Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Von der Investitionszulage sind geringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ausgeschlossen, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind (§ 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962).

Für Ergänzungsbeschaffungen von genormten und technisch aufeinander abgestimmten Gerüst- und Schalungsteilen eines Bauunternehmens kann eine Investitionszulage gewährt werden.

Hat der Stpfl. für die Gerüst- und Schalungsteile einen Festwert gebildet, so steht der Gewährung von Investitionszulage nicht entgegen, daß er die Anschaffungskosten gemäß Abschnitt 40 Abs. 2 EStR 1962 in Verbindung mit den gemeinsamen Ländererlassen (BStBl 1961 II S. 190 ff., StuZBl Bln. 1961 S. 1339) ganz oder teilweise als Betriebsausgaben gebucht hat.

BHG 1962 § 21 Abs. 2 Satz 2; BHG 1964 § 19 Abs. 2 Satz 3; EStG 1961 § 6 Abs. 2; AO § 94 Abs. 1

 

Normenkette

BHG § 21 Abs. 2 S. 2, § 19 Abs. 2 S. 3; EStG § 6 Abs. 2; AO § 94 Abs. 1 Nr. 2; EStR Abschn. 40

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), die in Berlin (West) ein Bauunternehmen betreibt, beantragte eine Investitionszulage für technisch aufeinander abgestimmte und genormte Gerüst- und Schalungsteile, die sie im Jahre 1963 für 131.069 DM angeschafft hatte. Das Finanzamt (FA) lehnte den Antrag ab, da die angeschafften Gegenstände keine Sachgesamtheit bildeten, sondern selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten von jeweils weniger als 600 DM seien. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Berufung statt und führte aus, eine Investitionszulage könne zwar nach § 21 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) vom 26. Juli 1962 - BHG 1962 - (BGBl 1962 I S. 492, BStBl 1962 I S. 997) nur für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gewährt werden, deren Anschaffungskosten 600 DM überstiegen. Diese Voraussetzungen seien aber bei den Gerüst- und Schalungsteilen erfüllt, denn diese Gegenstände seien ein einheitliches Wirtschaftsgut, da sie einheitlich in Erscheinung träten; die Dauer der Verbindung einzelner Teile zu einer Einheit sei demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Wesentlich sei, daß die einzelnen Gerüst- und Schalungsteile nicht selbständig für sich verwertbar und nutzbar seien.

Das FA rügt mit der Revision unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Es führt aus, die Gerüst- und Schalungsteile seien selbständige Wirtschaftsgüter, da sie selbständig bewertungsfähig seien; die selbständige Nutzungsfähigkeit gehöre nicht zum Wesen eines Wirtschaftsgutes. Die angeschafften Gerüst- und Schalungsteile seien auch kein einheitliches Ganzes, da sie alsbald nach ihrer Anschaffung bestimmungsgemäß mit den schon vorhandenen Gerüst- und Schalungsteilen vermischt worden seien.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Stpfl. beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Streitig ist der Begriff "Wirtschaftsgut" in § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962. Da dieser Begriff offensichtlich dem EStG entnommen ist, muß er auch für das BHG 1962 so ausgelegt werden wie im EStG, soweit nicht erkennbar der Sinn und Zweck des BHG dem entgegensteht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - I 50/55 U vom 23. Juli 1957, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 65, S. 189 - BFH - 65, 189, BStBl III 1957, 306; VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BFH 72, 515, BStBl III 1961, 188). In § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 muß der Begriff "Wirtschaftsgut" aber etwas anders ausgelegt werden. Gemäß dem Bericht des Finanzausschusses - 14. Ausschuß - (Deutscher Bundestag, IV. Wahlperiode, zu Drucksache IV/538) sollte für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten 600 DM nicht übersteigen, keine Investitionszulage gewährt werden, "weil die Anschaffungskosten für diese Anlagegüter nach § 6 Abs. 2 EStG in voller Höhe sofort als Betriebsausgaben abgeschrieben werden können". Es sollte also verhindert werden, daß die Anschaffung von Wirtschaftsgütern in Berlin (West) doppelt begünstigt wird. Wollte man aber als Wirtschaftsgut im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 alle selbständig bewertungsfähigen Güter verstehen, so wären viele neu beschafften Gegenstände von beiden Vergünstigungen ausgeschlossen, nämlich alle Wirtschaftsgüter, die wohl selbständig bewertbar, nicht aber auch selbständig nutzungsfähig sind. Für solche Wirtschaftsgüter könnte keine Investitionszulage gewährt werden, da sie selbständig bewertungsfähig sind. Die sofortige Abschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG würde entfallen, da die Wirtschaftsgüter nicht selbständig nutzungsfähig sind. Dieses vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollte Ergebnis läßt sich vermeiden, wenn man den Begriff "Wirtschaftsgut" in § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 in dem Sinn auslegt, wie er in § 6 Abs. 2 EStG 1961 verwandt wird.

