Entscheidungsstichwort (Thema)

Kieferorthopädie. kieferorthopädische Behandlung. Materialkosten. Laborkosten. Behandlungsplan. Schätzung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. gebührenordnungsmäßige Prüfung. Prüfungsausschuß. Zuständigkeit. Zuständigkeitsvorschrift. Außenwirkung. Rechtsmittelbefugnis. Landesverband der Krankenkassen. VdAK

 

Leitsatz (amtlich)

1. Material- und Laborkosten bei kieferorthopädischer Behandlung unterliegen im Ersatzkassenbereich der nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung, für die auch vor dem Inkrafttreten des GRG allein die Prüfungsausschüsse zuständig waren.

2. Beruht die Zuständigkeit von Organen auf Rechtsvorschriften mit Außenwirkung, so ist der unter Verletzung der Zuständigkeitsregelung von einem anderen Organ erlassene Verwaltungsakt zumindest anfechtbar.

 

Normenkette

SGB V § 106 Abs. 5, 7, § 212 Abs. 5; EKV-Z § 9 Abs. 4, § 10 Nr. 3, § 12 Nr. 1, §§ 13-14; SGB X § 42 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.07.1992; Aktenzeichen L 5 Ka 1010/89)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 05.04.1989; Aktenzeichen S 14 Ka 2268/86)

 

Tenor

Die Revision des Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juli 1992 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte und der Beigeladene haben die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine Belastung seines Honorarkontos durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) wegen Überschreitungen der vorausgeschätzten Material- und Laborkosten bei kieferorthopädischen Behandlungen.

Der Kläger ist Zahnarzt und als Mitglied der beklagten KZÄV an der vertragszahnärztlichen Versorgung beteiligt. Bei Versicherten der Mitgliedskassen des beigeladenen Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) führte er kieferorthopädische Behandlungen durch, die zuvor von der jeweiligen Ersatzkasse (ErsK) genehmigt worden waren. Gegen Abrechnungen der Quartale III/84 bis IV/85 erhob der Beigeladene insoweit Widerspruch, als der Kläger die in den Behandlungsplänen angegebenen Material- und Laborkosten überschritten hatte. Nach Überprüfung von 36 Behandlungsfällen durch den Vorstand der Beklagten belastete die Beklagte das Honorarkonto des Klägers mit einem Betrag von 42.346,54 DM (Bescheid vom 16. April 1986). Zur Begründung führte sie im wesentlichen an, die Überschreitung der vorausgeschätzten Laborkosten sei vor allem darauf zurückzuführen, daß sehr aufwendige abnehmbare Geräte in kurzen Zeitabständen ohne erkennbare zahnmedizinische Gründe immer wieder erneuert worden seien. Unvorhersehbare Mehrkosten dürften bei kieferorthopädischer Behandlung allenfalls bis zu einer Toleranzgrenze von 30% gegenüber den vom Zahnarzt geschätzten Material- und Laborkosten auftreten. Auf den Widerspruch des Klägers reduzierte der Vorstand der Beklagten die Belastung des Honorarkontos geringfügig auf 41.611,90 DM (Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1986).

Im nachfolgenden Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die von der Beklagten herangezogene „Toleranzgrenze” in Höhe einer 30%igen Überschreitung der vorausgeschätzten Material- und Laborkosten sei weder gesetzlich noch vertraglich bestimmt. Auch eine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung komme nicht in Betracht, da sie ausdrücklich ausgeschlossen sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage in Höhe von 35.945,22 DM abgewiesen (Urteil vom 5. April 1989), Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Bescheide auf die Berufung des Klägers in vollem Umfang aufgehoben (Urteil vom 15. Juli 1992).

Der Beigeladene rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung der §§ 75 Abs. 1, 106 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie der §§ 12 Ziff 6 und 14 Zahnarzt-/Ersatzkassenvertrag (EKV-Zahnärzte). Das LSG habe zu Unrecht angenommen, eine Überprüfung der Überschreitung der vorausgeschätzten Labor- und Materialkosten bei kieferorthopädischen Behandlungen sei nur im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zulässig. Hiergegen spreche, daß die Material- und Laborkosten auch in ihrer geschätzten Höhe von der Kostenzusage der Kasse erfaßt würden. Die Kasse könne auch wegen der geschätzten Laborkosten die Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplans verweigern. Hieraus folge, daß sich auch die vom Zahnarzt abgerechneten Labor- und Materialkosten ungefähr im Schätzungsrahmen hatten müßten.

