Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen von Arbeitslosengeld. Erwerbsunfähigkeitsrente

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer nachträglich eintretenden Änderung kann die frühere Bewilligung der Leistung gemäß AFG § 151 selbst dann aufgehoben werden, wenn zugunsten des Berechtigten ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

 

Orientierungssatz

1. Nach AFG § 118 Abs 1 S 1 Nr 3 ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist. Das bedeutet, daß der Anspruch zwar bestehen bleibt, aber während dieses Zeitraums nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann und auch damit nicht erfüllt zu werden braucht. Das bloße Bestehen des Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente bewirkt noch kein Ruhen. Vorausgesetzt ist, daß der Anspruch "zuerkannt" ist. Ist der Anspruch "zuerkannt", ruht der Arbeitslosengeldanspruch allerdings rückwirkend für die Zeit, für die dem Arbeitslosen die Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden ist.

2. Der AFG § 118 Abs 1 Nr 3 bewirkt auch ein Ruhen unabhängig von der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente. Es kommt nicht darauf an, ob der Lebensunterhalt im Einzelfall tatsächlich gesichert ist. Die Leistung muß nur ihrer Gesamtkonzeption nach so bemessen sein, daß sie den Unterhalt des Berechtigten in der Regel gewährleistet. Dies folgt ua daraus, daß das Gesetz das Ruhen allein aufgrund des äußeren Tatbestandes der Zuerkennung einer anderweitigen Versorgungsleistung ausspricht. Das hat in gleicher Weise für AFG § 118 Abs 1 S 1 Nr 3 zu gelten (vgl BSG 1976-11-03 7 RAr 104/75 = BSGE 43, 26).

 

Normenkette

AFG § 151 Fassung: 1969-06-25; SGG § 141 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 323; AFG § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.02.1977; Aktenzeichen L 5 Ar 1041/76)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 21.05.1976; Aktenzeichen S 9 Ar 1205/75)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Februar 1977 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1974 bis 24. März 1975 höheres Arbeitslosengeld (Alg) zu gewähren hat. Nach Auffassung der Klägerin folgt diese Verpflichtung aus dem rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts (SG) Reutlingen vom 28. Februar 1975. Die Beklagte meint, daß das Alg nicht mehr zu erbringen sei, weil der Klägerin mit Bescheid vom 24. März 1975 Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) ab 1. Juli 1975 gewährt worden ist.

Die 1915 geborene Klägerin verlor ihren Arbeitsplatz durch Kündigung zum 31. März 1974. Sie meldete sich am 1. April 1974 arbeitslos und beantragte Alg. Aufgrund eines arbeitsmedizinischen Gutachtens legte die Beklagte bei der Klägerin eine Einsatzfähigkeit von nur noch 25 Stunden wöchentlich zugrunde und berechnete dementsprechend das Alg. Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das SG die Beklagte mit Urteil vom 28. Februar 1975 zur Bewilligung von Alg ab 1. April 1974 unter Zugrundelegung von 40 Stunden wöchentlich.

Am 24. März 1975 erteilte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg auf Antrag vom 11. Juni 1974 der Klägerin einen Bescheid über die Bewilligung von EU-Rente rückwirkend ab 1. Juli 1974. Mit Bescheid vom 7. April 1975 hob die Beklagte darauf die Bewilligung des Alg ab 1. Juli 1974 auf.

Sie erkannte der Klägerin für die Zeit vom 1. April bis 29. Juni 1974 aufgrund des Urteils des SG vom 28. Februar 1975 eine Nachzahlung zu, bemessen nach einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (Bescheid vom 22. Juli 1975; Widerspruchsbescheid vom 5. September 1975). Das niedrigere Alg war insgesamt bis zum 24. März 1975 gezahlt worden. Von der Rentennachzahlung wurden dafür 1.691,70 DM einbehalten und an die Beklagte abgeführt.

Das SG hat mit Urteil vom 21. Mai 1976 die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1974 bis 24. März 1975 Alg unter Zugrundelegung einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen. Das LSG hat mit Urteil vom 15. Februar 1977 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt:

