Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf einer Prokura

 

Leitsatz (redaktionell)

Widerruft der Arbeitgeber vertragswidrig eine Prokura, so kann er schadenersatzpflichtig werden oder der Arbeitnehmer außerordentlich kündigen. Der Arbeitnehmer kann aber nicht verlangen, daß ihm die Prokura wieder erteilt wird.

 

Normenkette

HGB §§ 49, 52; BGB § 611

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.08.1984; Aktenzeichen 10 Sa 1136/83)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.04.1983; Aktenzeichen 1 Ca 85/83)

 

Tatbestand

Der 46 Jahre alte Kläger war vom 1. März 1961 bis zum 28. Februar 1980 beim Bankhaus H & Co. GmbH, einem Tochterunternehmen der Beklagten, beschäftigt. Ihm waren die Aufgaben eines EDV-Leiters übertragen; ihm war Prokura erteilt. Als sich aufgrund finanzieller Schwierigkeiten organisatorische Änderungen und eine Stillegung des Bankhauses H & Co. GmbH abzeichneten, trat er mit Wirkung vom 1. März 1980 in die Dienste der Beklagten. In einem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 22. Februar 1980/12. April 1980 heißt es:

"1. Vertragsbeginn/Art der Tätigkeit

Der Mitarbeiter wird als Prokurist für das

Ressort Organisation/Bereich Planung mit

Wirkung vom 1. März 1980 angestellt.

Er ist verpflichtet, seine volle Arbeits-

kraft in den Dienst der Bank zu stellen.

Zur Ausübung einer Nebentätigkeit bedarf

er der schriftlichen Zustimmung der Bank.

Die Bank ist berechtigt, den Mitarbeiter

an einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz

oder Tätigkeitsort zu versetzen oder ihm

auch andere Aufgaben zu übertragen. Dabei

wird sie seine persönlichen Belange sowie

seine Fähigkeiten und Kenntnisse berück-

sichtigen."

In einem weiteren Schreiben vom 5. März 1980 sicherte die Beklagte zu, daß die Vordienstzeit voll angerechnet werde.

Bei der Beklagten war der Kläger vom März bis Dezember 1980 im Referat "SE Wertpapiere" als Sachbearbeiter und Gruppenleiter einer aus vier Personen bestehenden Gruppe eingesetzt. Von Januar bis September 1981 war er Sachbearbeiter im selben Referat. Ab Oktober 1981 war der Kläger zunächst im Referat Ausland und anschließend im Projekt Bildschirmtexte tätig. Unter dem 25. März 1983 schrieb ihm die Beklagte unter Bezugnahme auf Gespräche, daß sie mit Wirkung vom 1. April 1983 die Prokura widerrufe. Sie hoffe, daß er in Zukunft seine Arbeitsleistung wieder deutlich steigern könne, um wieder in qualifizierte Aufgaben hineinzuwachsen. Am 7. September 1983 wurde das Erlöschen der Prokura ins Handelsregister eingetragen.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihn schon von vornherein nicht entsprechend seinem Arbeitsvertrag beschäftigt. In der Folgezeit habe sie ihm systematisch geringerwertige Arbeit zugewiesen. Mit dem Entzug der Prokura verletze die Beklagte seine Rechte aus dem Arbeitsvertrag. Sein Arbeitsverhältnis werde inhaltlich geändert und ihm der Status eines leitenden Angestellten entzogen. Sein Arbeitsvertrag gestatte es nicht, ihm beliebig die Prokura zu entziehen. Soweit das Handelsgesetzbuch ohne Rücksicht auf vertragliche Bindungen einen Widerruf der Prokura zulasse, sei es wegen Verstoßes gegen die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie verfassungswidrig. Inzwischen wirke sich der Entzug der Prokura auch finanziell für ihn aus, da er Sonderzuwendungen nur noch in verminderter Höhe erhalte. Wenn er seinerzeit damit gerechnet hätte, daß ihm die Beklagte keine seiner Vorbildung entsprechende Stelle zuweisen würde, wäre er zunächst beim Bankhaus H & Co. GmbH verblieben und erst nach der Betriebseinstellung aufgrund eines Sozialplanes dort ausgeschieden, um anderweitig eine Stelle anzutreten.

