Leitsatz (amtlich)

Kauft ein den Schutzbestimmungen der Gewerbeordnung unterliegender Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber Waren und wird der Kaufpreis durch das Darlehen eines Kreditinstituts finanziert, mit dem der Arbeitgeber in dauernder Geschäftsverbindung steht, so wird der Darlehensgeber durch die Vorschriften der Gewerbeordnung „Truck”- und Kreditierungsverbot) im Regelfall nicht gehindert, von dem Arbeitnehmer die Rückzahlung des Darlehens zu verlangen.

 

Normenkette

GewO §§ 115, 117, 119

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 05.12.1972)

LG Berlin

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 5. Dezember 1972 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte war bei der Möbelgroßhandlung A. in B. als Kraftfahrer tätig und verdiente monatlich 786,68 DM brutto. Am 19. November 1968 bestellte er bei seiner Arbeitgeberin Möbel zum Gesamtpreis von 3.800 DM und beantragte bei der Klägerin die Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung des Kaufpreises. Er benutzte dabei einen Vordruck, auf dem die Formulare für den Bestellschein und für den Darlehensantrag zusammengefaßt waren. Die Klägerin gewährte dem Beklagten das beantragte Darlehen und zahlte auf seine Anweisung die Kaufsumme an die Firma A. aus. Auf die Forderung der Klägerin, die sich einschließlich einer „Kreditgebühr” von 958 DM auf 4.758 DM belief, zahlte der Beklagte bis Ende November 1969 in Raten 1.077 DM. Die Restforderung der Klägerin beläuft sich auf 3.513,28 DM.

Ihre Klage auf Zahlung dieses Betrages nebst 1,2 % „Verzugsgebühren” je Monat seit dem 5. Oktober 1970 hat das Landgericht abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Beide Gerichte haben sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin könne nach den Vorschriften der Gewerbeordnung (§§ 115 ff) von dem Beklagten keine Zahlung verlangen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Beklagte nach § 83 HGB den Schutzbestimmungen der Gewerbeordnung unterliege, da er im Handelsgeschäft der Firma A. als Kraftfahrer keine kaufmännischen, sondern gewerbliche Dienste geleistet habe. Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Revision erhebt insoweit keine Bedenken.

II.

Das Berufungsgericht hat seine Ansicht, der Klägerin stehe der eingeklagte Anspruch nicht zu, zunächst damit begründet, daß der Darlehensvertrag der Parteien gegen das Kreditierungsverbot des § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO verstoße. Zwar sei diese Vorschrift hier nicht unmittelbar anzuwenden, da die Klägerin als Kreditgeberin nicht zugleich Arbeitgeber des Beklagten gewesen sei. Nach § 119 GewO sei sie aber einem „Gewerbetreibenden” im Sinne des § 115 gleichzustellen, da die Firma A. an dem Kreditgeschäft der Klägerin mit dem Beklagten „beteiligt” sei.

1. Die rechtliche Beurteilung muß von dem Sinn und Zweck der hier in Rede stehenden gewerberechtlichen Vorschriften ausgehen. Dieser erschließt sich nicht ohne Betrachtung ihres geschichtlichen Hintergrundes sowie des Zusammenhanges, in dem die Vorschriften zueinander stehen. Die §§ 115 ff GewO enthalten Lohnsicherungsvorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer, deren wesentlichen Kern das sogenannte Truckverbot des § 115 Abs. 1 GewO bildet (Stahlhacke, Das Arbeitsrecht in der Gewerbeordnung 1966 § 115 Anm. I). Diese Vorschrift verpflichtet die Gewerbetreibenden, die Löhne ihrer Arbeiter in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen. Sie will verhindern, daß statt des vereinbarten Barlohnes Waren, Naturalien oder andere Surrogate (Bons, Anweisungen, Marken und dergl.) an Zahlungs Statt gegeben werden (Landmann/Rohmer/Eyermann/Fröhler/Neumann GewO § 115 Rdn. 14–16; Stahlhacke a.a.O. § 115 Anm. III 1; die streitige Frage, ob § 115 Abs. 1 GewO die Entlohnung durch Hingabe von Surrogaten überhaupt verbietet, kann hier auf sich beruhen). Das Truckverbot hat seinen Anlaß in unsozialen Erscheinungen aus dem Beginn des Industriezeitalters. Damals kam es häufig vor, daß Unternehmer ihre Arbeiter zwangen, Lebensmittel und sonstige Waren für den eigenen Bedarf von ihnen zu beziehen. Da die Waren in Anrechnung auf den Lohn geliefert wurden, erhielten die Arbeiter im praktischen Ergebnis statt Geld Waren. Vielfach erzielten die Unternehmer dabei durch Berechnung überhöhter Preise einen Gewinn zum Nachteil der Arbeiter, verdienten in solchen Fällen also zweimal an deren Arbeit. Außerdem war dieses sogenannte Truck- (= Tausch-) System geeignet, Arbeiter in dauernde wirtschaftliche Abhängigkeit von dem Unternehmer zu bringen. Denn wenn die Waren, wie es vielfach der Fall war, auf Kredit geliefert wurden, mußte die Arbeit des Arbeiters dazu dienen, die alte Warenschuld abzuverdienen, während er für seinen laufenden Lebensbedarf, den er mangels Barmitteln anderswo nicht decken konnte, auf weiteren Kredit des Unternehmers angewiesen war (Stahlhacke a.a.O. § 115 Anm. I).