Der Beigeladene beantragt.

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juli 1992 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. April 1989 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision war zurückzuweisen.

1) Der Senat hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Kassenzahnärzte entschieden. Es handelt sich um eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte iS des § 12 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nicht um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts iS des § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stellt bei der Abgrenzung vor allem darauf ab, wie die Verwaltungsstelle, die über die in dem Rechtsstreit geforderte Verwaltungsentscheidung zu befinden hat, zusammengesetzt ist (BSGE 70, 285, 286 f = 3-2500 § 122 Nr. 3). Vorliegend kommt die Kompetenz einer sowohl mit Kassenzahnärzten als auch mit Kassenvertretern besetzten Stelle nicht in Betracht. Die vom LSG als allein zuständig angesehenen Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse sind im Ersatzkassenbereich erst für Quartale ab Januar 1989 gemischt besetzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 10). Bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1986) war eine Mitwirkung von Kassenvertretern nicht vorgesehen.

2) Die von dem beigeladenen VdAK eingelegte Revision war zulässig. Die Zulässigkeit der Revision ist ebenso wie die Zulässigkeit der Berufung als unverzichtbare Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. BSGE 2, 225, 226; 21, 292, 294 = SozR Nr. 10 zu § 147 SGG; SozR 1500 § 150 Nr. 18). Der Senat hatte auch ohne Rüge zu prüfen, ob der beigeladene VdAK rechtsmittelbefugt war, insbesondere ob die für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung geltenden Grundsätze heranzuziehen sind, obwohl der Kürzungsbescheid auch auf andere Gründe als Unwirtschaftlichkeit gestützt ist und nicht in dem Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung erlassen wurde, das hier – wie zur Begründetheit der Klage noch darzulegen ist – geboten war. Der Umstand, daß wegen der angeblich überhöht abgerechneten Laborkosten nicht ein Prüfungsorgan im dafür vorgesehenen Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern die KZÄV die vom Gericht aufgehobene Honorarkürzung ausgesprochen hat, ist für die Rechtsmittelbefugnis ohne Bedeutung. Es gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung wie allgemein in Fällen der inkorrekten Entscheidungsform. Hätte das Prüforgan die vom Berufungsgericht aufgehobene Kürzung erlassen, so wäre der VdAK anfechtungsberechtigt gewesen.

Die Rechtsmittelbefugnis des VdAK im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist ähnlich zu beurteilen wie die der Landesverbände der Primärkassen. Zwar handelt es sich beim VdAK im Gegensatz zu den Landesverbänden der Primärkassen um einen privatrechtlichen Verband; doch kommt ihm, wie die heutige Rechtslage (§ 106 Abs. 5 iVm § 106 Abs. 7 und § 212 Abs. 5 SGB V) deutlich zeigt, zumindest im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine den Landesverbänden vergleichbare Stellung zu. Im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung geht der Senat von einer eigenständigen Rechtsmittelbefugnis der Landesverbände aus, soweit diese die gesamte Behandlungs- und Verordnungsweise des Zahnarztes in einem bestimmten Zeitraum betreffen und mit pauschalen Kürzungen bzw Regressen enden (vgl. insbesondere Urteil vom 16. Juni 1993, – 14a RKa 4/92 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Nur wenn sich die Prüfung der Wirtschaftlichkeit auf konkrete Einzelfälle bezieht, sind allein die betroffenen Krankenkassen (KKn) rechtsmittelbefugt (vgl. zur Rechtsmittelbefugnis des VdAK BSGE 26, 170, 172 = SozR Nr. 1 zu § 14 EKV-Ärzte vom 12. Mai 1950).

