Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Unfallversicherungsschutzes eines Weinbauunternehmers bei der unentgeltlichen Arbeit in einer Winzergenossenschaft, der er als Mitglied angehört.

 

Normenkette

RVO § 537 Nr. 10 Fassung: 1942-03-09, § 634 Fassung: 1924-12-15, § 915 Buchst. c Fassung: 1942-03-09

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11. November 1963 und das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Oktober 1964 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Winzer E F ist Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens in E (Weinbaubetrieb) und gehört der klagenden landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG) als Mitglied an.

In E besteht eine Winzergenossenschaft. Die Winzergenossenschaft E ist eine eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, deren Mitglieder alle Personen werden können, die innerhalb der Gemarkungen von E und in angrenzenden Gemarkungen Weinbau auf eigenem oder gepachtetem Grundbesitz betreiben. Die Winzergenossenschaft hat die Aufgabe, die von den Mitgliedern geernteten Weintrauben gemeinsam zu keltern und zu verwerten, durch einheitliche Behandlung bestgepflegte Weine zu gewinnen und sie auf gemeinsame Rechnung und Gefahr bestmöglichst zu verwerten. Die Mitglieder der Genossenschaft sind verpflichtet, nach den näheren Vorschriften der Geschäftsordnung die ganze Menge der in ihrem Unternehmen erzeugten Trauben an die Genossenschaft abzuliefern. Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Mitarbeit in der Genossenschaft enthält das Statut nicht. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) beschließen jedoch Vorstand und Aufsichtsrat der Genossenschaft jeweils vor Beginn der Weinlese eine Einteilung der Mitglieder zu einem unentgeltlichen Nachtdienst.

Der Winzer E F, der Mitglied der Winzergenossenschaft ist, war für die Nacht zum 17. Oktober 1961 zum Nachtdienst eingeteilt. Bei der Arbeit im Kelterhaus fiel ihm am 16. Oktober 1961 gegen 22,00 Uhr ein Maischeschlauch auf den rechten Fuß. Die Untersuchung durch den Durchgangsarzt, Facharzt für Chirurgie Dr. B, am 17. Oktober 1961 ergab eine erhebliche Prellung des Vorfußes und Mittelfußes mit Bruch der 2. Zehe.

F zeigte den Unfall am 17. Oktober 1961 der landwirtschaftlichen BG an. Diese gab die Unterlagen an die beklagte Großhandels- und Lagerei-BG weiter, deren Mitglied die Winzergenossenschaft ist. Die Großhandels- und Lagerei-BG gab die Unterlagen jedoch mit der Begründung zurück, ihre Zuständigkeit sei nicht gegeben, weil die unfallbringende Tätigkeit ein Ausfluß der Unternehmertätigkeit im Weinbaubetrieb des Verletzten sei.

Die landwirtschaftliche BG hat im November 1962 beim Sozialgericht (SG) Speyer unter Bezugnahme auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Klage erhoben und die Auffassung vertreten, daß die beklagte Großhandels- und Lagerei-BG für die Entschädigung des Unfalles des Winzers F zuständig sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG hat sie beantragt festzustellen, daß als zuständige Berufsgenossenschaft für die Entschädigung des Unfalles des E F vom 16. Oktober 1961 die Großhandels- und Lagerei-BG in Frage komme. Die beklagte Berufsgenossenschaft hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, daß die Klägerin selbst die zuständige Berufsgenossenschaft sei.

