Leitsatz (amtlich)

Die Zuständigkeitsregelung der Wanderversicherung (RVO § 1311 Abs 1, AVG § 90 Abs 1) gilt auch für Beitragserstattungen nach RVO § 1303 Abs 1, AVG § 82 Abs 1. Bei einem Versicherten, der Beiträge zur RV der Arbeiter und zur RV der Angestellten geleistet hat, ist deshalb die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, wenn an sie der letzte Beitrag entrichtet worden ist, für die Feststellung und Zahlung auch der aus der Rentenversicherung der Arbeiter zu erstattenden Beiträge zuständig.

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei dem Beitrags-Erstattungsanspruch handelt es sich um einen Anspruch auf eine einmalige Leistung. Für solche Ansprüche schließt das SGG die Berufungsmöglichkeit grundsätzlich aus (SGG § 144).

 

Normenkette

RVO § 1303 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1311 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27; SGG § 144 Fassung: 1953-09-03; AVG § 90 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27, § 82 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 1958 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger beansprucht mit der Klage die Erstattung von Beiträgen, die er in der Zeit vom 1. November 1950 bis zum 30. September 1952 zur Rentenversicherung der Arbeiter (JV.) geleistet hat. Er war vom 1. September 1949 bis zum 31. Oktober 1950 in der Rentenversicherung der Angestellten (AV.), vom 1. November 1950 bis zum 30. September 1952 in der JV. und vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. März 1954 wiederum in der AV. - insgesamt also in den Rentenversicherungen 55 Monate - versichert. Seit dem 1. April 1954 ist er Beamter. Auf seinen im Juni 1957 gestellten Antrag hin erkannte die Beklagte ihre Erstattungspflicht hinsichtlich der AV.-Beiträge an; wegen der JV.-Beiträge verwies sie ihn an die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Berlin (Bescheid vom 21.12.1957). Der Kläger focht den Bescheid der Beklagten an, nachdem sein Erstattungsantrag bei der LVA. erfolglos geblieben war. Er beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ihm auch die Hälfte seiner zur JV. entrichteten Beiträge zu erstatten. Das Sozialgericht (SG.) Berlin entsprach diesem Antrag, es wandte die Zuständigkeitsvorschriften aus dem Bereich der Wanderversicherung (§ 1311 Abs. 1 RVO, § 90 Abs. 1 AVG) auf den Erstattungsantrag des Klägers entsprechend an und hielt deshalb die Beklagte, weil sie den letzten Beitrag des Klägers erhalten hat, für verpflichtet, auch die Hälfte der JV.-Beiträge zu erstatten. - Es ließ die Berufung zu (Urteil vom 28.3.1958).

Die Beklagte legte gegen das ihr am 10. April 1958 zugestellte Urteil des SG. am 6. Mai 1958 Sprungrevision ein und beantragte, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise festzustellen, daß die LVA. Berlin für die Erstattung der Beiträge zuständig sei. Sie reichte die Einwilligungserklärung des Klägers zur Sprungrevision innerhalb der Revisionsfrist am 8. Mai 1958 nach und begründete die Revision am 9. Juni 1958. Sie rügte die Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften für die Wanderversicherung bei Anträgen auf Beitragserstattungen. Die Vorschriften über die Wanderversicherung seien ausschließlich auf den Rentenfall abgestellt; Beiträge müßten getrennt nach Versicherungszweigen von den jeweiligen Versicherungsträgern erstattet werden.

Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Die Sprungrevision ist - abgesehen von dem Einverständnis des Rechtsmittelgegners - nur statthaft, wenn das Urteil des SG. grundsätzlich unanfechtbar und nur nach den Ausnahmevorschriften des § 150 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit der Berufung anfechtbar ist (§ 161 SGG). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Rechtsstreit gegeben. Bei dem Erstattungsanspruch handelt es sich um einen Anspruch auf eine einmalige Leistung; für solche Ansprüche schließt das SGG die Berufungsmöglichkeit grundsätzlich aus (§ 144 SGG, BSG. 10 S. 186). Das SG. hat die Berufung jedoch zugelassen, so daß sie über § 150 SGG statthaft ist. Damit ist auch die Sprungrevision statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.

