Orientierungssatz

Versicherungspflicht - Gesellschafter-Geschäftsführer - Beirat einer GmbH:

1. Geschäftsführer einer GmbH, die zugleich Gesellschafter sind, stehen dann in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, wenn sie aufgrund des Umfangs ihrer Kapitalbeteiligung ihnen nicht genehme Weisungen des Dienstberechtigten verhindern können (vergleiche zuletzt BSG vom 1974-07-31 12 RK 26/72 = BSGE 38, 53, 57).

2. Eine mit der Errichtung eines weisungsbefugten Beirats verbundene Einschränkung des Einflusses der Gesellschafter-Geschäftsführer ist noch nicht so erheblich, daß dadurch eine Abhängigkeit iS eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses entsteht.

 

Normenkette

AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 08.05.1981; Aktenzeichen L 1 Kr 19/80)

SG Lübeck (Entscheidung vom 06.05.1980; Aktenzeichen S 7 Kr 21/79)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger, die beide je die Hälfte der Kapitalanteile einer GmbH halten und deren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer sind, in ihrer Stellung als Geschäftsführer versicherungspflichtig beschäftigt sind.

Die 1978 errichtete "G. M. - L." mit ihrem Sitz in Lütjensee hat ein Stammkapital von 50.000,-- DM; davon halten die Kläger je 25.000,-- DM. Sie sind gemäß Gesellschaftsvertrag jeder für sich zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der GmbH bestellt worden. Außerdem sieht § 7 des Gesellschaftsvertrages einen durch Beschluß der Gesellschafter zu errichtenden Beirat vor, der aus drei von der Gesellschafterversammlung mit Stimmenmehrheit auf unbestimmte Zeit gewählten Mitgliedern besteht und in den sachverständige Dritte berufen werden können. Der Gesellschaftsvertrag sieht weiter vor, daß alle außerordentlichen Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen, vorher mit dem Beirat abgestimmt werden müssen. Der Beirat stimmt nach Köpfen mit 3/4-Mehrheit ab; seine Weisungen haben die Geschäftsführer zu befolgen. Für alle Beschlüsse der Gesellschafter ist eine 3/4-Mehrheit der vorhandenen Stimmen erforderlich; je 1.000,-- DM der Geschäftsanteile gewähren eine Stimme.

Mitglieder des Beirats sind der Kläger zu 2) als Vorsitzender und als weitere Beiratsmitglieder die Klägerin zu 1), der Vater des Klägers zu 2) und der Steuerberater R. (R.).

Mit Schreiben vom 13. Januar 1978 teilte R. der Beklagten mit, daß die beiden Kläger als Gesellschafter/Geschäftsführer mit einem Gehalt von 1.000,-- DM bzw 3.000,-- DM angestellt seien und er sie hiermit anmelde. Die Beklagte vertrat jedoch die Auffassung, daß die Kläger nicht sozialversicherungspflichtig seien (Bescheid vom 25. April 1978): Da sie als Gesellschafter je 50 % der Gesellschaftsanteile innehätten, zu Beschlüssen aber eine 3/4-Mehrheit erforderlich sei, sei es beiden möglich, maßgeblichen Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen. Gesellschafter mit derartigen Einflußmöglichkeiten seien aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht als abhängig Beschäftigte anzusehen.

Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1979; Urteil des Sozialgerichts -SG- Lübeck vom 6. Mai 1980; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts -LSG- vom 22. Mai 1981).

Das LSG hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, daß der Einfluß, den die beiden Kläger aufgrund ihrer Kapitalanteile und der daraus folgenden Stimmberechtigung in der Gesellschafterversammlung hätten, es ausschlösse, sie als abhängig Beschäftigte anzusehen. Der Beirat, in dem die Kläger übrigens auch beteiligt und stimmberechtigt seien, habe keinen so maßgeblichen Einfluß, daß sich durch dessen Errichtung etwas ändere. Entscheidend sei, daß der Beirat, ebenso wie die Gesellschafterversammlung, keine Möglichkeit habe, gegen den Willen eines der beiden Kläger irgendwelche Weisungen oder wichtige Entscheidungen durchzusetzen. Nicht einmal eine Kündigung aus wichtigem Grund könne gegen den Willen eines der Kläger erfolgen. Bei dieser Sachlage sei es unbeachtlich, daß der Anstellungsvertrag bestimmte Pflichten enthalte, die denen eines abhängig Beschäftigten entsprächen. Für die Annahme der Versicherungspflicht komme es insoweit nicht auf den Vertragstext, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse, hier insbesondere auf das Bestehen einer echten Abhängigkeit, an. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BSG (BSG USK 79129; SozR Nr 34 zu § 539 RVO).

Mit der Revision machen die Kläger geltend, daß das LSG dem Anstellungsvertrag zu Unrecht untergeordnete Bedeutung beigemessen habe. Maßgeblich könne nicht sein, welche Möglichkeiten die Gesellschafter hätten, die rechtliche Situation in der GmbH zu ändern, daß sie insbesondere durch einen gemeinsamen Beschluß den Beirat abschaffen könnten, sondern allein die Frage, wie ihre Stellung nach Gesellschaftsvertrag und Anstellungsvereinbarung geregelt sei. Gehe man davon aus, so handele es sich hier eindeutig um eine Angestelltentätigkeit, die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und Rentenversicherung der Angestellten und Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit zur Folge habe. Entgegenzutreten sei auch der Auffassung des LSG, daß die Kläger aufgrund ihres Einflusses auf die Gesellschaft die Möglichkeit hätten, etwaige Weisungen des Beirats nicht zu befolgen und sogar eine Kündigung aus wichtigem Grund zu verhindern, denn in derartigen Fällen sei ein Ausschluß aus der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter möglich und durchsetzbar.