Das SG hat durch Urteil vom 11. November 1963 festgestellt, daß zur Entschädigung des Winzers E F aus Anlaß des Unfalls vom 16. Oktober 1961 die Beklagte zuständig ist. Zur Begründung hat das SG ua ausgeführt, die Tätigkeit des Winzers E F zur Zeit des Unfalles habe nicht mit dessen landwirtschaftlichem Betrieb im Zusammenhang gestanden, sondern allein dem Betrieb der Winzergenossenschaft gedient. Wenn sich die Genossenschaft zur Verarbeitung der Trauben der einzelnen Mitglieder als Helfer bediene, seien diese im Rahmen ihrer Verpflichtung gegenüber der Genossenschaft tätig und nach § 537 Nr. 10 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF versichert. Es handele sich dabei um eine Arbeit von wirtschaftlicher Bedeutung, für welche die Winzergenossenschaft sonst Arbeitskräfte einstellen müßte.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung beim LSG Rheinland-Pfalz eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, der Winzer F sei auch bei der Arbeit im Unternehmen der Winzergenossenschaft als selbständiger Landwirt tätig gewesen und der Unfall sei seinem eigenen Unternehmen zuzurechnen, auch wenn seine Tätigkeit zugleich den Zwecken der Winzergenossenschaft gedient habe (BSG 5, 168). F habe auf Grund seiner Mitgliedspflichten gegenüber der Genossenschaft gearbeitet, so daß schon aus diesem Grunde kein Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO aF angenommen werden könne. Die Klägerin hat demgegenüber an der Auffassung festgehalten, daß die Tätigkeit des Winzers F im Zeitpunkt des Unfalles mit seinem Weinbaubetrieb nicht mehr im Zusammenhang gestanden habe, da diese Tätigkeit mit der Ablieferung der Ernte bei der Genossenschaft abgeschlossen sei. Der Tätigkeitsbereich der Genossenschaft unterliege nicht mehr der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, das Unternehmen der Genossenschaft habe vielmehr einen eigenen Gefahrenbereich, und das Traubenlesegut gehe auch mit der Ablieferung in das Eigentum der Genossenschaft über. Bei einer Anzahl von Winzervereinen und - Genossenschaften werde auch den mit - helfenden Genossen eine Entlohnung für die Arbeit gezahlt. Es handele sich auch nicht um eine ideelle Arbeitsleistung, bei der ein Genossenschaftsmitglied nicht versichert sei; denn hier handele es sich um eine Arbeit, die der wirtschaftlichen Existenzsicherung diene.

Das LSG hat durch Beschluß vom 28. August 1964 den Winzer E F zum Rechtsstreit beigeladen und durch Urteil vom 9. Oktober 1964 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Speyer zurückgewiesen sowie die Revision zugelassen.

Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Die unfallbringende Tätigkeit des Beigeladenen sei nicht seinem Weinbaubetrieb zuzurechnen, da sie mit ihm nicht in einem inneren wesentlichen Zusammenhang stehe. Hätte der Beigeladene die Trauben auf dem eigenen Hof gekeltert oder in einer Kelterei, die dem allgemeinen Gebrauch diente, so wäre das eine seinem Weinbaubetrieb zuzurechnende Tätigkeit. Die Winzergenossenschaft E habe es aber übernommen, die Trauben ihrer Mitglieder gemeinsam zu keltern und zu verwerten. Sie sei eine eingetragene Genossenschaft mit selbständiger Rechtspersönlichkeit. Das Keltern und Verwerten seien also aus den Betrieben der Mitglieder herausgenommen und ein Teil des Unternehmens der Genossenschaft geworden. Die Arbeit beim Keltern in der Nacht zum 17. Oktober 1961 stehe demnach nur mit dem Unternehmen der Winzergenossenschaft in einem inneren wesentlichen Zusammenhang. Sie bringe zwar auch dem landwirtschaftlichen Betrieb mittelbar Nutzen, stehe aber mit ihm versicherungsrechtlich nicht in einem wesentlichen Zusammenhang. Die Tätigkeit des Winzers für seinen Betrieb höre mit dem Abliefern der Trauben auf. Die Betätigung in der Winzergenossenschaft falle auch nicht unter § 915 c RVO aF. § 634 RVO aF scheide schon deshalb aus, weil er auf Arbeitnehmer abgestellt sei und nicht analog angewendet werden könne. Auch der aus § 634 RVO aF hergeleitete allgemeine Grundsatz, daß die Entschädigungspflicht in der Regel dem Stammbetrieb zufalle, lasse sich nur im Rahmen der Arbeitnehmerversicherung anwenden. Ein Unternehmer könne zwar auch eine Arbeitnehmertätigkeit ausüben, aber nur solange, als sie nicht dem Aufgabenkreis seines eigenen Unternehmens angehöre. Hier sei aber das Keltern gerade aus den einzelnen Winzerbetrieben herausgelöst worden und nicht mehr im Rahmen des Aufgabenkreises des landwirtschaftlichen Unternehmens ausgeübt worden. F sei in den Gewerbebetrieb der Winzergenossenschaft übergetreten und habe nicht mehr dem Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterstanden, sondern sei bei der Beklagten unfallversicherungsrechtlich geschützt gewesen. Ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 537 Nr. 1 RVO aF habe zwar nicht bestanden, dagegen greife § 537 Nr. 10 RVO aF ein. Das Keltern sei eine Arbeit im Rechtssinne gewesen, die mit dem ausdrücklichen Willen des Unternehmers ausgeübt worden sei, und der Umstand, daß F selbst Unternehmer sei, steht nicht entgegen, da er keine zum Aufgabenkreis seines Unternehmens gehörende Tätigkeit verrichtet, sondern eine unselbständige Tätigkeit für die Winzergenossenschaft ausgeübt habe, deren Weisungen er auch unterstanden habe. Der Anwendung des § 537 Nr. 10 RVO stehe auch nicht entgegen, daß F Ausübung einer Verpflichtung als Mitglied der Genossenschaft gearbeitet habe (BSG 17, 211; 14, 1). Das Bundessozialgericht (BSG) habe dies nur für die Tätigkeit in Vereinen mit ideellen Zwecken angenommen. Bei solchen Vereinen würden Tätigkeiten ausgeübt, die nicht als Arbeit im Rechtssinne anzusehen seien, weil es sich nicht um eine wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung auf dem Arbeitsmarkt handele (Segelflugzeugbau, Reparatur eines Ruderbootes). Derartige Arbeiten würden nicht in erster Linie im Hinblick auf den wirtschaftlich nützlichen Erfolg geleistet, sondern weil dem Idealzweck des Vereins, zB der sportlichen Betätigung, gedient werden solle. Das lasse sich jedoch nicht auf eine wirtschaftlichen Zwecken dienende Gemeinschaft übertragen. In einem solchen Fall seien die Leistungen für die Genossenschaft und ihre Mitglieder objektiv und subjektiv wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistungen und müßten als solche auch versicherungsrechtlich gewertet werden, wenn sie unentgeltlich auf Grund der Mitgliedschaft erbracht würden. Die Beklagte sei daher verpflichtet, dem Beigeladenen die Entschädigung zu gewähren und sei auch allein hierfür zuständig. Ihre Berufung sei daher zurückzuweisen. Die Revision werde zugelassen, da über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden gewesen sei.

Die Beklagte, der das Urteil des LSG am 21. Dezember 1964 zugestellt ist, hat hiergegen mit einem am 30. Dezember 1964 eingegangenen Telegramm und einem am 13. Januar 1965 eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Sie beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts die Klage abzuweisen

und stellt anheim,

ausdrücklich festzustellen, daß nicht die Beklagte, sondern die Klägerin zur Entschädigung des Unfalles des beigeladenen Winzers F vom 16. Oktober 1961 zuständig ist,

hilfsweise beantragt sie,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte hat die Revision im Schriftsatz vom 12. Januar 1965 und in dem am 6. Februar 1965 eingegangenen Schriftsatz vom 3. Februar 1965 begründet.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der beigeladene Winzer E F ist im Verfahren vor dem Revisionsgericht nicht vertreten gewesen.

II

Die Revision ist durch Zulassung statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG). Die zulässige Revision hatte auch Erfolg.

Im vorliegenden Verfahren ist lediglich über die Klage zu entscheiden, mit der die landwirtschaftliche BG die Feststellung (vgl. § 55 SGG) betreibt, daß die beklagte Großhandels- und Lagerei-BG zuständig ist, das Feststellungsverfahren über die Entschädigungsansprüche des Winzers E F für die Folgen des Unfalls vom 16. Oktober 1961 durchzuführen und - gegebenenfalls - dem Verletzten Entschädigung nach den Vorschriften des 3. Buches der RVO zu gewähren. Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf den Antrag beschränkt, die Klage abzuweisen und hat nicht - im Wege einer Widerklage - beantragt, die Zuständigkeit der Klägerin festzustellen. Im Revisionsverfahren kann sie das nicht nachholen (vgl. Rohwer-Kahlmann, Komm. zum SGG § 100 Anm. 15).

