Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungspflichtige Krankenkasse bei mehrfachen Ansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erklärung eines versicherten Ehegatten seiner KK gegenüber, im Falle der Erkrankung des Kindes werde die Versicherung des anderen Ehegatten in Anspruch genommen, ist keine wirksame Inanspruchnahme iS des RVO § 205 Abs 4 S 2. Das nach Beendigung der Sachleistung erklärte Einverständnis des anderen Ehegatten ersetzt nicht die fehlende Inanspruchnahme.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Feststellung der zuständigen Krankenkasse, wenn ein Anspruch auf Familienkrankenpflege gegen mehrere Krankenkassen besteht und nach RVO § 205 Abs 4 die zuerst in Anspruch genommene Kasse leistungspflichtig ist, setzt einen entsprechenden Antrag des Versicherten voraus.

2. Eine Inanspruchnahme iS von RVO § 205 Abs 4 S 2 liegt nur dann vor, wenn der Versicherte durch eine entsprechende Willenserklärung oder schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, daß seine Krankenkasse leisten soll und den nach RVO § 1545 Abs 1 Nr 2 erforderlichen Antrag gestellt hat.

3. Bei einem neugeborenen Kind, für das mehrfache Ansprüche auf Familienkrankenhilfe bestehen, ist nach RVO § 205 Abs 4 S 2 die Krankenkasse als leistungspflichtig anzusehen, die die Entbindungsanstaltspflege gewährt hat.

 

Normenkette

RVO § 199 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1967-12-21, § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-07-27, Abs. 4 S. 2 Fassung: 1930-07-26, § 1545 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1924-12-15

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. August 1974 und des Sozialgerichts Hildesheim vom 21. März 1973 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die stationäre Behandlung des Kindes Andreas B in der Zeit vom 24. Oktober bis zum 8. November 1971 einschließlich Krankentransportkosten in Höhe von insgesamt 903,81 DM zu erstatten.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, wer von ihnen die Kosten der Familienkrankenpflege des Kindes der Beigeladenen für die Zeit vom 24. Oktober bis zum 8. November 1971 zu tragen hat.

Das Kind der Beigeladenen, Andreas, wurde am 23. Oktober 1971 im Krankenhaus O geboren. Damals war seine Mutter - die Beigeladene zu 2) - bei der beklagten Ersatzkasse, sein Vater - der Beigeladene zu 1) - bei der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) pflichtversichert.

Bereits längere Zeit vor der Geburt (am 17. September 1971) beantragte die Beigeladene zu 2) bei ihrer Kasse, ihr Mutterschaftsgeld vorauszuzahlen. Das Antragsformular enthielt u. a. die Frage: "Welche Kasse soll die Berechtigungsscheine für die Früherkennungsuntersuchungen des Kindes und die Leistungen der Familienkrankenpflege zur Verfügung stellen?" Dazu waren auf dem Vordruck zwei Kästchen angebracht, von denen das zutreffende angekreuzt werden sollte; die Kästchen trugen die Vermerke "Kasse der Mutter (BEK)" und "Kasse des Vaters". Die Beigeladene zu 2), die das Antragsformular ausfüllte und unterschrieb, kreuzte das zweite Kästchen an.

Am 24. Oktober 1971 wurde Andreas wegen Cyanose und Atemstörungen in das Kinderkrankenhaus "I", Bad S, verlegt. Hier wurde er bis zum 8. November 1971 stationär behandelt. Seine Eltern wurden während dieser Zeit nicht befragt, welche Kasse die Kosten dafür tragen sollte.

Das Kinderkrankenhaus forderte die klagende AOK zur Kostenübernahme auf. Sie reichte die Aufforderung an die beklagte Ersatzkasse weiter, weil diese nach § 205 Abs. 4 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) als zuerst in Anspruch genommene Kasse die Kosten zu tragen habe. Da die Beklagte die Kostenübernahme ablehnte - sie hielt die Klägerin für leistungspflichtig -, trat die Klägerin einstweilen für die Kosten ein.

Vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin sodann von der Beklagten die Erstattung der von ihr getragenen Kosten in Höhe von 903,81 DM gefordert. Das SG hat die Eltern des Kindes beigeladen und sie in der mündlichen Verhandlung persönlich gehört. Es hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. März 1973). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 21. August 1974): Die Pflege des Säuglings im Rahmen der Mutterschaftshilfe sei deutlich von einer nach der Geburt auftretenden Erkrankung zu trennen, denn die spezielle kinderärztliche Krankenhausbehandlung könne nicht als eine Fortsetzung der Entbindungsanstaltspflege aufgefaßt werden. Die Erkrankung des Kindes stelle deshalb einen neuen, von der Mutterschaftshilfe zu trennenden selbständigen Versicherungsfall dar. Die durch diese Krankheit verursachten Kosten habe nach § 205 Abs. 4 Satz 2 RVO diejenige Kasse zu tragen, die von den Eltern des Kindes für den Krankheitsfall zuerst in Anspruch genommen werde. Der Aufforderung des Kinderkrankenhauses zur Kostenübernahme komme keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Auch die vom SG in der mündlichen Verhandlung durchgeführte nachträgliche Ermittlung der Ansicht der Beigeladenen sei unerheblich. Hingegen stelle die in dem Antrag auf Gewährung von Mutterschaftsleistungen enthaltene Erklärung der Beigeladenen zu 2) vom 17. September 1971 eine wirksame Inanspruchnahme der klagenden AOK dar. Die Mutter des Kindes habe diese Erklärung allerdings nur im stillschweigenden Einverständnis ihres Mannes abgeben können, weil nur er gegenüber seiner Kasse anspruchsberechtigt sei. Da beide Eltern indessen in häuslicher Gemeinschaft gelebt hätten und keine Umstände dafür ersichtlich seien, daß die Mutter mit ihrer Erklärung gegen den Willen ihres Mannes gehandelt habe, könne davon ausgegangen werden, daß dieser mit der Erklärung einverstanden gewesen sei. Für die stationäre Behandlung des Kindes in dem Kinderkrankenhaus habe deshalb die klagende AOK aufzukommen.

In ihrer zugelassenen Revision hält die Klägerin § 205 Abs. 4 Satz 2 RVO und § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für verletzt. Falls im Rahmen der Betreuung des Kindes im Entbindungsheim dessen ärztliche Behandlung und Verlegung in ein anderes Krankenhaus erforderlich würden, trete der Versicherungsfall bereits bei der Verlegung des Kindes ein und dadurch werde schon eine Kasse in Anspruch genommen. Im vorliegenden Fall sei das die Kasse der Mutter gewesen. Spätere Willensäußerungen seien ohne Einfluß. Außerdem hätte das LSG aufklären müssen, ob der Beigeladene zu 1) von der Erklärung seiner Ehefrau - vom 17. September 1971 - gewußt und sie gebilligt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. August 1974 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 21. März 1973 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die stationäre Behandlung des Kindes Andreas B in der Zeit vom 24. Oktober bis zum 8. November 1971 einschließlich der Krankentransportkosten in Höhe von insgesamt 903,81 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach den gegebenen Umständen sei die Annahme gerechtfertigt, daß die Beigeladenen mit der Inanspruchnahme der Klägerin einverstanden gewesen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig.

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß der Revisionsantrag bereits in der Revisionsschrift gestellt worden ist. Zwar muß die Revisionsbegründung nach § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974 (BGBl I 1625) einen bestimmten Antrag enthalten. Dieses gesetzliche Erfordernis zwingt jedoch nicht dazu, nur diejenigen Anträge als rechtlich relevant anzusehen, die in dem Schriftsatz der Revisionsbegründung selbst enthalten sind. Es bedeutet vielmehr, daß wirksame Anträge - als Teil der Revisionsbegründung - bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist gestellt werden können. Es ist deshalb unschädlich, wenn - wie hier - der Revisionskläger den Antrag bereits in der Revisionsschrift stellt und ihn später in der Begründungsschrift nicht wiederholt (BSG vom 24. Oktober 1975 - 5 RJ 84/75 - SozSich 1976, 119).

Die Revision ist auch begründet.

