Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Überprüfungsmaßstab. revisionsrechtlicher Überprüfungsmaßstab der Auslegung. Gesamtzusage. Regelungsabrede. Zwischenfeststellungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beurteilung, ob aus den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen eine betriebliche Übung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen entstanden ist oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung.

 

Orientierungssatz

  • Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine mit einer Kündigungsmöglichkeit versehene Betriebsvereinbarung abzuschließen und kommt diese nicht zustande und gewährt er dennoch über mehrere Jahre vorbehaltlos einzelne Leistungen, die in dem Betriebsvereinbarungsentwurf enthalten waren, kann er damit eine betriebliche Übung begründen. Diese steht jedenfalls nicht allein wegen der ins Auge gefassten Kündigungsmöglichkeit der Betriebsvereinbarung unter einem Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt.
  • Die Beurteilung der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen im Hinblick auf Inhalt und Reichweite einer betrieblichen Übung unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung.
 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 2; BGB §§ 133, 157, 611; ZPO § 256 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 02.06.2005; Aktenzeichen 16 Sa 184/05)

ArbG Berlin (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 7 Ca 17372/04)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 2. Juni 2005 – 16 Sa 184/05 – insoweit aufgehoben, als es den Feststellungsantrag abgewiesen hat.
  • Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2004 – 7 Ca 17372/04 – wird insgesamt zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Zahlungsverpflichtung 60,00 Euro brutto beträgt.
  • Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
  • Von den Kosten der ersten Instanz hat der Kläger 90 % und die Beklagte 10 % zu tragen, die Kosten der Berufung und der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über ein jährliches Treuegeld, dessen Zahlung die Beklagte seit dem Jahre 2004 verweigert.

Der 1948 geborene Kläger ist seit dem 1. Februar 1980 in dem Betrieb der jetzigen Beklagten in H… beschäftigt. Dieser gehörte bis zur “Wende” einem volkseigenen Betrieb, dessen Nachfolge-GmbH im Jahr 1994 durch Verschmelzung in der A… aufging, die ihrerseits zum AEG-Konzern gehörte. Die Gesellschaftsanteile der A… erwarb später die im Jahr 1996 gegründete AB GmbH. Diese wiederum firmierte im Jahr 1999 in D… GmbH um. Die Beklagte erwarb zum 1. Mai 2001 alle Gesellschaftsanteile an dieser Gesellschaft und führt sie seitdem unter der jetzigen Firmenbezeichnung.

Unter dem 30. Juni 1994 übersandte die Zentralabteilung Personal- und Sozialpolitik der Muttergesellschaft der A… dieser eine “Musterbetriebsordnung” (MuBO) mit folgendem Begleitschreiben:

“Hinweis für die Geschäftsführungen

Die Musterbetriebsordnung für die AEG Tochtergesellschaften in den neuen Bundesländern sowie die Anmerkungen hierzu sind das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Vorstand der AEG und einer Verhandlungsdelegation des Konzernbetriebsrates. Zum Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung ist es jedoch nicht gekommen, weil der Konzernbetriebsrat weitergehende Forderungen zu den ‘besonderen Leistungen an Mitarbeiter’ (MuBO 6) gestellt hat, die wir nicht erfüllen wollten und konnten.

Der Vorstand hat deshalb beschlossen, das Verhandlungsergebnis den Tochtergesellschaften mit Sitz in den neuen Bundesländern (Beitrittsgebiet) als Musterbetriebsordnung zur Verfügung zu stellen mit der Maßgabe, dass jede Tochtergesellschaft eine eigene Betriebsordnung herausgeben kann.

Die Betriebsordnungen der Tochtergesellschaften müssen dabei der Musterbetriebsordnung und den Anmerkungen wörtlich entsprechen. Die Betriebsordnung ist als Betriebsvereinbarung, die Anmerkungen sind als Regelabsprache mit dem Betriebsrat (ggf. Gesamtbetriebsrat) zu vereinbaren. …”

In der MuBO heißt es bezüglich der Unternehmen/Betriebe, die übernommen und in den AEG-Konzern eingegliedert worden sind:

“6.14 Dienstjubiläum

Folgende Dienstjubiläen werden gefeiert:

das 25. Jubiläum

das 40. Jubiläum

das 50. Jubiläum.

