Leitsatz (amtlich)

Bringt das Jugendamt Kinder während des Krankenhausaufenthalts ihrer Mutter in Jugendheimen unter, um damit seine Verpflichtung nach JWG § 5 zu erfüllen, so stehen ihm gegen die KK keine Ersatzansprüche nach RVO § 1531 zu (Anschluß an BSG 1975-08-26 1/4 RJ 61/74 = SozR 2200 § 183 Nr 7). Die Erziehungsbeihilfe steht der Haushaltshilfe nach RVO § 185b nicht gleich.

 

Normenkette

RVO § 185b Fassung: 1973-12-19, § 1531 Fassung: 1924-12-15, § 1533 Fassung: 1924-12-15; JWG §§ 5, 81

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 26.10.1976; Aktenzeichen I KRBf 8/76)

SG Hamburg (Entscheidung vom 05.04.1976; Aktenzeichen 8 KR 145/74)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Heimunterbringung von Kindern.

Der beigeladene E. C war mit der am 13. Juli 1975 verstorbenen Karin C verheiratet. Diese war bei der beklagten Innungskrankenkasse pflichtversichert. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen, die zur streitigen Zeit - Januar/Februar 1974 - 12, 9, 8, 6 und 4 Jahre alt waren. Die Versicherte erkrankte Ende 1973 und mußte am 15. Januar 1974 in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Dort verblieb sie bis zum 8. Februar 1974. Zu gleicher Zeit war auch ihr Ehemann arbeitsunfähig erkrankt.

Während des Krankenhausaufenthaltes der Versicherten versah zunächst die Mutter des Ehemannes, Clara K, aushilfsweise den Haushalt; sie erkrankte späterhin auch, der Zeitpunkt der Erkrankung ist nicht festgestellt. Die Beklagte gewährte der Versicherten mit Bescheid vom 3. April 1974 Kostenerstattung für Haushaltshilfe für die Zeit vom 15. Januar bis zum 8. Februar 1974 in Höhe von 99,- DM; der Bescheid ist bindend geworden. Die Klägerin brachte die vier jüngsten Kinder der Versicherten in der Zeit vom 21. Januar bis zum 5. Mai 1974 in Jugendheimen (Vollheimen) unter. Sie forderte von der Beklagten für die Unterbringung des sechsjährigen Guido und des vierjährigen Mirko für die Zeit vom 21. Januar bis zum 8. Februar 1974 einen Betrag von 46,90 DM täglich pro Kind. Von dem Beigeladenen forderte sie für die von ihr gewährte Hilfe zur Erziehung nach § 81 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (JWG) einen Elternbeitrag von täglich 3,-DM für jedes Kind. Die Beklagte lehnte den Anspruch ab, weil sie der Versicherten bereits Haushaltshilfe geleistet habe.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klägerin sodann den Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 44,- DM täglich weiter verfolgt. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages verurteilt (Urteil vom 5. April 1976): Der Versicherten habe ein Anspruch auf Haushaltshilfe zugestanden. Die Klägerin habe zwar eine solche auch nicht stellen können, aber durch die Heimunterbringung der Kinder sei der vom Gesetz beabsichtigte Erfolg - Betreuung der Kinder - ebenfalls erzielt worden. Demgemäß stehe der Klägerin ein Ersatzanspruch nach § 1531 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte das Landessozialgericht (LSG) Hamburg angerufen. Das Berufungsgericht hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Oktober 1976): Der Klägerin stehe kein Ersatzanspruch zu, weil sie aus eigener Leistungsverpflichtung nach dem JWG aus erzieherischen Gründen zur Vorbeugung von Verwahrlosungserscheinungen und nicht nur ersatzweise für die Beklagte gehandelt habe. Die Kasse habe nur Hilfe für hauswirtschaftliche Tätigkeiten zu leisten, eine solche Leistung sei aber von der Klägerin unstreitig nicht erbracht worden.