3) Das LSG hat in der Sache zutreffend entschieden, daß der angefochtene Verwaltungsakt allein wegen fehlender Zuständigkeit des für die KZÄV handelnden Organs aufzuheben ist. Hier kam nur eine Kürzung wegen Unwirtschaftlichkeit in Betracht. Unterstellt man, daß die erbrachten Laborleistungen wirtschaftlich waren, also daß ihr Umfang geboten und ihr vom Fremdlabor berechneter Preis angemessen war, so sind sie von den ErsKn zu tragen. Eine zu niedrige Schätzung der angemessenen Laborkosten im genehmigten Behandlungsplan schließt die Abrechnung der tatsächlich angefallenen angemessenen Kosten weder nach den Vorschriften zur Gebührenordnungsmäßigkeit noch unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs aus.

a) Der Umfang der im Behandlungsplan für kieferorthopädische Behandlungen angesetzten Material- und Laborkosten unterliegt nicht der Prüfung auf Gebührenordnungsmäßigkeit. Der in § 12 EKV-Zahnärzte festgelegte Prüfungsrahmen läßt eine derartige Prüfung durch die KZÄV als Abrechnungsstelle nicht zu. Gemäß § 12 Nr. 1 EKV-Zahnärzte stellt die KZÄV die Abrechnung rechnerisch richtig. Daneben obliegt ihr allein die Prüfung der Abrechnungsfähigkeit auf der Grundlage der vertragszahnärztlichen Abrechnungsregelungen (Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen ≪Bema≫, EKV-Zahnärzte; vgl. BSGE 57, 151, 152). Hierzu zählt die Kontrolle der Abrechnungsunterlagen auf Beachtung der gebührenrechtlichen Vorschriften. Der Umfang der für kieferorthopädische Behandlungen abrechenbaren Material- und Laborkosten kann jedoch aus gebührenrechtlichen Regelungen nicht ermittelt werden. Der Umfang ist insbesondere nicht auf den im genehmigten Behandlungsplan genannten Betrag begrenzt. Zwar steht dem Zahnarzt nach § 10 Nr. 3 EKV-Zahnärzte bei kieferorthopädischen Behandlungen (Vertragsleistungen nach dem Gebührentarif D) ein Vergütungsanspruch nur in Höhe der Kostenzusage der Vertragskasse zu. Diese Vorschrift kann aber unter Beachtung der zur Genehmigung des Behandlungsplanes getroffenen Regelung nicht dahin ausgelegt werden, daß die im Behandlungsplan angegebenen voraussichtlichen Kosten als Obergrenze gelten oder nur um bis zu 30 % überschritten werden dürften.

Der kieferorthopädische Behandlungsplan enthält – wie sich aus der Anlage 15 zum EKV-Zahnärzte ergibt – bezüglich der voraussichtlichen Material- und Laborkosten lediglich die Angabe eines Schätzbetrages. Zu dieser Schätzung kann der von der ErsK ggf gehörte Sachverständige eine Stellungnahme abgeben. Angesichts der uU jahrelangen Dauer kieferorthopädischer Behandlungen kann es sich bei der Schätzung jedoch nur um Näherungswerte handeln, die nicht mehr als eine Plausibilitätsprüfung durch die Ersatzkasse bzw den von ihr eingeschalteten Gutachter zulassen. Die Regelung in § 6 Satz 1 des Gebührentarifs D (Anlage 14 zum EKV-Zahnärzte) läßt den Schluß zu, daß eine verbindliche Festlegung auf die geschätzte Höhe der Material- und Laborkosten auch von den Partnern des EKV-Zahnärzte nicht beabsichtigt war. Hierfür spricht auch die „Festlegung Nr. 91 zu § 6 der Gebührentarife B, C, D und E”, wonach der Vertragszahnarzt die Material- und Laborkosten … gesondert berechnen kann, jedoch nach § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur, soweit sie erforderlich sind. Die Bezugnahme auf § 670 BGB läßt erkennen, daß davon ausgegangen wurde, der Umfang der abrechnungsfähigen Material- und Laborkosten werde vom Zahnarzt unter Berücksichtigung der objektiven Notwendigkeit erst im Verlauf der Behandlung bestimmt.