Nach § 118 Abs 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt sei. Die EU-Rente sei hier ab 1. Juli 1974 gewährt worden. Damit sei das ab 1. April 1974 gewährte Alg bereits nach drei Monaten wieder zum Ruhen gekommen. Wenn sich die Klägerin davor hätte schützen wollen, daß das in ihrem Falle höhere Alg schon vor Erschöpfung des Alg-Anspruchs verlorengehe, so hätte sie das nur tun können, indem sie davon abgesehen hätte, die EU-Rente zu beantragen, solange sie noch Alg zu beziehen gehabt habe. Im vorliegenden Falle sei jedoch die LVA rechtlich verpflichtet gewesen, Rente zu gewähren, während andererseits die Beklagte die Voraussetzungen für das Ruhen des Alg ab 1. Juli 1974 habe als erfüllt ansehen und das von ihr gewährte Alg gem § 151 AFG habe entziehen müssen.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 103 Abs 2 Satz 2, 118 Abs 1 Nr 3, 151 Abs 1 AFG und führt hierzu insbesondere aus:

Gem § 103 Abs 2 Satz 2 AFG gelte bis zur Entscheidung darüber, ob eine Berufsunfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) iS der gesetzlichen Rentenversicherung vorliege, der Arbeitslose nicht als berufsunfähig (erwerbsunfähig). Erst am 24. März 1975 sei durch die LVA entschieden worden, daß bei der Klägerin das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit anzunehmen und demzufolge Rente zu gewähren sei.

Die Bestimmungen der §§ 151 Abs 1, 118 Abs 1 Nr 3 AFG seien nicht so zu verstehen, daß rückwirkend vom Tage des Rentenanspruchs an, hier also vom 1. Juli 1974 an, die sich aus dem Urteilsausspruch vom 28. Februar 1975 ergebende Leistungsverpflichtung hinfällig geworden sei.

Aus den §§ 151 Abs 1 iVm § 118 Abs 1 Nr 3 AFG folge, daß die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli 1974 (Beginn des rückwirkenden Bezugs der EU-Rente) bis 24. März 1975 (Bescheid der LVA) das volle Alg zu zahlen habe. Der Beklagten stehe allerdings das Recht zu, von der Klägerin gem § 152 Abs 1 Ziffer 3 AFG den Betrag zurückzuverlangen, der für den streitigen Zeitraum der Höhe der bewilligten EU-Rente entspreche.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 21. Mai 1976 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt weiter aus: Wenn in der Revisionsbegründung vorgetragen werde, nach dem rechtskräftigen Urteil des SG vom 28. Februar 1975 sei die Verfügbarkeit der Klägerin zu unterstellen, so werde übersehen, daß die Beklagte die Gewährung weiterer Leistungen nicht wegen fehlender Verfügbarkeit versagt habe, sondern wegen Vorliegens eines Ruhenstatbestandes gem § 118 Abs 1 AFG. Die Anwendung des § 118 Abs 1 AFG setze jedoch gerade voraus, daß der Arbeitslose (möglicherweise) einen Anspruch auf Alg habe, dh der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte hat der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1974 bis zum 24. März 1975 kein höheres Alg zu gewähren. Der Alg-Anspruch der Klägerin ruhte in dieser Zeit aufgrund des § 118 Abs 1 Nr 3 AFG. Nach dieser Bestimmung ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist. Das bedeutet, daß der Anspruch zwar bestehen bleibt, aber während dieses Zeitraums nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann und auch damit nicht erfüllt zu werden braucht. Das bloße Bestehen des Anspruchs auf EU-Rente bewirkt noch kein Ruhen. Vorausgesetzt ist, daß der Anspruch "zuerkannt" ist. Ist der Anspruch "zuerkannt", ruht der Alg-Anspruch allerdings rückwirkend für die Zeit, für die dem Arbeitslosen die EU-Rente bewilligt worden ist (Hennig/Kühl/Heuer Kommentar zum AFG, § 118 Anm 3; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG § 118 Anm 20; anders erst ab 1. Januar 1979 aufgrund Art 2 § 7 Nr 2, Art 4 § 3 21. Rentenanpassungsgesetz - RAG - vom 25. Juli 1978 BGBl I 1089). Der § 118 Abs 1 Nr 3 AFG bewirkt auch ein Ruhen unabhängig von der Höhe der EU-Rente. Wie der Senat zu § 118 Abs 1 Nr 4 AFG entschieden hat (BSGE 43, 26), kommt es nicht darauf an, ob der Lebensunterhalt im Einzelfall tatsächlich gesichert ist. Die Leistung muß nur ihrer Gesamtkonzeption nach so bemessen sein, daß sie den Unterhalt des Berechtigten in der Regel gewährleistet. Dies folgt ua daraus, daß das Gesetz das Ruhen allein aufgrund des äußeren Tatbestandes der Zuerkennung einer anderweitigen Versorgungsleistung ausspricht. Das hat in gleicher Weise für § 118 Abs 1 Nr 3 AFG zu gelten.

