Leitsatz (redaktionell)

Andere Versicherte iS § 200a Abs 1 RVO sind auch solche Versicherte, die bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 200 RVO keinen Anspruch auf die Arbeitgeberleistungen nach § 14 MuSchG haben.

 

Orientierungssatz

Arbeitgeberzuschuß nach § 14 MuSchG - befristetes Arbeitsverhältnis - Gleichbehandlungsgrundsatz - andere Versicherte iS § 200a RVO - Rechtsweg - keine notwendige Beiladung des Bundesversicherungsamtes:

1. Die Vorschrift des § 14 Abs 2 MuSchG greift dann nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis durch den vor Beginn der Schwangerschaft abgeschlossenen Vertrag (hier: Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) von vornherein befristet ist. Zur Anwendung des § 14 Abs 2 MuSchG ist Voraussetzung, daß die auf Auflösung gerichtete Maßnahme des Arbeitgebers während der Schwangerschaft getroffen wurde.

2. Die Auslegung des § 14 Abs 2 MuSchG nach der die Versicherte keinen Anspruch auf den Zuschuß hat, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.

3. "Andere Versicherte", sind nicht nur solche, die die Voraussetzungen des § 200 RVO nicht erfüllen, sondern auch Versicherte, die bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 200 RVO keinen Anspruch auf die Arbeitgeberleistungen nach § 14 MuSchG haben.

4. Für Streitigkeiten über die Gewährung von Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs 2 MuSchG sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig.

5. Das Bundesversicherungsamt ist in diesen Fällen nicht notwendig beizuladen.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 1, § 75 Abs. 2; RVO § 200 Fassung 1979-06-25; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; MuSchG § 14 Abs. 2 Fassung: 1979-06-25; RVO § 200a Abs. 1 S. 1 Fassung 1979-06-25

 

Tatbestand

Unter den Beteiligten ist streitig, welche Leistungen die Beklagte der Klägerin aus Anlaß der Entbindung am 20. August 1979 zu gewähren hat.

Die bei der Beklagten versicherte Klägerin war im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Lehrerin bei der Arbeiterwohlfahrt in H. befristet vom 1. August 1978 bis zum 14. Juli 1979 beschäftigt. In einer der Beklagten vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 9. Juli 1979 wurde als mutmaßlicher Entbindungstag der 24. August 1979 angegeben. Die Beklagte nahm zunächst an, die Mutterschutzfrist beginne am 15. Juli 1979 und zahlte der Klägerin einen Vorschuß in Höhe von 2.850.-- DM (das 30fache des täglichen Krankengeldes von 95,-- DM). Mit Schreiben vom 27. September 1979 teilte die Beklagte der Klägerin mit, infolge des früheren Termins der Geburt seien die Voraussetzungen für den Bezug des Mutterschaftsgeldes nach § 200 Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Finanzänderungsgesetzes vom 21. Dezember 1967 (FinÄndG 1967) -BGBl I 1259- in Höhe des Nettogehalts, höchstens 25,-- DM am Kalendertag, erfüllt, der Anspruch nach § 200a RVO entfalle. Die Gewährung des Zuschusses nach § 14 Abs 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) idF des FinÄndG 1967 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 3. April 1980; Widerspruchsbescheid vom 7. August 1980).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und ausgeführt, mit dem angefochtenen Bescheid habe die Beklagte festgestellt, daß die Klägerin für die Zeit vom 15. Juli bis zum 15. Oktober 1979 lediglich Anspruch auf das Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO in Höhe von täglich 25,-- DM habe. Der Bescheid sei nicht zu beanstanden. Bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG habe die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Demgemäß komme nur das Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO in Betracht. Die tatsächliche Gewährung des Mutterschaftsgelds nach § 200a RVO sei vorschußweise und ohne Bescheid erfolgt und binde die Beklagte nicht. Auch der Zuschuß nach § 14 Abs 2 MuSchG stehe der Klägerin nicht zu. Sinn der Regelung des § 14 Abs 2 MuSchG sei es, den vollen Ersatz des Nettoarbeitsentgelts nicht nur den Versicherten mit noch fortbestehendem Arbeitsverhältnis zukommen zu lassen, sondern auch solchen Versicherten, deren Arbeitgeber sich ausnahmsweise über das grundsätzliche Kündigungsverbot während der Schwangerschaft (§ 9 Abs 1 MuSchG) hinwegsetzen durfte. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf sei der zulässigen Auflösung durch den Arbeitgeber nicht gleichzustellen. Das gelte auch bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und macht geltend, die Beendigung ihres im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses sei als Fall des § 14 Abs 2 MuSchG anzusehen. Beginn, Ende und Ausgestaltung dieses Arbeitsverhältnisses habe sie nicht beeinflussen können. Bei Versagung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld würde sie schlechter gestellt, als wenn sie sich nicht auf die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingelassen hätte, denn die versicherte Frau, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG arbeitslos sei, erhalte nach § 200a RVO Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 8. Dezember 1980 sowie des Bescheides der Beklagten vom 3. April 1980 idF des Widerspruchsbescheides vom 7. August 1980 das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 4. Juni 1981 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 15. Juli 1979 bis zum 15. Oktober 1979 den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld entweder nach § 200a RVO oder hilfsweise nach § 14 Abs 2 MuSchG zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist insoweit begründet, als die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und Bescheide zu verurteilen ist, der Klägerin das begehrte Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes zu zahlen. Unbegründet ist die Revision insoweit, als die begehrte Leistung das Krankengeld übersteigt.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig, auch soweit der Zuschuß nach § 14 Abs 2 MuSchG begehrt wird (Bulla/Buchner, Kommentar zum Mutterschutzgesetz 5. Aufl, § 14 RdNr 95). Insoweit bedurfte es auch keiner Beiladung des Bundesversicherungsamtes. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung hätte der Senat allerdings von Amts wegen berücksichtigen müssen. Entgegen der Meinung der Beklagten ist aber das Bundesversicherungsamt an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könnte (§ 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Zwar wird der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs 2 MuSchG zu Lasten des Bundes gezahlt. Zuständig für die Entscheidung ist aber die für die Zahlung des Mutterschaftsgelds zuständige Stelle. Der Bund beschränkt sich also nach dem Sinn der Vorschrift auf die Finanzierung - wie dies zB auch im Kindergeldrecht geschieht.