Eine weitere präventive Kontrolle der Wirtschaftlichkeit hinsichtlich des Aufwandes für Labor- und Materialleistungen im Rahmen kieferorthopädischer Behandlungen sieht der EKV-Zahnärzte nicht vor. Ziff 6 der Richtlinien für die kieferorthopädische Behandlung (Anlage 17 zum EKV-Zahnärzte) enthält lediglich die Verpflichtung des Zahnarztes, den Patienten und gegebenenfalls den Erziehungsberechtigten vor Beginn und im Verlauf der Behandlung über die Bedeutung der Mitarbeit zu belehren und zu ermahnen. Eine Verpflichtung des Zahnarztes zur Benachrichtigung der Kasse bei unsachgemäßer Behandlung kieferorthopädischer Behandlungsmittel, wie sie die Richtlinien für die kieferorthopädische Behandlung im Bereich der Primärkassen (Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche kassenzahnärztliche Versorgung, Stand 24. Juni 1981, B IV Ziffer 16; Verweis auf § 16 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte ≪BMV-Zahnärzte≫ und die hierzu ergangene Protokollnotiz, vgl. Tiemann, BMV-Z, Kommentar, § 16) vorsehen, besteht für den Bereich der ErsKn nicht. Insbesondere wird nicht die Schätzung eines Höchstbetrages gefordert.

Der EKV-Zahnärzte erlaubt es weder den ErsKn noch der KZÄV, einen Toleranzbetrag festzulegen, um den der angegebene Schätzwert höchstens überschritten werden darf. Eine solche Ermächtigung widerspräche zudem der Regelung in § 6 des Gebührentarifs D zum EKV-Zahnärzte, wonach die Material- und Laborkosten, außer bei Röntgenaufnahmen und Fotographien, gesondert berechnet werden können. Nach § 5 des Gebührentarifs D sind diese Kosten in den abrechnungsfähigen Leistungsansätzen nicht enthalten. Die in § 9 Nr. 4 EKV-Zahnärzte vorgesehene Kostenübernahme kann hiernach hinsichtlich der Laborkosten nur als eine Kostenzusage dem Grunde nach verstanden werden. Hätten die Vertragsparteien eine Begrenzung der Genehmigung hinsichtlich der Laborkosten gewollt, so hätten sie nicht nur die Toleranzgrenze bestimmt, sondern auch ein Nachgenehmigungsverfahren vereinbart, wie dies zur Verlängerung der Behandlung geschehen ist (§ 9 Nr. 4 EKV-Zahnärzte).

Der Beigeladene entnimmt zu Unrecht der zur kieferorthopädischen Behandlung getroffenen Regelung, daß das dort vorgesehene Gutachterverfahren auch hinsichtlich der Laborkosten eine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Prüfinstanzen ersetzen solle und daß deswegen die Obergrenze der Laborkosten im Genehmigungsverfahren, notfalls im Gutachterverfahren, zu klären sei. Sein Einwand, da § 9 Nr. 4 letzter Satz EKV-Zahnärzte eine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung vollständig ausschließe, also auch hinsichtlich der Laborkosten, komme in ergänzender Auslegung nur eine vorherige Prüfung und Genehmigung der für die Laborkosten maßgebenden Obergrenze in Betracht, ist im Ansatz verfehlt. § 9 Nr. 4 letzter Satz EKV-Zahnärzte schließt eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht vollständig aus, sondern nur insoweit, wie die Wirtschaftlichkeit schon im Genehmigungsverfahren zu prüfen ist und nach den gemachten Angaben geprüft werden kann. Der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen grundsätzlich alle Bereiche der vertragszahnärztlichen Versorgung. Der Senat hat in bezug auf die sogenannten Primärkassen bereits entschieden, daß das Gesetz (§ 368n Abs. 5 RVO/§ 106 SGB V) eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit ausdrücklich vorschreibt (SozR 3-2500 § 106 Nr. 12). In untergesetzlichen Normen ist ein Ausschluß der nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nur zulässig, soweit diese oder andere Normen eine vorherige Prüfung der Wirtschaftlichkeit vorsehen. Ein so begrenzter Ausschluß der Wirtschaftlichkeitsprüfung kann es nicht rechtfertigen, der Genehmigung eine stillschweigende betragsmäßige Begrenzung der genehmigten Laborkosten zu entnehmen.

b) Bei der unterstellten Wirtschaftlichkeit der tatsächlich abgerechneten Laborkosten kann deren unrichtige Schätzung im Behandlungsplan einen Schadensersatzanspruch nicht rechtfertigen. Waren nicht die tatsächlich angefallenen Laborkosten unwirtschaftlich überhöht, sondern nur deren Schätzung zu niedrig, so ist den ErsKn auch bei schuldhafter Fehleinschätzung kein Schaden entstanden. Sie hätten die angemessenen Laborkosten auch dann tragen müssen, wenn der Kassenarzt die voraussichtlichen Laborkosten im Behandlungsplan zutreffend mit dem höheren Betrag beziffert hätte. Die betroffenen ErsKn hätten dann vorsorglich das Gutachterverfahren einleiten können. Waren die Kosten jedoch wirtschaftlich, wie unterstellt, so hätte die Genehmigung auch nach Durchführung eines Gutachterverfahrens erfolgen müssen. Damit kommt ein Schadensersatzanspruch nur in Betracht, wenn die Laborkosten unwirtschaftlich überhöht waren.