Allerdings hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 31. August 1977 (SozR 2200 § 1241 Nr 5) ausgesprochen, daß ein Anspruch nur bis zur Höhe des hinzutretenden Anspruches ruht, wenn eine Vorschrift das Ruhen des Leistungsanspruchs wegen des Hinzutritts eines weiteren Anspruches ausspricht, und zwar solle das auch gelten, wenn die Ruhensanordnung nicht ausdrücklich eine entsprechende Einschränkung (zB "insoweit") enthält. Er hat das jedoch nicht auch für die Fälle ausgesprochen, in denen der das Ruhen bewirkende Anspruch seiner Art nach dazu bestimmt ist, den Lebensunterhalt des Berechtigten zu sichern und diesen auch tatsächlich abdeckt. Aus Art 2 § 7 Nr 2 des 21. RAG, der vom 1.1.1979 an nur unter bestimmten Voraussetzungen nicht das Ruhen schlechthin, sondern ein der Höhe nach begrenztes Ruhen anordnet, zudem nur im Falle des § 118 Abs 1 Nr 4 AFG und nicht seiner Nr 3 AFG, die hier anzuwenden ist, folgt ferner, daß die Auslegung, die der Senat dem § 118 Abs 1 AFG gegeben hat, den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht.

Die Rechtskraft des sozialgerichtlichen Urteils vom 28. Februar 1975 hindert die Beklagte nicht, die an die Klägerin zu erbringenden Leistungen der Rechtslage anzupassen, wie sie sich seit dem Bescheid der LVA vom 24. März 1975 darstellt.

Die Rechtskraft dieses Urteils ist allerdings nicht beschränkt auf die Rechtslage, wie sie sich zZt der letzten mündlichen Verhandlung darstellt, so daß wegen späterer Ereignisse ohne weiteres das Urteil unbeachtet bleiben könnte.

Grundsätzlich gilt zwar, daß ein rechtskräftiges Urteil die Rechtslage nur für einen bestimmten Zeitpunkt feststellt, nicht für alle Zukunft (Jauernig, Zivilprozeßrecht, 18. Aufl, § 63 V, S 211; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl, § 156 I, S 878). Der Zeitpunkt, auf den sich die materielle Rechtskraft bezieht, ist identisch mit demjenigen, bis zu dem die Parteien während des Prozesses neue Tatsachenbehauptungen aufstellen können. Das folgt daraus, daß die rechtskraftfähige Entscheidung auf den bis zum Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung festgestellten Tatsachen beruht (Jauernig aaO, Rosenberg/Schwab aaO). Die Beteiligten können deshalb in einem neuen Prozeß, in dem derselbe Anspruch geltend gemacht wird, Tatsachen vorbringen, die erst nach der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind. Etwas anderes gilt aber bei wiederkehrenden Leistungen. Bei ihnen wird der Beklagte, wenn der Klage stattgegeben wird, auf längere Zeit, nämlich für eine unbestimmte Zukunft verurteilt (Jauernig, § 64 VI, S 212). Die über den Schluß der letzten Tatsachenverhandlung hinausreichende Rechtskraft findet im Zivilprozeß ihren Niederschlag in der Notwendigkeit, die Rechtskraft mittels einer Abänderungsklage nach § 323 Zivilprozeßordnung (ZPO) zu beeinflussen, obwohl es sich jeweils um Tatsachen handelt und handeln muß, die erst nach dem Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind. Um eine Verurteilung zur Leistung (§ 54 Abs 4 SGG) handelt es sich aber bei dem rechtskräftigen Urteil des SG Reutlingen vom 28. Februar 1975.

Auch ist die Rechtskraft des Urteils des SG Reutlingen vom 28. Februar 1975 nicht bloß auf einen Ausspruch über die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Leistungen beschränkt. Richtig ist, daß zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens, also der Klägerin und der Beklagten, die Leistungspflicht als solche unstreitig war, und es nur noch um die Höhe der Leistung ging. Daraus läßt sich jedoch nicht herleiten, daß die Rechtskraft des Urteils auf diese Frage beschränkt ist. Der Ausspruch des SG umfaßt eindeutig die gesamte Leistungspflicht, also auch die Leistungspflicht dem Grunde nach.