Mit der am 12. April 1983 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Feststellung beantragt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung vom 25. März 1983 nicht geändert worden sei. Nachdem die Beklagte bestritten hatte, überhaupt eine Änderungskündigung ausgesprochen zu haben, hat der Kläger im Berufungsrechtszug klargestellt, daß es ihm darum gehe, einer schleichenden Aushöhlung seines Arbeitsverhältnisses vorzubeugen; er verlange, daß die Beklagte ihn unter Ausstattung mit einer im Innenverhältnis beschränkten Titularprokura fortbeschäftige und ihm einen Arbeitsbereich zuweise, welcher sozialtypisch dem eines Prokuristen entspreche. Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß durch die Erklärungen

der Beklagten im Schreiben vom 25. März

1983 das Arbeitsverhältnis nicht geändert

worden ist und die Beklagte verpflichtet

ist, den Kläger weiterhin als Prokuristen

zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, den Kläger nicht funktionsgerecht beschäftigt zu haben. Nach den zwingenden Vorschriften des Handelsrechts könne die Prokura jederzeit widerrufen werden. Vertrauen sei nicht erzwingbar. Im übrigen sei sie aufgrund des Arbeitsvertrages berechtigt, den Kläger auf einen seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz zu versetzen. Eine Titularprokura gebe es in ihrem Hause nicht. Bereits seit 1982 habe sie ihm aufgrund seiner anhaltend schlechten Arbeitsleistungen empfohlen, sich eine andere Stelle zu suchen. Seine Bemühungen seien aber anscheinend nicht erfolgreich gewesen. Den Widerruf der Prokura in das Handelsregister habe sie nur mit Verzögerung eintragen lassen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision, mit der er sein Klageziel weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger will mit seinem in der Berufungsinstanz klargestellten Klageantrag vier Ziele erreichen: Er begehrt die Feststellung, daß die Beklagte nicht berechtigt war, ihm die Prokura zu entziehen, sowie die Verurteilung zu ihrer Wiedererteilung. Er verlangt ferner die Feststellung, daß sich infolge des Widerrufs der Prokura der Inhalt seines Arbeitsvertrages nicht geändert habe und schließlich die Übertragung von Aufgaben, welche "abteilungsüblich dem Sozialbild eines Prokuristen genügen". Mit keinem dieser Begehren kann er Erfolg haben.

I. Die Beklagte durfte die Prokura des Klägers widerrufen; sie ist nicht verpflichtet, ihm eine neue Prokura zu erteilen.

1. Die Beklagte war durch den Arbeitsvertrag des Klägers nicht gehindert, die Prokura zu widerrufen.

a) Nach § 52 Abs. 1 HGB ist die Prokura ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich, unbeschadet des Rechts auf vertragsmäßige Leistung. Während das Erlöschen einer Vollmacht nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts von den ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen abhängt (§ 168 BGB), ist im Handelsrecht vorgesehen, daß eine Prokura ohne Rücksicht auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis widerrufen werden kann. Dem Prokuristen steht im Verhältnis zu Dritten die Rechtsmacht zu, seinen Arbeitgeber umfassend zu vertreten und damit zu verpflichten, ohne daß dieser in der Lage wäre, die Vertretungsmacht, sei sie auch als Gesamtvertretungsmacht mit einem weiteren Prokuristen erteilt, zu beschränken. Zum Ausgleich dieser umfassenden Vertretungsmacht ist dem Arbeitgeber das Recht vorbehalten, die Prokura jederzeit ohne Rücksicht auf das Grundverhältnis zu widerrufen. Die Interessen des Dienst- oder Arbeitnehmers werden hinreichend dadurch gewahrt, daß von dem Widerruf der Prokura die vertragsrechtliche Stellung unberührt bleibt. Insoweit spricht das Gesetz allerdings nur verkürzt davon, daß der Anspruch auf vertragsmäßige Vergütung erhalten bleibt. In Wirklichkeit ist jedoch gewollt, daß in den Rechten und Pflichten des Arbeitsverhältnisses im Innenverhältnis keine Änderungen eintreten sollen. Diese Rechtslage ist seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum unstreitig (BAG vom 17. September 1970 - 2 AZR 439/69 - AP Nr. 5 zu § 628 BGB, zu 2 der Gründe; RAG 3, 281; Brüggemann/Würdinger, HGB, 3. Aufl., § 52 Anm. 3; Schlegelberger/Schröder, HGB, 5. Aufl., § 52 Rz 1, 2; Baumbach/Lauterbach/Duden/Hopt, HGB, 26. Aufl., § 52 Anm. 1).

