Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz bei Haushaltsführung durch Bekannte

 

Leitsatz (redaktionell)

Sofern für Pflegekräfte nicht bereits nach RVO § 539 Abs 1 Nr 1 (aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses) oder nach RVO § 539 Abs 1 Nr 7 (in der Wohlfahrtspflege Tätige) Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht, können Tätigkeiten im Rahmen des Pflegedienstes sowie der Führung des Haushalts - auch wenn sie von Bekannten ausgeführt werden - nach RVO § 539 Abs 2 iVm RVO § 539 Abs 1 Nr 1 unter Versicherungsschutz stehen.

 

Orientierungssatz

1. Für die Anwendung des RVO § 539 Abs 2 iVm RVO § 539 Abs 1 Nr 1 ist entscheidend, daß es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und derjenigen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist, so daß durch sie ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wird. Dabei braucht weder eine wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeit vorzuliegen, wie auch die Beweggründe für die Tätigkeit unerheblich sind.

2. Der Versicherungsschutz nach RVO § 539 Abs 1 Nr 7 beschränkt sich nicht auf Tätige in der "organisierten" Wohlfahrtspflege (Einrichtung der öffentlichen und privaten Wohlfahrtspflege), sondern umfaßt auch die freiberuflich (selbständig) in der Wohlfahrtspflege Tätigen, soweit nicht ausdrücklich ihre Versicherungsfreiheit bestimmt ist (Vergleiche BSG 1959-12-15 2 RU 141/56 = BSGE 11, 149; Vergleiche BSG 1963-01-30 2 RU 35/60 = BSGE 18, 231)

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 7 Fassung: 1963-04-30, Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 1971 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde am 4. April 1968 gegen 20.15 Uhr von einem Kraftfahrzeug angefahren und erheblich verletzt. Sie hatte an diesem Abend die wegen eines Oberschenkelhalsbruches bettlägerige und pflegebedürftige alleinstehende Frau L (L.) aufgesucht, mit der sie bekannt war, und befand sich auf dem Weg nach Hause. Die Pflege von Frau L. lag in dieser Zeit beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) - Kreisgruppe D -, der dazu Frau Z (Z.) eingesetzt hatte. Frau Z. versorgte Frau L. und deren Haushalt täglich jeweils von 9.00 bis 12.00 Uhr; sie erhielt dafür vom DPWV 3,- DM pro Stunde als Entschädigung. Eine längere Tätigkeit von Frau Z. war nicht möglich, da das Sozialamt der Stadt D wegen der Weigerung der Frau L. in ein Pflegeheim zu gehen, dem DPWV die Mittel nur für eine Pflege von täglich drei Stunden zur Verfügung stellte. Nachmittags und abends wurde Frau L. in unregelmäßiger Folge entweder von ihrer Schwester oder einer Haubewohnerin betreut. Frau Z. richtete möglichst alles so her, daß sich Frau L. für den Rest des Tages zur Not selbst helfen konnte.

Nachdem die Klägerin sich bereit erklärt hatte, Frau Z. als Pflegerin abzulösen, erhielt sie am 3. April 1968 vom DPWV den Einsatzausweis, wobei ihr ausdrücklich gesagt wurde, daß sie die Pflege der Frau L. für den DPWV erst ab 17. April 1968 durchzuführen habe. Die Klägerin begab sich aber schon am 3. April 1968 abends zu Frau L., um diese von der Ablösung in Kenntnis zu setzen und um Tätigkeiten auszuüben, die sie auch für den DPWV ab 17. April 1968 verrichtet haben würde. Zu dem letztgenannten Zweck suchte die Klägerin Frau L., die ihr die Wohnungsschlüssel ausgehändigt hatte, auch abends am 4. April 1968 auf. Zu den Tätigkeiten, die im Rahmen des Pflegedienstes für den DPWV im Falle der Frau L. auszuführen waren, gehörten die Erledigung aller im Haushalt anfallenden Arbeiten, wie Reinemachen, Kochen, Aufwaschen und pflegerische Tätigkeiten im engeren Sinne, wie Körperwäsche, Hilfeleistungen bei der Verrichtung der Notdurft und das Anreichen von Speisen und Getränken. Am 3. und 4. April 1968 hatte die Klägerin den Ofen versorgt, Frau L. Getränke bereitet und gereicht, das Bett gerichtet und die Fensterläden geschlossen.