Die Kläger zu 1) und 2) sowie die Beigeladene zu 3) beantragen, die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. April 1978 und 2. Februar 1979 aufzuheben, festzustellen, daß die Kläger ab 1. Januar 1978 aufgrund ihrer Beschäftigung in der Firma G. M. L. Pflichtmitglieder der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) sowie beitragspflichtig bei der Beigeladenen zu 2) sind.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie beziehen sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Alle Beteiligte haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) entschieden wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet.

Für die Kläger besteht keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung und keine Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit, weil sie als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 3) nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Durch die bisherige Rechtsprechung ist bereits geklärt, daß Geschäftsführer einer GmbH, die zugleich Gesellschafter sind, dann in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, wenn sie aufgrund des Umfangs ihrer Kapitalbeteiligung ihnen nicht genehme Weisungen des Dienstberechtigten verhindern können (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; BSGE 38, 53, 57 f). Diese Voraussetzungen liegen bei einer Kapitalbeteiligung an einer GmbH in Höhe von 50 % des Stammkapitals in der Regel vor. Auch der hier zu beurteilende Gesellschaftsvertrag gibt insoweit keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung.

Die in diesem Fall zu entscheidende Frage ist, ob und welche Auswirkungen es auf die Versicherungspflicht von Gesellschafter/ Geschäftsführern hat, wenn diese durch Beschluß einen Beirat errichten, ihm hinsichtlich aller über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehenden Geschäfte ein Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern zubilligen und dieses Weisungsrecht auch Inhalt des Anstellungsverträge wird. Der erkennende Senat teilt insoweit die Auffassung des LSG, daß auch eine solche Gestaltung der Vertragsbeziehungen nicht eine für Beschäftigungsverhältnisse typische persönliche Abhängigkeit schafft.

Die Kläger weisen zwar zu Recht darauf hin, daß der Einfluß, den die - zugleich als Geschäftsführer tätigen - Gesellschafter einer GmbH auf die Gesellschaft ausüben, gemindert ist, wenn - wie hier - ein Beirat errichtet ist und diesem Beirat bestimmte Befugnisse übertragen sind. Das gilt namentlich dann, wenn die Entscheidungen des Beirats auch gegen den Willen eines mit 50 % oder mehr am Kapital beteiligten Gesellschafter/Geschäftsführers durchgesetzt werden können (vgl BGH Betrieb 1970, 389). Das LSG hat dies im Falle der Kläger verneint, weil keiner von ihnen ohne seine Zustimmung als Geschäftsführer abberufen werden könne. Ob dem zu folgen ist - nach Ansicht der Kläger könnten sie bei einer Nichtbefolgung von Weisungen des Beirats fristlos gekündigt und sogar aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden -, braucht der Senat nicht zu entscheiden; denn selbst eine mit der Errichtung eines weisungsbefugten Beirats verbundene Einschränkung des Einflusses der Gesellschafter/Geschäftsführer ist noch nicht so erheblich, daß dadurch eine Abhängigkeit iS eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses entsteht. Allerdings kann auch ein mit 50 % am Stammkapital beteiligter Gesellschafter/Geschäftsführer in den Fällen, in denen der Beirat eine ihm nicht genehme Entscheidung getroffen hat, die Ausführung dieser Entscheidung nicht durch sein Veto verhindern. Er muß sich dann vielmehr mit dem oder den anderen beteiligten Mitgesellschafter(n) einigen. Da diese aber ebenfalls nur zu 50 % am Kapital beteiligt sind und sich somit in der gleichen Rechtsposition wie er selbst befinden, bedürfen auch sie für die Aufhebung von ihnen nicht genehmen Entscheidungen des Beirats seiner Zustimmung. Diese gegenseitige Abhängigkeit bewirkt, daß die Gesellschafter/Geschäftsführer zwar im Einzelfall die Durchführung von Beschlüssen des Beirats nicht verhindern können, auch wenn sie mit 50 % am Gesellschaftskapital beteiligt sind, aufs Ganze gesehen aber jeder von ihnen über einen so entscheidenden Einfluß auf die Geschäftsführung verfügt, daß er in seiner Stellung als Geschäftsführer nicht in der gleichen Weise weisungsunterworfen ist wie ein Arbeitnehmer.

Im übrigen ist hervorzuheben, daß ein mit 50 % am Kapital beteiligter GmbH-Gesellschafter/Geschäftsführer auch bei Errichtung eines Beirats nicht in einem für ihn "fremden" Unternehmen, sondern in seinem eigenen tätig wird. Der Beirat ist nämlich keine außerhalb der GmbH stehende und diese beherrschende Rechtsperson, sondern ein für die Gesellschafter und aufgrund ihres Errichtungsbeschlusses tätiges Organ.

Gegen eine Arbeitnehmereigenschaft der Kläger spricht schließlich der Umfang des Unternehmerrisikos, das sie als Geschäftsführer zwar nicht aufgrund ihres Anstellungsvertrages, wohl aber infolge der engen Verbindung zwischen Beteiligung und Geschäftsführerposition tragen. Insoweit wird auf das Urteil der erkennenden Senats vom gleichen Tage (12 RK 45/80) verwiesen.

Die Revision konnte nach allem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60388

BB 1984, 1049-1050 (LT1-2)

RegNr, 11573

USK, 82166 (ST1-2)

DBlR 2813, AFG/§ 168 (ST1-2)

Die Beiträge 1986, 217-219 (OT1-2)

SozSich 1983, 188 (S1-2)

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