Am Tage der Jubiläumsfeier wird der Jubilar von der Arbeit freigestellt.

Zu den Jubiläen wird eine Sonderzahlung (Jubiläumsgeld) gewährt. Die Höhe des Jubiläumsgeldes wird wie folgt errechnet:

Für die vor der Eingliederung in den AEG Konzern verbrachte Dienstzeit werden folgende Beträge zeitanteilig gewährt:

zum 25. Dienstjubiläum DM 600,--

zum 40. Dienstjubiläum DM 900,--

zum 50. Dienstjubiläum DM 1.200,--

Für die nach der Eingliederung verbrachte Dienstzeit werden die Beträge nach der neuen Regelung – aber auch nur zeitanteilig – gezahlt.

Das Jubiläumsgeld gemäß Neuregelung beträgt

zum 25. Dienstjubiläum ein Monatseinkommen

zum 40. Dienstjubiläum zwei Monatseinkommen

zum 50. Dienstjubiläum drei Monatseinkommen.

…”

Unter Punkt 6.16 Treuegeld heißt es:

“6.16 Treuegeld

Bei langjährigen Dienstzeiten werden nachstehende Beträge einmal jährlich als Treuegeld gezahlt.

Mitarbeiter des Tarifkreises mit 20 bis 24 Dienstjahren erhalten

DM 100,--

Mitarbeiter des Tarif- und des AT-Kreises mit 26 bis 39 Dienstjahren erhalten

DM 375,--

Mitarbeiter des Tarif- und des AT-Kreises mit 41 und mehr Dienstjahren erhalten

DM 600,--

Die Auszahlung erfolgt jeweils mit der Mai-Abrechnung. Im Jubiläumsjahr wird Treuegeld nicht gezahlt.

…”

Die Betriebsvereinbarung sollte mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres kündbar sein.

Der Betriebsrat des Betriebes in H… unterzeichnete die ihm angebotene Betriebsvereinbarung nicht. Die A… und ihre Rechtsnachfolger gewährten aber den Arbeitnehmern des H… Betriebes Leistungen, die den Regelungen über das Dienstjubiläum und über das Treuegeld entsprachen.

Im Betrieb in H… sind auch Arbeitnehmer beschäftigt, die zuvor im S… Betrieb der AEG AG, Geschäftsbereich Bahntechnik tätig waren. Dieser Betrieb war am 1. September 1988 auf die A… W… GmbH übergegangen. In diesem Zusammenhang schlossen die Betriebsparteien des S… Betriebes eine Betriebsvereinbarung dahin gehend, dass bestehende örtliche Betriebsvereinbarungen durch den Betriebsübergang nicht berührt werden sollten und die zentralen Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen der AEG in der jeweils geltenden Fassung als Gesamtbetriebsvereinbarungen/Regelabsprachen bei der Betriebsübernehmerin weitergelten sollten. Unter den in der Anlage namentlich benannten Betriebsvereinbarungen ist ua. auch die Betriebsordnung genannt, die als Gesamtbetriebsvereinbarung galt. Sie entspricht der zuvor zitierten MuBO bezüglich der Jubiläumsgelder und Treuegelder.

Nach der Verschmelzung der A… W… GmbH mit der A… im Jahr 1994 legte die letztere den S… Betrieb im Jahre 1995 still. Zu diesem Zeitpunkt wechselten Arbeitnehmer zum Betrieb der A… in H… über. Wegen dieser Betriebsänderung vereinbarten die Betriebsparteien des S… Betriebes am 9./10. Januar 1995 einen Sozialplan, der in Ziff. 3 unter der Überschrift “Besitzstandswahrung zur Betriebsordnung” Folgendes regelt:

“Die Betriebsordnung der AEG Aktiengesellschaft (BO/A) wird in ihrer jeweils gültigen Fassung weiter angewendet. Dies gilt für die freiwilligen sozialen Leistungen wie für die Ordnungsvorschriften gleichermaßen.”

Die Geschäftsführung des Unternehmens erklärte am 17. Februar 1995 gegenüber den Arbeitnehmern:

“Mit der Eingliederung eines Mitarbeiters in den Betrieb H… hat er die für den Betrieb H… geltenden Ordnungsvorschriften zu beachten. Gleichzeitig verlieren die in der Betriebsordnung der AEG Aktiengesellschaft enthaltenen mitbestimmungspflichtigen Ordnungsvorschriften ihre Verbindlichkeit.