Die von der Klägerin wegen der Folgen des Unfalls auf Leistungen in Anspruch genommene Beklagte lehnte durch Bescheid vom 15. Januar 1970 einen Entschädigungsanspruch ab, weil die Klägerin am 4. April 1968 keine dem DPWV dienende Tätigkeit ausgeübt habe. Soweit die Klägerin am Unfalltage wie eine Hausgehilfin tätig gewesen sei. wäre die Zuständigkeit der Eigenunfallversicherung der Stadt Dortmund gegeben, die aber einen Versicherungsschutz ebenfalls ablehne.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Beklagte verurteilt, in einem neu zu erteilenden Bescheid festzustellen, daß die Klägerin am 4. April 1968 einen entschädigungspflichtigen Wegeunfall erlitten hat (Urteil vom 24. November 1970): Die Klägerin habe aufgrund des ihr am 3. April 1968 ausgehändigten Einsatzausweises annehmen können, zur Pflege von Frau L. im Auftrag des DPWV berechtigt zu sein, denn der Ausweis habe keine zeitliche Beschränkung enthalten. Selbst wenn ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht in Betracht komme, habe die Klägerin doch gemäß § 539 Abs. 2 RVO unter Versicherungsschutz gestanden. Sie habe nämlich eine ernstliche, der Frau L. dienende pflegerische Tätigkeit verrichtet.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Stadt Dortmund, vertreten durch die Eigenunfallversicherung der Stadt Dortmund, zum Rechtsstreit beigeladen. Nach Zeugenvernehmung hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beigeladene dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 4. April 1968 Entschädigungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 6. Oktober 1971). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt; Einen Anspruch gegen die Beklagte habe die Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 4. April 1968 nicht. Die Klägerin sei im Zeitpunkt des Unfalls nicht gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO versichert gewesen, da von dieser Vorschrift nur diejenigen Personen erfaßt würden, die in der "organisierten" Wohlfahrtspflege tätig seien. Die Klägerin sei jedoch am 4. April 1968 nicht im Auftrag des DPWV tätig gewesen, da ihr ausdrücklich gesagt worden sei, daß sie die Pflege der Frau L. erst ab 17. April 1968 für den DPWV durchzuführen habe. Aus diesem Grunde sei auch die Möglichkeit eines Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 2 RVO, d. h., daß die Klägerin wie eine in der organisierten Wohlfahrtspflege Beschäftigte tätig gewesen sei, ausgeschlossen.

Dagegen bestehe ein Entschädigungsanspruch der Klägerin gegen die Beigeladene. Für einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO fehle es allerdings an einem Arbeits- oder Dienstverhältnis zwischen der Klägerin und Frau L., denn die Klägerin sei weder persönlich noch wirtschaftlich von Frau L. abhängig gewesen. Da die Klägerin auch kein eigenes Unternehmen unterhalten habe, in dessen Rahmen sie die Tätigkeit für Frau L. hätte ausführen können, komme für sie Versicherungsschutz nur nach § 539 Abs. 2 RVO in Betracht, d. h., wenn sie für Frau L. wie eine in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis Beschäftigte tätig gewesen sei.

