Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 600 DM nicht übersteigen, wird auf Grund des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 eine Investitionszulage nur dann nicht gewährt, wenn die Wirtschaftsgüter einer selbständigen Nutzung fähig sind.

Die von der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 EStG entwickelten Auslegungsgrundsätze - insbesondere über die Zugehörigkeit zu einem einheitlichen Ganzen - sind bei der Anwendung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 zu beachten.

 

Normenkette

BHG §§ 21, 19; EStG § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Investitionszulage nach § 21 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 26. Juli 1962 - BHG 1962 - (BGBl I S. 492, BStBl I 1962 S. 997).

Die Revisionsbeklagte betreibt den Gerüstbau. Sie erwarb 1963 ein vollständiges Kupplungsgerüst von 23.300 qm für 108.621,25 DM. In den ihr erteilten Teilrechnungen waren die Preise für die einzelnen Gerüstteile mit weniger als 600 DM angegeben. Der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage wurde abgelehnt. Der Einspruch blieb erfolglos.

Auf die Berufung gewährte das Verwaltungsgericht (VG) die Investitionszulage. Für die Frage, ob ein Gegenstand, der sich aus mehreren Teilen zusammensetze, ein einheitliches Wirtschaftsgut bilde, seien in erster Linie betriebliche Gesichtspunkte maßgebend (Urteil des BFH I 13/61 U vom 28. Februar 1961, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 73 S. 318 - BFH 73, 318, BStBl III 1961, 383). Es könne also nicht lediglich auf die rein technische Funktion der einzelnen Gegenstände abgestellt werden. Maßgebend sei danach, ob ein Gegenstand als einheitliches Ganzes in Erscheinung trete (BFH- Urteil I 20/162 U vom 27. März 1963, BFH 76, 837, BStBl III 1963, 304 und I 286/56 S vom 16. Dezember 1958, BFH 68, 198, BStBl III 1959, 77). Auch die Verkehrsauffassung beurteile, wie in den vorgenannten BFH-Urteilen ausgeführt werde, die Frage nach dem einheitlichen Wirtschaftsgut nach diesen Gesichtspunkten. Die Dauer der Verbindung einzelner Teile zu einem Gegenstand, der im Rahmen der betrieblichen Funktionen als ein einheitliches Ganzes in Erscheinung trete, sei von untergeordneter Bedeutung. Auch eine Verbindung für nur kurze Zeit könne zur Annahme eines einheitlichen Ganzen ausreichen, sofern der bestimmungsgemäße und für den einzelnen Betrieb erforderliche Zweck eine solche Verbindung erfordere (BFH-Urteil I 13/61 U). Der BFH habe bereits im Urteil I 84/56 U vom 18. Dezember 1956 (BFH 64,70, BStBl III 1957, 27) entschieden, daß es sich bei technisch aufeinander abgestimmten und genormten Schalungsteilen nicht um selbständig bewertbare und nutzbare Wirtschaftsgüter handle, weil bei jeder Nutzung eine Zusammenfügung der einzelnen Teile erforderlich sei. Für die einzelnen Teiles eines Gerüstes könne nichts anderes gelten. Es komme auch nicht darauf an, ob die erworbenen Gerüstteile zusammen mit bereits vorhandenen Teilen in der Weise verwendet werden, daß ein Gerüst teilweise aus vorhandenen, teilweise aus neu erworbenen Gerüstteilen zusammengesetzt werde. Denn das 1963 erworbene Gerüst sei der Art und Größe nach geeignet, für selbständige Bauaufgaben verwendet zu werden. Dieser Verwendungszweck müßte bei der Bewertung ausschlaggebend sein. Andernfalls könnten derartige Wirtschaftsgüter überhaupt nicht durch Gewährung einer Investitionszulage begünstigt werden. Ob bei typischen Ergänzungsbeschaffungen anders zu entscheiden wäre, könne dahingestellt bleiben, da es sich im Streitfall nicht um eine solche Ergänzungsbeschaffung handle.

Mit der Rb. wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung, der das Einkommensteuerrecht beherrsche und auch bei Gewährung der Investitionszulage anzuwenden sei, komme es nur darauf an, ob Wirtschaftsgüter nach allgemeiner Verkehrsanschauung einer besonderen selbständigen Bewertung zugänglich seien, nicht dagegen darauf, ob sie auch einer selbständigen Nutzung fähig seien. Das einzelne Gerüstteil sei selbständig bewertungsfähig. Es sei allerdings nicht selbständig nutzungsfähig, verliere aber dadurch nicht seine selbständige Bewertungsfähigkeit. Die Bezugnahme auf die Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 sei verfehlt, weil dort zusätzlich auf die selbständige Nutzungsfähigkeit abgestellt sei. Es müsse auch bezweifelt werden, ob das was die Revisionsbeklagte als "Gerüst" bezeichne, ein einheitliches Gerüst im Sinne der erwähnten Rechtsprechung sei.

