Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausschlußfrist des § 111 SGB 10 für den Erstattungsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers (§ 105 SGB 10) beginnt grundsätzlich nach Ablauf des Zeitraums, für den Leistungen erbracht wurden.

2. Dem Ausschluß des Erstattungsanspruchs wegen Fristablaufs nach § 111 SGB 10 steht nicht entgegen, daß der erstattungsverpflichtete Leistungsträger von der Leistung des Erstattungsberechtigten Kenntnis hatte.

 

Orientierungssatz

Erstattungsanspruch nach § 105 SGB 10 - Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs iS von § 111 SGB 10:

1. Spezielle Bindungen zwischen dem Leistungserbringer und dem Leistungsempfänger haben auf die Entstehung des Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB 10 keinen Einfluß, weil dieser in einem Rechtsverhältnis zwischen zwei Sozialleistungsträgern gründet, das von dem Sozialleistungsverhältnis iS der §§ 2, 11, 12 SGB 1 wesentlich verschieden ist.

2. Der Wille, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, muß einer bestimmten Handlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls deutlich erkennbar zugrundeliegen, soll konkludent als Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs iS von § 111 SGB 10 gewertet werd können.

3. Ebenso wie Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen tatsächlich vorliegen (§ 40 Abs 1 SGB 1), entsteht der Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 SGB 10 entsprechend nach den in dieser Vorschrift bestimmten Voraussetzungen, nämlich sobald der unzuständige Leistungsträger Sozialleistungen tatsächlich erbringt. Ein Erstattungsanspruch entsteht, sobald ein unzuständiger Träger Leistungen tatsächlich gezahlt hat.

 

Normenkette

SGB X § 105 Abs. 1, § 111; SGB I §§ 2, 11-12

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 14.12.1987; Aktenzeichen S 19 U 195/87)

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 09.06.1988; Aktenzeichen L 6 U 26/88)

 

Tatbestand

Die klagende landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft verlangt von der beklagten Bau-Berufsgenossenschaft, ihr die dem Landwirt H. R. (R.) erbrachten Unfallentschädigungsleistungen nicht nur - wie bereits geschehen oder anerkannt - für die Zeit nach dem 1. August 1984, sondern auch für die davorliegende Zeit zu erstatten.

Die Klägerin hatte R. wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 16. April 1973 aus der landwirtschaftlichen Unfallversicherung Entschädigungsleistungen, darunter Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH, gezahlt (Bescheid vom 21. Januar 1976).

Nachdem R. im Jahre 1979 die Beklagte als zuständige Leistungsträgerin bezeichnet und von ihr die Unfallentschädigung verlangt hatte, stellte das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen in dem anschließenden Rechtsstreit, zu dem auch die Klägerin beigeladen war, mit rechtskräftigem Urteil vom 24. April 1985 (L 6 U 138/83) fest, daß die Beklagte für die Entschädigung des Arbeitsunfalls vom 16. April 1973 zuständig sei. Dementsprechend stellte die Klägerin ihre Leistungen an R. mit Ablauf des Monats Oktober 1985 ein.

Mit Schreiben vom 21. August 1985 verlangte die Klägerin von der Beklagten, ihr die dem R. gewährten Leistungen zu erstatten. Die Beklagte weigerte sich jedoch unter Hinweis auf § 111 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), den Erstattungsanspruch in voller Höhe zu befriedigen, weil die Klägerin ihn nicht vor dem 21. August 1985 geltend gemacht habe.

Daraufhin hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 107.769,73 DM erhoben. Der Gesamterstattungsanspruch belaufe sich auf 114.334,93 DM. Hierauf habe die Beklagte bereits einen Betrag von 6.565,20 DM als Ersatz der ab 21. August 1984 gewährten Leistungen gezahlt.