Die von der Klägerin am 4. April 1968 für Frau L. verrichtete Tätigkeit habe weitgehend der Art einer im Haushalt angestellten Kraft entsprochen. Vorwiegend sei der Haushalt der Frau L. zu führen gewesen. Die Haushaltsführung sei nur im Umfang und Art durch die Bettlägerigkeit der Frau L. bestimmt worden. Es dürfe nicht allein darauf abgestellt werden, was die Klägerin am Abend des 4. April 1968 für den Haushalt der Frau L. getan habe, vielmehr müsse dies im Zusammenhang mit der Tätigkeit gesehen und gewertet werden, die sie ab 17. April 1968 habe ausüben sollen. Sie habe die von diesem Zeitpunkt ab vorgesehenen Arbeiten bereits am 3. April 1968 begonnen, jedoch beschränkt auf die Tätigkeiten, die nach dem Wirken der Frau Z. am Vormittag noch verblieben seien. Ohne den Unfall wäre die Klägerin einige Zeit wie eine ständig im Haushalt abhängig Beschäftigte tätig gewesen. Es habe lediglich das persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnis zu Frau L. gefehlt. Dem stehe nicht entgegen, daß die Tätigkeit ab 17. April 1968 im Auftrag des DPWV erfolgt wäre. Die Klägerin habe somit nach § 539 Abs. 2 iVm Abs. 1 Nr. 1 RVO auf dem Weg von Frau L. nach Hause unter Versicherungsschutz gestanden (§ 550 RVO). Zuständiger Versicherungsträger sei die Beigeladene (§ 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO).

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beigeladene hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Die Ausführungen des LSG, die Klägerin habe bei Frau L. am 4. April 1968 durch die dabei erbrachten Handreichungen eine Tätigkeit begonnen, die zusammen mit den ab 17. April 1968 zu übernehmenden fürsorgerischen und pflegerischen Aufgaben einheitlich der nach § 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO der gemeindlichen Unfallversicherung unterliegenden Haushaltung der betreuten Person zuzurechnen sei, entbehrten der rechtlichen Grundlage. Zumindest der ab 17. April 1968 vorgesehene Pflegeeinsatz, der für Rechnung und im Auftrag des DPWV erfolgen sollte, lasse sich nicht mehr als Beschäftigung für einen privaten Haushalt deklarieren, sondern sei dem Kreis der nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO unfallgeschützten Tätigkeiten des Gesundheitsdienstes und der Wohlfahrtspflege zuzuordnen, für die die Beklagte der zuständige Versicherungsträger sei. Denn der Einsatz habe sein wesentliches Gepräge durch die vom Gesundheitszustand der zu Betreuenden bestimmten Hilfeleistungen bekommen; die hauswirtschaftlichen Verrichtungen seien von untergeordneter Bedeutung gewesen.

In diesem Zusammenhang stelle sich auch die Frage nach der rechtlichen Tragweite des § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO für Tätigkeiten des Gesundheitsdienstes und der Wohlfahrtspflege, die außerhalb einer der zentralen Wohlfahrtsorganisation geleistet werden. Der durch das Dritte Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung - 3. ÄndG - vom 20. Dezember 1928 (RGBl I 405) in die RVO eingefügte § 537 Nr. 4 b RVO sei vom Gesetzgeber dazu bestimmt gewesen, auch die freien Dienstleistungen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege dem Unfallversicherungsschutz zu unterstellen. Es komme daher auch im Rahmen des jetzigen § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO nicht entscheidend darauf an, ob eine Beschäftigung in einem Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis oder in einem diesen Begriffsbestimmungen ähnlichen Verhältnis ausgeübt werde. Es reiche aus, daß es sich um eine Tätigkeit im Gesundheitsdienst oder in der Wohlfahrtspflege handele. Da die Tatbestandsmerkmale dafür als erfüllt angesehen werden müßten, habe im Unfallzeitpunkt Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO bestanden.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Die Klägerin sei am Unfalltage noch nicht in der Wohlfahrtspflege tätig gewesen. Der in § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO verwendete Begriff der Wohlfahrtspflege beinhalte ein planmäßiges, zum Wohle der Allgemeinheit erfolgendes, also organisiertes Vorgehen einer dazu eingerichteten, von vornherein auf viele Einzelfälle ausgerichteten öffentlichen oder privaten Einrichtung. Erst am 17. April 1968 wäre die Klägerin bei Frau L. im Auftrag des DPWV und damit in der Wohlfahrtspflege tätig gewesen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Revision der Beigeladenen ist nicht begründet.