Die Revisionsbeklagte beantragt Zurückweisung der Rb. Nach der Entstehungsgeschichte des BHG müsse angenommen werden, daß der Gesetzgeber beabsichtigt habe, alle Erwerbe durch Gewährung einer Investitionszulage zu begünstigen, die nicht bereits durch § 6 Abs. 2 EStG erfaßt würden. Wenn die reibungslose Verbindung zwischen den beiden Vorschriften auch erst mit dem § 19 Abs. 2 BHG 1964 gelungen sei, könne das nicht dazu führen, für die vorhergehende Zeit anders zu entscheiden. Im übrigen sei das einzelne Gerüstteil wohl eine "Sache" aber kein "Wirtschaftsgut". Nicht auf die einzelnen Teile, die kein Eigenleben und keinen Bestand haben könnten, sondern nur auf das Wirtschaftsgut "Gerüst im Ganzen" komme es an.

 

Entscheidungsgründe

Die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. des Finanzamts (FA) ist nicht begründet.

Für die Entscheidung des Streitfalls maßgebend ist § 21 BHG 1962. Danach können Unternehmer im Sinne des § 2 UStG, die in Berlin (West) einen Betrieb (eine Betriebstätte) haben, für die nach dem 30. Juni 1962 und vor dem 1. Januar 1955 angeschafften oder hergestellten abnutzbaren und beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage von 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter erhalten. Nach § 21 Abs. 2 BHG 1962 wird die Investitionszulage nur gewährt für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter, die zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) in Berlin (West) gehören und mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem solchen Betrieb (einer solchen Betriebstätte) verbleiben. Für Personenkraftfahrzeuge und für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 600 DM nicht übersteigen, wird eine Investitionszulage gewährt.

Die Terminologie des § 21 BHG 1962 entspricht derjenigen des EStG. Es liegt deshalb nahe, bei der Auslegung der Vorschrift, insbesondere der Umschreibung der in ihr verwendeten Begriffe, an die Auslegung des EStG anzuknüpfen, ohne daß es aber zwingend geboten wäre, die Auslegung vergleichbarer einkommensteuerlicher Vorschriften in allen Einzelheiten zu übernehmen.

Der in § 21 BHG 1962 verwendete Begriff des Wirtschaftsguts ist offenbar dem Einkommensteuerrecht entnommen (vgl. §§ 6, 7, 7 a EStG). Dieser Begriff ist weder im EStG noch in der EStDV umschrieben. Der Begriff ist in ständiger Rechtsprechung weit ausgelegt worden. Unter dem von der Rechtsprechung entwickelten Begriff des Wirtschaftsguts ist ein im wirtschaftlichen Verkehr nach der Verkehrsanschauung selbständig bewertbares Gut jeder Art zu verstehen, das in irgendeiner Form dem Betrieb dient oder zu dienen bestimmt ist. Die Wirtschaftsgüter in diesem Sinn umfassen Gegenstände, Recht und alle sonstigen wirtschaftlichen Wert, die geeignet sind, Vermögen oder Bestandteile von Vermögen zu sein. Im Sinn des Einkommensteuerrechts sind Wirtschaftsgüter aber nur solche körperlichen und unkörperlichen Werte, die nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts bilanzierungsfähig sind (BFH-Urteil IV 255/53 U vom 28. Januar 1954, BFH 58, 516, BStBl III 1954, 109).

Besonderheiten gelten im EStG für der Abnutzung unterliegende Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von nicht mehr als 600 DM (bei Anschaffung oder Herstellung nach dem 31. Dezember 1964 nicht mehr als 800 DM: Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten solcher Wirtschaftsgüter können nach § 6 Abs. 2 EStG im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Der Kreis der unter § 6 Abs. 2 EStG fallenden Wirtschaftsgüter ist aber vom Gesetz eingeschränkt worden: Die Vorschrift ist nur anwendbar auf solche Wirtschaftsgüter der bezeichneten Art, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind.

Die selbständige Bewertungsfähigkeit dürfte Voraussetzung für die Annahme eines Wirtschaftsguts "an sich" sein. Es ließe sich auch der Standpunkt vertreten, daß die selbständige Nutzungsfähigkeit zum Begriff des Wirtschaftsguts schlechthin - ohne Rücksicht auf die Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten - gehöre (so auch Hoffmann, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1963 Spalte 613, 615). Das würde aber eine Einengung des Begriffs "Wirtschaftsgut" bedeuten, die im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung stehen würden und abzulehnen ist (ebenso BFH-Urteil I 13/61 U vom 28. Februar 1961, BFH 73, 318, BStBl III 1961, 383). Es muß deshalb angenommen werden, daß die selbständige Nutzungsfähigkeit eine zusätzliche Voraussetzung für die Anwendung des § 6 Abs. 2 EStG ist.

