Um eine Doppelversicherung in der Rentenversicherung und in einem Versorgungswerk zu vermeiden, können sich die Pflichtmitglieder nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung befreien lassen, wenn

  • am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
  • für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind, und
  • aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

1.1 Besondere Personengruppen

1.1.1 Recht der Syndikusrechtsanwälte

Rechtsanwälte, die ihren Beruf als Angestellte eines anderen Rechtsanwalts oder einer rechtsanwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft ausüben, können sich von der Rentenversicherung befreien lassen und einer berufsständischen Versorgungseinrichtung angehören.

Mit Wirkung zum 1.1.2016 wurde geregelt, dass angestellte Volljuristen bei anderen Arbeitgebern ihren Beruf als Rechtsanwalt ausüben, sofern sie im Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte).[1]

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt

Für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist zunächst die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erforderlich. Über diesen Zulassungsantrag entscheidet die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer.

Eine für die Befreiung notwendige anwaltliche Tätigkeit liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch folgende fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten sowie durch folgende Merkmale geprägt ist:

  • die Prüfung von Rechtsfragen – einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts – sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten,
  • die Erteilung von Rechtsrat,
  • die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbstständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten und
  • die Befugnis, nach außen aufzutreten.[2]

Entscheidung durch die Rechtsanwaltskammer

Die Entscheidung über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgt durch die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer erst nach Anhörung des Rentenversicherungsträgers. Die Entscheidung ist zu begründen und dem Antragsteller sowie dem Rentenversicherungsträger zuzustellen. Beiden steht gegen die Entscheidung der Klageweg vor den Anwaltsgerichten offen.[3]

Ist die Zulassungsentscheidung der Rechtsanwaltskammer erfolgt und rechtskräftig, kann die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt werden. Der Rentenversicherungsträger ist an die bindend gewordene Zulassungsentscheidung gebunden. Daher beschränkt sich das Befreiungsverfahren auf die Feststellung der weiteren Voraussetzungen einer Befreiung.

[1] Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung v. 21.12.2015 i. V. m. § 231 Abs. 4 SGB VI.

1.1.2 Geringfügig entlohnte Beschäftigungen

Bei Mitgliedern berufsständischer Versorgungswerke, die von der Rentenversicherungspflicht befreit worden sind und eine geringfügig entlohnte Beschäftigung aufnehmen, gilt bei Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit Folgendes:

Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht greift nicht "automatisch". Auch wenn die geringfügig entlohnte Beschäftigung in einem Kammerberuf ausgeübt wird, ist ein zusätzlicher Antrag auf Befreiung zu stellen.[1]

Handelt es sich dagegen bei der geringfügig entlohnten Beschäftigung um eine berufsfremde Beschäftigung, besteht im Falle des Verzichts auf die Rentenversicherungsfreiheit in einer vor dem 1.1.2013 aufgenommenen Beschäftigung Versicherungspflicht in der Rentenversicherung weiter. Eine nach dem 31.12.2012 aufgenommene Beschäftigung ist ebenfalls rentenversicherungspflichtig, wenn keine Befreiung als Minijobber beantragt wird.

 
Praxis-Beispiel

Minijob als Nebentätigkeit – Mitglied berufsständischer Versorgungswerke

Die Apothekerin F. Müller arbeitet bei der "Apotheke mit Herz" gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 3.100 EUR. Sie ist wegen Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk von der Rentenversicherungspflicht in der Hauptbeschäftigung befreit (Personengruppe 101, Beitragsgruppe 1011). Folgende Fallkonstellationen sind für die Meldungen und Entgeltabrechnung zu unterscheiden:

 
Art der Beschäftigung Personengruppe Beitragsgruppe
Berufsfremde Nebenbeschäftigung als Angestellte oder Nebenbeschäftigung als Apothekerin, Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Minijobber, monatlich 200 EUR 109 6500
Nebenbeschäftigung als Apothekerin Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Mitglied einer Berufsständischen Versorgung, monatlich 200 ...

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