Der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte wegen von ihr - einstweilen - aufgewandten Kosten für Familienkrankenpflege des Kindes Andreas zu. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1957 (BSG 6, 197 f) dargelegt hat, handelt es sich bei dem streitigen Anspruch um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf dem Gebiet der Sozialversicherung, weil die Klägerin Krankenversicherungsleistungen für die an sich leistungspflichtige Beklagte erbracht hat. An dieser rechtlichen Einordnung, wie sie sich bei der Entstehung des Anspruchs darstellte, hat sich auch durch die am 1. Januar 1976 in Kraft getretene Regelung des § 43 Abs. 1 und 3 des Sozialgesetzbuchs (SGB) - Allgemeiner Teil - vom 11. Dezember 1975 (BGBl I 3015) nichts geändert.

Auch danach richtet sich der Erstattungsanspruch gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Beides sind Träger der sozialen Krankenversicherung, ihre gegenseitigen Ansprüche auf Erstattung sind mithin aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu entnehmen und von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der vorliegende Sachverhalt zwei selbständige Versicherungsfälle betrifft, nämlich die Entbindungsanstaltspflege für die Beigeladene zu 2) - § 199 RVO - und die Familienkrankenhilfe für das Kind Andreas (§ 205 iVm § 184 RVO). Zwar schließt die Kassenleistung "Entbindungsanstaltspflege" auch die durch den Aufenthalt und die Betreuung des Neugeborenen in der Entbindungsanstalt entstehenden Kosten mit ein (so schon RVA GE Nr. 4068 in AN 1931 IV 220), jedoch gilt dies nur für die notwendige Pflege des gesunden Kindes. Tritt hingegen bei dem Kind eine Krankheit auf, die seine Behandlung erforderlich macht, so löst dieser Versicherungsfall neue, selbständig zu beurteilende Leistungsansprüche aus (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl., Anm. 5 zu § 199). Dies ergibt sich schon aus der vom Gesetzgeber gewählten Systematik, die die Leistungen der Mutterschaftshilfe (§§ 195 ff RVO) selbständig neben die der Familienkrankenhilfe (§ 205 Abs. 1 Satz 1 RVO) stellt. Sie trägt dem Grundsatz der Krankenversicherung Rechnung, daß zwischen dem Versicherungsfall der Krankheit und dem der Entbindung zu unterscheiden ist. Im ersten Fall setzt die Krankenversicherung ihre Hilfe für den Ausfall oder die Beeinträchtigung körperlicher oder geistiger Funktionen ein, bei der Entbindung hingegen hat sie den Ablauf eines natürlichen Lebensvorgangs zu sichern.

Nach § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO in der hier anwendbaren Fassung erhielten Versicherte u. a. für ihre unterhaltsberechtigten Kinder, wenn diese sich gewöhnlich im Inland aufhielten und nicht anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege hatten, Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, Krankenpflege und Krankenhauspflege unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang wie sie selbst. Träger eines solchen Anspruchs auf Familienhilfe waren gegenüber ihren jeweiligen Krankenkassen sowohl der Beigeladene zu 1) als auch die Beigeladene zu 2), denn ihr Kind war beiden versicherten Elternteilen gegenüber unterhaltsberechtigt i. S. der §§ 1601 f des Bürgerlichen Gesetzbuches, wobei es auf den Umfang der einzelnen Unterhaltsberechtigungen nicht ankommt (vgl. BSG 6, 197, 203). Daß derselbe Versicherungsfall mehrere Ansprüche begründet, setzt § 205 Abs. 4 RVO als mögliches Ergebnis der gesetzlichen Regelung aus den Absätzen 1 bis 3 ausdrücklich voraus. Für diesen Fall der mehrfachen Anspruchsberechtigung bestimmt § 205 Abs. 4 Satz 1 RVO, daß die Leistung nur einmal gewährt wird.