Die Beklagte hat jedoch aufgrund des § 151 Abs 1 AFG die Berechtigung, wegen nachträglich eintretender Umstände ihre Leistungspflicht durch neuen Bescheid auch entgegen einem rechtskräftigen Urteil neu zu bestimmen. Der § 151 AFG gibt der Beklagten unter zwei Voraussetzungen das Recht, ihre früheren, eine Leistung bewilligenden Entscheidungen zu verändern, einmal, wenn sich herausstellt, daß die frühere Entscheidung falsch war, die Voraussetzungen für die Leistungen also von vornherein nicht vorgelegen haben, zum anderen dann, wenn die frühere Entscheidung durch später eingetretene Ereignisse falsch geworden ist, also die Voraussetzungen für die Leistung später weggefallen sind. Der erste Tatbestand kann allerdings nicht gegenüber einem rechtskräftigen Urteil von Bedeutung sein. Die nachträgliche Erkenntnis, die Voraussetzungen der Leistung hätten - entgegen dem Urteil - nicht vorgelegen, kann angesichts der Rechtskraft (§ 141 SGG) keine Wirkung entfalten. Über diesen Sachverhalt hat das Urteil gerade entschieden. Auf diese Entscheidung vertrauen zu dürfen, ist Sinn der Rechtskraft. Anders steht es hinsichtlich späterer Änderungen. Daß sie berücksichtigt werden können und müssen, erscheint selbstverständlich. Die ZPO stellt in § 323 unter Privaten hierfür die Abänderungsklage zur Verfügung. Im Verhältnis zwischen dem Bürger und der leistenden Verwaltung geht der Rechtsfeststellung durch das Gericht normalerweise der Verwaltungsakt der Behörde voraus, so auch bei nachträglicher Änderung der Rechtslage. Daß zugunsten des Bürgers die Verwaltung die früheren (ablehnenden) Bescheide auch dann ändern kann (und ggf muß), wenn ein (die Leistung ablehnendes) Urteil die frühere Auffassung der Behörde stützt, ist zB im Versorgungsrecht anerkannt (ständige Rechtsprechung, vgl BSG SozR 1500 § 141 Nr 2, mit weiteren Nachweisen; SozR 3900 § 40 Nrn 2, 3).

Bei einer nachträglich eintretenden Änderung kann aber auch zuungunsten des Bürgers die frühere Bewilligung der Leistung aufgrund des § 151 AFG aufgehoben werden. Diese Meinung wird auch - soweit ersichtlich ohne Gegenstimmen - in der Literatur vertreten. So schreibt Hennig/Kühl/Heuer (§ 151 Anm 5): "Liegt der Bewilligung jedoch ein rechtskräftiges sozialgerichtliches Urteil zugrunde, so ist die Aufhebung des Bescheides nur insoweit zulässig, als sie auf neue, dh nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstandene Tatsachen (zB Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsaufnahme) gestützt werden kann". Schönefelder/Kranz/Wanka, (Kommentar zum AFG, § 151 Anm 4) gibt folgende Erläuterung: "Ist über einen Anspruch rechtskräftig entschieden, so verhindert die materielle Rechtskraft eine erneute Entscheidung über dieselbe Sache und bindet insoweit sowohl Gerichte und Parteien sowie deren Rechtsnachfolger in einem etwaigen neuen Prozeß. Eine Aufhebung der Entscheidung ist nur insoweit noch zulässig, als sich nach Rechtskraft des Urteils, durch das die Bundesanstalt zu einer Leistung verurteilt worden oder ein Anspruch festgestellt worden ist, die tatsächlichen Verhältnisse derart geändert haben, daß die Voraussetzungen für den rechtskräftig festgestellten Anspruch ganz oder teilweise weggefallen sind. Vom Eintritt der veränderten Verhältnisse an ist gegebenenfalls eine Aufhebung der Entscheidung zulässig". Meyer-Ladewig Kommentar zum SGG (§ 141 Anm 22): Die "rechtskräftige Entscheidung berührt nicht Befugnis der Behörde, kraft dieser besonderen Vorschriften oder allgemeinen Grundsätze, Verwaltungsakte zu widerrufen oder aufzuheben. Betroffener kann in den erwähnten Fällen neuen Bescheid beantragen und bei Verweigerung klagen, ohne daß es des § 323 ZPO bedarf".

Der Grundsatz der "Nahtlosigkeit" (§ 103 Abs 2 S 1 AFG) schließlich, den die Klägerin verletzt sieht, ist im vorliegenden Falle nicht einschlägig. Nicht weil sie der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung steht - etwa aufgrund von Berufsunfähigkeit (§ 103 Abs 1 S 2 Nr 1a AFG) - hat die Beklagte die Leistung ab 1. Juli 1974 verweigert, sondern weil die Klägerin eine Rente (wegen Erwerbsunfähigkeit) bezog (§ 118 Abs 1 Nr 3 AFG).

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647353

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