Das Truckverbot wird durch das in § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO enthaltene Verbot ergänzt, wonach die Gewerbetreibenden den Arbeitern – vorbehaltlich der in Abs. 2 S. 2 bestimmten (hier nicht vorliegenden) Ausnahmen – keine Waren kreditieren dürfen. Ohne dieses Kreditierungsverbot wäre das Truckverbot des § 115 Abs. 1 GewO nämlich leicht zu umgehen. Denn da es nach herrschender Meinung kein Aufrechnungsverbot enthält (Stahlhacke a.a.O. § 115 Anm. III 3; Landmann/Rohmer a.a.O. § 115 Rdn. 20), könnte der Unternehmer den wirtschaftlichen Erfolg des Trucksystems, nämlich die Abgeltung des Arbeitslohnes in Waren, im praktischen Ergebnis dadurch erreichen, daß er dem Arbeiter die Waren auf Kredit liefert und mit seinem Kaufpreisanspruch alsdann gegen die Lohnforderung des Arbeiters aufrechnet (vgl. dazu Landmann/Rohmer a.a.O. § 115 Rdn. 34; Stahlhacke a.a.O. § 115 Anm. IV).

Eine weitere Vorschrift, die das Truckverbot absichern soll, findet sich in § 119 GewO. Diese Bestimmung erstreckt die für die Gewerbetreibenden geltenden §§ 115118 GewO auf ihre Familienmitglieder, Gehilfen und dergleichen sowie auf andere Gewerbetreibende, bei deren Geschäft eine dieser Personen „unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist”. Denn ohne § 119 GewO könnte der Unternehmer das Truckverbot dadurch umgehen, daß er die Warenlieferungen oder -kreditierungen an Arbeiter durch dritte Personen vornehmen ließe (vgl. dazu Stahlhacke a.a.O. §§ 115 a – 119 Anm. IV; Landmann/Rohmer a.a.O. § 119 Rdn. 3; Rohlfing/Kiskalt/Wolff GewO 3. Aufl. § 119 Anm. 1).

2. Die sinn- und zweckentsprechende Anwendung der genannten Vorschriften auf den zu entscheidenden Sachverhalt ergibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, daß ein Verstoß gegen § 115 GewO nicht vorliegt,

a) Mit Recht ist das Berufungsgericht – ohne dies weiter darzulegen – davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall nicht gegen § 115 Abs. 1 GewO verstoßen worden ist. Denn der Kauf der Möbel hat nichts daran geändert, daß der Beklagte den ihm zustehenden Arbeitslohn jeweils bar ausgezahlt erhalten hat. § 115 Abs. 1 GewO hindert den Arbeitgeber nicht schlechthin, dem Arbeitnehmer Waren beliebiger Art und zu beliebigen Preisen zu verkaufen. Bei einem Verkauf gegen sofortige Barzahlung liegt daher nach allgemeiner Ansicht ein Verstoß weder gegen das Trucknoch gegen das Kreditierungsverbot vor (Stahlhacke a.a.O. § 115 Anm. IV; Landmann/Rohmer a.a.O. § 115 Rdn. 38; RGSt 22, 177, 178). Ob § 115 Abs. 1 GewO – durch Umgehung – verletzt ist, wenn der Arbeitnehmer beim Warenbezug nicht frei ist, sondern durch den Arbeitgeber verpflichtet wird, Ware bei ihm zu beziehen (vgl. Stahlhacke a.a.O. § 115 Anm. IV 2), kann auf sich beruhen. Denn eine solche Verpflichtung ist hier nicht festgestellt, vom Beklagten auch nicht behauptet worden.

