Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Der Kläger verlangt von der beklagten Krankenkasse Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe nach § 185b der Reichsversicherungsordnung (RVO). Seine inzwischen verstorbene Ehefrau, die wie er Pflichtmitglied der Beklagten war, befand sich vom 6. bis 26. März und vom 1. April bis zu ihrem Tode am 4. Juli 1975 zur stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus S… Während dieser Zeit wurden ihre Kinder, der 1963 geborene Jürgen und die 1970 geborene Daniela, in den Haushalt der am gleichen Ort wohnenden Großeltern, der Schwiegereltern des Klägers, aufgenommen und von der Großmutter, die Rentnerin ist, betreut.

Den Antrag der Ehefrau des Klägers, für die Versorgung des Kindes Daniela während des ersten Krankenhausaufenthaltes Kostenerstattung in Höhe (3,-- DM x 12 Stunden x 21 Tage =) 756,-- DM zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 1975 ab, weil die Schwiegermutter den Haushalt des Klägers nicht weitergeführt habe und Auslagen wie Reisekosten und Verdienstausfall nicht angefallen seien. Auf den Widerspruch des Klägers und seinen gleichzeitig gestellten Antrag, Kostenerstattung auch für den zweiten Krankenhausaufenthalt seiner Frau zu gewähren, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1975 entschieden, daß dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne und der Kläger für die Zeit vom 6. März bis 26. März und vom 1. April bis 4. Juli 1975 keinen Anspruch auf Haushaltshilfe gehabt habe.

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht (SG) hat die Berufung auch hinsichtlich des streitigen Zeitraums vom 6. März bis 26. März 1975 zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat einen Erstattungsanspruch nach § 185b Abs. 2 RVO verneint und die Berufung als unbegründet zurückgewiesen, weil die Schwiegermutter des Klägers nicht als Ersatzkraft im Sinne dieser Vorschrift tätig geworden sei. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn sie den Haushalt des Versicherten geführt hätte. Das ergebe der Wortlaut des Gesetzes. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung der Regelung über die Haushaltshilfe als einer weiteren Vergünstigung im Recht der sozialen Krankenversicherung einen weiten Ermessensspielraum gehabt. Er habe den Anspruch des Versicherten von der Weiterführung des Haushalts abhängig machen können und habe nicht darauf abstellen müssen, wo die Kinder im Einzelfall am besten betreut werden könnten (durch nahe Verwandte in fremder Umgebung oder durch fremde Ersatzkraft in vertrauter Umgebung). Die Schwiegermutter des Klägers habe ihren eigenen Haushalt weitergeführt und außerdem auch Aufgaben des Haushalts des Klägers erledigt. Das rechtfertige jedoch nicht die Annahme, der gesamte Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau sei in die Wohnung der Schwiegereltern verlegt und dort von der Schwiegermutter fortgeführt worden. Nachgewiesene Auslagen der Schwiegermutter, z.B. Verdienstausfall oder Fahrkosten, zu deren Erstattung sich die Beklagte im Verwaltungsverfahren bereit erklärt habe, seien vom Kläger nicht geltend gemacht worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt eine zu enge Auslegung des § 185b RVO. Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft könne auch verlangt werden, wenn der Haushalt des Versicherten vorübergehend oder auf unabsehbare Zeit in ein anderes Haus verlegt werde. § 185b RVO habe nicht den Sinn, dem Versicherten die Versorgung seiner Kinder in der ihnen vertrauten Umgebung zu ermöglichen, Diese Vorschrift sei auch anwendbar, wenn die Ersatzkraft zwei Haushalte im selben Gebäude führe. Eine enge Auslegung steht einer möglichst kostensparenden Durchführung des Gesetzes entgegen. Dem Versicherten sollte auch ermöglicht werden, rasch und günstig eine Ersatzkraft zu erhalten. Im vorliegenden Falle müsse davon ausgegangen werden, daß sein Haushalt in die Wohnung seiner Schwiegereltern verlegt worden sei. Es müsse aber zwischen dem Haushalt der Ersatzkraft und seinem vorübergehend im gleichen Gebäude befindlichen Haushalt unterschieden werden.

Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 1977 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Januar 1976 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24 Oktober 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 6. März bis 26. März 1975 DM 756,-- an die Erbengemeinschaft seiner am 4. Juli 1975 verstorbenen Ehefrau und für die Zeit vom 1. April bis 4. Juli 1975 weitere DM 3.420.-- an ihn zu bezahlen,hilfsweise für den Fall, daß der Senat entgegen seiner Auffassung eine weitere Tatsachenaufklärung für erforderlich halte,die vorliegende Rechtssache unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 1977 zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das LSG hat zu Recht eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenerstattung verneint und deshalb das klageabweisende Urteil des SG sowie die diesem zugrunde liegenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten bestätigt.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist der durch das Gesetz zur Verbesserung von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. Dezember 1973 (Leistungsverbesserungsgesetz = KLVG, BGBl. I 1925) mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in die RVO eingefügte § 185b (§ 1 Nr. 2 KLVG; geändert mit Wirkung vom 1. Oktober 1974 durch § 21 Nr. 10 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 - RehaAnglG -, BGBl. I 1881). Danach erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen oder ihrem Ehegatten wegen Aufenthalts in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt oder wegen eines Kuraufenthalts, dessen Kosten von der Krankenkasse ganz oder teilweise getragen werden, die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist, eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und in dem Haushalt ein Kind lebt, das das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist (Absatz 1). Als Haushaltshilfe ist eine Ersatzkraft zu stellen. Kann eine Ersatzkraft nicht gestellt werden oder besteht Grund, von der Gestellung einer Ersatzkraft abzusehen, so sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft in angemessener Höhe zu erstatten (Absatz 2).

Der Erstattungsanspruch setzt also zunächst einen Anspruch auf Haushaltshilfe voraus. Einen solchen Anspruch konnten der Kläger und auch seine Ehefrau haben, denn beide waren in der fraglichen Zeit Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse. Zweifelhaft erscheint jedoch bereits dieser Grundanspruch, denn es steht nicht fest, daß der Krankenhausaufenthalt der Ehefrau des Klägers die Weiterführung des Haushalts unmöglich gemacht hat. Nach den Angaben in den Anträgen vom 26. April 1975 und 16. Juli 1975 soll der Haushalt schon bisher nicht von den (pflichtversicherten) Eheleuten, sondern von "sonstigen Personen" geführt worden sein. Es ist ungeklärt, warum diese Personen den Haushalt nicht weitergeführt haben und inwiefern der Krankenhausaufenthalt der Ehefrau des Klägers hierfür ursächlich gewesen ist. Eine Klärung dieser Frage ist jedoch nicht erforderlich, denn ein Kostenerstattungsanspruch ist auch aus anderen Gründen nicht gegeben.

Ein solcher Anspruch ist zwar nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil Haushaltshilfe grundsätzlich als Sachleistung zu gewähren ist. Die Ausnahmeregelung des § 185b Abs. 2 Satz 2 RVO sieht unter bestimmten Voraussetzungen anstelle der Sachleistung eine Kostenerstattung vor. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, denn erstattungsfähig sind nur Kosten für eine Ersatzkraft im Sinne des § 185b Abs. 2 RVO, die Schwiegermutter des Klägers ist aber nicht als solche tätig gewesen.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine Ersatzkraft nach dieser Vorschrift nur ist, wer den Haushalt des Versicherten führt. Das ergibt sich aus dem gesetzlichen Zusammenhang, in dem diese Versicherungsleistung geregelt ist. Die Verpflichtung der Krankenkasse, eine Ersatzkraft zu stellen, ist lediglich eine Konkretisierung der Verpflichtung, Haushaltshilfe zu gewähren. Die Voraussetzungen und die Ausgestaltung dieser Versicherungsleistung machen deutlich, daß durch sie dem Versicherten speziell die Weiterführung seines eigenen Haushalts und nicht allgemein irgendeine Versorgung seiner Kinder ermöglicht werden soll. Alle in § 185b RVO enthaltenen Regelungen beziehen sich auf die durch den Krankenhausaufenthalt nicht mehr sichergestellte Haushaltsführung. Voraussetzung für die Gestellung einer Ersatzkraft ist, daß wegen des Krankenhausaufenthaltes die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Weitere Voraussetzung ist, daß auch eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann. Schließlich wird gefordert, daß ein noch nicht acht Jahre altes oder behindertes, auf Hilfe angewiesenes Kind im Haushalt des Versicherten lebt (Absatz 1 des § 185b RVO). Dieser Bezug zum Haushalt des Versicherten findet eine Bestätigung in der Ausgestaltung der Versicherungsleistung. Die von der Krankenkasse zu stellende Ersatzkraft hat nicht die Aufgabe, in irgendeiner Weise die Kinder des Versicherten zu versorgen, sondern sie hat als Haushaltshilfe tätig zu werden (Abs. 2 des § 185b RVO). Eine Haushaltshilfe ist aber nur notwendig, wenn die Fortführung des Haushalts davon abhängig ist. Diese Versicherungsleistung kann sich daher nur auf den Haushalt beziehen, dessen Weiterführung wegen des Krankenhausaufenthaltes des Versicherten bzw. seiner Ehefrau nicht mehr sichergestellt ist.