Den Revisionsantrag der Klägerin legt der Senat dahin aus, daß sie den sich aus ihrer Schwangerschaft und ihrer Versicherung bei der Beklagten gegen diesen ergebenden Anspruch auf eine Lohnersatzleistung geltend macht.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Zuschuß nach § 14 Abs 2 MuSchG. Nach § 14 Abs 1 MuSchG erhalten Frauen, die unter anderem einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO haben, für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs 2 und 6 Abs 1 MuSchG von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 25,-- DM und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt. Frauen, deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft oder während der Schutzfrist des § 6 Abs 1 MuSchG vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist, erhalten nach § 14 Abs 2 MuSchG den Zuschuß nach Abs 1 zu Lasten des Bundes von der für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes zuständigen Stelle. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht während ihrer Schwangerschaft oder während der Schutzfrist nach § 6 Abs 1 MuSchG vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden.

Die Gewährung des Zuschusses nach § 14 Abs 2 MuSchG ist im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG zu sehen. Nach § 9 Abs 1 Satz 1 MuSchG kann das Arbeitsverhältnis einer Frau während der Schwangerschaft nicht gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder wenn sie ihm innerhalb zweier Wochen nach der Kündigung mitgeteilt wird. Kündigungen während der Schwangerschaft sind unter dieser Voraussetzung unwirksam; das Arbeitsverhältnis besteht fort, soweit es nicht auf andere Weise aufgelöst wird; der versicherten Frau steht der Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 RVO und auf den Zuschuß nach § 14 Abs 1 MuSchG zu.

Indessen gilt der Kündigungsschutz nach § 9 Abs 1 Satz 1 MuSchG nicht für Frauen, die von demselben Arbeitgeber im Familienhaushalt mit hausfraulichen, erzieherischen oder pflegerischen Arbeiten in einer ihre Arbeitskraft voll in Anspruch nehmenden Weise beschäftigt werden, nach Ablauf des 5. Monats der Schwangerschaft (§ 9 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 MuSchG). Eine weitere Ausnahme vom Kündigungsschutz enthält § 9 Abs 3 MuSchG. Soweit die schwangere Frau keinen Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG genießt, steht ihr vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer ausgesprochenen Kündigung an kein Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 14 Abs 1 MuSchG zu. Der Anspruch setzt schon nach dem Grundsatz des § 1 Nr 1 MuSchG ein Arbeitsverhältnis voraus, er besteht nur solange, wie das Arbeitsverhältnis fortbesteht (Gröninger/Thomas, MuSchG 1982, § 14 Anm 3a). Für diese Frauen - und nur für sie - hat der Gesetzgeber deshalb eine Sondervorschrift schaffen müssen, wenn er auch ihnen den Anspruch auf eine vollwertige Lohnersatzleistung geben wollte, was offenbar angemessen erschien. Er hat deshalb in § 14 Abs 2 MuSchG wie in § 200 Abs 1 Satz 1 (3. Alternative) den Fall geregelt, daß das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist. Die Vorschriften stellen solche Frauen denjenigen Frauen gleich, die Kündigungsschutz genießen (vgl BSGE 40, 211, 213 mit den Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des § 200 RVO). Für die Klägerin galt aber keine Ausnahme vom Kündigungsschutz.