b) Das Kreditierungsverbot des § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO greift – wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat – nicht unmittelbar ein. Denn die Firma A., die Arbeitgeberin des Beklagten, hat diesem keinen Kredit gewährt. Ihr Kaufpreisanspruch ist vielmehr vereinbarungsgemäß durch die Auszahlung des Darlehens, das die Klägerin dem Beklagten gewährt hat, erfüllt worden. Als Kreditgeber kommt allein die Klägerin in Betracht, die aber nicht Arbeitgeberin des Beklagten gewesen ist.

c) Das Berufungsgericht hat jedoch die Auffassung vertreten, die Klägerin gehöre zu den der Arbeitgeberin nach § 119 GewO gleichgestellten Personen, und hat auf diesem Wege § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO eingreifen lassen. Es hat dazu ausgeführt: Die Firma A. sei an dem Unternehmen nicht unmittelbar beteiligt, da sie nicht Gesellschafterin der Klägerin sei. Es liege aber eine mittelbare Beteiligung vor, weil die Firma A. „allgemein” an den Darlehensgeschäften der Klägerin mit ihren (der Firma A.) Kunden „wirtschaftlich stark interessiert” sei. Das wirtschaftliche Interesse der Firma A. ergebe sich aus ihrer ständigen Geschäftsverbindung mit der Klägerin, die ihr Barverkäufe ermögliche, bei denen das Risiko der Teilzahlungsgeschäfte in den Bereich der Klägerin verlagert werde. Letztlich folge das wirtschaftliche Interesse der Firma A. aus dem Ineinandergreifen von Kauf- und Darlehensvertrag.

Diese Ansicht wird von der Revision mit Recht angegriffen.

Angesichts des nicht ganz eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist zunächst festzuhalten, daß § 119 GewO seinem Sinn und Zweck nach auch den Fall trifft, daß der Gewerbetreibende selbst an dem Geschäft des anderen Gewerbetreibenden mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist (vgl. Landmann/Rohmer a.a.O. § 119 Rdn. 7). Eine mittelbare Beteiligung, die hier allein in Betracht kommt, wird im Schrifttum (Entscheidungen zu dieser Frage sind – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht) angenommen, wenn der Arbeitgeber oder seine Familienmitglieder usw. dem anderen Gewerbetreibenden ein Darlehen gegeben haben (Landmann/Rohmer a.a.O.; Boldt/Steffens GewO 1955 § 119 Anm. II 2; a.M. – Beteiligung nur bei stiller Gesellschaft, partiarischem Darlehen usw. – Rohlfing/Kiskalt/Wolff a.a.O. § 119 Anm. 2). Ob dem zu folgen ist, kann auf sich beruhen, da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, daß die Firma A. der Klägerin einen Kredit gewährt habe. Daß ein allgemeines wirtschaftliches Interesse am Geschäft des anderen Gewerbetreibenden eine Beteiligung im Sinne des § 119 GewO begründe, wie das Berufungsgericht meint, wird im Schrifttum – soweit ersichtlich – nirgends ausgesprochen. Es ist auch nicht anzunehmen.

