Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem nach 1936 geborenen DDR-Altübersiedler. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weder der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunionsvertrag (juris: WWSUVtr) vom 18.5.1990 noch der Einigungsvertrag (juris: EinigVtr) vom 31.8.1990, der hinsichtlich der Einzelheiten der Überleitung auf die Regelungen des SGB VI in der Fassung des RÜG verweist, enthalten ausdrücklich oder konkludent eine Aussage dahingehend, dass das FRG uneingeschränkt weiterhin auf Personen Anwendung finden sollte, die am 18.5.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten.

2. Die nachfolgend durch das Rü-ErG vom 25.6.1993 rückwirkend zum 1.1.1992 getroffene Änderung bestand nur darin, die Vertrauensschutzregelung ergänzend auf Versicherte der Jahrgänge vor 1937 zu begrenzen.

3. § 300 Abs 4 SGB VI bezieht sich nur auf tatsächlich bezogene Leistungen, nicht aber auf Rentenanwartschaften oder durch frühere Rechtslagen begründete Erwartungen.

4. "Versicherter" iS des § 259a SGB VI ist jeder nach dem SGB VI Versicherte. Ob neben der Versicherung nach dem SGB VI auch Versicherungsverhältnisse anderer Art bestehen oder bestanden haben, etwa bei einem früheren deutschen Versicherungsträger im Beitrittsgebiet, ist unerheblich.

5. Zu Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung.

 

Orientierungssatz

Die Regelungen zur Berechnung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Versicherten mit Beschäftigungszeiten in der früheren DDR mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet am 18.5.1990 begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BVerfG vom 13.12.2016 - 1 BvR 713/13).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.02.2022; Aktenzeichen B 5 R 283/21 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19. April 2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Überprüfungsverfahren die Berechnung der Altersrente des Klägers unter Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) auf die im Beitrittsgebiet zurückgelegte Beschäftigungszeiten.

Der 1949 geborene Kläger lebte bis März 1984 in der ehemaligen DDR. Nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland erkannte die Landesversicherungsanstalt Niederbayern Oberpfalz mit Bescheid vom 10.04.1984 Beschäftigungszeiten vom 01.09.1966 bis 30.09.1980 sowie Zeiten des Gewahrsams vom 04.10.1980 bis 01.06.1983 als Zeiten nach § 15 FRG an. Weitere Vormerkungsbescheide ergingen am 11.12.2000 durch die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie am 01.02.2005 und am 19.05.2011 durch die Beklagte. In den Vormerkungsbescheiden vom 01.02.2005 und vom 19.05.2011 wurden die Zeiten im Beitrittsgebiet nicht mehr nach dem FRG bewertet, sondern mit den im Sozialversicherungsausweis eingetragenen Entgelten berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 19.07.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit beginnend ab dem 01.04.2013, wobei die Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet im Zeitraum vom 01.09.1966 bis 19.08.1980 wie in den Vormerkungsbescheiden vom 01.02.2005 und 19.05.2011 mit Entgeltpunkten ausgehend von den im Sozialversicherungsausweis eingetragenen Entgelten bewertet wurden.

Gegen den Rentenbescheid legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er sich zum einen gegen den Abzug von Beiträgen zur Krankenversicherung wandte, da er nicht pflichtversichert sei. Zum anderen machte er eine abweichende Berechnung seiner Rente geltend und forderte die Berücksichtigung von Zeiten nach dem FRG.

Mit zwei Bescheiden vom 29.11.2013 berechnete die Beklagte die Altersrente neu und bewilligte dem Kläger einen Zuschuss zur Krankenversicherung. Hinsichtlich der Bewertung der Zeiten im Beitrittsgebiet wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 19.07.2013 zurück, da diese nach § 256a SGB VI zu erfolgen habe. Der Kläger falle nicht unter den in § 259a SGB VI genannten Personenkreis der Geburtsjahrgänge vor 1937, für den eine Bewertung nach dem FRG noch möglich sei. Mit Bescheid vom 19.05.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.04.2013 Altersrente für schwerbehinderte Menschen, weiterhin unter Berücksichtigung der Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet unter Anwendung der Regelungen in § 256a SGB VI. Mit Bescheid vom 26.05.2014 erfolgte ab 01.02.2014 eine Neuberechnung ohne Berücksichtigung eines Zuschusses zur gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 06.06.2014 stellte die Beklagte die Rente wegen Neubewertung einer Berufsausbildungszeit neu fest.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, die in der DDR zurückgelegten Rentenzeiten entsprechend dem Bescheid vom 10.04.1984 nach dem FRG zu berechnen. Dieser Bescheid sei bislang nicht aufgehoben und weiterhin bindend. Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Antrag auf Überprüfung und Rücknahme des Be...

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