Leistungspflichtig ist nach § 205 Abs. 4 Satz 2 RVO die Kasse, die zuerst in Anspruch genommen wird. Für die Beantwortung der Frage nach der Inanspruchnahme ist davon auszugehen, daß ... Träger des Anspruchs auf Familienkrankenhilfe der Versicherte ist (§ 205 Abs. 1 Satz 1 RVO), denn das Versicherungsverhältnis, aus dem der Leistungsanspruch erwächst, besteht zwischen ihm und seiner Krankenkasse. Deshalb kann die Übersendung eines Formulars zur Kostenübernahme von einer Krankenhausverwaltung an eine Krankenkasse für sich allein nicht als Inanspruchnahme der Krankenkasse i. S. des Gesetzes gewertet werden, weil nur der Versicherte den Anspruch wirksam gegen die Krankenkasse geltend machen kann. Zur Geltendmachung bedarf es vielmehr entweder einer ausdrücklichen Willenserklärung des Versicherten oder doch eines schlüssigen Verhaltens, aus dem sein Wille, von der Krankenkasse eine Leistung zu beanspruchen, deutlich erkennbar wird (§ 1545 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Eine Bevollmächtigung kann nicht nach der für das Prozeßrecht geltenden Ausnahmevorschrift des § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG unterstellt werden. Die Inanspruchnahme der Versicherung des Ehemannes liegt auch nicht im Rahmen des häuslichen Wirkungskreises des § 1357 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Eine Inanspruchnahme der Klägerin könnte hier deshalb nur erfolgt sein, wenn der bei ihr versicherte Beigeladene zu 1) eine solche ausdrückliche Willenserklärung abgegeben oder sich entsprechend schlüssig verhalten hätte. Das war jedoch nicht der Fall.

Nach den mit der Revision nicht angefochtenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist der Beigeladene zu 1) vor oder während der stationären Behandlung seines Kindes nicht befragt worden, welche Krankenkasse die Kosten für die Krankenhausbehandlung seines Kindes übernehmen sollte. Er hat auch von sich aus weder eine dahingehende Bestimmung getroffen noch sein Einverständnis dazu erklärt, daß die Klägerin die Kosten der Familienkrankenhilfe tragen sollte. Selbst wenn man mit dem LSG in dem formularmäßigen Antrag der Beigeladenen zu 2), den diese an ihre Kasse gerichtet hatte, in Verbindung mit den sonstigen Umständen des Falles, ein "stillschweigendes" Einverständnis des Beigeladenen zu 1) zur Inanspruchnahme nach § 205 Abs. 4 Satz 2 RVO sehen wollte, mangelt es im vorliegenden Fall schon deshalb an der Wirksamkeit der "Inanspruchnahme", weil der auch für eine Geltendmachung von Leistungen nach § 205 Abs. 4 Satz 2 RVO gemäß § 1545 Abs. 1 Nr. 2 RVO - wie für jede Leistung der Krankenversicherung - erforderliche Antrag nicht der Klägerin zugegangen ist. Das genannte Formular beinhaltet lediglich eine für § 205 Abs. 4 Satz 2 RVO irrelevante Erklärung, daß die Beklagte nicht in Anspruch genommen werde - eine Erklärung, die nur für den Fall gedacht sein kann, daß die Klägerin wirksam in Anspruch genommen wird.

Die bei der Anhörung im Termin vor dem SG abgegebene Erklärung des Beigeladenen zu 1), er würde sich, nachdem ihm jetzt erklärt worden sei, daß möglicherweise bei Erkrankung eines Kindes im Rahmen der Mutterschaftshilfe kein Versicherungsschutz gewährt werden kann, dafür entschieden haben, daß sein Kind den erforderlichen Versicherungsschutz durch seine Kasse erhalte, ist ohne Belang, denn aus nachträglichen Erklärungen kann keine Inanspruchnahme einer Krankenkasse hergeleitet werden, weil bei Sachleistungen - wie im vorliegenden Fall die Krankenhauspflege - die Erklärung über ihre Inanspruchnahme längstens nur bis zu dem Zeitpunkt abgegeben werden kann, bis zu dem sie erbracht worden sind. Das folgt aus der Art und Weise der Regelung, wie sie in § 205 Abs. 4 RVO getroffen worden ist. Das den Versicherten zugebilligte Auswahlrecht der ersten Inanspruchnahme führt zur Leistungspflicht nur einer Kasse (obgleich auch die andere verpflichtet wäre), und die gesetzliche Regelung sieht auch keine nachträglichen (Teil-) Ausgleichungen zwischen den Kassen vor. Ziel der Regelung ist mithin eine möglichst einfache Anspruchsabwicklung (BSG 25, 222, 223). Dieser Zwecksetzung wird nur dann entsprochen, wenn der Versicherte spätestens bis zur Beendigung des Krankenhausaufenthalts bestimmt, welche Kasse dafür aufkommen soll. Andernfalls müßte eine der in Frage kommenden Kassen die Kosten einstweilen übernehmen, und zwischen den Kassen entstünden, wenn der Versicherte späterhin die andere als leistungspflichtig angäbe, nachträglich Ausgleichsansprüche. Da bei der Regelung nach § 205 Abs. 4 RVO Ausgleichsforderungen aber gerade vermieden werden sollen, ergibt sich aus der Natur der Sache, daß die Inanspruchnahme spätestens bis zur Beendigung der Sachleistung vorgenommen werden kann.