Der Anspruch des Klägers auf die Beitragserstattung beruht auf § 82 AVG und § 1303 RVO. Danach ist einem Versicherten auf Antrag die Hälfte der für die Zeit nach der Währungsreform im Bundesgebiet oder im Land Berlin entrichteten Beiträge zu erstatten, wenn die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt, ohne daß das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung besteht. Diese Vorschriften sind, wie das Bundessozialgericht (BSG.) schon entschieden hat, auch dann anwendbar, wenn die Versicherungspflicht - wie beim Kläger - bereits vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften am 1. Januar 1957 entfallen ist (BSG. 10 S. 127). Ihre Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des SG. erfüllt: der Kläger ist als Beamter nicht mehr versicherungspflichtig; zur freiwilligen Weiterversicherung ist er nicht berechtigt, weil er nur 55 statt der vom Gesetz für die Weiterversicherung geforderten 60 Beiträge zur Rentenversicherung geleistet hat; zwischen dem Wegfall der Versicherungspflicht im April 1954 und der Antragstellung im Juni 1957 liegen mehr als 2 Jahre; der Kläger hat inzwischen keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Es ist nicht geltend gemacht worden, daß der Kläger bisher aus seinen Beiträgen eine Regelleistung erhalten hat.

Der Kläger hat sowohl Beiträge zur AV. als auch Beiträge zur JV. wirksam entrichtet. Für ihn gelten deshalb die Vorschriften der Wanderversicherung (§§ 1308 ff. RVO; §§ 87 ff. AVG). Nach diesen ist für die Feststellung und Zahlung einer Leistung der Träger des Versicherungszweiges zuständig, an den der letzte Beitrag entrichtet ist (§ 1311 Abs. 1 RVO, § 90 Abs. 1 AVG). Der Kläger hat seinen letzten Beitrag an die Beklagte entrichtet. Sie ist deshalb für die Erstattung der vom Versicherten zur AV. und JV. entrichteten Beiträge zuständig. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Aufbau des Gesetzes, dem Sinn und Zweck der Wanderversicherung und schließlich auch aus der geschichtlichen Entwicklung der maßgeblichen Vorschriften.

Nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung (§ 1308 RVO, § 87 AVG) gelten die Vorschriften der Wanderversicherung stets, wenn für einen Versicherten für zwei oder mehrere Zweige der Rentenversicherung wirksam Beiträge entrichtet worden sind. Eine Beschränkung auf den Fall der Rentengewährung ist darin nicht enthalten. Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht daraus, daß die beiden folgenden Vorschriften (§§ 1309, 1310 RVO; §§ 88, 89 AVG) ihrem Inhalt nach überwiegend auf Rentenanträge zugeschnitten sind. Sie behandeln Materien, die wie etwa die Berechnung der Wartezeit und die Feststellung der übrigen Rentenvoraussetzungen für die Rentengewährung wesentlich sind, und sind folgerichtig darauf abgestellt. In der Feststellung von Renten liegt - dem Zweck der Rentenversicherung entsprechend - das Hauptanwendungsgebiet auch der Wanderversicherung. Das schließt aber nicht aus, daß die Anwendung von Vorschriften der Wanderversicherung, die ihrem Sinn nach dafür in Betracht kommen, auch bei Anträgen auf Beitragserstattungen möglich ist. Die folgende Vorschrift über die Zuständigkeit für die Feststellung und Zahlung von Leistungen (§ 1311 RVO, § 90 AVG) ist - wie § 1308 RVO, § 87 AVG - allgemein gehalten und ihrem Wortlaut nach auf alle Leistungen an Wanderversicherte, also auf Renten und Beitragserstattungen gleichermaßen anwendbar. Die Beitragserstattung ist eine Leistung; sie wird vom Gesetz selbst den Regelleistungen zugerechnet (§ 1235 RVO, § 12 AVG) und gehört nach der Rechtsprechung des BSG., wie schon erwähnt, zu den einmaligen Leistungen im Sinne des § 144 SGG. Es ist kein Grund erkennbar, in § 1311 RVO, § 90 AVG die Beitragserstattung nicht als Leistung anzuerkennen und sie von dieser Zuständigkeitsregelung auszunehmen. Der notwendige finanzielle Ausgleich zwischen den beteiligten Versicherungsträgern ist in § 1314 Abs. 1 RVO, § 93 Abs. 1 AVG angeordnet, und zwar wiederum ohne Beschränkung auf den Rentenfall. Die für diesen erforderlichen Sonderregelungen sind in den übrigen Absätzen dieser Vorschrift enthalten.