Die in der Betriebsordnung der AEG Aktiengesellschaft festgelegten freiwilligen sozialen Leistungen bleiben hiervon unberührt bestehen.”

Am 11. Januar 2002 schloss die jetzige Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat die Betriebsvereinbarung Nr. 86.1 “Rundungen auf glatte Eurobeträge”, in der unter Ziff. 3.5 “Treuegeld” festgelegt ist, dass im Mai des Jahres die Einmalbeträge bei 20 bis 24 Dienstjahren 60,00 Euro, bei 26 bis 39 Dienstjahren 200,00 Euro und bei 41 Dienstjahren aufwärts 300,00 Euro betragen.

Am 25. Juni 2003 schrieb die Beklagte an den Betriebsratsvorsitzenden:

“…

Kündigung der AEG Betriebsordnung

die unterschiedlichen Regelungen unserer freiwilligen Sozialleistungen führen in ihrer kaum noch zu überblickenden Vielfalt zu einer nicht mehr hinnehmbaren Ungleichbehandlung unserer Mitarbeiter an den Bombardier-Standorten.

Es ist das erklärte Ziel von Bombardier, ein Sozialleistungssystem zu installieren, welches den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt und den Bedürfnissen der Mitarbeiter besser Rechnung trägt.

Aus diesem Grunde sehen wir uns gezwungen, die oben genannte Betriebsvereinbarung fristgemäß zum 31. Dezember 2003 zu kündigen.

…”

Dieses Schreiben, das im Juni 2003 beim Betriebsrat einging, war spätestens im Dezember 2003 im Betrieb allgemein bekannt. Ab Januar 2004 zahlte die Beklagte an die Arbeitnehmer des H… Betriebes weder Treuegelder noch Jubiläumsgelder.

Am 1. Juni 2004 schrieb der Kläger, der seit dem Jahr 2000 ein jährliches Treuegeld erhalten hatte, der Beklagten:

“…

Es ist im Betrieb üblich, dass der Beschäftigte mit der Mai-Abrechnung den im Handbuch Personal- und Sozialpolitik Ausgabe B… … MuBO 6.16 Treuegeld festgeschriebenen Betrag von 100 DM, entsprechend Betriebsvereinbarung Nr. 86.1 ‘Rundungen auf glatte Euro-Beträge’ gleich 60 € ausgezahlt bekommt …

Hiermit mache ich meine Ansprüche aus der betrieblichen Übung geltend …”

Hierauf antwortete die Beklagte unter dem 8. Juni 2004:

“Eine Treuegeldzahlung … können wir Ihnen leider nicht gewähren. Die AEG Betriebsordnung wurde zum 31. Dezember 2003 gekündigt.

Wir bedauern, dass wir im Hinblick auf die Zielsetzung des Konzerns, Sozialleistungen weltweit zu harmonisieren, zu diesem Schritt gezwungen waren. Umfang und Ausgestaltung von Sozialleistungen muss sich an der jeweiligen wirtschaftlichen Situation des Konzerns orientieren. Wie Sie wissen, sind die Ergebnisse des Konzerns jedoch momentan alles andere als zufrieden stellend. … Die Entscheidung der Geschäftsführung zu den Sozialleistungen wird vor diesem Hintergrund als eine von vielen erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns gesehen. …”

Der Kläger ist der Ansicht, sein Anspruch ergebe sich aus betrieblicher Übung. Die einseitige Erklärung gegenüber dem Betriebsrat könne diese nicht beseitigen. Eine Betriebsvereinbarung sei genauso wenig wie eine Regelungsabrede jemals abgeschlossen worden, da der Betriebsrat in der MuBO eine ungerechtfertigte Schlechterstellung der Ost-Kollegen gesehen habe. Es treffe nicht zu, dass die Beklagte mit der Gewährung der Leistungen in H… lediglich die Arbeitnehmer mit denen anderer Betriebe habe gleichstellen wollen. So existiere im Betrieb in N… ein anderes Sozialleistungssystem mit anderen Jubiläumsgeldzahlungen. Den Inhalt der Musterbetriebsordnung habe der Kläger nicht gekannt. Er habe seine Ansprüche formuliert, nachdem den Arbeitnehmern über den Betriebsrat die gutachterliche Einschätzung bekannt geworden sei, wonach die Kündigung vom 25. Juni 2003 keinerlei Rechtswirkungen habe erzeugen können.