Das LSG hat zu Recht die Beigeladene als den für die Entschädigung der durch den Unfall vom 4. April 1968 entstandenen gesundheitlichen Folgen zuständigen Versicherungsträger angesehen und zur Leistungsgewährung verurteilt.

Die Klägerin ist bei ihrer Tätigkeit für Frau L. allerdings nicht gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Zur Unfallzeit hat ein Beschäftigungsverhältnis weder zum DPWV noch zu Frau L. bestanden. Nach den für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die Klägerin bei der Aushändigung des Einsatzausweises durch den DPWV am 3. April 1968 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß sie die Pflege der Frau L. für diese Organisation erst ab 17. April 1968 durchzuführen habe. Damit scheidet nicht nur ein Arbeits- oder Dienstverhältnis der Klägerin mit dem DPWV aus, sondern gleichfalls eine in der Wohlfahrtspflege beim DPWV verrichtete "ehrenamtliche" Tätigkeit, die nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO hätte versichert sein können (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 7. Aufl. S. 472 w; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Anm. 44 zu § 539). Denn eine "ehrenamtliche" Tätigkeit setzt zumindest den erklärten oder mutmaßlichen Willen desjenigen voraus, für den die Tätigkeit ausgeübt wird. Daran fehlt es aber hier von seiten des DPWV. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war die Klägerin weder wirtschaftlich noch persönlich von Frau L. abhängig, so daß ein Arbeits- oder Dienstverhältnis auch insoweit nicht bestanden hat.

Die Klägerin ist am Unfalltag auch nicht freiberuflich (selbständig) tätig gewesen. Das LSG hat eine freiberufliche Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege anscheinend schon deshalb als nicht möglich angesehen, weil es davon ausgegangen ist, daß nur eine Tätigkeit in der "organisierten" Wohlfahrtspflege nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO versichert sein könne. Lediglich im Zusammenhang mit der Haushaltsführung hat das LSG - und dort zu Recht - ausgeführt, daß die Klägerin kein eigenes Unternehmen unterhalten habe, in dessen Rahmen sie eine Tätigkeit für Frau L. hätte ausführen können. Mit der Beigeladenen ist der Senat jedoch der Auffassung, daß sich der Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO nicht auf Tätige in der "organisierten" Wohlfahrtspflege beschränkt, worunter das LSG wohl die Einrichtung der öffentlichen und privaten Wohlfahrtspflege versteht, sondern auch und gerade die freiberuflich (selbständig) in der Wohlfahrtspflege Tätigen umfaßt, soweit nicht ausdrücklich ihre Versicherungsfreiheit bestimmt ist (vgl. BSG 11, 149; 18, 231). Eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege hat aber nach den Feststellungen des LSG nicht vorgelegen. Die verwitwete, damals fast 68 Jahre alte Klägerin, übte keinen Beruf aus. Sie war eine Bekannte der pflegebedürftigen Frau L., die sie gelegentlich besuchte, und sie hatte sich gegenüber dem DPWV bereit erklärt, Frau Z. bei der Betreuung der Frau L. abzulösen. Selbst wenn für die freiberufliche Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege, etwa als selbständige Hauspflegerin, nicht alle Merkmale vorhanden sein müssten, die üblicherweise für eine unternehmerische Tätigkeit gefordert werden (vgl. LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1970, 745), ist die Klägerin unter den dargelegten Umständen nicht als freiberuflich Tätige anzusehen. Sie hat eine selbständige wohlfahrtspflegerische oder ähnliche Tätigkeit zuvor nie ausgeübt und insbesondere eine solche Tätigkeit im Falle der Frau L. auch nicht angestrebt. Denn sie wandte sich wegen der Betreuung von Frau L. an den DPWV, um für diesen - also nicht selbständig - tätig zu werden; sie hatte mit Frau L. auch nicht vereinbart, ihr vor dem 17. April 1968 ohne Auftrag des DPWV als freiberuflich Tätige gegen Bezahlung wohlfahrtspflegerische Dienste zu leisten.

