversicherung zuzuordnen.
Das LSG hat allerdings zutreffend darauf hingewiesen, daß der Senat in mehreren Entscheidungen im Zusammenhang mit der Lehre von Kunst im Anschluß an die Gesetzesbegründung die „Vermarkterrolle” auch der Lehrenden angesprochen hat (BSG SozR 3-5425 § 2 Nrn 1 und 2). Die selbständig Lehrenden des Kulturbereichs trügen zu dem Vermarktungsprozeß künstlerischer Leistungen insofern bei, als sie durch ihre lehrende Tätigkeit beim Kulturschaffenden den Grundstein für seine künftige Tätigkeit legten oder aber beim Endabnehmer den Weg dafür bereiteten, daß er künftig Kulturprodukte abnehme (so: BT-Drucks 9/26, S 16). Dies vermittelt zu Unrecht den Eindruck, daß jedwede Förderung des Absatzes künstlerischer Leistungen und der Bereitschaft, künstlerische Werke zu erwerben, ausreicht, um Lehrtätigkeiten dem Schutz der Künstlersozialversicherung zu unterstellen. Der Senat hat dies bereits im Urteil vom 14. Dezember 1994 (3/12 RK 62/93 = SozR 3-5425 § 2 Nr 2) im Hinblick auf die Erteilung von Kunst- und Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen in Frage gestellt und eine Begrenzung auf spezielle Bildungsmaßnahmen erwogen.
Die erwähnte Gesetzesbegründung ist im Hinblick auf den nach dem KSVG pflichtversicherten Personenkreis mißverständlich. Sie diente nämlich primär der Rechtfertigung der Einbeziehung von Bildungseinrichtungen mit künstlerischen Lehrinhalten in den Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen. Die Rolle als Vermarkter oder Verwerter künstlerischer oder publizistischer Leistungen ist nach der Grundkonzeption des KSVG nur im Zusammenhang mit der Pflicht zur Künstlersozialabgabe von Bedeutung. Die Inanspruchnahme der Vermarkter findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Werke und Leistungen der selbständigen Kulturschaffenden meist überhaupt erst durch das Zusammenwirken mit dem Vermarkter (Verleger, Schallplattenproduzent, Konzertdirektion, Theater, Galerie und andere) dem Endabnehmer zugänglich werden (BT-Drucks 9/26 S 16; BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1). Die Kulturschaffenden bringen – wie Arbeitnehmer – ihre persönliche Arbeitsleistung ein, während die Vermarkter – wie Arbeitgeber – vorwiegend ihre technischen Apparate (zB Druckereien und andere Vervielfältigungseinrichtungen) und ihre kaufmännischen Fähigkeiten und organisatorischen Voraussetzungen (Verteilernetz) zur Verfügung stellen (BT-Drucks 9/26 S 17). Das BVerfG (aaO) sieht in dem kulturgeschichtlich gewachsenen besonderen Verhältnis zwischen Künstlern und Kunstvermarktern eine Rechtfertigung für die Auferlegung einer arbeitgeberähnlichen Abgabepflicht wie der Künstlersozialabgabe. Hier geht es aber nicht um die Abgabepflicht desjenigen, dem die Klägerin die Leistung erbringt, dem sog Vermarkter, sondern um die Qualifikation der eigenen Leistung, die von der Vermarkterrolle zu trennen ist und nicht bereits deshalb als künstlerisch oder publizistisch angesehen werden kann, weil die Klägerin im weitesten Sinne auch zur Vermarktung der Werke anderer Künstler beitragen mag.
Etwas anderes kann auch der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entnommen werden. Der erkennende Senat hat sich in seiner Rechtsprechung zur Versicherungspflicht von Kunst-Lehrenden bislang ausschließlich mit Fällen befaßt, in denen die Unterrichtung der Kunstausübung diente (BSG SozR 3-5425 § 1 Nrn 2, 3 und 4 sowie § 2 Nrn 1 und 2). Solange dies der Fall ist, hat er allerdings auch die Vermittlung von Grundlagenwissen iS einer Allgemeinbildung – etwa im Rahmen der musikalischen Früherziehung von Kindern (BSG SozR 3-5425 § 1 Nr 4) – als ausreichend angesehen. Hierbei ging es jedoch nicht nur um die Vermittlung eines theoretischen Kunstverständnisses. Gegenstand des Unterrichts waren vielmehr theoretische oder praktische Grundlagen für die (spätere) Ausübung von Musik. Nur insoweit hat es der Senat als unerheblich angesehen, daß eine Lehrerin keinen Instrumentalunterricht im engeren Sinne erteilte, sondern sich darauf beschränkte, die elementaren Voraussetzungen für einen späteren Instrumentalunterricht zu schaffen. Musik lehrt somit auch derjenige, der nur theoretischen Unterricht erteilt, soweit die theoretischen Kenntnisse Voraussetzung für das Ausüben oder zumindest das Verständnis praktischen Musizierens sind (BSG SozR 3-5425 § 1 Nr 4). Hieran fehlt es bei der Lehrtätigkeit der Klägerin im Bereich der Erwachsenenbildung.