Der Kläger hält den Feststellungsantrag als Zwischenfeststellungsklage nach § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 256 Abs. 2 ZPO für zulässig. Er meint, die streitigen Leistungen seien auch für die Zukunft zu gewähren und dies könne festgestellt werden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 60,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2004 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn Treuegelder nach Maßgabe der Ziffer 6.16 der Muster-Betriebsordnung der AEG-Tochtergesellschaften in den neuen Bundesländern vom Juni 1994 in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung 86.1 vom 11. Januar 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, sie sei nicht verpflichtet, die Leistungen weiter zu gewähren. Eine betriebliche Übung habe nicht entstehen können, weil die Arbeitnehmer des Betriebes nicht hätten darauf vertrauen dürfen, künftig unverändert die in der Musterbetriebsordnung zugesagten Sozialleistungen zu erhalten. In den Betrieben, in denen eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden sei, habe sie sich durch eine Kündigung gegenüber dem Betriebsrat, also eine einseitige Erklärung, ohne Nachwirkung lösen können. Die Arbeitnehmer in H… hätten nicht davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte sich ihnen gegenüber stärker habe binden wollen als in den Betrieben, in denen eine Betriebsvereinbarung zustande gekommen sei. Eine möglicherweise anzunehmende Regelungsabrede habe nicht nachwirken sollen. Das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2003 habe offen gelassen, ob die Leistungen, die in der Musterbetriebsordnung geregelt waren, überhaupt je wieder gewährt werden würden. Die Beklagte habe keine bloße Veränderung der Verteilungsgrundsätze beabsichtigt und sie habe dies auch ausreichend verlautbart.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1 (versehentlich in Höhe von 200,00 Euro brutto) und dem Feststellungsantrag stattgegeben und hinsichtlich des zunächst ebenfalls verfolgten Anspruchs auf Jubiläumsgeld die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Den Zahlungsantrag für das Jahr 2004 in Höhe von 60,00 Euro brutto hat es für begründet erachtet und daher insoweit die Berufung zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt, wobei der Kläger seine Klageanträge weiterverfolgt und die Beklagte die Abweisung der Klage begehrt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war insoweit aufzuheben, als es den Feststellungsantrag abgewiesen hat. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts sowie die Revision der Beklagten sind zurückzuweisen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf 60,00 Euro Treuegeld für das Jahr 2004 zu. Der Feststellungsantrag für die Folgejahre ist zulässig und begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass dem Kläger zwar 60,00 Euro brutto nebst Zinsen für das Jahr 2004 zustünden, er jedoch für die Folgezeit keine Ansprüche mehr habe. Mangels Unterschrift durch beide Betriebsparteien sei eine Betriebsvereinbarung mit dem Inhalt der MuBO nicht zustande gekommen. Die unterzeichnete und nicht gekündigte Betriebsvereinbarung 86.1 “Rundungen auf glatte Eurobeträge” stelle keine Anspruchsgrundlage für die Zahlung des Treuegeldes dar, da hierin keine Ansprüche geregelt, sondern anderweit geregelte Ansprüche vorausgesetzt würden. Es sei aber eine betriebliche Übung durch die seit dem Jahr 1994 praktizierte Handhabung hinsichtlich der Treuegelder und die viermalige vorbehaltlose Zahlung an den Kläger seit dem Jahr 2000 entstanden. Allerdings dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die MuBO, wenn sie als Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden wäre, ohne betriebswirtschaftliche Notwendigkeit kündbar gewesen wäre. Es sei davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer des H… Betriebes der Beklagten die Mu-BO gekannt hätten, da sie dieser sowohl Voraussetzungen als auch die Höhe der Ansprüche entnommen hätten. Der Kläger habe also damit rechnen müssen, dass die Ansprüche wieder entfallen konnten. Allerdings habe die Kündigung gegenüber dem Betriebsrat nicht ausgereicht, vielmehr hätte die Beklagte den einzelnen Arbeitnehmern gegenüber erklären müssen, dass sie sich mit der in der Betriebsordnung vorgesehenen Frist von der betrieblichen Übung lösen wolle, was sie dem Kläger gegenüber erst durch Schreiben vom 8. Juni 2004 getan habe. Das Bekanntwerden der Kündigung vom 25. Juni 2003 im Betrieb reiche nicht aus.

