Leitsatz (amtlich)

Zum Rückgriff des Sozialversicherungsträgers auf den Ersatzanspruch für den Verdienstausfall des Verletzten in Höhe der Kosten, die dieser bei Gewährung von Krankenhauspflege für die häusliche Verpflegung erspart.

 

Normenkette

BGB §§ 842-843; RVO § 1542

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 17.08.1982)

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. August 1982, im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil, der Klägerin erkannt hat.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den zuerkannten Betrag hinaus weitere 3.610,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 28. Juni 1982 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die klagende Berufsgenossenschaft nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz wegen der Verletzung ihrer Mitglieder St., G., P. und B. in Anspruch, für deren Folgen die Beklagte einzustehen hat.

Gegenwärtig geht es nur noch um einen Betrag von 3.610,– DM, den die Klägerin neben weiteren Leistungen für die Verpflegung der Verletzten während ihrer stationären Krankenhausbehandlung erbracht hat. Diesen Betrag hat die Klägerin wegen der Kosten, die ihre Mitglieder während des Krankenhausaufenthalts für die häusliche Verpflegung in Höhe von täglich 10 DM erspart haben, von ihrer Regreßforderung wegen der Leistungen für die Krankenhauspflege abgesetzt und als Leistung auf den Verdienstausfallschaden ihrer Mitglieder von der Beklagten ersetzt verlangt.

Das Landgericht hat ihre Klage wegen dieses Postens abgewiesen.

Mit der Sprungrevision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung auch dieses Betrags.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Landgerichts kann die klagende Berufsgenossenschaft wegen ihrer Leistungen, die sie für die stationäre Krankenhausbehandlung ihrer Unfallverletzten Mitglieder St., G., P., und B. erbracht hat, in Höhe der von diesen in dieser Zeit ersparten Kosten für die häusliche Verpflegung, die mit insgesamt 3.610,– DM unstreitig sind, bei der beklagten Haftpflichtversicherung trotz deren Verpflichtung zum vollen Schadensersatz keinen Rückgriff nach dem hier noch anzuwendenden § 1542 RVO nehmen. Das Landgericht erwägt dazu: Die Beklagte schulde als Ersatz für die stationäre Heilbehandlung der Verletzten nur die Krankenhauskosten abzüglich der Ersparnis für die häusliche Verpflegung von täglich 10 DM. Entsprechend habe die Klägerin die Krankenhauskosten auch abgerechnet. Gleichwohl habe sie den Abzug für die Ersparnis als an ihre Mitglieder gezahltes Übergangsgeld ersetzt verlangt. Warum sie so verfahren sei und welche Rechtsgrundlage sie dafür in Anspruch nehme, lasse sich aus ihrem Vortrag nicht entnehmen und sei auch sonst nicht nachzuvollziehen.

II.

Mit diesen Ausführungen kann das Urteil des Landgerichts nicht bestehen bleiben.

1. Auszugehen ist davon, daß die Klägerin den verlangten Betrag tatsächlich für die stationäre Krankenhausunterbringung ihrer Mitglieder zahlen mußte und gezahlt hat; das ist von der Beklagten auch nie in Abrede gestellt worden. Die Klägerin hat den Betrag in ihren Rechnungsbögen nur deshalb nicht als Kosten der Krankenhausunterbringung erscheinen lassen, weil sich der Geschädigte dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer gegenüber nach gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen des erkennenden Senats auf seinen Ersatzanspruch für Krankenhauspflege die auch ohne die Unfall Verletzung aufzuwendenden Kosten für seine Verpflegung anrechnen lassen muß. Insoweit beschränkt sich sein Ersatzanspruch auf die durch die Verletzung verursachten Mehrkosten für die Krankenhauspflege, und nur in diesem eingeschränkten Umfang kann der SVT auf diesen Ersatzanspruch Regreß nehmen, weil die Tatsache, daß er unfallbedingte Leistungen an den Verletzten erbringt, die Ersatzpflicht des Schädigers nicht erhöhen kann (Senatsurteile vom 18. Mai 1965 – VI ZR 262/63 = VersR 1965, 786, 787; vom 16. September 1966 – VI ZR, 264/64 = VersR 1966, 1028, 1029; vom 13. Oktober 1970 – VI ZR 31/69 = VersR 1971, 127, 128; vom 6. Dezember 1977 – VI ZR 172/76 = VersR 1978, 251 m. Anm. von Klimke VersR 1978, 513 und vom 22. Januar 1980 – VI ZR 198/78 = VersR 1980, 455).