Eine positive Bestimmung darüber, welche Krankenkasse für die Behandlung des Kindes der Beigeladenen in dem Kinderkrankenhaus leistungspflichtig sein sollte, ist mithin nicht erfolgt. Der Fall aber, daß bei einer Familienkrankenhilfe zwei Krankenkassen als leistungspflichtig in Betracht kommen, daß aber die leistungsberechtigten Versicherten keine Bestimmung - sei es ausdrücklich, sei es konkludent - darüber treffen, welche der Kassen die Leistung erbringen soll, ist im Gesetz nicht geregelt. Diese planwidrige - es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber diesen Sachverhalt für nicht regelungsbedürftig gehalten hätte - Lücke ist deshalb vom Senat unter Beachtung der Gesamtregelung zu schließen. Danach erscheint es für den vorliegenden Fall sinnvoll und durch den Sachzusammenhang geboten, die Kasse als leistungspflichtig anzusehen, die bereits die Entbindungsanstaltspflege gewährt. Diese Kasse erfüllt schon die Ansprüche, die der Mutter des Kindes aus Anlaß der Entbindung zustehen, und sie erfüllt darüber hinaus als ihr obliegende Nebenleistung auch die - nicht krankheitsbedingte - Pflege des Neugeborenen in der Entbindungsanstalt. Demnach hat diese Kasse eine wenn auch nur nebenher begründete Leistungsverpflichtung gegenüber dem Neugeborenen. Der anderen Kasse hingegen ist bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Leistungsverpflichtung erwachsen, möglicherweise ist ihr der Entbindungsfall überhaupt nicht bekannt. Wenn sodann bei dem neugeborenen Kind eine Erkrankung auftritt, die Krankenhilfe erforderlich macht, so wird diese häufig bereits von dem Krankenhaus geleistet werden können, in dem die Versicherte Entbindungsanstaltspflege erhält. Da bei einem solchen Sachverhalt die Pflege des Kindes und die Behandlung der Krankheit nahtlos ineinander übergehen, bietet es sich aufgrund des Sachzusammenhangs an, den bisherigen Leistungsträger als verpflichtet anzusehen, auch für diese Kosten einzustehen.

Nichts anderes kann dann gelten, wenn das Neugeborene infolge der Art seiner Erkrankung in ein anderes Krankenhaus überführt und dort die Krankenhauspflege geleistet werden muß, denn im Regelfall wird dabei die Behandlung des Kindes auch schon in der Entbindungsanstalt, und zwar bei der Entdeckung der Krankheit, einsetzen müssen. Dem engen Sachzusammenhang entspricht es, die Leistungsverpflichtung ebenfalls zusammenzufassen. Diese Art der Regelung, die überdies auch in einigen Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen vertraglich vereinbart worden ist und geübt wird (vgl. BKK 1969, 70 - Reg. Nr. 450/453), entspricht am ehesten dem Willen des Gesetzgebers, eine möglichst einfache und praktikable Lösung zur Verfügung zu stellen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, daß die Beklagte die Kosten der Krankenhauspflege für das neugeborene Kind zu tragen hat, weil ihr auch die Entbindungsanstaltspflege für die Mutter des Kindes oblag. Auf die Revision der Klägerin sind deshalb die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte ist zu verurteilen, der Klägerin die für das Kind der Beigeladenen aufgewandten Behandlungs- und Transportkosten zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647791

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