Vor dem Sozialgericht (SG) Hannover (Urteil vom 14. Dezember 1987) und dem LSG Niedersachsen (Urteil vom 9. Juni 1988) ist die Klägerin ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, der geltend gemachte Erstattungsanspruch gemäß § 105 SGB X sei nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Frühestens am 21. August 1985 habe die Klägerin ihn bei der Beklagten geltend gemacht. Keine ihrer Handlungen zuvor, weder die formularmäßige Übersendung der Unfallakten an die Beklagte auf formularmäßige Anforderung hin noch ihr Verhalten als Beigeladene im Vorprozeß, sei von dem Willen getragen gewesen, von der Klägerin Erstattung zu verlangen. Bei fortdauernden Erstattungsansprüchen sei für den Beginn der Ausschlußfrist nicht die Gesamtdauer des Anspruchs, sondern der Ablauf jedes einzelnen Bewilligungszeitraums maßgebend, dh im vorliegenden Fall der jeweilige Monat, für den R. Entschädigungsleistungen bewilligt worden seien. Es dürften dementsprechend nur die Kosten erstattet werden, die 12 Monate vor dem Zugang der Mitteilung an den erstattungspflichtigen Leistungsträger lägen. Der Erstattungsanspruch entstehe, sobald die Sozialleistung von dem unzuständigen Leistungsträger erbracht werde. Auf das Verhältnis zum Leistungsempfänger, die Bindungswirkung des ihm erteilten Bewilligungsbescheides und die spätere rechtskräftige Feststellung des zuständigen Leistungsträgers komme es dagegen insoweit nicht an.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 103, 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und die fehlerhafte Anwendung der §§ 105, 111 SGB X.

1.

Dem angefochtenen Urteil sei nicht zu entnehmen, welche Zahlungen für welche Zeiträume streitig seien. Der Vorderrichter habe insoweit die Vorschriften der §§ 103 und 128 SGG unbeachtet gelassen.

2.

Dem Rechtsstreit des R. gegen die Beklagte über ihre Leistungszuständigkeit sei ein zivilrechtlicher Prozeß um die Fragen vorausgegangen, welchem Betrieb der Arbeitsunfall des R. zuzurechnen sei, und ob je nach dem § 636 Reichsversicherungsordnung (RVO) zugunsten des Schädigers eingreife. An diesen zivilrechtlichen Auseinandersetzungen seien sie und die Beklagte beteiligt gewesen. Vor dem Hintergrund dessen und der Tatsache, daß ihr vor Inkrafttreten des Dritten Kapitels des SGB X am 1. Juli 1983 der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungs- oder Ausgleichsanspruch zugestanden habe, der nicht durch eine Ausschlußfrist begrenzt gewesen sei, müsse ihr Verhalten gegenüber der Beklagten beurteilt werden. Nach Treu und Glauben hätte die Beklagte die Tatsache, daß sie die Unfallakten des R. im März 1979 übersandt habe, als Willenserklärung werten müssen, damit dem Grunde nach ihren Erstattungsanspruch anzumelden. Auch im Rahmen des § 111 SGB X reiche die Aktenübersendung aus, um den Erstattungsanspruch geltend zu machen. So habe sie den umstrittenen Anspruch schon im Jahre 1979 iS des späteren § 111 SGB X geltend gemacht. Diese Tatsache habe auch über den 1. Juli 1983 hinaus weiter gewirkt, als § 111 SGB X in Kraft getreten sei. Der darin geregelte Anspruchsausschluß habe somit von Anfang an nicht eingreifen können.

Im übrigen habe sie die Ausschlußfrist des § 111 SGB X auch mit ihrer Anmeldung vom 21. August 1985 gewahrt. Denn sie habe die Rentenzahlungen an R. erst mit Ablauf des Monats Oktober 1985 eingestellt und erst von diesem Zeitpunkt ab sei die Ausschlußfrist in Lauf gesetzt worden, jedenfalls aber habe diese Frist nicht vor dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils, mit dem die Zuständigkeit der Beklagten festgestellt worden sei, zu laufen begonnen; das sei Ende des Monats Juli 1985 gewesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 107.769,73 DM, abzüglich 451,-- DM für August 1984, zu zahlen, hilfsweise, das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hat den Klageanspruch insoweit anerkannt, wie er sich auf die Leistungen bezieht, die die Klägerin dem R. für den Monat August 1984 erbracht hat. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. Im übrigen hält die Beklagte das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Teil der Gesamterstattungsforderung der Klägerin, den die Beklagte noch nicht befriedigt oder nicht anerkannt (§ 101 Abs 2 SGG) hat. Er betrifft Sozialleistungen, die die Klägerin dem R. vor dem 1. August 1984 erbracht hat. Insoweit ist ihr Erstattungsanspruch nach § 111 SGB X ausgeschlossen, weil sie ihn nicht vor dem 1. August 1985 bei der Beklagten geltend gemacht hat.

Der Anspruchsausschluß ist umfassend und nicht auf einzelne Leistungen oder Leistungsteile beschränkt. Deshalb konnte das LSG entgegen der Meinung der Klägerin ohne Verletzung der §§ 103, 128 SGG darauf verzichten, über die einzelnen genannten Leistungszeiträume hinaus festzustellen, welche einzelnen Zahlungen streitig sind, die die Klägerin dem R. vor dem 1. August 1984 erbracht hat.