Die Rechtsprechung hat in sinnvoller Auslegung des § 6 Abs. 2 EStG den Begriff der "selbständigen Nutzungsfähigkeit" eingeengt. Das geschah, um zu vermeiden, daß durch geschickte Manipulationen Gegenstände in ihre letztmöglichen technischen Einzelteile zerlegt werden könnten und hierdurch eine weitgehende Atomisierung des Begriffs "Wirtschaftsgut" erreicht würde (BFH-Urteil I 13/61 U). Die Rechtsprechung hat zu diesem Zweck den Begriff der "Sachgesamtheit" entwickelt, an dessen Stelle später - ohne daß eine sachliche änderung der Anwendung eingetreten wäre - der Begriff des "einheitlichen Ganzen" getreten ist. Ein Wirtschaftsgut ist hiernach einer selbständigen Nutzung nicht fähig, wenn es mit einem anderen Wirtschaftsgut derart verbunden ist, daß es nur zusammen mit dem anderen Wirtschaftsgut, als dessen Teil es sich darstellt, genutzt werden kann. Dabei kommt es auf die bestimmungsgemäße und für den einzelnen betrieblichen Zweck erforderliche Verbindung an. Eine einheitliche Zweckbestimmung mehrerer Wirtschaftsgüter genügt nicht, um eine solche Einheit anzunehmen (BFH-Urteil I 201/62 U). Bedeutsam für die Annahme eines einheitlichen Ganzen ist, ob nach außen ein solches einheitliches Ganzes in Erscheinung tritt. Eine ein einheitliches Ganzes begründende und damit die selbständige Nutzungsfähigkeit der einzelnen Teile ausschließende Verbindung ist schon dann anzunehmen, wenn durch die Trennung nur einer der Teile seine Nutzungsfähigkeit im Betrieb verliert (BFH-Urteil I 286/56 S). Der Annahme eines einheitlichen Ganzen steht es nicht entgegen, wenn die Verbindung der einzelnen Gegenstände nur für eine vorübergehende Zeit vorgenommen wird und die einzelnen Gegenstände später wieder getrennt und in anderer Zusammensetzung erneut verwendet werden (BFH-Urteil I 286/56 S). Eine Sachgesamtheit bzw. ein einheitliches Ganzes ist von der Rechtsprechung des BFH unter Anwendung dieser Grundsätze u. a. angenommen worden für eine Neonbeleuchtung (Urteil I 133/56 U vom 5 Oktober 1956, BFH 63, 465, BStBl III 1956, 376), für Wassermesser (Urteil I 191/56 U vom 30. Oktober 1956, BFH 64, 17, BStBl III 1957, 7), für Gerüst- und Schalungsteile im Baugewerbe, die aufeinander abgestimmt sind (Urteil I 84/56 U, für Hausanschlüsse eines Versorgungsunternehmens (Urteil I 91/56 U vom 13. August 1957, BFH 65, 533, BStBl III 1957, 440) für Webstühle und mit ihnen technisch verbundenen Motoren (Urteil I 286/56 S) und für die mit Werkzeugmaschinen zu verbindende Bohrer, Fräser, Drehstühle und ähnliche Werkzeuge (Urteil I 13/61 U).

Die einschränkende Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 wurde nach der Begründung zur Einfügung des § 14 e durch das änderungsgesetz vom 26. Juli 1962 (BGBl I S. 481, BStBl I 1962 S. 986) - und dem in neuer Paragraphen-Folge bekanntgemachten BHG § 21 - (Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, 14. Ausschuß, des Bundestages (4. Wahlperiode) zu Drucksache IV/538 Ziff. 8) aufgenommen, "weil die Anschaffungskosten für diese Anlagegüter nach § 6 Abs. 2 EStG in voller Höhe sofort als Betriebsausgaben abgeschrieben werden können". Der Gesetzgeber hatte also eine Verzahnung beider Vorschriften derart beabsichtigt, das bei den der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sofern die übrigen Voraussetzungen des § 21 BHG 1962 vorliegen, nicht Investitionszulage und Bewertungsfreiheit nebeneinander, wohl aber entweder (bei Anschaffungs- oder Herstellungskosten über 600 DM) eine Investitionszulage zu gewähren oder aber (bei Anschaffungskosten von nicht mehr als 600 DM) Bewertungsfreiheit gegeben sein sollte.

Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn der Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 und der Wortlaut des § 6 Abs. 2 EStG gegenübergestellt werden, weil dann beide Vergünstigungen entfallen würden für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von nicht mehr als 600 DM, die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht selbständig nutzungsfähig sind. Durch die änderung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG in Ziff 11 des Gesetzes zur änderung und Ergänzung des BHG und des Gesetzes über Steuererleichterungen und Arbeitnehmervergünstigungen in Berlin (West) vom 29. Juli 1964 (BGBl I S. 534, BStBl I 1964 S. 505) wurde sein Wortlaut dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 EStG angeglichen. Nunmehr wird bestimmt, daß nur für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 600 DM nicht übersteigen und die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind, eine Investitionszulage nicht gewährt wird.

Eine sinnvolle Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 erfordert aber eine Angleichung der Anwendungsbereiche des § 21 Abs. 2 BHG 1962 und des § 6 Abs. 2 EStG unabhängig von der formalen Gesetzesänderung. Dies ist um so mehr geboten, als der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 EStG durch die angeführte im Schrifttum teilweise ablehnend beurteilte Rechtsprechung über die "Sachgesamtheit" bzw. das "einheitliche Ganze" eingeschränkt worden ist (vgl. hierzu Littmann, Einkommensteuerrecht, 8. Auflage, Rd. Nr. 618 zu § 6 EStG) und bei der Unterlassung einer übernahme dieser Grundsätze für die Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 eine Angleichung der Anwendungsbereiche beider Vorschriften in befriedigender Weise nicht herbeigeführt werden kann.

Bei sinnvoller Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 ist diese Vorschrift hiernach nur anzuwenden auf Wirtschaftsgüter, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind, wobei zur Entscheidung der Frage, wieweit diese Voraussetzungen gegeben sind, die für die Anwendung des § 6 Abs. 2 EStG von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sinngemäß anzuwenden sind. Eine solche Auslegung begrenzt die die Gewährung einer Investitionszulage einschränkende Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 auf denjenigen Anwendungsbereich, der ihr nach der Absicht des Gesetzgebers zukommen sollte. Der Gesetzgeber hat, wie sich aus der angeführten Begründung zum jetzigen § 21 Abs. 2 BHG 1962 klar ergibt, an Fälle, in denen entgegen seiner Absicht sowohl die Investitionszulage als auch die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG entfällt, bei Verabschiedung des Wortlauts der bezeichneten Vorschrift nicht gedacht; denn er hatte ein lückenloses Ineinandergreifen beider Vorschriften beabsichtigt. In solchen Fällen ist es Aufgabe des Richters, den wirklichen Sinn des Gesetzes zu ermitteln und diesem gegenüber dem Wortlaut den Vorzug einzuräumen (Urteil des Senats IV 561/53 U vom 2. September 1954, BFH 59, 237, BStBl III 1954, 302). Wie der Gesetzgeber bei Kenntnis der dargestellten Sachlage die Regelung getroffen hätte, ergibt sich aus der angeführten änderung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 im änderungsgesetz vom 29. Juli 1964: Ausschluß der Investitionszulage nur bei Wirtschaftsgütern mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von nicht mehr als 600 DM, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind. Der Senat legt § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 deshalb in dieser Weise aus und hält es für geboten, für die Abgrenzung dieser Voraussetzungen die angeführte Rechtsprechung des § 6 Abs. 2 EStG anzuwenden.

Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt die Prüfung der Revision folgendes:

Die Vorinstanz hat unangefochten festgestellt, daß die Investitionszulage für ein "komplettes Kupplungsgerüst von ca. 2.300 qm" begehrt wird. Es handelt sich danach um eine größere Anzahl von einzelnen Gerüstteilen, die aufeinander technisch abgestimmt sind. Jedes Teil kann für die Herstellung eines einem bestimmten Verwendungszweck angepaßten Gerüstes danach nur in Verbindung mit anderen Teilen verwendet werden. Das einzelne Gerüstteil ist in dem Betrieb des Revisionsbeklagten nicht selbständig nutzbar. Die Gesamtheit der erworbenen Gerüstteile, die nach den Feststellungen der Vorinstanz zu einem Kupplungsgerüst von 2.300 qm zusammengefügt werden können, aber zweifellos auch zur Herstellung von Gerüsten mit geringerer Fläche Verwendung finden können, tritt hiernach im Betrieb der Revisionsklägerin nur als einheitliches Ganzes in Erscheinung. Der Erwerb eines solchen Kupplungsgerüstes ist dem Erwerb genormter Rüstungs- und Schalungsteile vergleichbar. Für diese Gegenstände hat der BFH im Urteil I 84/56 U das Vorliegen einer Sachgesamtheit angenommen, was nach der Terminologie der angeführten späteren Rechtsprechung dem Begriff des einheitlichen Ganzen entspricht.

Die Vorinstanz hat hiernach in zutreffender Weise die von der Revisionsbeklagten beantragte Investitionszulage zuerkannt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412209

BStBl III 1967, 59

BFHE 1967, 180

BFHE 87, 180

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