Nach dem Aufbau des Gesetzes werden die Beitragserstattungen wie die Renten von den Vorschriften über die Wanderversicherung mit umfaßt. Die RVO (4. Buch) und das AVG behandeln jeweils im zweiten Abschnitt ("Leistungen aus der Versicherung" unter A zunächst die "Regelleistungen", die in Maßnahmen zur Förderung der Erwerbsfähigkeit, Renten, Abfindungen und Beitragserstattungen untergliedert werden, dann unter B "Zusätzliche Leistungen aus der Versicherung" und unter C die "Wanderversicherung". Die Vorschriften über die Wanderversicherung sind also neben die Vorschriften für die Leistungen insgesamt gesetzt und beziehen sich nach dieser Systematik auf alle Leistungen und nicht nur auf eine bestimmte Leistungsgruppe, wie etwa auf Renten.

Sinn und Zweck der Vorschriften über die Wanderversicherung nötigen gleichfalls dazu, ihre Zuständigkeitsregeln auch bei Beitragserstattungen anzuwenden. Die AV., die JV. und die knappschaftliche Rentenversicherung stehen als drei Zweige der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich getrennt nebeneinander und werden jeweils durch eigene Versicherungsträger verwaltet. Viele Versicherte gehören während ihres gesamten Arbeitslebens immer nur einem dieser Versicherungszweige an. Sie stehen durchgehend in einem einheitlichen Versicherungsverhältnis und werden bei jedem Antrag, welcher Art er auch sein mag, von nur einem Versicherungsträger betreut; sie bedürfen keines zusätzlichen Schutzes. Der Berufsweg der Versicherten, die zwischen Arbeitertätigkeiten und Angestelltenberufen - bergmännische Tätigkeiten können für den vorliegenden Rechtsstreit außer Betracht bleiben - wechseln, ist jedoch genau so üblich und normal, wie der der übrigen Versicherten. Oft erfordert der berufliche Werdegang sogar einen Wechsel des Versicherungszweiges, so bei Technikern, Schiffsoffizieren, Handwerksmeistern usw. Diese Versicherten vor Nachteilen aus der wechselnden Versicherungszugehörigkeit zu schützen, ist Sinn und Aufgabe der Wanderversicherung. Ihr Ziel ist es, die rechtliche Stellung eines Versicherten, der im Laufe seines Arbeitslebens in mehreren Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, unter dem Gedanken eines einheitlichen Versicherungsverhältnisses zu regeln (Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, S. 200). Die Wanderversicherung strebt ihrem Wesen nach immer die Gesamtleistung an (§ 1310 RVO, § 89 AVG). Mit dieser Zielsetzung ist es unvereinbar, den Vorschriften über die Wanderversicherung ihrem Wortlaut zuwider einen einengenden Sinn zu Ungunsten der Versicherten zu geben. Auch der Wanderversicherte, der als Leistung aus der Versicherung eine Beitragserstattung beansprucht, braucht nach der Wortfassung und dem Sinn der §§ 1308, 1311 RVO, 87, 90 AVG seinen Antrag nur an einen Versicherungsträger zu richten und soll nur von diesem allein einen abschließenden Bescheid über den erhobenen Anspruch insgesamt - entsprechend dem § 1310 Abs. 2 RVO, § 89 Abs. 2 AVG - erhalten. Die Verweisung an mehrere Versicherungsträger stellt eine Erschwerung der Rechtsverfolgung und damit eine Benachteiligung der Wanderversicherten dar; sie ist nach dem Gesetz vermeidbar. Die Anwendung der Zuständigkeitsregeln der Wanderversicherung ist bei Beitragserstattungen nicht deshalb ausgeschlossen, weil mit dieser Leistung das Versicherungsverhältnis endet und der Versicherte aus der Versicherung ausscheidet. Der Versicherte beansprucht mit dem Antrag auf Beitragserstattung eine von mehreren Regelleistungen. Die Zuständigkeit für die Bearbeitung seines Leistungsantrags darf nicht davon abhängen, welche sonstigen Folgen die Antragsbewilligung noch nach sich zieht.