Wann eine mittelbare Beteiligung im Sinne des § 119 GewO vorliegt, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu ermitteln. Diese soll – wie oben unter 1. dargelegt – das Truckverbot des § 115 Abs. 1 GewO gegen bestimmte Umgehungsversuche absichern. Der Kreis möglicher Beteiligungsformen, die unter diese Vorschrift fallen, darf also nicht weiter gezogen werden, als es zur Erreichung dieses Zieles notwendig ist. Eine sachgerechte Auslegung muß daher vom Sinn und Zweck des Truckverbots ausgehen. Wie sich aus den Darlegungen unter 1. ergibt, soll dieses Verbot Zuständen entgegenwirken, bei denen der Arbeitgeber sich durch einen Austausch Ware gegen Arbeitsleistung aus den Lebensbedürfnissen seiner Arbeitnehmer eine zusätzliche Einnahmequelle verschafft und die Arbeitnehmer durch eine Verquickung von Arbeits- und Kreditverhältnis wirtschaftlich von ihm abhängig macht. Soweit es sich um die erstgenannte Zielrichtung, also die zusätzliche Einnahmequelle handelt, bedarf das Verbot jedoch einer Einschränkung. Wie oben unter 2 a) schon dargelegt wurde, hindert § 115 Abs. 1 GewO den Arbeitgeber nicht schlechthin, seinen Arbeitnehmern Waren zu verkaufen. Der Gewinn, den er aus solchen Verkäufen erzielt, wird also vom Gesetz nicht mißbilligt. Daher verstoßen auch Maßnahmen, die solche Verkäufe im Gewinninteresse des Arbeitgebers fördern sollen, nicht schon aus diesem Grunde gegen das Truckverbot. Unter den absatzfördernden Maßnahmen nimmt heutzutage die Einschaltung von Teilzahlungsinstituten breiten Raum ein. Ein Unternehmer, der mit höherwertigen Gütern handelt, ist in aller Regel lebhaft daran interessiert, daß ein Kunde, der den Kaufpreis nicht in bar entrichten kann oder will, einen Teilzahlungskredit erhält. Er wird daher nach Kräften bemüht sein, seinen Kunden den benötigten Kredit zu verschaffen, etwa indem er ständige Geschäftsbeziehungen zu einem Teilzahlungsinstitut unterhält. Damit werden indessen keine Zustände geschaffen, denen das Truckverbot entgegenwirken will. Das zeigt sich auch daran, daß dem Unternehmer die Person des jeweiligen Kunden – abgesehen von seiner Kreditwürdigkeit – gleichgültig ist, sein Interesse an dem Geschäft also nicht davon beeinflußt wird, ob der Kunde einer seiner Arbeitnehmer ist oder nicht.

Wird nach alledem das Truckverbot des § 115 Abs. 1 GewO nicht berührt, so besteht kein Anlaß, § 119 GewO in der Weise auszulegen, daß die Vorschrift den vorliegenden Fall erfaßt. Die vom Berufungsgericht festgestellte ständige Zusammenarbeit hat daher keine Beteiligung der Firma A. an dem Geschäft der Klägerin im Sinne des § 119 GewO geschaffen. Dasselbe gilt folgerichtig für die weiteren vom Berufungsgericht angeführten Gesichtspunkte, also das Ineinandergreifen von Kauf- und Darlehensvertrag und den dadurch erzielten wirtschaftlichen Effekt.

Von einer Beteiligung im Sinne des § 119 GewO müßte hingegen gesprochen werden, wenn die Firma A. auf die Entschließungen der Klägerin in einer Weise Einfluß nehmen könnte, daß diese dem Beklagten als eine Art verlängerter Arm seiner Arbeitgeberin gegenübergestanden hätte. Denn dann hätte eine Verquickung zwischen Kredit- und Arbeitsverhältnis gedroht, durch die der Beklagte in eine wirtschaftliche Abhängigkeit hätte geraten können, wie § 115 GewO sie verhindern will. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben indessen nichts dafür, daß die Beziehungen zwischen der Klägerin und der Firma A. in solcher Weise gestaltet wären.