Nach § 105 Abs 1 SGB X idF des Gesetzes vom 4. November 1982 über die Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - Drittes Kapitel des SGB X - (BGBl I 1450, in Kraft seit dem 1. Juli 1983) ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die Voraussetzungen von § 102 Abs 1 SGB X vorliegen. Der darin vorgeschriebene gesetzliche Tatbestand ist im vorliegenden Fall erfüllt. Darüber sind sich auch die Beteiligten einig. Indessen schreibt § 111 Satz 1 SGB X dazu vor, daß der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese Ausschlußfrist, deren Lauf nach Satz 2 aaO frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs beginnt, ist für den auf Leistungen für die Zeit vor dem 1. August 1984 bezogenen Teil des Erstattungsanspruchs der Klägerin am 1. August 1985 abgelaufen.

Ebenso wie Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen tatsächlich vorliegen (§ 40 Abs 1 SGB, Erstes Buch, Allgemeiner Teil -SGB I-), entsteht der Erstattungsanspruch des § 105 Abs 1 SGB X entsprechend § 40 Abs 1 SGB I nach den in § 105 Abs 1 aaO bestimmten Voraussetzungen, sobald der unzuständige Leistungsträger seine Sozialleistungen tatsächlich erbringt (s BSGE 50, 68, 69; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, Band IV S 968f). Im Gegensatz zu der Meinung der Klägerin schreibt das Gesetz dazu nicht zusätzlich eine Entscheidung über die richtige Zuständigkeit unter den betroffenen Leistungsträgern vor. Die rechtskräftige Feststellung des zuständigen Leistungsträgers im vorangegangenen Rechtsstreit vermag deshalb die Entstehung des Erstattungsanspruchs der Klägerin nicht zu berühren. Maßgebend ist allein die materielle Rechtslage im Verhältnis der betroffenen Leistungsträger untereinander. Spezielle Bindungen zwischen dem Leistungserbringer und dem Leistungsempfänger haben ebenfalls auf die Entstehung des Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB X keinen Einfluß, weil dieser in einem Rechtsverhältnis zwischen zwei Sozialleistungsträgern gründet, das von dem Sozialleistungsverhältnis iS der §§ 2, 11, 12 SGB I wesentlich verschieden ist.

Der Klägerin ist somit fortlaufend immer dann ein Erstattungsanspruch entstanden, sobald sie dem R. Entschädigungsleistungen tatsächlich gezahlt hat (s BSG vom 9. Februar 1989 - 3/8 RK 25/87 - zur Veröffentlichung bestimmt). Nach § 111 Satz 1 SGB X bedeutet das für den Zeitpunkt, zu dem die Ausschlußfrist in Lauf gesetzt wird, daß es bei wiederkehrenden Entschädigungsleistungen auf den Zeitraum ankommt, für den die einzelne Leistung erbracht wurde. Das ist bei Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung einschließlich der Zulagen und der Entschädigung für Kleider- und Wäscheverschleiß der jeweilige Monat, zu dessen Beginn die Leistungen in Monatsbeträgen im voraus gezahlt werden (§ 619 Abs 1 Satz 1 RVO; § 7 der Verordnung über die Orthopädische Versorgung Unfallverletzter vom 18. Juli 1973 - BGBl I 871 - iVm § 15 Bundesversorgungsgesetz -BVG-; vgl auch Schellhorn in von Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten, 1984, § 111 RdNr 17; Hauck/Haines, SGB X 3 § 111 RdNr 5).

Der Senat vermag der Meinung der Klägerin nicht darin zu folgen, daß im vorliegenden Fall die Ausschlußfrist des § 111 SGB X erst in Lauf gesetzt wurde, als sie mit Ablauf des Monats Oktober 1985 aufgehört habe, dem R. Verletztenrente zu zahlen. Zwar ist es richtig, daß die Ausschlußfrist des vor dem 1. Juli 1983 in Kraft gewesenen § 1539 RVO aF erst mit dem Ende der Unterstützungsgewährung zu laufen begann und nicht etwa mit dem Ablauf des Zeitraums, für welchen die Hilfe des Sozialhilfeträgers erbracht werden mußte (Urteil des Senats vom 26. September 1986 - 2 RU 5/86 - SozR 1300 § 104 Nr 11 mwN). Aber davon weicht § 111 SGB X gerade ab. Er schreibt im Gegensatz dazu vor, daß seine Ausschlußfrist grundsätzlich nach Ablauf des letzten Tages und damit nach Ablauf des Zeitraums beginnt, für den die Leistung erbracht wurde. Hier handelt es sich um eine ganz bewußt von § 1539 RVO aF abweichende Regelung, eine Vorschrift, die im übrigen dem Gesetzgeber als Ausgangspunkt des bisherigen Rechts für seine Neuregelung vor Augen stand (s Begründung zum Entwurf eines SGB X Drittes Kapitel, BT-Drucks 9/95 S 26 zu § 117). Somit war am 21. August 1985, als die Klägerin ihren Gesamterstattungsanspruch geltend machte, der Erstattungsanspruch wegen der dem R. gezahlten wiederkehrenden Leistungen für den Monat Juli 1984 bereits ausgeschlossen, weil die gesetzliche Ausschlußfrist von 12 Monaten am 31. Juli 1985 abgelaufen war; das gleiche gilt auch für die Erstattungsansprüche wegen der zuvor gezahlten Entschädigungsleistungen.