b) In dem Arbeitsvertrag des Klägers heißt es, daß er als Prokurist für das Ressort Organisation/Planung von der Beklagten eingestellt werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Vereinbarung dahin ausgelegt, daß der Kläger nur im Rahmen der bestehenden Rechtslage auf die Erteilung und den Bestand der Prokura vertrauen dürfe. Selbst wenn der Senat den von der Beklagten entworfenen Mustervertrag selbst auslegen kann, ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Mit dem Arbeitsvertrag, mit dem der Kläger von einem Tochterunternehmen der Beklagten übernommen wurde, sollte allein gewährleistet sein, daß der Kläger wieder eine Stellung als Prokurist erhielt, und zwar so, wie sie die Rechtsordnung vorsieht. Dagegen sollte ihm nicht die Aufrechterhaltung der Prokura garantiert werden. Für die Annahme, die Parteien hätten eine von dieser Rechtslage abweichende Vereinbarung getroffen, gibt es keine Anhaltspunkte. Hiergegen spricht zudem, daß das Widerrufsrecht des Arbeitgebers oder Dienstberechtigten durch das Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitnehmer nicht ausgeschaltet werden kann (Brüggemann/Würdinger, aa0, § 52 Anm. 1; § 53 Anm. 4; Schlegelberger/Schröder, aaO, § 52 Rz 2; Baumbach/Duden/Hopt, aaO, § 52 Anm. 1).

c) Der Senat vermag der Ansicht des Klägers nicht zu folgen, § 52 Abs. 1 HGB sei verfassungswidrig, weil die Interessen des Arbeitgebers unverhältnismäßig überbewertet würden und der Arbeitnehmer in seiner freien Berufsausübung oder seiner Eigentumsgarantie beeinträchtigt werde. Durch den Widerruf der Prokura werden dem Kläger lediglich die Vertretungsbefugnisse entzogen, während seine im Vertrag begründeten Rechte aus dem Schuldverhältnis gerade erhalten bleiben. Dies gilt sowohl für die Vergütung als auch die sonstigen Rechte aus dem Arbeitsverhältnis (Schlegelberger/Schröder, aa0, § 52 Rz 11). Damit wird nur die Vertretungsmacht, aber kein Anspruch des Klägers beschnitten. Ebensowenig wird der Kläger in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt. Die Berufsausübung als Prokurist steht unter dem jederzeitigen handelsrechtlichen Widerrufsrecht.

2. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die erneute Erteilung der Prokura verlangen.

a) War der Widerruf der Prokura rechtmäßig, so scheidet eine Wiedererteilung wegen vorausgegangenen rechtswidrigen Verhaltens aus. Wenn die Erteilung der Prokura ohne Rücksicht auf das schuldrechtliche Grundverhältnis unter dem Vorbehalt eines jederzeitigen Widerrufs steht, dann kann es keinen Anspruch auf Erteilung der Prokura geben. Ob ein Arbeitgeber, der entgegen seiner Zusage seinem Arbeitnehmer keine Prokura erteilt oder wieder erteilt, schadenersatzpflichtig wird oder seinem Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zur Kündigung gibt (vgl. BAG Urteil vom 17. September 1970 - 2 AZR 439/69 - AP Nr. 5 zu § 628 BGB; RAG 3, 281; BAG Urteil vom 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969, zu D der Gründe), ist eine Frage, die im Streitfall vom Senat nicht zu entscheiden ist. Denn auch der Schadenersatzanspruch kann nicht auf die Erteilung oder Wiedererteilung der Prokura gerichtet sein, sondern auf den Ausgleich sonstiger Einbußen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.