Die Vorschrift des § 14 Abs 2 MuSchG greift im vorliegenden Fall (jedenfalls) deshalb nicht ein, weil das Arbeitsverhältnis durch den vor Beginn der Schwangerschaft vereinbarten Fristablauf geendet hat. Zur Anwendung des § 14 Abs 2 MuschG ist Voraussetzung, daß die auf Auflösung gerichtete Maßnahme des Arbeitgebers während der Schwangerschaft getroffen wurde; denn anderenfalls würden auch Frauen in den Genuß des Zuschusses kommen, für die von vornherein - mangels einer Schwangerschaft im Zeitpunkt der auf Auflösung gerichteten Maßnahme - kein Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG in Betracht kommt (vgl BSGE 40, 211, 215 mwN; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar § 200 Anm 1.5 und zum Ergebnis: Zmarzlik/Zipperer, Mutterschutzgesetz, Kommentar 3. Aufl § 14 RdNr 10; Bulla/Buchner, Mutterschutzgesetz, Kommentar 5. Aufl § 14 RdNr 36 iVm § 13 RdNr 42 und § 9 RdNr 51; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz 1982, § 14 Anm 5 iVm § 13 Anm 11c bb) und cc)).

An dem Ergebnis ändert sich - wie das LSG zutreffend dargelegt hat - nichts dadurch, daß die Klägerin das Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingegangen ist. Die Beziehungen zwischen den im Rahmen einer solchen Maßnahme zugewiesenen Arbeitnehmern und den Maßnahmeträgern richten sich, darauf hat das LSG mit Recht hingewiesen, gemäß § 93 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nach den Vorschriften des Arbeitsrechts. Warum die Befristung dieses Arbeitsverhältnisses sich auf Ansprüche nach § 14 Abs 2 MuSchG anders auswirken sollte als bei anderen Arbeitsverhältnissen, ist nicht ersichtlich. Zur Annahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses kann bei Gefahr des Eintritts einer Sperrzeit nach § 119 AFG der Arbeitnehmer gezwungen sein, auch wenn ihm die Stelle vom Arbeitgeber außerhalb einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angeboten wird. Wenn der Arbeitgeber ihm dann einen Arbeitsplatz für eine bestimmte Zeit anbietet, hat der Arbeitslose genausowenig wie im Fall der Klägerin einen Einfluß auf Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses. Die Auslegung des § 14 Abs 2 MuSchG, nach der die Klägerin keinen Anspruch auf den Zuschuß hat, verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Insbesondere wird die Klägerin durch die Annahme der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht schlechter gestellt als wenn sie weiter arbeitslos geblieben wäre. Sie hat während der einjährigen Beschäftigung ein im Vergleich zum etwaigen Arbeitslosengeld und insbesondere zur Arbeitslosenhilfe höheres Arbeitsentgelt bezogen und für den Fall künftiger Arbeitslosigkeit eine Anwartschaft auf höhere und längere Geldleistungen nach dem AFG erworben. Dies hat das LSG unangegriffen festgestellt.

Begründet ist die Revision in Höhe des Krankengeldes, denn der Klägerin steht der Anspruch auf das Mutterschaftsgeld nach § 200a RVO zu. Allerdings kann das Ergebnis nicht ohne weiteres dem Wortlaut der Vorschrift entnommen werden. Danach erhalten "andere" Versicherte, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben, Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes nach § 182 RVO, wenn sie in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung mindestens 12 Wochen versichert waren oder in einem Arbeitsverhältnis standen. Der Wortlaut legt die Annahme nahe, daß "andere" Versicherte nicht solche Frauen sind, die nach der vorangegangenen Vorschrift des § 200 RVO Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben, weil sie bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen oder deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist. Bei Beginn der Schutzfrist hat die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis gestanden, denn die 6-wöchige Schutzfrist hat, gleichgültig ob sie vom 20. oder vom 24. August 1979 an rückwärts gerechnet wird, jedenfalls vor dem 14. Juli 1979, nämlich am 9. oder 13. Juli 1979 begonnen. Die weiteren Voraussetzungen des § 200 RVO erfüllt die Klägerin ebenfalls. Sie hat in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung mindestens 12 Wochen in einem Arbeitsverhältnis gestanden.