Die Klägerin ist auch nicht wegen ihrer Tätigkeit in den Staatlichen Museen Berlin-Dahlem nach dem KSVG versicherungspflichtig. Das LSG hat zwischen dieser Tätigkeit und derjenigen als Dozentin der Lessing-Hochschule zu Unrecht differenziert. Denn die Klägerin betreibt in beiden Fällen theoretische Wissensvermittlung. Das LSG sieht den Schwerpunkt dieser Tätigkeit nur „wegen der fehlenden Einbindung in eine Bildungsinstitution” nicht auf dem Gebiet der Lehre von Kunst. Die Lehre von Kunst iS des § 2 KSVG setzt aber eine Einbindung in eine Bildungsinstitution nicht voraus. Der Senat hat in anderem Zusammenhang bereits entschieden, daß Kunst auch im privaten Rahmen gelehrt werden kann (SozR 3-5425 § 2 Nr 1). Dafür, daß dies hier zu verneinen ist, gelten die obigen Ausführungen in vollem Umfang.
Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei der Tätigkeit der Klägerin in den Staatlichen Museen nicht um die eines Publizisten. Nach § 2 Satz 2 KSVG ist Publizist iS des KSVG, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist. Leitbild publizistischer Tätigkeit ist damit diejenige des Schriftstellers und Journalisten. Beide Berufsgruppen benötigen für die Ausübung ihrer Tätigkeit grundsätzlich ein publizistisches Medium (Druckerzeugnis oder elektronisches Medium), an dem es hier fehlt. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Publizisten iS des KSVG hierauf jedoch nicht beschränkt, wie sich aus der in § 2 Satz 2 KSVG enthaltenen Öffnungsklausel „oder in anderer Weise publizistisch tätig wird” ergibt. Das Gesetz läßt allerdings, worauf der Senat bereits an anderer Stelle hingewiesen hat (BSG SozR 3-5425 § 26 Nr 2), nicht erkennen, welche Tätigkeitsbereiche der Publizistik damit gemeint sind. Auf eine Definition publizistischer Tätigkeit hat der Gesetzgeber bewußt verzichtet (BR-Drucks 260/79, S 21). Die Begründung zum Entwurf des KSVG ging davon aus, daß „alle im Bereich Wort tätigen Autoren, insbesondere Schriftsteller und Journalisten in die Regelung einbezogen sind” (BR-Drucks 260/79, S 21). Die Verodnung zur Durchführung des KSVG vom 23. Mai 1984, BGBl I 709 (KSVGDV) unterscheidet im Bereich Wort nicht danach, ob die aufgeführten Berufe ihre Wortbeiträge schriftlich oder mündlich verbreiten. Die Vortragstätigkeit der Klägerin läßt sich jedoch keinem der dort aufgeführten Berufe zuordnen. Das LSG ist unter Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 27. März 1996 (3 RK 10/95 = BSG SozR 3-5425 § 26 Nr 2) davon ausgegangen, der Begriff des Publizisten sei grundsätzlich weit auszulegen. Der Senat hatte seinerzeit auch den Bildjournalismus als Publizistik iS des KSVG angesehen und – in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Schmidt, ZfS 1988, 161, 165; Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl 1992, § 24 RdNr 42) – eine Beschränkung auf reine Wortautoren abgelehnt. Dies führt jedoch bei der hier maßgebenden Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit auch das gesprochene Wort als Publizistik anzusehen ist, nicht weiter. Denn seinerzeit war mit dem Journalismus ein Bereich betroffen, der als solcher unzweifelhaft zur Publizistik zählt, zweifelhaft war lediglich, ob dies auch für die Herstellung und Verbreitung von Bildern zutrifft.
In Übereinstimmung mit dem Schrifttum ist das LSG davon ausgegangen, daß publizistische Tätigkeit sowohl durch eigenschöpferische Wortgestaltung als auch durch die Gestaltung von Massenkommunikationsmitteln ihren Ausdruck finden kann (vgl Schmidt, ZfS 1988, 161, 166; Finke/Brachmann/Nordhausen, aaO, RdNr 41). Der Begriff Publizist geht zurück auf das lateinische „publicare”, was mit „veröffentlichen” zu übersetzen ist. Von daher versteht man unter einem Publizisten heute jeden im Kommunikationsprozeß an einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkenden (so: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl, Band 19, S 381). Dem Begriff kann damit eine Beschränkung auf Wort- und Bildbeiträge in Massenkommunikationsmitteln wie Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk, Fernsehen und den neuen elektronischen Medien nicht entnommen werden. Es muß sich jedoch um an die Öffentlichkeit gerichtete Aussagen handeln, bei denen die Möglichkeit eines Dialogs und eine pädagogische Zielrichtung mit einer entsprechenden Erfolgskontrolle, wie es für eine lehrende Tätigkeit typisch ist, fehlen.