Gleiches hat auch für die "selbstbeschaffte Ersatzkraft" im Sinne des § 185b Abs. 2 Satz 2 RVO zu gelten. Dem Gesetz sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß diesem Begriff eine umfassendere, nicht auf den Haushalt des Versicherten beschränkte Bedeutung zukommt, Insbesondere ergibt sich das nicht aus der gesetzlichen Regelung, daß die Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft auch dann zu erstatten sind, wenn Grund besteht, von der Gestellung einer Ersatzkraft abzusehen. Zwar soll mit dieser Regelung den Bedürfnissen des Versicherten Rechnung getragen werden (s. amtliche Begründung des Regierungsentwurfs eines Leistungsverbesserungsgesetzes, BT-Drucks. 7/377 S. 5). Die Bedürfnisse des Versicherten und seiner Familie können ihn aber nur dazu berechtigen, die Ersatzkraft selbst auszuwählen. Es kam nicht gemeint sein, daß er auf Kosten der Krankenkasse auch die Art der Versorgung seiner Kinder frei bestimmen darf. Dies widerspräche der auf die Weiterführung des Haushalts begrenzten Zweckbestimmung des § 185b RVO. Auch der Wortlaut der die Kostenerstattung betreffenden Vorschrift läßt eine andere Auslegung nicht zu, denn zu erstatten sind "Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft", also nicht Kosten für eine in das freie Ermessen des Versicherten gestellte Versorgung seiner Kinder. Im Recht der sozialen Krankenversicherung gibt es keine dem § 71 des Bundessozialhilfegesetzes entsprechende Vorschrift, wonach auch die angemessenen Kosten für eine vorübergehende anderweitige Unterbringung von Haushaltsangehörigen übernommen werden können, wenn diese Unterbringung in besonderen Fällen neben oder statt der Weiterführung des Haushalts geboten ist.

Die Beklagte ist daher nicht zu der von dem Kläger und seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau geltend gemachten Kostenerstattung verpflichtet. Die Schwiegermutter des Klägers, für deren Tätigkeit eine Vergütung beansprucht wird, hat nicht den Haushalt das Versicherten weitergeführt, sondern die Kinder des Versicherten bei sich aufgenommen und in ihrem Haushalt versorgt. An die entsprechenden Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil ist der erkennende Senat gebunden, denn in bezug auf diese Feststellungen sind vom Kläger zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) in der Revisionsbegründung behauptet er zwar, die Tatsachenfeststellungen hätten nicht ausreichend berücksichtigt, daß sein Haushalt Iediglich in die Wohnung seiner Schwiegereltern verlegt, dort aber getrennt von deren Haushalt weitergeführt worden sei. Es werden jedoch keine Verfahrensmängel gerügt, auf denen unrichtige Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil beruhen könnten. Im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag läßt der Kläger sogar vortragen, er halte eine weitere Tatsachenaufklärung nicht für erforderlich.

Es kam dahingestellt bleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Versorgung von Kindern eines Versicherten außerhalb seines Haushalts einen Kostenerstattungsanspruch ausnahmsweise dann zu begründen vermag, wenn die Weiterführung des eigenen Haushalts durch eine Ersatzkraft nicht möglich ist. Für eine solche Ausnahmesituation fehlt hier jeglicher Anhaltspunkt. Wie bereits erwähnt, wird in den Anträgen vom 26. April und 16. Juli 1975 angegeben, daß der Haushalt schon bisher nicht vom Antragsteller und seinem Ehegatten, sondern von "sonstigen Personen" geführt worden ist. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern der Krankenhausaufenthalt der Ehefrau des Klägers eine Haushaltshilfe notwendig gemacht hat. Sollten die Kinder des Klägers schon vor der Krankenhausaufnahme seiner Frau von seiner am gleichen Ort wohnenden Schwiegermutter betreut worden sein, dann wäre eine Haushaltshilfe nicht wegen des Aufenthalts im Krankenhaus erforderlich geworden. Schließlich kam in diesem Zusammenhang nicht außer acht gelassen werden, daß die Kinder des Klägers nicht in einem fremden Haushalt, sondern in dem Haushalt ihrer Großeltern aufgenommen worden sind. Daß enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen der Familie des Versicherten und der haushaltführenden Person den Kostenerstattungsanspruch i.S. des § 185b Abs. 2 RVO beeinflussen, hat der Senat für den Fall bejaht, daß der Haushalt des Versicherten weitergeführt wird (SozR 2200 § 185b RVO Nr. 3 bezüglich der Angemessenheit der Vergütung; vgl. auch SozR 2200 § 185b RVO Nr. 1). Dieser Erwägung entspricht die weitere Rechtsentwicklung, denn mit Wirkung vom 1. Juli 1977, also nach der hier streitbefangenen Zeit, ist dem § 185b Abs. 2 RVO die Bestimmung angefügt worden, daß für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grade keine Kosten erstattet werden; lediglich die erforderlichen Fahrkosten und den Verdienstausfall kann die Krankenkasse erstatten, wenn die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten steht (Art 1 § 1 Nr. 12 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977, BGBl. I 1069).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518651

Breith. 1980, 451

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