Damit ist der Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO begründet.

Trotzdem muß die Klägerin nach dem Sinn der Vorschriften das höhere Mutterschaftsgeld nach § 200a RVO erhalten. Es wäre ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 des GG, wenn die Frauen einzig und allein deshalb aus Anlaß ihrer Schwangerschaft eine insgesamt geringere Leistung erhalten würden, weil sie bei Beginn der Schutzfrist noch in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich für eine unterschiedliche Behandlung dieser Frauen gegenüber solchen, die schon vor Beginn der Schutzfrist aus dem Arbeitsverhältnis ohne zulässige Auflösung ausgeschieden waren. Die unterschiedliche Behandlung läßt sich aber bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften vermeiden. Danach sind "andere Versicherte", nicht nur solche, die die Voraussetzungen des § 200 RVO nicht erfüllen, sondern auch Versicherte, die bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 200 RVO keinen Anspruch auf die Arbeitgeberleistungen nach § 14 MuSchG haben. Diese Auslegung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und einer Zusammenschau der Vorschriften der §§ 200 ff RVO und §§ 13 f MuSchG.

Nach § 195a Abs 1 Nr 3 RVO in der bis zum 31. Dezember 1966 geltenden Fassung erhielten Frauen nach bestimmten Versicherungszeiten als Wochenhilfe ein Wochengeld in Höhe von 50 vH des Grundlohnes, mindestens jedoch 50 DPf täglich für vier Wochen vor und sechs zusammenhängende Wochen unmittelbar nach der Niederkunft. Das Wochengeld betrug jedoch für die Zeit vor der Entbindung 3/4 des Grundlohnes, solange die Schwangere keine Beschäftigung gegen Entgelt ausübte. Nach § 13 Abs 1 des MuSchG vom 24. Januar 1952 (BGBl I 69) erhielten pflichtversicherte Frauen während der Schutzfristen der §§ 3 Abs 2 und 6 Abs 1 MuSchG von der zuständigen Krankenkasse Wochengeld in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten 13 Wochen. Diese Leistung wurde gemäß § 13 Abs 7 MuSchG auch Frauen gewährt, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert waren, jedoch wegen ihrer Schwangerschaft unter Wegfall des Arbeitsentgelts beurlaubt und deshalb unter Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsverhältnisse aus der Versicherung ausgeschieden waren. Auf die Leistungen nach Absatz 1 war das nach den Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlende Wochengeld anzurechnen. Die Kosten, die den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Leistungen nach § 13 MuSchG erwuchsen, ersetzte ihnen der Bund, soweit sie die Kosten der nach der RVO zu gewährenden Leistungen überstiegen (§ 14 MuSchG aF). Die Leistungen nach dem MuSchG entfielen demgemäß mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das Wochengeld wurde dann nicht in Höhe des Nettoverdienstes, sondern nach § 195a Abs 1 Nr 3 Halbs 2 RVO in Höhe von 3/4 des Grundlohnes gezahlt. Den nicht pflichtversicherten Frauen war während der Schutzfristen das regelmäßige Arbeitsentgelt vom Arbeitgeber weiterzugewähren (§ 12 Abs 1 MuSchG).

Diese Vorschriften haben deutlich die enge Verzahnung der Leistungen nach dem MuSchG mit denjenigen nach der RVO zum Ausdruck gebracht. Von vornherein ist es dem Gesetzgeber auch darum gegangen, die Finanzierung der Leistungen aus Anlaß der Mutterschaft zwischen Krankenkasse, Bund und Arbeitgeber angemessen aufzuteilen.

Durch das Gesetz zur Änderung des MuSchG und der RVO vom 24. August 1965 (BGBl I 912) wurden die Leistungen aus Anlaß der Mutterschaft neu geregelt. Anstelle des Wochengeldes wurde der Begriff des Mutterschaftsgeldes eingeführt. Die hier einschlägigen Bestimmungen sollten aber erst mit Wirkung vom 1. Januar 1967 in Kraft treten (Art 3 § 4 iVm Art 5 Nr 3 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 20. Dezember 1965 -BGBl I 2065).

