Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuerpflicht von Studentenappartements

 

Leitsatz (NV)

Eine Wohneinheit, bestehend aus zwei nebeneinanderliegenden Zimmern, Vorraum, Kochnische und Dusche/WC, die gegen den Hausflur des Studentenwohnheims abschließbar ist, ist auch dann eine Wohnung i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG, wenn sie an zwei Studenten getrennt vermietet wird.

Angesichts der Zusammenfassung beider Zimmer zu einer Wohneinheit mit gemeinsamem Bad/WC und gemeinsamer Kochnische kommt es nicht mehr auf die Mindestgröße der einzelnen Zimmer an.

 

Normenkette

GrStG § 5 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, ist Eigentümerin eines mit einem Studentenwohnheim bebauten Grundstücks. Dieses Wohnheim wurde 19. . . bezugsfertig. Es enthält neben einer Hausmeisterwohnung u. a. 168 Wohneinheiten, hinsichtlich derer die Beteiligten streiten, ob es sich um Wohnungen oder um Wohnräume im Sinne des Grundsteuergesetzes (GrStG) handelt. Jede der Wohneinheiten besteht aus zwei nebeneinander liegenden Zimmern (je 10,78 qm groß, Vorraum (3,04 qm), Kochnische (2,64 qm), und Dusche/WC (2,38 qm) und ist gegen den Hausflur abschließbar.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Ansicht, jede dieser Wohneinheiten sei eine Wohnung im Sinne des § 5 Abs. 2 GrStG und als solche grundsteuerpflichtig. Es stellte durch Bescheide vom 12. November 1982 den Einheitswert auf . . . DM und den Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 1979 auf . . . DM fest; den Einspruch bezüglich des Grundsteuermeßbescheides wies es zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin begehrt, den Grundsteuermeßbescheid auf . . . DM herabzusetzen. Die streitbefangenen Raumeinheiten in dem Studentenwohnheim seien keine Wohnungen im Sinne des § 5 Abs. 2 GrStG, sondern lediglich Wohnräume. Die beiden je einer gemeinschaftlichen Küche und Naßzelle zugeordneten Zimmer seien komplett ausgestattet und einheitlich möbliert. Sie dienten als Wohn-, Schlaf- und Arbeitsraum. Jedes der Zimmer stelle nach dem Inhalt der Bewilligungsbedingungen für die staatlichen Zuwendungen ,,einen eigenständigen studentischen Wohnplatz" dar. Jedem Zimmer sei ein eigener Briefkasten zugeordnet. Mietvertrag und Miethöhe der Bewohner der streitbefangenen Räume unterschieden sich nicht von denen solcher Bewohner, die zu mehreren gemeinschaftlich Küchen- und Sanitäreinrichtungen nutzen. Die von verschiedenen, voneinander unabhängigen Bewohnern gemeinschaftlich zu nutzende Küche und Sanitärzelle könne als Qualifizierung einer Raumgruppierung nicht als Wohnung im Sinne des § 5 Abs. 2 GrStG herangezogen werden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 GrStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die streitigen Wohneinheiten sind nicht schon deshalb von der Grundsteuer befreit, weil die Klägerin nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient und der Grundbesitz unmittelbar für diese Zwecke verwendet wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG). Denn dient der Grundbesitz, der für einen nach § 3 GrStG steuerbegünstigten Zweck genutzt wird, zugleich Wohnzwecken, so gilt die Befreiung in keinem Fall für Wohnungen (§ 5 Abs. 2 GrStG) und nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 GrStG für Wohnräume (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1987 II R 210/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987,306).

