Macht der Arbeitgeber von seinem ohnehin begrenzten Fragerecht bei Einstellungen keinen Gebrauch, so trifft den Bewerber nur in Ausnahmesituationen eine Rechtspflicht, bestimmte Umstände auch ungefragt offenzulegen. Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen, die eine Anfechtung des Arbeitsvertrags gemäß § 123 BGB rechtfertigen kann, liegt dann vor, wenn der Bewerber elementare Anforderungen des vorgesehenen Arbeitsplatzes nicht erfüllt, deren Bedeutung für die Entscheidung zu seiner Einstellung jedoch offenkundig ist.[1]

Davon kann nur ausgegangen werden, wenn die betreffenden Umstände entweder dem Bewerber die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich machen oder für die Eignung für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind.[2]

Die Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers korrespondiert mit dem Fragerecht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer ist nur verpflichtet, für die Einstellung erhebliche Tatsachen zu offenbaren, nach denen der Arbeitgeber auch hätte fragen dürfen. Es gibt jedoch nicht im umgekehrten Fall eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers immer schon dann, wenn ein Fragerecht besteht. Eine Offenbarungspflicht besteht nur in sehr seltenen Fällen. Es muss sich jeweils um Situationen handeln, in denen das Interesse des Arbeitgebers, von dem Umstand zu erfahren, so groß ist, dass der Arbeitnehmer nicht nur auf entsprechende Fragen wahrheitsgemäß antworten muss, sondern ungefragt die Information preiszugeben hat.[3] So muss der Bewerber ein bestehendes Wettbewerbsverbot auch ungefragt offenbaren – selbst wenn er sich nicht daran halten will –, da die Gefahr besteht, dass sein alter Arbeitgeber das Wettbewerbsverbot gegen ihn durchsetzt.[4]

[3] Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK, Stand: 1.9.2020, § 611a BGB, Rz. 105.
[4] Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK, Stand: 1.9.2020, § 611a BGB, Rz. 118.

3.1 Offenbarung der Schwangerschaft

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass erst nach Einstellung einer Arbeitnehmerin bekannt wird, dass diese bei Abschluss des Arbeitsvertrags bereits schwanger war und dies auch wusste, diese Tatsache also bewusst verschwiegen hat.

Nach § 15 Abs. 1 MuSchG soll eine werdende Mutter ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber zwar anzeigen. Selbst im bestehenden Arbeitsverhältnis ist die werdende Mutter jedoch im Regelfall nicht verpflichtet, das Bestehen der Schwangerschaft mitzuteilen. Die gesetzliche Fassung als Sollvorschrift beruht auf der Achtung des Persönlichkeitsrechts der Frau. Obwohl die Gesundheit von Mutter und Kind an sich eine frühzeitige Unterrichtung des Arbeitgebers nahe legt, soll die Arbeitnehmerin nicht zur Offenbarung ihrer Schwangerschaft gezwungen sein.[1]

Das BAG hatte zwar früher noch eine Offenbarungspflicht angenommen, wenn zur geschuldeten Arbeitsleistung Tätigkeiten gehörten, die die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden oder nach dem Mutterschutzgesetz verboten sind.[2] Diese Rechtsauffassung ist aber überholt, nach der heute gültigen Rechtsprechung des EuGH und des BAG besteht kein Fragerecht des Arbeitgebers nach einer Schwangerschaft mehr (s. o.).

Eine Offenbarungspflicht über eine Schwangerschaft besteht nicht. Die Arbeitnehmerin hat ein Recht zur Lüge, falls sie dennoch gefragt wird.

3.2 Offenbarung von Gesundheitszustand, Erkrankungen

Eine allgemeine Offenbarungspflicht über ausgeheilte oder akute Erkrankungen besteht nicht. Auch eine lediglich latente Gesundheitsgefährdung ist nicht offenbarungspflichtig. Die Interessen des potenziellen Arbeitgebers sind dadurch geschützt, dass er unter den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen im Einstellungsgespräch die erforderlichen Fragen nach dem Gesundheitszustand stellen kann (s. o.). Offenbarungspflichtig sind ausnahmsweise solche Erkrankungen, die den Arbeitnehmer wegen der Ansteckungsgefahr oder der Schwere der Erkrankung an der Erbringung der Arbeitsleistung dauerhaft hindern. Dies kann z. B. bei einer Aids-Erkrankung oder HIV-Infektion der Fall sein.[1] Die Offenbarungspflicht besteht danach zumindest bei schwerwiegenden Erkrankungen für Heilberufe und beim Umgang mit Lebensmitteln, im Friseurberuf, bei Floristen und im Optikergewerbe, soweit es im Rahmen dieser Tätigkeiten zu einer Ansteckung kommen kann (z. B. Anpassung von Kontaktlinsen).

[1] S. unter Abschn. 2.2.6. Fragerecht nach Aids-Erkrankung und HIV-Infektion.

3.3 Offenbarung der Schwerbehinderteneigenschaft

Für den Bereich der Schwerbehinderung bestand sowohl in der arbeitsrechtlichen Literatur als auch in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass der Mensch mit Schwerbehinderung von sich aus nicht über die bestehende Behinderung aufklären muss, soweit ihm die Tätigkeit dadurch nicht unmöglich gemacht wird.[1] Spätestens seit Geltung des Diskriminierungsverbots für schwerbehinderte Bewerber und Mitarbeiter gemäß § 164 Abs. 2 SGB IX und dem AGG sowie aufgrun...

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