Allerdings ist folgendes zu berücksichtigen: Die Vereinbarungen, die zwischen dem Händler und dem Teilzahlungsinstitut getroffen zu werden pflegen, sehen vielfach vor, daß das Teilzahlungsinstitut den Händler unter Abtretung der Darlehensforderung mit der ausgezahlten Darlehenssumme rückbelasten darf, wenn der Darlehensnehmer mit den Ratenzahlungen in Rückstand gerät. Geschieht dies und ist der Darlehensnehmer ein Arbeitnehmer des Händlers, so wird der Arbeitnehmer Schuldner seines Arbeitgebers. Es tritt also der Fall ein, den § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO zur Absicherung des Truckverbotes vermeiden will. Es liegt nahe, in einem solchen Fall § 115 GewO als verletzt anzusehen. Das nötigt jedoch nicht dazu, einen finanzierten Teilzahlungskauf der hier vorliegenden Art dem Verbot der §§ 115 Abs. 2 Satz 1, 119 GewO zu unterwerfen, solange der Darlehensgeber Inhaber des Darlehensanspruches ist. Dabei kann auf sich beruhen, welche rechtlichen Folgen ein Verstoß gegen § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO hier hätte: ob bereits die Abtretung der Darlehensforderung nichtig wäre oder ob der Arbeitgeber lediglich gehindert wäre, den erworbenen Darlehensanspruch gegen seinen Arbeitnehmer geltend zu machen. In jedem Fall genügt es, die genannten Vorschriften eingreifen zu lassen, sobald der Darlehensgeber den Darlehensanspruch an den Arbeitgeber abtritt. Selbst wenn der Darlehensgeber bereits einen Zahlungstitel gegen den Arbeitnehmer erstritten hat, so daß dem Arbeitgeber im Falle einer Abtretung nach § 727 ZPO die Vollstreckungsklausel erteilt werden kann, ist der Arbeitnehmer nicht rechtlos gestellt. Denn er kann seine Einwendungen aus §§ 115, 119 GewO im Klauselverfahren nach § 731 ZPO oder spätestens im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen.

d) Da das Kreditierungsverbot der §§ 115 Abs. 2 Satz 1, 119 GewO schon aus den dargelegten Gründen nicht eingreift, kann auf sich beruhen, ob die Klägerin dem Beklagten „Waren kreditiert” (§ 115 Abs. 2 Satz 1 GewO) hat. Ebenso braucht nicht erörtert zu werden, ob die Folgen eines Verstoßes gegen das Kreditierungsverbot sich aus § 117 GewO (Nichtigkeit des Vertrages) oder aus § 118 GewO (Ausschluß der Geltendmachung und Übergang der Forderung auf eine öffentliche Kasse) ergeben würden.

III.

Das Berufungsgericht hat den Darlehensvertrag als nichtig angesehen, da er gegen § 117 Abs. 2 GewO verstoße. Nach dieser Vorschrift sind – von einer hier nicht gegebenen Ausnahme abgesehen – Verabredungen nichtig, die zwischen Gewerbetreibenden und ihren Arbeitern „über die Entnahme der Bedürfnisse der letzteren aus gewissen Verkaufsstellen sowie überhaupt über die Verwendung des Verdienstes derselben” getroffen werden. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Firma A. und der Beklagte hätten mit dem Abschluß des Kaufvertrages „in Verbindung mit dem Darlehensgeschäft” eine „Lohnverwendungsabrede” getroffen, die den Beklagten verpflichtet habe, seine Kreditbedürfnisse bei der Klägerin zu decken. Solche Vereinbarungen sollten durch § 117 Abs. 2 GewO unterbunden werden, der über seinen Wortlaut hinaus alle Absprachen erfasse, die die Verwendung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers beträfen. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die Klägerin gänzlich unabhängig von der Firma A. wäre und die freie Entschließung des Beklagten bei der Begründung der Schuld gewährleistet gewesen wäre. Das sei aber nicht der Fall. Denn aufgrund der ständigen Geschäftsverbindung bestehe ein gegenseitiges wirtschaftliches Interesse, das die Unabhängigkeit der Klägerin im Verhältnis zu der Firma A. einschränke. Außerdem sei der Beklagte wirtschaftlich gezwungen gewesen, einen Kredit bei der Klägerin aufzunehmen, um seinen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag nachkommen zu können.

Auch diese Ausführungen vermögen – wie die Revision mit Recht rügt – das angefochtene Urteil nicht zu tragen.