Für die Folgezeit jedoch stehe dem Kläger kein Anspruch zu, weshalb der Feststellungsantrag abzuweisen sei. Eine Nachwirkung der MuBO nach § 77 Abs. 6 BetrVG, wenn sie als Betriebsvereinbarung abgeschlossen gewesen wäre, komme nicht in Betracht, da es sich um freiwillige Leistungen handele. Der Ausnahmefall, wonach eine Nachwirkung auch bei Regelungsgegenständen der freiwilligen Mitbestimmung infrage komme, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nicht völlig entfallen lassen, sondern lediglich ihr Volumen reduzieren wolle, sei nicht gegeben. Der Zielvorstellung, ein Sozialleistungssystem zu installieren, welches den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt und den Bedürfnissen der Mitarbeiter besser Rechnung trage, sei nicht zu entnehmen, welchen Inhalt ein etwaiges neues Sozialleistungssystem haben könne. Es handele sich um kaum mehr als eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung. Ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB komme nicht in Betracht, da es sich bei der Kündigungsmöglichkeit der MuBO nicht um eine Bestimmung in einem Formulararbeitsvertrag handele. Die Vorschrift lasse sich nicht auf die Beseitigung einer betrieblichen Übung übertragen, da hier bereits die Anspruchsbegründung eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit sei, die die grundsätzliche Erforderlichkeit übereinstimmender Willenserklärungen nach § 145 BGB zugunsten der Arbeitnehmer eingeschränkt habe.

II. Diesen Ausführungen folgt der Senat nur teilweise.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig gem. § 256 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Zwischenfeststellungsklage, für die ein besonderes Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich ist (BAG 25. Mai 2004 – 3 AZR 123/03 – AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11). Zweck dieser Feststellungsklage ist die Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf das dem gleichzeitig geltend gemachten Leistungsantrag zugrunde liegende Rechtsverhältnis und die tragenden Entscheidungsgründe. Das Rechtsschutzbedürfnis liegt regelmäßig in der Vorgreiflichkeit der Rechtsfrage. Der Kläger möchte auch zukünftig Treuegelder beziehen (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 256 Rn. 26).

2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf 60,00 Euro Treuegeld für das Jahr 2004 zu. Der Feststellungsantrag für die Folgejahre ist begründet (§ 611 BGB).

a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es keine kollektivrechtliche Grundlage für die Zahlung des Treuegeldes im H… Betrieb der Beklagten gab. Eine Betriebsvereinbarung ist nicht abgeschlossen worden (§ 77 Abs. 2 BetrVG). Sie scheiterte an den unterschiedlichen Vorstellungen der Betriebsparteien über die Behandlung der Mitarbeiter im Beitrittsgebiet. Auch eine Regelungsabrede, wie sie das Arbeitsgericht angenommen hat, ist nicht zustande gekommen. Eine solche – auch Betriebsabsprache genannte – Vereinbarung kann zwar formlos geschlossen werden, setzt jedoch ebenfalls übereinstimmende Willenserklärungen der Betriebsparteien voraus. Die Beklagte hat Anhaltspunkte für eine solche übereinstimmende Willensbildung nicht vorgetragen. Sie kann jedenfalls nicht im bloßen Schweigen der Betriebsräte zu der Anwendung der MuBO gesehen werden.

Dem Landesarbeitsgericht ist weiterhin darin zu folgen, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 86.1 keine eigenen Ansprüche begründet hat, sondern lediglich die Umstellung von DM auf Euro hinsichtlich anderweit entstandener Ansprüche regeln wollte.

b) Die Beklagte hat den Arbeitnehmern keine Gesamtzusage mit dem Inhalt der MuBO erteilt. Hierauf hatte sie sich erstinstanzlich berufen. Die Lösungsmöglichkeit durch Kündigung sei damit gleichzeitig erklärt worden.

