Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bei verspäteter Rentenantragstellung, Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers nach § 115 Abs 6 SGB VI.

 

Orientierungssatz

Bei objektiv nicht vorhandener Eignung ergibt sich aus § 115 Abs. 6 SGB VI keine Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, auf die Möglichkeit eines Leistungsbezuges durch rechtzeitige Antragstellung hinzuweisen. Allein aus dem Unterlassen einer dezidierten Eignungsprüfung ist kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch für einen fiktiven Antragszeitpunkt herzuleiten, wenn objektiv gar keine Eignung des Falles für einen solchen Hinweis bestanden hat.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.02.2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der Altersrente der Klägerin streitig.

Die 1936 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Türkei.

Mit Schreiben vom 19.05.2006 wandte sich der Bevollmächtigte der Klägerin am 22.05.2006 an die Beklagte zu 1) und stellte für die Klägerin einen Antrag auf Regelaltersrente. Die Klägerin habe im Zeitraum von 1963 bis 1980 in B-Stadt gelebt und teilweise versicherungspflichtig gearbeitet. Ihre Versicherungsunterlagen habe sie verloren; sie verfüge nur noch über eine Mitgliedskarte der AOK Hessen aus der eine Beschäftigung von 1963 bis 1966 ersichtlich sei. Außerdem seien im Jahr 1965 und im Jahr 1969 Kinder der Klägerin in Frankfurt geboren worden. Die Klägerin habe auch in der Türkei versicherungspflichtig gearbeitet. Es sei auch bereits eine Anfrage an den türkischen Versicherungsträger gestellt worden und von dort vermutlich an die Beklagte zu 1) weitergeleitet worden, wobei über eine Bearbeitung oder eine Rückantwort der Klägerin nichts bekannt sei.

Von der Beklagten zu 2) wurde der Beklagten zu 1) auf Nachfrage am 26.07.2006 mitgeteilt, dass die Versicherungskarten der Klägerin bereits am 25.11.2005 an die Beklagte zu 1) versandt worden seien. Im November 2006 ging bei der Beklagten zu 1) eine formblattmäßige Bescheinigung des türkischen Versicherungsträgers ein, wonach die Klägerin vom 26.02.2001 bis 10.04.2001 sowie vom 01.06.2001 bis 30.01.2004 insgesamt 1.003 Tage Beitragszeiten (entspricht aufgerundet 34 Monaten) zum türkischen Sozialversicherungsträger gezahlt habe.

Im Folgenden wurde über den türkischen Versicherungsträger ein Formblattantrag der Klägerin auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung vorgelegt. Der Bevollmächtigte der Klägerin reichte außerdem den Antrag auf Feststellung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für ihre 1965 und 1969 geborenen Kinder S. und E. (E.) ein. Die Beklagte zu 1) erhielt eine Melderegisterauskunft, wonach die Kinder unter der Wohnanschrift der Klägerin bis 20.10.1980 in Deutschland gemeldet gewesen seien.

Mit Bescheid vom 07.05.2007 bewilligte die Beklagte zu 1) der Klägerin auf den Antrag vom 22.05.2006 hin ab 01.05.2006 Regelaltersrente in Höhe von laufend monatlich 149,94 Euro. Die Rente werde ab jetzt monatlich fortlaufend ausgezahlt und für den zurückliegenden Zeitraum ab Mai 2006 ergebe sich eine Nachzahlung von 2.087,96 Euro. Als persönliche Entgeltpunkte wurden für 68 Monate Beitragszeit 4,3508 Entgeltpunkte ermittelt unter Einbeziehung von Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung in Höhe von 1,9992 Entgeltpunkten. Für beitragsfreie Zeiten wurden zusätzlich 0,0738 Punkte ermittelt. Der Zugangsfaktor für eine Altersrente betrage regelmäßig 1,0. Für jeden Kalendermonat, für den die Rente wegen Alters trotz erfüllter Wartezeiten nach Vollendung des 65.Lebensjahres nicht in Anspruch genommen worden sei, erfolge eine Erhöhung des Zugangsfaktors um 0,005. Nachdem die Klägerin die Rente 58 Kalendermonate nicht in Anspruch genommen habe, ergebe dies eine Erhöhung um 0,290 (= 29 %). Die ermittelten Entgeltpunkte von 4,4246 Punkten seien daher mit diesem Faktor (1,0 + 0,290 = 1,290) zu vervielfältigen und würden nunmehr 5,7077 betragen.

Mit Schreiben vom 10.05.2007 legte die Klägerin am 14.05.2007 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein, ohne ihn näher zu begründen. Die Beklagte zu 1) erstellte auf Anforderungen des türkischen Sozialversicherungsträgers vom 25.06.2007 sowie vom 04.07.2007 einen entsprechenden Versicherungsverlauf. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2008 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch zurück. Nähere Angaben dazu, was an dem angefochtenen Bescheid beanstandet werde, seien nicht gemacht worden und bei der Überprüfung habe auch keine Unrichtigkeit festgestellt werden können.

Hiergegen hat die Klägerin am 08.09.2008 per Telefax Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Die angefochtenen Bescheide seien aufzuheben und die Beklagte zu 1) sei zu verpflichten, der Klägerin die Regelaltersrente rückwirkend ...

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