c) Die beklagte KZÄV war indes wegen der insoweit gegebenen ausschließlichen Zuständigkeit der Prüfungseinrichtungen nicht berechtigt, eine Schadensersatzpflicht wegen Unwirtschaftlichkeit festzustellen. Soweit die angefochtenen Bescheide damit begründet wurden, daß die Laborkosten überhöht waren, führt allein die fehlende Zuständigkeit der KZÄV zur Aufhebung beider Bescheide ohne Prüfung der Unwirtschaftlichkeit. Nach § 42 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) kann zwar die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Die Vorschrift ist auf die sachliche Zuständigkeit jedoch nicht entsprechend anzuwenden (BSGE 57, 151, 153 = SozR 5548 § 1 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. August 1992, 14a/6 RKa 61/91).

Die sachliche Zuständigkeit der Behörde ist insoweit von der Zuständigkeit des einzelnen Amtsträgers, der für die Behörde nach Maßgabe interner Regelungen tätig wird, zu unterscheiden. Die hier streitige Zuweisung von Aufgaben an einen besonderen Ausschuß innerhalb der KZÄV beruht nicht auf einer nur verwaltungsinternen Regelung. Beruht die Zuständigkeit von Organen – wie hier – auf Rechtsvorschriften mit Außenwirkung, so ist der unter Verletzung der Zuständigkeitsregelung von einem anderen Organ erlassene Verwaltungsakt zumindest anfechtbar.

Die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß §§ 13, 14 EKV-Zahnärzte zuständigen Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse sind erst für Quartale ab Januar 1989 gemischt besetzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 10). Bis zum Ablauf des Widerspruchsverfahrens war eine Mitwirkung von Vertretern der Krankenkassen an den Entscheidungen der Ausschüsse nicht vorgesehen. Aus den §§ 13 ff EKV-Zahnärzte wird jedoch deutlich, daß die Prüfung der Abrechnungen der Vertragszahnärzte daraufhin, ob die abgerechneten Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend, zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich waren, besonderen Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen übertragen war, deren Mitglieder vom Vorstand der KZÄV berufene Vertragszahnärzte sein mußten, die bei ihren Entscheidungen nicht an Weisungen gebunden waren (§ 13 EKV-Zahnärzte). An den Sitzungen des Beschwerdeausschusses konnte zudem ein Vertreter des Ortsausschusses des Beigeladenen mit beratender Stimme teilnehmen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung war damit im Ersatzkassenbereich auch nach dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Rechtszustand nicht der KZÄV als Körperschaft des öffentlichen Rechts zugewiesen, sondern kraft Außenrechts (EKV-Zahnärzte) ausschließlich den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen. Diese durch die §§ 13 ff EKV-Zahnärzte begründete sachliche Zuständigkeit, die sowohl den Schutz der von Wirtschaftlichkeitsprüfungen betroffenen Vertragszahnärzte als auch den der Ersatzkassen sicherstellen sollte, schließt es aus, die von anderen Einrichtungen der KZÄV – hier der Verwaltung und dem Vorstand – getroffenen Entscheidungen als rechtmäßig anzusehen.