Bei der Prüfung der Zuständigkeitsfrage ist das LSG davon ausgegangen, daß die Tätigkeit, bei der sich der Unfall des beigeladenen Winzers F ereignet hat, unmittelbar dem Unternehmen der Winzergenossenschaft E. gedient hatte. In dieser Genossenschaft sind für die Weinbauunternehmen der Genossen die Arbeiten zusammengefaßt, die für die Verwertung der in den Einzelunternehmen geernteten Weintrauben und den Verkauf des Endprodukts notwendig sind, d. h. Arbeiten, die auch im einzelnen Unternehmen verrichtet werden könnten und im großen Weinbauunternehmen auch verrichtet werden. Die Winzergenossenschaft - eine eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung (§ 2 Nr. 2 des Genossenschaftsgesetzes - GenG -) - hat aber eine eigene Rechtspersönlichkeit (§ 17 GenG), und der Betrieb ihres Unternehmens ist auch wirtschaftlich und betriebstechnisch gegenüber den Einzelunternehmen der Genossen weitgehend eigenständig. Die Arbeitsteilung zwischen den Einzelunternehmen und der Genossenschaft hat praktisch zur Folge, daß die dem Weinbau dienenden Arbeiten im Einzelunternehmen mit der - pflichtgemäßen - Ablieferung der geernteten Weintrauben an die Genossenschaft enden. Zur Begründung eines Versicherungsschutzes durch die für das Unternehmen der Winzergenossenschaft zuständige Beklagte genügt es aber, wie das LSG nicht verkannt hat, nicht, daß die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, eine den wirtschaftlichen Zwecken der Winzergenossenschaft unmittelbar dienende Arbeit war. Vielmehr ist erforderlich, daß der Verletzte in diesem Unternehmen auf Grund eines Rechtsverhältnisses tätig war, das nach den Vorschriften des 3. Buches der RVO Versicherungsschutz begründet.

Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO (in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - RVO aF -) bestand zwischen F und der Genossenschaft nicht. Zwar kann auch zwischen einer Genossenschaft und einem Genossen ein "echtes" Arbeitsverhältnis begründet werden, soweit nicht ausdrückliche Vorschriften des Genossenschaftsrechts (vgl. zB § 37 GenG) entgegenstehen (vgl. BSG 16, 73, 75). Im vorliegenden Fall wurden die Arbeiten während des Nachtdienstes, jedoch auf Grund der Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis geleistet. Im Arbeitsrecht ist herrschende Meinung, daß auf Grund mitgliedschaftlicher Verpflichtungen in einer Produktivgenossenschaft mitarbeitende Genossen keine "echten Arbeitnehmer" sind, auf die deshalb das Arbeitsrecht allenfalls entsprechend anzuwenden ist und für deren Ansprüche gegen die Genossenschaft die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht zuständig ist (Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl., Anm. 33 zu § 5; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1. Bd., § 9 S. 47; auch Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., Bd. I S. 120, 121 zur Vereinsmitgliedschaft; Landesarbeitsgericht Bayern vom 3. Mai 1956, Amtsbl. 1957, 112; BAG AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG; auch RVA E 3711, AN 1930, 188). Ein Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung für die auf Grund ihrer genossenschaftsrechtlichen Verpflichtungen für die Genossenschaft arbeitenden Genossen könnte allenfalls aus § 537 Nr. 10 i. V. m. Nr. 1 RVO aF (jetzt § 539 Abs. 2 RVO) hergeleitet werden. Das LSG hat nicht verkannt, daß Bedenken dagegen bestehen, bei Tätigkeiten, die auf Grund mitgliedschaftlicher Verpflichtung verrichtet werden, die Frage zu bejahen, ob die Mitglieder diese Tätigkeiten "wie" auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 537 Nr. 10 RVO aF verrichten (vgl. BSG 14, 1, 3; 17, 211, 216). Das LSG ist der Auffassung, daß die Anwendbarkeit der Nr. 10 des § 537 RVO aF jedenfalls dann zu bejahen sei, wenn es sich nicht um die Tätigkeit für einen ideellen Zwecken dienenden Verein handelt, sondern die Genossen einer sich im Wirtschaftsleben zur Erreichung wirtschaftlicher Zwecke betätigenden Genossenschaft im Unternehmen der Genossenschaft auf Grund ihrer Mitgliedspflicht den wirtschaftlichen Zwecken dienende Arbeitsleistungen verrichten, für die sonst bezahlte Arbeitskräfte herangezogen werden müßten. Von diesem Rechtsstandpunkt aus würde es der Anwendung des § 537 Nr. 10 RVO aF grundsätzlich nicht entgegenstehen, daß der Winzer F bei der "fremdbestimmten" Tätigkeit im Unternehmen der Winzergenossenschaft, zugleich auch seine eigenen Interessen als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Weinbauunternehmens wahrgenommen hat (vgl. BSG 5, 168, 172, 174).