aa) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung des in der Gesamtzusage enthaltenen Angebots wird nicht erwartet; ihrer bedarf es auch nicht. Das in der Gesamtzusage liegende Angebot wird gemäß § 151 BGB ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrages (BAG 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 55; 18. März 2003 – 3 AZR 101/02 – BAGE 105, 212 mwN). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis eines einzelnen Arbeitnehmers kommt es dabei nicht an (BAG 15. Februar 2005 – 9 AZR 116/04 – AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die unter einem Widerrufsvorbehalt stehende Gesamtzusage kann dann so widerrufen werden, wie sie erteilt worden ist (BAG 24. Januar 2006 – 3 AZR 583/04 –).

bb) Die Beklagte hat nicht vorgetragen, wann, in welcher Form bzw. unter welchen Umständen ihre Rechtsvorgängerinnen gegenüber den Arbeitnehmern erklärt haben, sich in Zukunft entsprechend der MuBO verhalten zu wollen. Es steht zwar fest, dass deren Inhalt zumindest teilweise im Betrieb bekannt war und dass die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen sich an ihren Inhalt gehalten haben. Eine bewusste und gezielte Bekanntgabe der MuBO ist aber nicht festgestellt. Sie ist auch nicht deshalb überflüssig geworden, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten die MuBO dem Betriebsrat zugeleitet hat. Ein solches Verhalten ersetzt nicht den für ein rechtsgeschäftliches Vertragsangebot erforderlichen Zugang einer solchen Willenserklärung bei den zu begünstigenden Arbeitnehmern.

Eine Umdeutung der beabsichtigten Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage, wie sie das Bundesarbeitsgericht im Falle einer unwirksamen Betriebsvereinbarung für möglich gehalten hatte (BAG 23. August 1989 – 5 AZR 390/88 –), kommt nicht in Betracht. Es ist keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden, auch keine unwirksame. Auch in einem solchen Fall wäre im Übrigen erforderlich gewesen, dass die Arbeitgeberin einen besonderen Verpflichtungswillen geäußert hätte, der über die Erklärung, eine Betriebsvereinbarung abschließen zu wollen, erkennbar hinausgegangen wäre. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte.

c) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch aus betrieblicher Übung auf das Treuegeld erworben hat.

aa) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers wird konkludent auf eine Willenserklärung geschlossen, die vom Arbeitnehmer gem. § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung auf Grund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gem. § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (BAG 30. Januar 2002 – 10 AZR 359/01 – EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2; 28. Juli 2004 – 10 AZR 19/04 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 257 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 2).

Dabei ist es unerheblich, ob der betreffende Arbeitnehmer selbst bisher schon in die Übung einbezogen worden ist (BAG 29. April 2003 – 3 AZR 339/02 –; 28. Juli 2004 – 10 AZR 19/04 – aaO). Eine Mitteilung über die an andere Arbeitnehmer erfolgten Zahlungen gegenüber den übrigen Arbeitnehmern ist ebenso wenig erforderlich, wie eine allgemeine Veröffentlichung im Betrieb. Es ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass derartige begünstigende Leistungen allgemein bekannt werden (BAG 27. Juni 2001 – 10 AZR 488/00 – EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 44). Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass auch er die Leistung erhält, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, gibt es nicht. Die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen aufgestellt worden. Bei anderen Sozialleistungen ist auf Art, Dauer und Intensität der Leistungen abzustellen. Wie lange die Übung bestehen muss, damit die Arbeitnehmer berechtigt erwarten können, dass sie fortgesetzt werde, hängt davon ab, wie häufig die Leistungen erbracht worden sind. Dabei kommt es auf die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke an. Ferner sind in die Bewertung der Relation von Anzahl der Wiederholungen und Dauer der Übungen auch Art und Inhalt der Leistungen einzubeziehen. Bei für den Arbeitnehmer weniger wichtigen Leistungen sind an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen zu stellen, als bei bedeutsameren Leistungsinhalten (BAG 28. Juli 2004 – 10 AZR 19/04 – aaO).

bb) Diese Voraussetzungen sind sämtlich erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen seit 1994 die MuBO vorbehaltlos angewandt haben. Auch der Kläger hatte die jährlich einmalige Leistung bereits viermal erhalten, bevor die Beklagte sie ihm verweigerte. Es haben alle Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen erfüllten, die Leistung über fast zehn Jahre erhalten, so dass auch die übrigen Arbeitnehmer davon ausgehen konnten, sie würden dieselben Leistungen bekommen, sobald sie ihrerseits die Voraussetzungen erfüllen. Dieser Anspruch ist zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse geworden, also auch desjenigen des Klägers.