Das BSG hat im Kassenarztrecht einen Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit bislang nur in dem Fall angenommen, daß das sachlich zuständige Organ anders als das handelnde Organ – entweder nur mit (Zahn-)Ärzten oder aber paritätisch, dh mit Vertretern der Krankenkassen und der kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen – besetzt ist (BSGE 57, 151, 153 f; SozR 5548 § 1 Nr. 1 und Urteil vom 5. August 1992, aaO). In diesen Fällen wird das sachlich zuständige Organ jeweils im eigenen Namen und nicht im Namen der KZÄV tätig und ist fähig, an einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren selbst beteiligt zu sein (§ 70 Nr. 4 SGG). Beide Aspekte – die Beteiligtenfähigkeit und das Handeln im eigenen Namen im Außenverhältnis – kennzeichnen in besonderer Weise die unabhängige Stellung eines Organs. Für den Anspruch des vom Verwaltungsakt Betroffenen auf Einhaltung einer Zuständigkeitsvorschrift kommt es indes entscheidend nur darauf an, ob die Zuständigkeit ihm gegenüber, also mit Außenwirkung, geregelt ist. Das ist bei der hier streitigen Regelung der Fall. Nach § 13 Nr. 1 und 2 EKV-Zahnärzte sind bei der KZÄV Prüfungseinrichtungen (Prüfungs- und Beschwerdeausschuß) zu errichten. Sie bestanden aus drei Vertragszahnärzten. Die Besetzung lag nicht in der Organisationsgewalt der KZÄV. Diese war vielmehr im Außenverhältnis gegenüber den ErsKn und im Verhältnis zu ihren Mitgliedern zu einer solchen Besetzung im Sinne einer Zuständigkeitsvorschrift verpflichtet.

Diese Auffassung steht nicht in Widerspruch zum Urteil des BSG vom 7. Oktober 1976 (6 RKa 15/75 = BSGE 42, 268, 271), in dem die Rechtswidrigkeit eines Bescheides verneint worden ist, der von einem Prüfungsausschuß anstelle des zuständigen Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) erlassen worden war, soweit es sich nicht um Ermessensentscheidungen handelt. Dieser Entscheidung lag noch der Rechtszustand vor dem Inkrafttreten des SGB X zugrunde. Soweit das BSG mit Urteil vom 26. September 1984 (6 RKa 40/82 = BSGE 57, 151, aaO) die Rechtswidrigkeit eines von einem unzuständigen Organ erlassenen Bescheides daraus abgeleitet hat, daß die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse (im Bereich der sog RVO-Kassen) durch die mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG, vom 27. Juni 1977, BGBl I 1069) eingeführte beschließende Mitwirkung von Kassenvertretern einen anderen Charakter bekommen hätten als die zuvor bestehenden, allein aus Kassen(zahn)ärzten zusammengesetzten Ausschüsse, hat es nicht auf die zwischenzeitlich durch § 42 SGB X eingetretene Rechtsänderung abgestellt. Die frühere, dem Urteil vom 7. Oktober 1976 (aaO) zugrundeliegende Auffassung hat das BSG im Beschluß vom 20. Juli 1988 (6 BKa 71/87) nur beiläufig und nicht mit der für eine Divergenzanrufung erforderlichen Deutlichkeit bestätigt. Im Beschluß wurde die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen. Hierfür war, soweit die Beschwerde mit der Klärungsbedürftigkeit der Frage begründet worden war, ob ein Bescheid eines Ersatzkassenprüfgremiums wegen dessen sachlicher Unzuständigkeit rechtswidrig sei, letztlich tragend, daß die grundsätzliche Bedeutung vom Beschwerdeführer unzureichend dargelegt worden war.

Der Senat hat auch erwogen, ob der Regelung des Gutachterverfahrens im EKV-Zahnärzte zu entnehmen ist, daß in den Fällen, in denen eine vorherige Prüfung durch die KKn im Wege des Gutachterverfahrens vorgesehen ist, eine ausnahmsweise aufgrund der aufgezeigten Grundsätze erforderlich werdende nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung ebenfalls im Wege des Gutachterverfahrens von der KK zu bearbeiten ist. Dem steht indes entgegen, daß der EKV-Zahnärzte den KKn im Grundsatz keine unmittelbaren Befugnisse gegenüber den Zahnärzten einräumt. Eine Korrektur in dem Sinne, daß die KZÄV (Vorstand oder Verwaltung) zuständige Behörde sei, findet im EKV-Zahnärzte keine ausreichenden Anhaltspunkte. Diese ist weder für die vorweggenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen der Genehmigung noch für die eigentliche Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständig. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, daß die Prüfungseinrichtungen für die Prüfung der Laborkosten ungeeignet wären, oder daß die KZÄV vergleichsweise hierfür besser geeignet wäre. Die fehlende Zuständigkeit der im Verwaltungsverfahren handelnden Organe der KZÄV führt zur Aufhebung des Bescheides in der Form des Widerspruchsbescheides.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 iVm § 194 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI927586

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