Jedoch erfordern die Beziehungen während des Nachtdienstes zum eigenen Unternehmen des Winzers F eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt, ob sich hieraus auch ein Versicherungsschutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ergibt (vgl. hierzu BSG 5, 168, 174, 175). Das ist nicht - wie die Klägerin meint - schon deshalb zu verneinen, weil betriebstechnisch, wie dargelegt, die in den Einzelunternehmen zu verrichtenden Arbeiten mit der Ablieferung der Trauben enden. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit jeweils eine konkrete Beziehung zum eigenen Unternehmen zu fordern ist, wenn die Betätigung eines Unternehmers in einer beruflichen oder fachlichen Organisation in den Versicherungsschutz als Unternehmer einbezogen werden soll (vgl. zu diesem Gedanken BSG 1, 258; 15, 193; wesentlich weitergehend: Lauterbach, Gesetzliche UV, 3. Aufl., S. 111 § 539 Anm. 5 g). Denn eine solche unmittelbare Beziehung ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Der wirtschaftliche Erfolg der eigenen Weintraubenproduktion der Genossen hängt weitgehend von dem Erfolg der Weiterbearbeitung durch die Genossenschaft ab. Insbesondere ist das Keltern in der Genossenschaft notwendig, um die Weintraubenernte der einzelnen Weinbauunternehmen sinnvoll und wirtschaftlich ertragreich verarbeiten zu können, und Art, Zeit und Dauer der Kelterarbeiten ist durch den Zeitpunkt der Weinlese und die Verderblichkeit der zu verarbeitenden Trauben bedingt. Deshalb wird nach der Auffassung des erkennenden Senats die Mitarbeit des Winzers F bei den nächtlichen Kelterarbeiten in der Genossenschaft von dem Versicherungsschutz für die Tätigkeiten als Unternehmer seines eigenen Weinbauunternehmens (§ 537 Nr. 8 RVO aF) miterfaßt.

Infolgedessen kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsauffassung des LSG zutrifft, daß die Arbeit während des Nachtdienstes auf Grund der Nr. 10 des § 537 RVO aF auch vom Versicherungsschutz durch die für das Unternehmen der Winzergenossenschaft zuständige Beklagte erfaßt wurde. Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (vgl. zB BSG 5, 168, 175), kann auch dann, wenn die Tätigkeit, bei der sich ein Unfall ereignet hat - wie im vorliegenden Fall -, mehreren bei verschiedenen Versicherungsträgern versicherten Unternehmen in nicht unerheblichem Maße gedient hat, jeweils nur ein Versicherungsträger für die Durchführung des Feststellungsverfahrens und die Gewährung von Entschädigung für die Unfallfolgen zuständig sein. Nach dem Grundsatz, der auch in § 634 RVO aF zum Ausdruck gekommen ist, muß in einem solchen Fall grundsätzlich der Versicherungsträger das Feststellungsverfahren durchführen, der für das Unternehmen zuständig ist, in dem der Verunglückte regelmäßig beschäftigt ist ("Stammunternehmen"). Da im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände gegeben sind, die ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen würden, ist die für das "Stammunternehmen" des Winzers F zuständige Klägerin für die Durchführung des Feststellungsverfahrens und die Gewährung von Entschädigung zuständig. Die Klage, mit der die landwirtschaftliche BG die Feststellung der Zuständigkeit der Großhandels- und Lagerei-BG betreibt, ist unbegründet.

Auf die - begründete - Revision der Beklagten waren deshalb die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens ergeht auf Grund von § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 233

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