Die Klägerin wendet sich mit der zugelassenen Revision gegen dieses Urteil. Sie hält die §§ 185 b, 1531 und 1532 RVO für verletzt. Ihr stehe ein Ersatzanspruch zu, weil die von ihr den Kindern der Versicherten gewährte Unterstützung und die Versicherungsleistung der Kasse auf demselben Tatbestand als Leistungsgrund beruhten. Das sei die Krankheit der Versicherten. Die Klägerin habe die Unterbringung der Kinder auch nicht aus Gründen der Erziehungshilfe veranlaßt, sondern um deren Pflege und Versorgung sicherzustellen, die durch die Abwesenheit der Versicherten gefährdet gewesen seien. Wenn auch die Hilfeleistung in einer anderen Form erfolgt sei, als sie die Beklagte erbracht hätte, so werde dadurch ihr Ersatzanspruch nicht ausgeschlossen, weil jedenfalls der Leistungszweck erreicht worden sei, der auch der Leistung nach § 185 b RVO zugeordnet werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Ersatz für die Unterbringung der Kinder der bei der Beklagten versicherten Karin C für die Zeit vom 21. Januar bis 8. Februar 1974 in Höhe von je 44,- DM täglich zu leisten.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des angefochtenen Urteils an und weist darauf hin, daß die Leistung nach § 185 b RVO die Weiterführung des Haushaltes bedinge. Die Klägerin habe Hilfe zur Erziehung der Kinder gewährt; das werde schon dadurch deutlich, daß die Kinder auch nach der Entlassung der Versicherten aus dem Krankenhaus in den Heimen verblieben seien.

II

Die Revision ist nicht begründet, der Klägerin steht kein Ersatzanspruch zu.

Das Amt für Jugend der Freien und Hansestadt Hamburg hat die vier Kinder des Beigeladenen und der Versicherten in Jugendheimen untergebracht, um damit seine Verpflichtung nach § 5 Abs 1 Nr 4 iVm § 6 JWG zu erfüllen. Das hat das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt, die von der Klägerin dagegen erhobenen Rügen gehen fehl. Die Richtigkeit der Feststellung wird einmal schon durch die Tatsache bestätigt, daß die Klägerin die Kinder in der Zeit vom 21. Januar bis zum 5. Mai 1974 in Heimen untergebracht hat, während die Versicherte lediglich in der Zeit vom 15. Januar bis zum 8. Februar 1974 wegen ihres Krankenhausaufenthalts und dann nochmals vom 7. März bis zum 3. April 1974 wegen der Durchführung einer Kur von zu Hause abwesend war. An der Führung des Haushalts war sie somit nur in dieser Zeit verhindert. Wenn die Unterbringung der Kinder lediglich erfolgt wäre, um deren Versorgung sicherzustellen, hätte sich der Zeitraum der Unterbringung mit der Zeit der Abwesenheit der Mutter vom Haushalt decken müssen. Des weiteren macht aber auch der Bescheid der Klägerin an den Beigeladenen vom 19. Februar 1974 deutlich, daß die Klägerin Hilfe zur Erziehung nach dem JWG geleistet hat. Bereits in der dem Bescheid zugrunde liegenden Verfügung vom 24. Januar 1974 wird das eindeutig ausgesprochen, aber auch der Bescheid ergibt das, denn die Klägerin fordert von dem Beigeladenen einen Kostenbeitrag und benennt als gesetzliche Grundlage dafür § 81 JWG. Diese Vorschrift besagt in dem hier allein in Betracht kommenden Abs 1, daß die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die für die Gewährung der Hilfen für Erziehung für einzelne Minderjährige zuständig sind, die Kosten dieser Hilfe tragen, soweit sie dem Minderjährigen und seinen. Eltern nicht zuzumuten sind. Damit steht nicht nur fest, wie das LSG zutreffend erkannt hat, daß die Klägerin den Kindern der Versicherten Hilfe zur Erziehung geleistet hat, sondern auch, daß die Klägerin im Grundsatz zur Tragung der Kosten dieser Maßnahme verpflichtet ist. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat bereits in seinem Urteil vom 26. August 1975 - 1/4 RJ 61/74 - (in SozR 2200, Nr 7 zu § 183 RVO) entschieden, daß die von einem Träger der Jugendhilfe für Kinder eines Versicherten gewährte Erziehungshilfe nach § 5 JWG keine zum Ersatz berechtigende Sozialhilfe darstellt. Der erkennende Senat tritt dieser Entscheidung, die auch im Einklang mit früheren Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes steht, nach eigener Prüfung bei. Die von der öffentlichen Jugendhilfe nach §§ 5 und 6 JWG gewährten Maßnahmen sind keine von einem Sozialhilfeträger erbrachten Unterstützungen im Sinne des § 1531 RVO und vermögen daher auch keine Ersatzansprüche nach dieser Vorschrift auszulösen. Die Aufgabe der Jugendhilfe besteht im wesentlichen darin, die in der Familie des Kindes begonnene Erziehung zu unterstützen und zu ergänzen (§ 3 Abs 1 Satz 1 JWG), während es Aufgabe der Sozialhilfe ist, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs 2 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG -). Demgemäß sind auch die Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe ganz anderer Art als die der Sozialhilfe.