In übereinstimmung mit dem BFH-Urteil IV 289/65 vom 21. Juli 1966 (BStBl III 1967, 59) nimmt der Senat daher an, daß dem Stpfl. eine Investitionszulage dann nicht zusteht, wenn die Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten bis zu 600 DM einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind. Diese Auslegung wird bestätigt durch den Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 BHG in der Fassung des Gesetzes vom 19. August 1964 (BGBl 1964 I S. 675; BStBl I 1964, 510), in dem der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat, daß nur die nach § 6 Abs. 2 EStG begünstigten Wirtschaftsgüter von der Investitionshilfe ausgenommen sind.

In einem Baubetrieb vorhandene, technisch aufeinander abgestimmte Gerüst- und Schalungsteile sind selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter, die nach der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 EStG jedoch stets als Sachgesamtheit bzw. als einheitliches Ganzes behandelt werden. Wie in den BFH-Urteilen I 84/56 U vom 18. Dezember 1956 (BFH 64, 70, BStBl III 1957, 27) und I 13/61 U (a. a. O.) ausgeführt ist, kann die Festigkeit einer Verbindung nicht entscheidend sein. Ein einheitliches Ganzes kann auch angenommen werden, wenn einzelne Gegenstände nur vorübergehend miteinander verbunden und dann wieder getrennt und in anderer Zusammensetzung erneut verwendet werden, wie es bei genormten, technisch aufeinander abgestimmten Gerüst- und Schalungsteilen der Fall ist.

Diese Grundsätze gelten für die Investitionszulage entsprechend. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob vollständige Gerüste mit den dazu benötigten Schalungsteilen zusätzlich angeschafft oder die vorhandenen Bestände nur ergänzt oder erweitert werden (Ergänzungsbeschaffungen). Entscheidend ist allein, daß die Gerüst- und Schalungsteile ihrer Bestimmung nach von vornherein nicht selbständig nutzungsfähig sind. Aufwendungen dieser Art müssen nach dem Sinn des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 begünstigt sein, da sie nach der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 EStG nicht sofort abzugsfähige geringwertige Wirtschaftsgüter sind.

Wie der Senat in dem Urteil VI 55/65 vom 29. Juli 1966 (BStBl III 1967, 125) ausgeführt hat, steht der Gewährung von Investitionszulage nicht entgegen, daß ein Wirtschaftsgut nach der Anschaffung durch Verbindung oder Vermischung mit anderen, vorhandenen Wirtschaftsgütern seine Eigenschaft als selbständiges Wirtschaftsgut verliert. Dieselben Grundsätze gelten auch hier. Entscheidend ist, ob die Investitionen den Bestand des beweglichen Anlagevermögens eines Betriebes in Berlin (West) vermehrt haben.

Die Rechtsauslegung des FG deckt sich zwar im wesentlichen mit diesen Grundsätzen. Die Entscheidung war aber aufzuheben, damit das FG noch prüft, wie die Stpfl. die Aufwendungen für die Gerüst- und Schalungsteile einkommensteuerrechtlich behandelt hat" denn wenn die Stpfl. diese Kosten sofort nach § 6 Abs. 2 EStG als Betriebsausgabe abgezogen haben sollte, so müßte sie vor Gewährung der Investitionszulage ihr Einverständnis nach § 94 Abs. 1 Ziff. 2 AO zur Berichtigung der einheitlichen Gewinnfeststellung 1963 erteilen. Hat sie hingegen die Gerüst- und Schalungsteile durch Bildung eines Festwerts aktiviert, so steht einer Investitionszulage nicht entgegen, wenn sie gemäß Abschnitt 40 Abs. 2 letzter Satz EStR 1963 in Verbindung mit den gemeinsamen Ländererlassen vom 15. Dezember 1961, BStBl II 1961, S. 190 ff., Steuer- und Zollblatt für Berlin (StuZBl Bln.) 1961 S. 1339, bei überleitung auf den Festwert 60 v. H. der Anschaffungskosten zur Abgeltung der Absetzung für Abnutzung gewinnmindern abgesetzt und nach Erreichung des Festwerts die Kosten sofort als Betriebsausgaben gebucht hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412222

BStBl III 1967, 151

BFHE 1967, 310

BFHE 87, 310

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