d) Von dieser Leistungsverpflichtung konnte sich die Beklagte nicht durch einfache Erklärung lösen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass den Arbeitnehmern der vollständige Inhalt der MuBO bekannt war und dass sie aus der Kündigungsmöglichkeit einer Betriebsvereinbarung, wenn sie denn zustande gekommen wäre, auf einen eingeschränkten Verpflichtungswillen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen hätten schließen müssen. An diese Auslegung ist der Senat nicht gebunden.

aa) Inhalt und Reichweite einer betrieblichen Übung, die sich aus dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers ableitet, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Bisher ist der Senat davon ausgegangen, dass das Revisionsgericht nur zu prüfen habe, ob der angenommene Erklärungswert des tatsächlichen Verhaltens den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB entspreche und mit den Gesetzen der Logik und den allgemeinen Erfahrungssätzen vereinbar sei (vgl. BAG 19. Januar 1999 – 9 AZR 667/97 –; 16. Januar 2002 – 5 AZR 715/00 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; 16. April 1997 – 10 AZR 705/96 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 53 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 39). Der Dritte Senat hat erwogen, die betriebliche Übung unbeschränkt, wie eine typische Willenserklärung, zu überprüfen, die Frage aber offen gelassen (25. Juni 2002 – 3 AZR 360/01 – AP BetrAVG § 16 Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 3). Für eine volle revisionsrechtliche Überprüfung spricht der lang andauernde gleichförmige Charakter der betrieblichen Übung, der sich auf eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen bezieht. Aus diesem Grund wird auch bei einer Gesamtzusage eine uneingeschränkte revisionsrechtliche Überprüfung vorgenommen (BAG 21. Januar 2003 – 9 AZR 546/01 – EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 5). Der Neunte Senat neigt aus diesen Gründen dazu, eine volle revisionsrechtliche Überprüfung für möglich zu halten (20. Januar 2004 – 9 AZR 43/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 65 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 5). Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Eine betriebliche Übung wirkt auf alle Arbeitsverhältnisse. Individuelle Einzelheiten werden nicht verhandelt. Sie kommt daher ähnlich wie die Verwendung eines Formulararbeitsvertrages in die Nähe von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Auslegung revisionsrechtlich voll überprüfbar ist, wobei die zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen den Instanzgerichten obliegen.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat aus der Kündigungsmöglichkeit der MuBO geschlossen, dass die Beklagte die geregelten Leistungen habe widerrufen dürfen. Es hat damit einen Vorbehalt unterstellt, andererseits jedoch festgestellt, dass die Leistungen vorbehaltlos erbracht worden seien. Die Auslegung des Verhaltens der Arbeitgeberin ergibt jedoch nicht, dass sie einen Widerrufsvorbehalt oder den Vorbehalt einer freiwilligen Leistung oder ähnliches erklärt hat. Sie hat den Arbeitnehmern gegenüber die Leistungen ohne irgendwelche zusätzlichen oder einschränkenden Erklärungen – etwa Aushänge, Einzelschreiben oder Zusätze in Abrechnungen – gewährt. Sie hat in keiner Form Bezug genommen auf die MuBO mitsamt ihren Voraussetzungen oder Einschränkungen, sondern hat zu bestimmten Anlässen Geld gezahlt. Nur aus der tatsächlichen Gewährung konnten die Arbeitnehmer den Verpflichtungswillen der Arbeitgeberin erkennen, selbst wenn sie den Inhalt der MuBO kannten. Der Umstand, dass die Beklagte vorhatte, eine Kündigungsklausel in eine Betriebsvereinbarung aufzunehmen, wenn es denn zu einer solchen gekommen wäre, ersetzt nicht die ausdrückliche Erklärung eines Vorbehalts. Im Gegenteil kann daraus sogar geschlossen werden, dass die Arbeitnehmer das Verhalten der Arbeitgeberin so verstehen konnten, dass sie leisten wollte, obwohl sie mangels Betriebsvereinbarung nicht kündigen konnte. Sollte die Absicht der Arbeitgeberin, eine Betriebsvereinbarung kündigen zu können, als Vorbehalt ausreichen, würde der nicht abgeschlossenen Betriebsvereinbarung letztlich dieselbe Wirkung zukommen, wie einer zustande gekommenen Betriebsvereinbarung. Dies wäre nicht sachgerecht. Wer Betriebsvereinbarungen abschließt, weiß, dass einerseits deren Inhalt auf die Arbeitsverhältnisse unmittelbar einwirkt, dass aber andererseits die vereinbarten Leistungen durch abändernde Vereinbarungen beseitigt oder ersetzt werden können, ohne dass die Arbeitnehmer sich dagegen wehren könnten. Weil beide Betriebsparteien für gleich stark gehalten werden, wird dabei angenommen, dass die Richtigkeit gewährt ist und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Begründet der Arbeitgeber hingegen eine betriebliche Übung, die zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse wird, fehlt das Korrektiv der Verhandlungsparität. Der Arbeitgeber muss sich entscheiden, ob er sich in teilweise mühsame und langwierige Verhandlungen mit dem Betriebsrat begibt, um seine Vorstellungen durchzusetzen oder ob er mittels einer betrieblichen Übung einseitig vertragliche Ansprüche schafft, mit dem Risiko, sie sodann nicht mehr ohne weiteres beseitigen zu können. Er kann aber nicht die Vorteile der einen Gestaltungsweise mit denen der anderen verbinden. Entscheidet er sich für den auf die Einzelarbeitsverhältnisse vertraglich einwirkenden Weg, ist er daran gebunden. Will er eine betriebliche Übung beseitigen, braucht er dann abändernde Individualvereinbarungen oder -kündigungen oder zulässige ablösende Betriebsvereinbarungen. Es hätte der Rechtsvorgängerin der Beklagten freigestanden, im Jahr 1994 gar keine zusätzlichen Leistungen zu gewähren, bis der Betriebsrat sich zu einer Regelung verstanden hätte.