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die aus zwei nebeneinander liegenden Zimmern, Vorraum und Sanitärzelle bestehende Wohneinheit eine Wohnung im Sinne des § 5 Abs. 2 GrStG darstellt. Das GrStG definiert den Begriff der Wohnung ebensowenig wie das Bewertungsgesetz (BewG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zum Bewertungsrecht ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist u. a. erforderlich, daß die abgeschlossene Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet. Unter welcher Voraussetzung eine selbständige Haushaltsführung möglich ist und welche Fläche mindestens vorhanden sein muß, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 III R 71/83, BFHE 144, 74, BStBl II 1985, 582). In gleicher Weise ist grundsätzlich auch der Begriff Wohnung in § 5 Abs. 2 GrStG auszulegen (vgl. BFH-Urteile vom 30. April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, 298, BStBl II 1982, 671; in BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306).

Die Entscheidung im Streitfall erfordert nicht abschließend zu erörtern, welche Voraussetzungen im einzelnen gegeben sein müssen, um eine Mehrheit von Räumen als Wohnung im Sinne des § 5 Abs. 2 GrStG ansehen zu können. Bezogen auf den dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt läßt der Begriff Wohnung die Auslegung zu, daß ein abgeschlossenes Appartement, das sich in einem Studentenwohnheim befindet, jedenfalls eine Wohnung darstellt, wenn es, wie im Streitfall, aus zwei Zimmern, Bad und WC, Flur und Kochnische besteht und gegen den Hausflur abschließbar ist. Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist eine Haushaltsführung auf Dauer möglich.

Zwar sind, wie der erkennende Senat im Urteil in BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306 ausgeführt hat, Appartements mit einer Größe von 15,7 oder 16,5 qm zur Führung eines Haushalts auf Dauer wegen der begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten nicht geeignet. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine geschlossene Wohneinheit mit knapp 30 qm, bestehend aus zwei Räumen, einer Kochnische und einem WC/Duschraum vom Eigentümer in der Weise überlassen wird, daß je ein Zimmer unter gleichzeitiger gemeinsamer Nutzungsmöglichkeit von Küche und Bad vermietet wird. Für die Frage, ob eine Wohnung vorliegt, ist darauf abzustellen, ob die Mehrheit von Räumen geeignet ist, die Führung eines selbständigen Haushalts zu ermöglichen, nicht aber, ob tatsächlich ein oder zwei Haushalte geführt werden. Ob eine Wohnzwecken dienende Raumeinheit eine Wohnung darstellt, kann nicht von der tatsächlichen Belegung abhängen. Würde die Klägerin die Wohneinheit an eine Studentin mit Kind oder an ein Studentenehepaar vermieten, so bestände wohl auch für sie kein Zweifel, daß eine derartige Wohneinheit als Wohnung im Sinne des § 5 Abs. 2 GrStG zu verstehen ist.

Auch die haushaltsrechtliche Bindung der Klägerin, die sich nach ihrem Vortrag daraus ergibt, daß förderungsrechtlich jedes Zimmer als ein eigenständiger Wohnplatz zu nutzen ist, ändert nichts an der Qualifizierung der Wohneinheit als Wohnung. Denn diese Wohneinheit dient Wohnzwecken und ist tatsächlich zur Führung eines selbständigen Haushalts geeignet.

Angesichts der Zusammenfassung beider Zimmer zu einer Wohneinheit mit gemeinsamem Bad und gemeinsamer Kochnische kommt es nicht mehr auf die Mindestgröße des einzelnen Zimmers an. Denn nach der baulichen Gestaltung sind diese Einheiten als Zwei-Zimmer-Appartements anzusehen. Bei ihnen ist auf die Gesamtfläche, hier somit auf 29,62 qm, abzustellen. Die Tatsache, daß die Nutzungsmöglichkeit der die Wohneinheit bewohnenden Studenten auf ihr Zimmer und die gemeinsame Nutzung der Kochnische und der sanitären Einrichtungen beschränkt ist, beruht auf einzelvertraglichen Bestimmungen, berührt aber nicht die steuerliche Erfassung der Wohneinheit als ganzes; denn diese steuerliche Einordnung ist dem Parteiwillen entzogen und richtet sich nach der objektiven Beschaffenheit der Wohneinheit.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417157

BFH/NV 1991, 268

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