2. Der von dem Landgericht vermißte Grund dafür, daß die Klägerin die Beklagte mit den abgesetzten Beträgen (ausweislich ihrer Berechnungsbögen nicht, wie das Landgericht annimmt, als Übergangsgeld, sondern als besondere Position „Krankenhausverpflegung”) gleichwohl belastet, ist ebenfalls in Rechtsprechungsgrundsätzen des erkennenden Senats zu sehen. Danach kann der SVT, wenn dem Verletzten – wie hier – infolge seiner unfellbedingten Arbeitsunfähigkeit gegen den Schädiger bzw. seinen Haftpflichtversicherer auch ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall erwachsen ist, wegen dieses Teils der Verpflegungskosten Rückgriff auf den Ersatzanspruch wegen Verdienstausfalls nehmen, soweit diese Aufwendungen zusammen mit den auf den Lebensunterhalt zu erbringenden Barleistungen des SVT (Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung; Übergangsgeld in der gesetzlichen Unfallversicherung) diesen Ersatzanspruch nicht übersteigen (Senatsurteile vom 18. Mai 1965 = a.a.O.; vom 16. September 1966 = a.a.O. und vom 13. Oktober 1970 = a.a.O.). Diese Rechtsprechung ist vom Schrifttum jedenfalls im Ergebnis durchweg gebilligt worden (vgl. V. Wussow VI 1968, 146, 175; 1971, 107, 189; 1973, 170; 1975, 13; 1976, 201; ders. UHR 12. Aufl. Tz, 1481 ff; Hj. Wussow Wi 1982, 105 f; 182; Klinke VersR 1976, 314, 315; Plaumann VersR 1976, 124).

Der Senat hält an ihr fest.

a) Allerdings können der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer die Anrechnung der sogenannten häuslichen Eigenersparnis des Verletzten auf den Verdienstausfallschaden nicht verlangen, da diese „Ersparnis” nicht im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit steht, aus der dieser Schaden erwächst. Die „Ersparnis” tritt nicht deshalb ein, weil der Verletzte unfallbedingt nicht erwerbstätig sein kann; auch als Nichterwerbstätiger muß er sich verpflegen. Sie ist nur beim Ersatz für die Kosten einer stationären Krankenhausunterbringung zu berücksichtigen, die zur Behandlung der Unfallverletzung entstehen. Auch insoweit geht es nicht um den Ausgleich eines Vorteils, sondern um die Bemessung des Schadens im Vergleich zu den Aufwendungen, die den Verletzten ohne den Unfall entstanden wären: Weil er auch ohne die Verletzung für die (häusliche) Verpflegung hätte aufkommen müssen, erwächst ihm ein Schaden durch die Unterbringung im Krankenhaus nur in Hohe des Mehraufwands für die Krankenhaus Verpflegung. Mit den vom Schädiger zu ersetzenden Verdienstausfall hat das nichts zu tun. Das hat der erkennende Senat zuletzt in seinem Urteil vom 22. Januar 1980 = a.a.O. noch einmal ausdrücklich klargestellt, und das entspricht seinem schon seit dem Senatsurteil vom 18. Mai 1965 = a.a.O. eingenommenen Rechtsstandpunkt (gegen Geigel/Schlegelmilch, Haftpflichtprozeß 18. Aufl., Kap. 30 Rdn. 108).

b) Eine andere Frage ist es aber, ob der SVT wegen der Leistungen für die Verpflegung des Verletzten in Krankenhaus, soweit sie die Kosten seiner Verpflegung zu Hause nicht übersteigen, nach § 1342 RVO den Ersatz für den Verdienstausfall für sich in Anspruch nehmen kann. Mit dieser Frage hat sich das vorgenannte Senatsurteil vom 22. Januar 1980 = a.a.O. nicht befaßt, da es in dem dort behandelten Zusammenhang nur um den Umfang des zu ersetzenden Verdienstausfalls, um die Passivlegitimation des Schädigers ging. Hier geht es dagegen um die Aktivlegitimation für den Ersatzanspruch; darum, ob der Anspruch dem Verletzten in vollem Umfang zusteht, oder ob der SVT wegen der an ihn zu erbringenden Versicherungsleistungen gemäß § 1542 RVO (heute: § 116 SGB X) den Ersatzanspruch erworben hat. Das richtet sich nach der zeitlichen und sachlichen Zweckbestimmung der Versicherungsleistung. Soweit sie sich hierin mit der Zweckbestimmung des Ersatzanspruchs deckt, steht dieser dem SVT zu, da anderes zu einer grundlosen Besserstellung des Geschädigten zu Lasten des SVT führen würde. Diese Kongruenz von Versicherungs- und Ersatzleistung ist zu bejahen. Dem Lebensunterhalt des Verletzten, für den der Schädiger aufkommen muß, weil der Verletzte ihn unfallbedingt nicht mehr selbst verdienen kann, dienen auch die auf die Verpflegung des Verletzten zu erbringenden Leistungen des SVT, soweit sie nicht einen Mehrbedarf abdecken, der erwächst, weil der Verletzte zur Heilung seiner Uhfallverletzungen statt zu Hause im Krankenhaus zu höheren Kosten verpflegt werden muß. Leistungen für diesen Kehrbedarf gehören einer anderen Zweckgruppe, derjenigen der Heilbehandlung, an. Sie sind nicht mit dem Ersatz für den Verdienstausfall, sondern mit dem Ersatzanspruch wegen Heilungskosten kongruent und können deshalb nur zum Rückgriff in diesen Ersatzanspruch fuhren. Soweit sie dagegen über diesen Mehrbedarf hinausgehen, kann ihr Zweck nur in der Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts liegen. Insoweit sind sie mit dem Ersatz für den Verdienstausfall deckungsgleich.