Die geschichtliche Entwicklung der Vorschriften, die für diesen Rechtsstreit maßgeblich sind, bestätigt das vom Senat gewonnene Ergebnis. Sie läßt das Bemühen des Gesetzgebers erkennen, Erschwerungen für die Versicherten aus der formalen Selbständigkeit der drei Versicherungszweige innerhalb der Rentenversicherung zu beseitigen. Nach der Schaffung der AV. im Jahre 1913 standen zunächst die Versicherungen in der JV. und die Versicherungen in der AV. selbständig nebeneinander, auf die Dauer ein unbefriedigender und die Versicherten belastender Zustand. Die wechselnde Versicherungszugehörigkeit, die Wanderversicherung, wurde mit Wirkung vom Beginn des Jahres 1923 an geregelt (Ges. v. 10.11.1922) und in der Folgezeit rechtlich vervollkommnet. Die Doppelversicherungen in der JV. und AV. auf Grund derselben Beschäftigung wurden beseitigt und die Beiträge gegenseitig angerechnet. Von 1934 an bildeten die erneut ergänzten Vorschriften über die Wanderversicherung einen eigenen Abschnitt im 5. Buch der RVO, auf den das AVG verwies (Ges. vom 7.12.1933, VO vom 17.5.1934; §§ 1544 ff. RVO a. F.). Die Regelung der Wanderversicherung war zu dieser Zeit auf die Fälle der Rentengewährung beschränkt; wesentlich zur Erleichterung trugen die Einführung der Gesamtleistung und die neue Zuständigkeitsregelung bei. Nach dieser lag die Entscheidung über einen Leistungsantrag bei nur einem der beteiligten Versicherungsträger (§§ 1544, 1544 e RVO i. d. F. der VO vom 17.5.1934). Die Beschränkung auf Rentenfälle war sinnvoll, weil es damals in der JV. keine Beitragserstattungen gab; sie waren ausschließlich eine Angelegenheit der AV. Als von 1938 an die Beitragserstattungen bei der Heirat weiblicher Versicherter in die JV. eingeführt wurden, wurde zugleich der Anwendungsbereich der Wanderversicherung auch auf diese neue Leistung erstreckt (§ 1309 a RVO i. d. F. des Ges. vom 21.12.1937). Das war hinsichtlich einzelner Vorschriften aus der Wanderversicherung notwendig, weil bei diesen Beitragserstattungen die Wartezeit und die Anwartschaft geprüft werden mußten. Die Verweisung in § 1309 a RVO bezog sich aber nicht nur auf wenige bestimmte, sondern vorbehaltlos auf alle Vorschriften der Wanderversicherung, also auch auf die Zuständigkeitsregeln. Diese wurden in der Folgezeit auch tatsächlich angewandt und damit die uneingeschränkte Einbeziehung der Beitragserstattungen in die Wanderversicherung von der Praxis verwirklicht (Rundschreiben des Reichsversicherungsamts - RVA. - vom 3.10.1938). Bei der Neufassung des § 1309 a RVO im Jahre 1942 (Ges. vom 19.6.1942, VO vom 22.6.1942) entfiel mit den Anspruchsvoraussetzungen der Erfüllung der Wartezeit und der Erhaltung der Anwartschaft auch der Hinweis auf die Wanderversicherung. Daraufhin nahm das RVA. an, ohne eine Begründung dafür zu geben, daß die Zuständigkeitsvorschrift der Wanderversicherung (nunmehr § 1544 g RVO i. d. F. der Bekanntmachung vom 22.2.1943) bei Anträgen auf Erstattung von Beiträgen weiblicher Versicherter nicht mehr anwendbar sei (Durchführungsanweisung des RVA. vom 6.10.1943). Diese Auslegung war zwar rechtlich möglich, aber nicht zwingend. Die ursprüngliche Beschränkung der Vorschriften der Wanderversicherung auf die Fälle der Rentengewährung war bei der Neufassung dieser Vorschriften 1943 weggefallen. Ihre neue Wortfassung ließ durchaus - genau wie die der heute geltenden Bestimmungen - die Einbeziehung der Beitragserstattungen auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis zu. Im Schrifttum wurde deshalb mit Recht die Ansicht vertreten, daß die damaligen Vorschriften über die Wanderversicherung nicht nur die Rentenleistungen regelten, sondern alle Leistungen der Rentenversicherung umfaßten (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 5. Auflage, S. 801). Die Anweisung des RVA. aus dem Jahre 1943 kann daher nicht entscheidend für die Deutung des AVG von 1957 sein. Dies auch deshalb nicht, weil bei der Beitragserstattung nach § 1303 RVO, § 82 AVG wieder - ähnlich wie in der Zeit von 1938 bis 1942, in der die Beitragserstattungen als Gesamtleistungen gewährt wurden - versicherungstechnische Voraussetzungen (§ 1233 RVO, § 10 AVG) zu berücksichtigen sind. Das erfordert ohnehin eine Zusammenarbeit unter den beteiligten Versicherungsträgern. Die Auslegung durch den Senat führt durch die Erleichterung und Vereinfachung, die sie dem Versicherten bringt, zu einem Ergebnis, das in der Entwicklungslinie liegt, die das Gesetz vom 10. November 1922 mit der Einführung der Wanderversicherung eingeleitet hat.