Der Senat vermag der Klägerin auch nicht dahin zu folgen, daß sie ihren Gesamterstattungsanspruch schon vor dem 21. August 1985 iS des § 111 SGB X bei der Beklagten geltend gemacht habe. Insbesondere kann die Aktenübersendung mit Formularbegleitschreiben vom 22. März 1979 nicht als eine Willenserklärung der Klägerin gewertet werden, einen bestehenden oder künftigen Erstattungsanspruch bei der Beklagten anzumelden. Jedenfalls der Wille, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, muß einer bestimmten Handlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls deutlich erkennbar zugrundeliegen, soll sie konkludent als Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs iS von § 111 SGB X gewertet werden können (vgl Hauck/Haines aaO RdNr 4). Daran fehlt es der hier zu beurteilenden Aktenübersendung. Deutlich und unzweifelhaft ist dieser Handlung und dem beigefügten Formularschreiben nur zu entnehmen, daß die Klägerin damit dem formularmäßigen Ersuchen der Beklagten um Aktenübersendung nachkam; ein weitergehender konkreter Wille ist nicht zu erkennen. Noch vor dem LSG hatte sich die Klägerin im vorangegangenen Rechtsstreit als die zuständige Leistungsträgerin bezeichnet. Alles spricht dafür, daß sie davon auch im Jahr 1979 bei der umstrittenen Aktenübersendung ausgegangen war.

Der Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nach altem Recht vor Inkrafttreten des SGB X läßt es ebensowenig zu, das Verhalten der Klägerin vor dem 21. August 1985 anders zu werten. Dem Gesetzgeber war bekannt, daß die an Gesetz und Recht gebundenen Sozialleistungsträger (s Art 20 Abs 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland -GG-) grundsätzlich verpflichtet sind, die ihnen entstandenen Erstattungsansprüche gegenüber anderen Sozialleistungsträgern geltend zu machen. Hätte § 111 SGB X dem Grundsatz von Treu und Glauben so Rechnung tragen sollen, wie es die Klägerin meint, dann hätte es der Gesetzgeber für die Vermeidung des Anspruchsausschlusses auch im Gesetzeswortlaut genügen lassen, daß der zuständige Leistungsträger den Erstattungsanspruch des unzuständigen vor Ablauf der Ausschlußfrist kannte. So ist es aber nicht geregelt. Das Erstattungsrecht räumt zwar in § 103 Abs 1, § 104 Abs 1 Satz 1, § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X auch der Kenntnis von der Leistung des unzuständigen Leistungsträgers entscheidende Bedeutung für den Erstattungsanspruch ein. Dies gilt aber nicht für § 111 SGB X. Die Tatsache, daß das Gesetz verlangt, den Erstattungsanspruch geltend zu machen, ohne daß dabei die Kenntnis des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erwähnt wird, verdeutlicht, daß das Gesetz dem hier keine rechtswirksame Bedeutung beimißt. Es räumt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit den Vorrang ein. Außerdem entspricht es gerade dem Zweck der Vorschrift, den erstattungspflichtigen Leistungsträger vor länger zurückliegenden und noch nicht geltend gemachten Erstattungsansprüchen zu schützen. Die Ausschlußfrist soll ihm gerade die Möglichkeit einräumen, sich in seinem Haushaltsgebaren darauf einzurichten, daß nicht geltend gemachte Erstattungen nicht für Zeiträume geleistet werden müssen, die länger als ein Jahr zurückliegen (vgl Schellhorn aaO Rdnr 7; Hauck/Haines, aaO Rdnr 1). Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander sind möglichst einfach und kostensparend abzuwickeln: verlangt wird nunmehr ausnahmslos, den Erstattungsanspruch innerhalb einer materiell-rechtlichen Ausschlußfrist deutlich geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 27

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