Dem widerspricht es nicht, daß der erkennende Senat in seinem Urteil vom 13. Oktober 1970 = a.a.O. für die Leistungen eines privaten Krankenversicherers für die Krankenhausunterbringung solche Deckungsgleichheit verneint hat, weil der Versicherungsschutz hier insoweit nur die Heilbehandlung umfaßt. Für die hier infrage stehenden Leistungen des SVT trifft das nicht zu. Er hat seinen Mitgliedern, soweit – wie hier – für sie keine Selbstbeteiligung angeordnet ist (dazu der erst später in Kraft getretene § 184 Abs. 3 RVO n. F.), mit der kostenlosen Krankenhausunterbringung auch die Existenzsicherung während der stationären Behandlung zu gewähren. Hier würde es dem Sinn des Forderungsübergangs widersprechen, wenn der Geschädigte vom Schädiger und vom SVT für seine Existenzsicherung deckungsgleiche Leistungen in Anspruch nehmen könnte und damit durch den Eintritt des SVT einen Vorteil hätte, den dieser ihm auf anderem Wege bei Wahrung des diese Leistungen beherrschenden Sachleistungsprinzips nicht entziehen kann.

c) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung bleibt der Übergang des Anspruchs auf Ersatz von Verdienstausfall für die hier betroffenen Aufwendungen auf die Klägerin von einer Lohnfortzahlung des Arbeitgebers ihrer verletzten Mitglieder in der infrage stehenden Zeit unberührt. Ein Übergang der Ersatzforderung auf den Arbeitgeber nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Lohnfortzahlungsgesetz – LFZG) vom 27. Juli 1969 – BGBl. I 946 – hat in diesem Umfang nicht stattgefunden. Das folgt zwar nicht aus dem Quotenvorrecht des SVT, für das im Streitfall in dem die Beklagte den Verdienstausfall in vollem Umfang ersetzen muß, kein Raum ist. Vielmehr ergibt sich hier der „Vorrang” der Klägerin, aus der gesetzlichen Regelung, nach der der Forderungsübergang auf den SVT bereits im Augenblick des Unfalls und im Umfang aller künftig zu erbringenden Versicherungsleistungen stattfindet, während der zur Lohnfortzahlung verpflichtete Arbeitgeber nach § 4 Abs. 1 LFZG die Forderung erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich bei tatsächlicher Fortzahlung des Arbeitsentgelts bzw. bei Abführung der Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung erwerben kann. Diese gesetzliche Regelung führt dazu, daß der Arbeitgeber die Ersatzansprüche des Arbeitnehmers wegen des Verdienstausfalls nur insoweit erwirbt, als nicht ein SVT kongruente Leistungen an den Verletzten zu erbringen hat. Die Gewährung von Übergangsgeld durch die Berufsgenossenschaft steht zwar ebensowenig wie die Gewährung von Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung dem Regreß des Arbeitgebers entgegen, da diese Versicherungsleistungen zeitlich erst an den Wegfall der Lohnfortzahlung anschließen (§§ 189 Satz 1, 560 Abs. 1 Satz 1 RVO). Für die hier infrage stehenden Leistungen der Klägerin trifft das indes nicht zu. Die Losung der Konkurrenz durch den Gesetzgeber im Sinne eines Vorrangs der Sozialversicherungsträger ist eindeutig; sie schließt eine andere Lastenverteilung aus (ebenso W. Wussow DOK 1971, 633, 636; VI 1975, 187; 1976, 201 f; Doetsch/Schnabel/Paulsdorff LFZG 6. Aufl. § 4 Rdn. 5; Marburger DB 1972, 320, 323; 1975, 932, 934 f; Schulte-Nimberg/Sabel, Rechtsprechung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, 2. Aufl., S. 199 m.w.N.; Schlüter DOK 1969, 774, 778; anderer Ansicht Kehrmann/Pelikan LFZG 2. Aufl. § 4 Rdn. 9, 131 Freundorfer VersR 1983, 423; Riedmaier VersR 1978, 110, 115; Tuns. Die wirtschaftliche Sicherung der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit, 1970, C 283 f)

3. Daraus ergibt sich, daß das Landgericht zu Unrecht von der Klageforderung die Leistungen abgesetzt hat, die die Klägerin auf die von ihren Mitgliedern ersparten Kosten für die häusliche Verpflegung zu erbringen hatte. Da dieser Betrag der Höhe nach mit 3.610,– DM unstreitig ist und zusammen mit den der Klägerin zuerkannten Beträgen den von der Beklagten zu ersetzenden Verdienstausfallschaden des Verletzten nicht übersteigt, war das Urteil des Landgerichts auf die Revision der Klägerin entsprechend abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Hiddemann, Dr. Steffen, RiBGH Dr. Kullmann ist in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Dr. Hiddemann, Dr. Ankermann, Bischoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 1372871

Nachschlagewerk BGH

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