Der Wortlaut der Sondergesetze, die eine Erstattung bestimmter Beiträge von verdrängten Beamten und Berufssoldaten regeln (§ 74 Ges. 131, § 78 Soldatenversorgungsgesetz), erfordert gleichfalls kein nach Versicherungszweigen getrenntes Verfahren. Die dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften sehen zwar, worauf die Beklagte hingewiesen hat, eine solche Trennung vor, doch zwingt das nicht dazu, hinsichtlich der Beitragserstattungen des § 82 AVG ebenso zu verfahren. Beitragserstattungen auf Grund von Ausnahmetatbeständen brauchen nicht wie Regelleistungen behandelt zu werden.

Die ursprüngliche Meinungsverschiedenheit zwischen der Beklagten und der LVA. Berlin über die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs des Klägers ist inzwischen durch das bereits erwähnte Urteil des BSG. (BSG. 10 S. 127) beseitigt. Dieses Urteil bestätigt die Ansicht der Beklagten, daß ein Erstattungsanspruch auch dann bestehen kann, wenn die Versicherungspflicht des Antragstellers vor dem Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze (1.1.1957) entfallen ist. Unterschiedliche Auffassungen der beteiligten Versicherungsträger über eine Rechtsfrage können sowohl bei Rentenfällen als auch bei Fällen von Beitragserstattungen auftreten. Ihre Möglichkeit rechtfertigt es nicht, die Beitragserstattungen grundsätzlich anders als die Rentengewährungen zu behandeln. Das Wagnis eines unrichtigen Bescheids ist bis zum Erlaß eines obergerichtlichen Urteils zu der zweifelhaften Rechtsfrage gegeben, aber nicht nur wegen der Leistung aus dem anderen, sondern auch wegen der aus dem eigenen Versicherungszweig.

Die Revision ist deshalb unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG). Es braucht nicht geklärt zu werden, ob das SG. verpflichtet war, die LVA. Berlin beizuladen (§ 75 Abs. 2 SGG). Selbst wenn das SG. die Beiladung der LVA. zu Unrecht unterlassen hätte, müßte die Revision ebenfalls zurückgewiesen werden, weil sich nach der gegebenen Sach- und Rechtslage die Entscheidung des SG. im Ergebnis als richtig darstellt (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 69

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