1. Nach der Ansicht des Berufungsgerichts ist eine Lohnverwendungsabrede zwischen der Firma A. und dem Beklagten getroffen worden. Daß eine solche Abrede zwischen der Klägerin und dem Beklagten getroffen worden sei, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Letzteres ist aus dem festgestellten Sachverhalt auch nicht zu entnehmen. Danach hat die Klägerin lediglich einen Darlehensantrag des Beklagten angenommen und das bewilligte Darlehen weisungsgemäß ausgezahlt. Sie hat also mit dem Beklagten einen Vertrag geschlossen, wie sie ihn mit beliebigen anderen Personen – Arbeitnehmern der Firma A. oder nicht – hätte schließen können. Eine Abrede der in § 117 Abs. 2 GewO gemeinten Art, den Arbeitslohn in bestimmter Weise zu verwenden, ist darin nicht zu erblicken.

2. Hat die Firma A. – wie das Berufungsgericht gemeint hat – eine Lohnverwendungsabrede mit dem Beklagten getroffen, so ist diese nach § 117 Abs. 2 GewO nichtig. Hingegen ergibt sich aus der Vorschrift nicht ohne weiteres, daß auch der Darlehensvertrag des Beklagten mit der Klägerin nichtig ist. Das könnte nur der Fall sein, wenn die Voraussetzungen des § 139 BGB vorlägen oder das gesamte, aus Kauf und Darlehen bestehende Geschäft eine Umgehung des § 117 Abs. 2 GewO enthielte, auf die die Vorschrift ihrem Sinn und Zweck nach ebenfalls angewandt werden könnte. Ob dies der Fall ist, kann jedoch auf sich beruhen; denn die Ansicht des Berufungsgerichts, die Firma A. habe mit dem Beklagten eine Lohnverwendungsabrede im Sinne des § 117 Abs. 2 GewO getroffen, kann nicht gebilligt werden.

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Firma A. habe den Beklagten verpflichtet, seine Kreditbedürfnisse bei der Klägerin zu decken, ist mit dem festgestellten Sachverhalt nicht zu vereinbaren. Zunächst ging es nicht um „Kreditbedürfnisse” des Beklagten schlechthin, sondern nur um einen Kredit für den einen bestimmten Möbelkauf. Vor allem aber ist der Beklagte nicht verpflichtet worden, einen Kredit bei der Klägerin aufzunehmen. Zwar mag es sein (was nicht festgestellt ist), daß die Firma A. aufgrund ihrer dauernden Geschäftsverbindung mit der Klägerin finanzierte Teilzahlungsgeschäfte nur einging, wenn der Kaufpreis durch die Klägerin finanziert wurde. Der Beklagte war aber in keiner Weise verpflichtet, seine Möbel bei der Firma A. zu beziehen. Die vertraglichen Bindungen, die er mit dem Abschluß des Kauf- und des Darlehensvertrages eingegangen ist, haben dabei außer Betracht zu bleiben; sie verpflichteten ihn zur Abnahme und Bezahlung der Möbel sowie zur Rückzahlung des Darlehens, enthielten aber keine Abrede über die Verwendung seines Lohnes im Sinne von § 117 Abs. 2 GewO.

b) Eine andere Auslegung des § 117 Abs. 2 GewO wäre mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Sie ist – wie die anderen erörterten Vorschriften – im Hinblick auf § 115 GewO zu sehen, dessen Schutz sie verstärken will. Wo Verstöße gegen das Truckverbot und das Kreditierungsverbot nicht zu befürchten sind, besteht auch kein Anlaß, eine verbotene Lohnverwendungsabrede anzunehmen (Stahlhacke a.a.O. §§ 115 a – 119 Anm. II 4 a). Wie oben unter II ausgeführt worden ist, ist im vorliegenden Fall aber weder gegen das Truck- noch gegen das Kreditierungsverbot verstoßen worden und liegt auch kein Umgehungsgeschäft vor. Auch aus diesem Grunde ist eine Lohnverwendungsabrede zwischen der Firma A. und dem Beklagten nicht anzunehmen.

IV.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Andererseits kann das Revisionsgericht in dieser Sache nicht selbst abschließend entscheiden, u.a. weil der Beklagte bestritten hat, die gekauften Möbel erhalten zu haben (Schriftsatz vom 23. November 1972). Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Kreft, Richter Dr. Beyer ist beurlaubt und verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft, Dr. Krohn, Dr. Tidow, Lohmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502441

Nachschlagewerk BGH

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