Die Veranstaltungen der Klägerin in den Staatlichen Museen sind zwar prinzipiell für jedermann zugänglich; tatsächlich finden sie jedoch nur vor einem begrenzten und überschaubaren Zuhörerkreis statt. Interessenten können an ihnen nur teilnehmen, wenn sie die Ankündigungen der Klägerin in den Museen wahrgenommen haben. Charakteristisch für die Art der von der Klägerin abgehaltenen Veranstaltungen ist die Möglichkeit von Fragen und Antworten zwischen der Klägerin und ihren Zuhörern, was insoweit ganz einer Lehrveranstaltung entspricht, wie sie vergleichbar auch im Rahmen von Volkshochschulprogrammen durchgeführt werden. Die Veranstaltungen der Klägerin unterscheiden sich hiervon nur dadurch, daß sie von ihr selbst organisiert werden und nicht in ein umfassendes Programm der Erwachsenenbildung eingebunden sind. Dies ändert jedoch nichts an ihrem Charakter als Lehrveranstaltung, bei der es primär um Wissensvermittlung mit einer gewissen Erfolgskontrolle mindestens in dem Umfange geht, daß der Vortragende sich durch Rückfrage oder auf sonstige Weise versichert, ob er von seinen Zuhörern verstanden worden ist. Die Klägerin übt daher auch bei ihrer Tätigkeit in den Staatlichen Museen eine Lehrtätigkeit aus und kann iS des KSVG nicht als Publizistin angesehen werden.
Als selbständige Lehrerin entbehrt die Klägerin nicht jeglichen sozialversicherungsrechtlichen Schutzes, so daß es aus diesem Grunde nicht geboten ist, den Schutzbereich der Künstlersozialversicherung auszudehnen. Richterrechtlich wäre dies im Hinblick auf den Vorrang des Gesetzgebers auch nicht zulässig. Der Gesetzgeber wollte durch die Einführung einer eigenständigen sozialen Sicherung für selbständige Künstler und Publizisten den schon bestehenden Sozialversichungsschutz für bestimmte Gruppen von Selbständigen nicht tangieren (vgl etwa zu den Handwerkern: BT-Drucks 260/79, S 21, zu § 2). Für selbständige Lehrkräfte sah die Reichsversicherungsordnung (RVO) seinerzeit eine Versicherungspflicht gegen das Krankheitsrisiko vor, soweit sie in ihrem Betrieb keine Angestellten beschäftigten (§ 166 Abs 1 Nr 2 RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung). Unter derselben Voraussetzung waren selbständige Lehrer und Erzieher auch in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig (§ 2 Abs 1 Nr 3 Angestelltenversicherungsgesetz ≪AVG≫ in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung). Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, sind nach § 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) auch heute noch rentenversicherungspflichtig. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht dagegen seit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) nicht mehr, sondern lediglich die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung bei Erfüllung der in § 9 SGB V geregelten Voraussetzungen. Das KSVG hat mit § 2 Satz 1 nur die Lehrer, die Musik, darstellende oder bildende Kunst lehren, in das neugeschaffene Sicherungssystem einbeziehen wollen; die damit einhergehender Besserstellung bei der Beitragsbelastung im Vergleich zu sonstigen selbständigen Lehrern ist Folge einer sachlich begründeten unterschiedlichen Ausgestaltung der Versicherungssysteme und verfassungsrechtlich im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht zu beanstanden. Der von der Klägerin im Revisionsverfahren vorgebrachte Einwand, die von ihr ausgeübten Tätigkeiten unterfielen dem Schutzbereich von Art 5 Abs 1 und 3 sowie Art 12 GG kann eine Versicherungspflicht nach dem KSVG nicht begründen. Es ist bereits zweifelhaft, ob sich die Klägerin auf das Grundrecht der Kunstfreiheit berufen kann, denn sie ist, wie dargelegt, gerade nicht künstlerisch tätig, sondern vermittelt allein kunstgeschichtliches Wissen. Entscheidend ist jedoch, daß sich aus den von ihr herangezogenen Grundrechten primär Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe ergeben; sie verpflichten den Staat nicht, soziale Schutzsysteme in bestimmter Weise auszugestalten.
Die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG wird auch nicht dadurch begründet, daß sie gelegentlich Beiträge in Zeitschriften und im Rundfunk veröffentlicht. Zwar könnte sie insoweit iS des § 2 Satz 2 KSVG publizistisch tätig sein; es handelt sich jedoch nicht um die erwerbsmäßige Ausübung einer publizistischen Tätigkeit iS von § 1 Nr 1 KSVG. Denn nach den Feststellungen des LSG ist diese Tätigkeit nur gelegentlich und damit nicht auf Dauer ausgelegt. Deshalb kann offenbleiben, ob die Klägerin mit den Einkünften aus dieser publizistischen Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze des § 3 Abs 1 KSVG überschreitet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1175515 |
FA 1999, 35 |
NZS 1999, 149 |
SozR 3-5425 § 2, Nr. 7 |