cc) Die Beklagte hat die betriebliche Übung durch einseitige Erklärung nicht beseitigen können. Sie hat auch keine gegenläufige betriebliche Übung geschaffen, da der Kläger und seine Arbeitskollegen der Absicht, die Leistungen einzustellen, unmittelbar widersprochen und ihre Ansprüche geltend gemacht haben. Auch eine Änderungsvereinbarung ausdrücklicher Art oder eine Änderungskündigung liegen nicht vor.

e) Es kann daher auch dahinstehen, ob aus dem Umstand, dass ein Teil der Arbeitnehmer im Betrieb H… die Leistungen aus dem Versetzungssozialplan erhalten hat, nämlich diejenigen, die aus dem Betrieb in S… in den Betrieb H… übergegangen sind, ein Gleichbehandlungsanspruch erwächst oder ob eine sachgemäße Gruppenbildung für eine Ungleichbehandlung vorliegt, wenn die Beklagte dem einen Teil der Belegschaft die Leistungen kollektivrechtlich gewähren muss, während sie bei einem anderen Teil nicht dazu verpflichtet ist.

Es kommt schließlich auch nicht darauf an, dass die Betriebsvereinbarung, wenn sie abgeschlossen worden wäre, nicht nachgewirkt hätte, da ihr Inhalt freiwillige Leistungen umfasste.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme derjenigen Kosten der ersten Instanz, die sich auf das dort geltend gemachte Jubiläumsgeld bezogen. Das Landesarbeitsgericht hatte den Streitwert für das Jubiläumsgeld mit 2.150,00 Euro für das Jahr 2005 abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 %, also 1.720,00 Euro, ermittelt, den Treuegeldzahlungsantrag mit 60,00 Euro und den Wert des Feststellungsantrages mit dem dreijährigen Treuegeldbetrag abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 %, also mit 144,00 Euro bewertet. Damit hat der Kläger 90 % der Kosten der ersten Instanz zu tragen, während er im Übrigen in vollem Umfang erfolgreich war und die Kosten die Beklagte zu tragen hat (§§ 91, 92, 97 ZPO).

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Schmidt, N. Schuster

 

Fundstellen

BAGE 2007, 360

DB 2007, 113

FA 2006, 333

FA 2006, 345

NZA 2006, 1174

AP, 0

EzA-SD 2006, 14

EzA

AUR 2006, 371

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