b) Die Rechtslage ist auch nicht deswegen eine andere, weil der Kläger nur eine sogenannte Titularprokura anstrebt, die ihm nach außen Vertretungsmacht verleihen, aber im Innenverhältnis nicht zur Ausübung der Vertretung berechtigen soll. Auch gegen die von einem Titularprokuristen eingegangenen Verpflichtungen kann sich der Arbeitgeber grundsätzlich nicht mit dem Einwand verteidigen, der Mitarbeiter sei aufgrund des Innenverhältnisses nicht berechtigt gewesen, von der Prokura Gebrauch zu machen. Daher ist auch in diesen Fällen der Arbeitgeber darauf angewiesen, darauf zu vertrauen, daß sein Arbeitnehmer keine oder nur sachgemäße Geschäfte mit Dritten abschließt. Dies ist nicht deshalb anders, weil dem Kläger nur eine Gesamtprokura erteilt war und von ihm angestrebt wird. Bei dieser sollen sich die Prokuristen wechselseitig kontrollieren und es soll nicht nur einer die Kontrolle darüber ausüben, ob der andere weisungsgemäß nicht im Geschäftsverkehr auftritt.

II. Das Rechtsbegehren des Klägers ist unbegründet, soweit es sich gegen die Zuweisung anderer Aufgaben wendet; es ist unzulässig, soweit er die Übertragung von Prokuristentätigkeit verlangt.

1. Ein Arbeitnehmer kann zur gerichtlichen Nachprüfung stellen, ob ein Arbeitgeber sich mit der Zuweisung von Arbeiten an den Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrages hält. Aufgaben und Geschäftsbereiche werden einem kaufmännischen Angestellten im Wege des Direktionsrechts aufgrund geschäftsähnlicher Handlung übertragen. Der Arbeitgeber kann aber nur solche Anordnungen treffen, die sich im Rahmen des Arbeitsvertrages halten. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger von März bis Dezember 1980 im Referat "SE Wertpapiere" als Sachbearbeiter und Gruppenleiter, von Juni bis September 1981 als Sachbearbeiter im selben und schließlich im Referat "Ausland und Bildschirmtexte" beschäftigt war. Dagegen ist im Zusammenhang mit dem Entzug der Prokura dem Kläger überhaupt kein anderweitiger Tätigkeitsbereich zugewiesen worden. Damit fehlt es bereits an einer Direktionsrechtsmaßnahme für den 25. März 1983, die einer gerichtlichen Überprüfung auf Direktionsrechtsüberschreitungen zugänglich wäre.

2. Soweit der Kläger dagegen für die Zukunft Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihm einen Arbeitsbereich zuweisen müsse, welcher sozialtypisch von einem Prokuristen wahrgenommen wird, ist die Klage unzulässig. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Es gibt keine Aufgaben, die sozialtypisch von Prokuristen ausgeführt werden. Dies mag überdies bei jeder Großbank unterschiedlich sein. Vielmehr hätte es insoweit dem Kläger oblegen, anhand von Organisationsplänen im einzelnen darzulegen, welche Aufgaben ihm früher unter Direktionsrechtsüberschreitung entzogen worden und ihm daher wieder zu erteilen sind, oder die ihm nach den von ihm vertraglich geschuldeten Leistungen zuzuweisen wären. Da der Kläger bereits durch das Landesarbeitsgericht hierauf hingewiesen worden ist, bedarf es keiner Aufhebung und Zurückverweisung zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs, sondern war die Revision zurückzuweisen.

Schaub Griebeling Dr. Steckhan

Grimm Dr. Michels

 

Fundstellen

Haufe-Index 438797

BB 1987, 131

DB 1987, 51-52 (LT1)

NJW 1987, 862

NJW 1987, 862-863 (LT)

JR 1987, 132

NZA 1987, 202-203 (LT)

RdA 1986, 408

RzK, I 9k Nr 6 (LT1)

ZIP 1987, 125

ZIP 1987, 125-127 (LT1)

AP § 52 HGB (LT), Nr 1

AR-Blattei, ES 880.5 Nr 1 (LT1)

AR-Blattei, Handelsgewerbe V Entsch 1 (LT1)

EzA § 52 HGB, Nr 1 (LT)

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