Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gewährt eine sehr umfassende Mitbestimmung in den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und steht in engem Zusammenhang mit demjenigen nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG. Während § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht über die Ausgestaltung des Entgelts, also über Entgeltarten gewährt, regelt § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG die Mitbestimmung eines Teilbereichs davon weitergehend, nämlich die Festsetzung von entgeltbestimmenden Faktoren bei leistungsbezogenen Entgelten.

Die Mitbestimmung in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sichern und Verteilungsgerechtigkeit herstellen.[1] Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist jedoch nicht die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts, sondern sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsform.[2] Der Arbeitnehmer soll durch die Mitbestimmung des Betriebsrats vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung geschützt werden. Erfasst werden alle Formen der Vergütung, die der Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt.

Wie alle anderen Mitbestimmungstatbestände des § 87 greift die Mitbestimmung bei der betrieblichen Lohngestaltung nur, wenn ein kollektiver Tatbestand infrage steht.[3] Dieser ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitgeber für die Leistung an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern einen bestimmten "Topf" vorsieht.[4] Gegenüber dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG besteht – wie gegenüber allen anderen Mitbestimmungsrechten in sozialen Angelegenheiten – auch der Vorrang von Gesetzen und Tarifverträgen. Bei Tarifverträgen kommt es alleine auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an. Ob Arbeitnehmer tarifgebunden sind, ist unerheblich.[5]

Bislang wurde angenommen, dass ein im Betrieb geltender Tarifvertrag dazu führt, dass auch gegenüber nicht gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmern der Tarifvorrang gelte, folglich kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich Entgeltsystemen bestehe und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch weder eingruppieren noch den Betriebsrat daran beteiligen müsse.[6] Neuerdings sieht das BAG darin einen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit des Art 9 Abs. 3 GG. Die in Entgelttarifverträgen hinterlegten Tarifgruppen bilden nach Ansicht des BAG die im gesamten Unternehmen angewendeten und auch gegenüber nicht Tarifgebundenen anzuwendenden Entgeltgruppen.[7] Der Arbeitgeber sei verpflichtet, auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer in diese Gruppen einzugruppieren und dabei den Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Allerdings habe der einzelne Arbeitnehmer keinen Anspruch auf den Tariflohn.[8] Die genaue praktische Umsetzung hat das BAG nicht offenbart. Dem Arbeitgeber werden nur geringe Spielräume verbleiben, wenn er die Relationen der Entgeltgruppen zueinander bei der Entgeltvereinbarung mit dem Arbeitnehmer beachten muss. Im Übrigen wird dem Arbeitgeber mitbestimmungsfrei nur möglich sein, das tarifliche Entgeltgitter mit gleichmäßigem Prozentsatz für alle Bereiche abzusenken oder anzuheben.[9] Im Übrigen dürfte die praktische Relevanz der Rechtsprechung dadurch begrenzt bleiben, dass Unternehmen in den meisten Fällen die Tarifwerke ohnehin über Verweisungsklauseln allgemein im Betrieb anwenden.

Läuft die Tarifbindung aus, betrachtet das BAG das dem Entgelttarifvertrag zugrunde liegende Entgeltschema auch für die Folgezeit als die betriebliche Vergütungsordnung.[10] Ändert der Arbeitgeber die tarifliche Vergütungsordnung, so entsteht das Mitbestimmungsrecht. Das gilt auch schon, wenn der Arbeitgeber die tarifliche Regelung nur insofern nicht fortführt, als er vorgesehene tarifliche Erhöhungen nicht mehr vollzieht.[11]

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