Die Bestimmungen des § 200a Abs 1 und Abs 2 Satz 1 und 2 RVO idF des Gesetzes vom 24. August 1965 entsprechen den Vorschriften des heutigen § 200 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 und 2 RVO. In Absatz 2 Satz 2 fehlte aber der Zusatz "...höchstens 25,-- DM". Der Bund erstattete den Kassen die nachgewiesenen Kosten für dieses Mutterschaftsgeld, soweit es den Betrag von 150,-- DM für den Entbindungsfall überstieg, nach Maßgabe des § 200d RVO. Nach § 200a RVO idF des Gesetzes vom 24. August 1965 hätten Frauen in der Lage der Klägerin als Mutterschaftsgeld eine Geldleistung erhalten wie sie die Klägerin insgesamt begehrt, dh in Höhe der Summe des Mutterschaftsgeldes nach § 200 RVO nF und des Zuschusses nach § 14 Abs 2 MuSchG.

Der Zusatz "...höchstens 25,-- DM" wurde eingefügt durch das FinÄndG 1967, das im übrigen auch die noch heute geltenden §§ 200 Abs 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie 200a Abs 1 - Satz 1 ohne den Zusatz: oder in einem Arbeitsverhältnis standen - enthalten und in Kraft gesetzt hat. Gleichzeitig wurde in das MuSchG die Bestimmung des § 14 - damalige Bezeichnung § 13a - eingefügt (Art 3 § 8 Buchst c des FinÄndG). Zweck der Neuregelung war es, eine ungerechtfertigte Mehrbelastung der Krankenkassen zugunsten der Arbeitgeber zu vermeiden (Fischwasser BArbBl 1968, 82, 83; vgl auch Nordhorn BArbBl 1968, 20, 22). Den Versicherten, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen oder deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist, zahlen die Krankenkassen seither nur höchstens die 25,-- DM kalendertäglich. Diesen Betrag stockt der Arbeitgeber nach § 14 MuSchG auf, so daß die Schwangere insgesamt die im Gesetz vom 24. August 1965 vorgesehene Leistung erhält.

Schlechter gestellt wurden bei der Neuregelung durch das FinÄndG gerade diejenigen Frauen, deren Arbeitsverhältnis nach Beginn der Schutzfrist gemäß § 3 Abs 2 MuschG endet, ohne daß die Voraussetzungen des § 14 Abs 2 MuSchG erfüllt sind. Ihre Benachteiligung hat mit dem Zweck des FinÄndG nichts zu tun und ist als Versehen des Gesetzgebers aufzufassen. Offensichtlich ist das nach dem Gesetz vom 24. August 1965 noch unerhebliche Zusammenspiel der Vorschriften der §§ 200 RVO iVm § 14 MuSchG und 200a RVO nicht beachtet worden. Danach werden nämlich alle versicherten Frauen, die bei Beginn der Schutzfrist in einem Arbeitsverhältnis stehen, in die Regelung des § 200 einbezogen und von der Vorschrift des § 200a RVO deshalb nicht erfaßt. Das war nach dem Gesetz vom 24. August 1965 günstig und konnte keine Nachteile mit sich bringen. Erst durch die Begrenzung des Mutterschaftsgelds nach § 200 RVO auf höchstens 25,-- DM kalendertäglich mit Ergänzung durch den Arbeitgeberzuschuß wurden ohne Zusammenhang mit dem Zweck der Verteilung der Lasten zwischen Arbeitgeber und Krankenkassen Frauen in der Lage der Klägerin erheblich benachteiligt und für sie eine Lücke im Gesetz aufgerissen.

Die Klägerin erfüllt auch die sonstigen Voraussetzungen des § 200a RVO. Insbesondere hat sie bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld gehabt, denn sie war jedenfalls bei Beginn der Schutzfrist noch als Arbeitnehmerin pflichtversichert.

Aus allen diesen Gründen ist die Vorschrift des § 200a RVO anzuwenden. Der Klägerin steht danach Anspruch auf Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes zu. Die Revision hat deshalb mit der Kostenfolge aus § 193 SGG Erfolg.

 

Fundstellen

BSGE 54, 260-265 (LT1)

BSGE, 260

RegNr, 11630

KVRS, A-2620/6 (LT1)

USK, 8304 (LT1)

BKK 1983, 314-316 (LT1)

Die Leistungen 1983, 303-308 (LT1)

ErsK 1983, 279-281 (ST1)

SGb 1984, 79-84 (LT1)

SozR 2200 § 200a, Nr 5 (LT1)

SozSich 1983, 156 (L1)

SozSich 1983, RsprNr 3756 (LT1)

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