An den fehlenden Voraussetzungen der Maßnahme der Klägerin für einen Ersatzanspruch nach § 1531 RVO vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß die Klägerin zur Einleitung der Maßnahmen durch die Krankheit der Versicherten veranlaßt worden ist. Denn selbst wenn die gewährte Erziehungshilfe der Klägerin zu einem Ersatzanspruch führen könnte, müßte dieser im vorliegenden Falle scheitern, weil nach § 1533 Nr 2 RVO bei Krankheit des Versicherten nur die Auslagen zu ersetzen sind, die den Leistungen der Krankenkasse entsprechen. Auch insoweit hat das LSG zutreffend dargelegt, daß die in § 185 b RVO geregelte Haushaltshilfe, auf die die Klägerin zurückgreifen möchte, keine entsprechende Leistung zur Erziehungshilfe nach § 5 JWG darstellt. Ein wesentliches Merkmal der Haushaltshilfe ist die Weiterführung des Haushalts, den die Versicherte infolge einer der in § 185 b Abs 1 Satz 1 RVO aufgeführten Gründe nicht mehr selbst führen kann. Die Weiterführung des Haushalts muß durch eine Ersatzkraft erfolgen, wobei es für die Leistungspflicht der Kasse im Ergebnis unerheblich ist, ob die Ersatzkraft von der Kasse gestellt oder von der Versicherten selbst beschafft wird. Gerade dieses Merkmal der Kassenleistung wird aber bei der von der Klägerin gewährten Erziehungshilfe nicht berücksichtigt, denn die beiden noch nicht acht Jahre alten Kinder der Versicherten sind in einem Jugendheim untergebracht worden.

Der Senat vermag mangels entsprechender Feststellungen nicht zu erkennen, ob der Haushalt der Versicherten während ihres Krankenhausaufenthaltes weitergeführt worden ist oder nicht - dafür würde sprechen, daß der arbeitsunfähige Ehemann der Versicherten und das älteste Kind in der fraglichen Zeit offenbar im Haushalt verblieben sind -; in jedem Falle könnte die Klägerin einen Ersatzanspruch überhaupt nur dann in Betracht ziehen, wenn sie Maßnahmen ergriffen hätte, um die Weiterführung des Haushalts sicherzustellen. Das ist jedoch unstreitig nicht der Fall gewesen. Der Klägerin steht mithin kein Ersatzanspruch nach § 1531 RVO zu.

Die Forderung der Klägerin ist auch nicht im Sinne der Überleitung eines Anspruchs der Versicherten begründet. Zwar gestattet § 82 JWG die Überleitung von Ansprüchen gegen Dritte unter entsprechender Anwendung der §§ 90, 91 BSHG. Jedoch bedarf der Übergang des Anspruches der schriftlichen Anzeige an den Dritten (§ 90 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 BSHG). Im vorliegenden Falle mangelt es schon an einer schriftlichen Überleitungsanzeige. Im übrigen hätten damit auch nur Ansprüche auf die Klägerin übergehen können, die der Versicherten selbst zustanden. Über den Anspruch der Versicherten auf Gewährung von Haushaltshilfe hatte die Beklagte aber schon durch den bindend gewordenen Bescheid vom 3. April 1974 entschieden und den Anspruch auch erfüllt. Die Bindungswirkung des der Versicherten erteilten Bescheides wäre bei einer Anspruchsüberleitung nach § 90 BSHG - im Gegensatz zu der Rechtslage bei Geltendmachung eines Ersatzanspruches - auch von der Klägerin zu beachten gewesen.

Da somit der streitige Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist, war die Revision der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des LSG Hamburg zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654824

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