Daß die Klägerin auch nicht nach § 539 Abs. 2 RVO wie eine in der Wohlfahrtspflege Beschäftigte versichert war, hat das LSG - von seinem Standpunkt aus allerdings nur hinsichtlich einer Tätigkeit in der "organisierten" Wohlfahrtspflege - zutreffend bejaht. Nach seinen tatsächlichen Feststellungen ist die Klägerin bei der Aushändigung des Einsatzausweises am 3. April 1968 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß sie die Pflege der Frau L. für den DPWV erst ab 17. April 1968 durchzuführen habe. Es fehlt damit für die Anwendung des § 539 Abs. 2 RVO schon an der Voraussetzung, daß die verrichtete Tätigkeit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen muß, für dessen Unternehmen sie verrichtet wird (vgl. Brackmann aaO S. 476 b II mit Nachweisen).

Die Klägerin war jedoch nach § 539 Abs. 2 iVm Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert, weil sie wie eine aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses Beschäftigte in der Haushaltung der Frau L. tätig geworden ist. Für die Anwendung dieser Vorschriften ist entscheidend, daß es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und derjenigen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist, so daß durch sie ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wird. Dabei braucht weder eine wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeit vorzuliegen, wie auch die Beweggründe für die Tätigkeit unerheblich sind (vgl. Brackmann aaO S. 475 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin am 3. und 4. April 1968 der Haushaltung der Frau L. dienenden Tätigkeiten verrichtet. Sie hat jeweils abends den Ofen versorgt, die Fensterläden geschlossen, Frau L. Getränke bereitet und gereicht sowie das Bett hergerichtet. Ob, wie das LSG meint, die Tätigkeit der Klägerin an diesen beiden Tagen mit der ab 17. April 1968 für den DPWV durchzuführenden Pflege der Frau L. im Zusammenhang gesehen werden muß, kann dahingestellt bleiben. Nach der Ansicht des erkennenden Senats haben die von der Klägerin ausgeführten Verrichtungen für sich allein betrachtet bereits alle Voraussetzungen erfüllt, unter denen ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 SGG begründet werden kann. Vor allem hat es sich an den beiden Tagen um Arbeitsleistungen von wirtschaftlichem Wert gehandelt, mag auch der Wert - was nicht entscheidend ist - gering gewesen sein (vgl. Brackmann aaO S. 476 a). Der Senat verkennt nicht, daß es gerade im Rahmen häuslicher Hilfeleistungen Fallgestaltungen geben kann, bei denen es an einer ernstlichen und wirtschaftlich nützlichen Arbeitsleistung mangelt. Wo im Einzelfall die Grenze für den Versicherungsschutz zu ziehen ist, wo also nicht mehr von einer ernstlichen und wirtschaftlich nützlichen, einem Unternehmen dienenden Arbeitsleistung gesprochen werden kann, braucht jedoch aus Anlaß dieses Rechtsstreits nicht entschieden zu werden. Denn die von der Klägerin an zwei Abenden für den Haushalt der Frau L. verrichteten Tätigkeiten, die in diesem Umfang bis zum beabsichtigten Einsatz für den DPWV am 17. April 1968 fortgesetzt werden sollten, bieten keinen Anlaß zu Zweifeln an einer versicherten Tätigkeit der Klägerin am 4. April 1968. Die Beigeladene hat auch nicht geltend gemacht, daß das LSG das materielle Recht insoweit unrichtig angewendet hat.

Die Klägerin war daher auch auf dem Weg von ihrer Tätigkeit bei Frau L. nach Hause unfallversicherungsrechtlich geschützt (§ 550 RVO) und hat Anspruch auf die in Betracht kommenden Leistungen (§ 547 RVO). Für die Gewährung dieser Leistungen ist die Beigeladene zuständig; sie ist gemäß § 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO Träger der Unfallversicherung für Versicherte in Haushaltungen.

Die Revision der Beigeladenen mußte deshalb zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647234

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge