Leitsatz (amtlich)

Stellt ein Gastwirt eine Frau zunächst als Serviererin ein und beschäftigt er sie dann als Büfettkraft, die gelegentlich auch lose Fleischspeisen (Buletten) auszugeben hat, so ist, auch wenn bei der Einstellung kein Gesundheitsattest gemäß § 17 Buchst. c BSeuchG vorlag, der Vertrag nicht nichtig.

 

Normenkette

BSeuchG §§ 17-18; BGB § 134; MuSchG § 9

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 25.06.1969; Aktenzeichen 5 Sa 165/69)

ArbG Münster (Urteil vom 13.03.1969; Aktenzeichen 1 Ca 545/68)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. Juni 1969 – 5 Sa 165/69 – aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Schlußurteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13. März 1969 – 1 Ca 545/68 – wird zurückgewiesen, soweit es der Klage in Höhe von 650,– DM stattgegeben hat.

Im übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit Ende Februar 1968 in der Gaststätte des Beklagten einige Tage als Aushilfsserviererin und seit dem 2. März 1968 als Büfettkraft beschäftigt. Sie erhielt einen Monatslohn von 450,– DM netto sowie freie Station für sich und – wie sie behauptet – auch für ihr damals 5-jähriges Kind.

Am 8. April 1968 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 22. April 1968. Am 12. April 1968 teilte die Klägerin dem Beklagten schriftlich mit, daß sie schwanger sei; der Ehefrau des Beklagten hatte sie das schon einige Tage vorher mündlich gesagt. Vom 18. April bis 7. August 1968 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Als sie nach Beendigung ihrer Krankheit wieder zur Arbeit erschien, ließ sie der Beklagte nicht arbeiten. Am 23. Oktober 1968 hat die Klägerin entbunden.

Die Klägerin hat Klage erhoben auf Feststellung, daß die Kündigung im Hinblick auf § 9 MuSchG unwirksam sei, sowie auf Zahlung ihres Arbeitslohnes für die Zeit vom 8. August bis 22. September 1968 in Höhe von 650,– DM netto und auf Zahlung eines Ersatzes für die ihr und ihrem Kinde in dieser Zeit nicht gewährte freie Station.

Durch Teilurteil vom 17. Oktober 1968 hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 9 MuSchG festgestellt. Dieses Urteil ist rechtskräftig. Der Leistungsklage hat das Arbeitsgericht stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten hin abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf Zahlung des Arbeitslohnes und eines Ersatzes für nichtgewährte freie Station weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Arbeitsvertrag der Parteien sei nach § 134 BGB, § 17 Nr. 3 Buchst. c, § 18 BSeuchG nichtig. Die Klägerin, die nach ihrer eigenen Erklärung als Büfettkraft auch schon mal Frikadellen auf einen Teller getan habe, gehöre damit zu den Personen, die im Sinne des § 17 Nr. 3 Buchst. c BSeuchG mit dem Inverkehrbringen von Fleisch oder Fleischerzeugnissen in loser Form beschäftigt werden. Sie haben daher nach § 18 Abs. 1 BSeuchG in der Gaststätte des Beklagten nur nach Vorlage eines Gesundheitsattestes des Gesundheitsamtes eingestellt werden dürfen. Da ein solches bei ihrer Einstellung nicht vorgelegen habe, sei der Arbeitsvertrag nach § 134 BGB nichtig, und demzufolge könne sie keinen Lohn fordern.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Zunächst könnte es schon zweifelhaft sein, ob für die Annahme einer Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses überhaupt noch Raum war, nachdem das Arbeitsgericht rechtskräftig die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt hatte. Es könnte sein, daß dem die sog. Präklusionswirkung des rechtskräftigen Urteils entgegenstünde (vgl. BAG 7, 36 = AP Nr. 17 zu § 3 KSchG).

Auch erscheint es bedenklich, den Gastwirt, der entgegen den Bestimmungen der §§ 17, 18 BSeuchG Personal ohne Gesundheitsattest mit der Verteilung von Fleisch beschäftigt, von allen zivilrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen freizustellen, wie sich das bei Nichtigkeit des Vertrages ergeben würde. Es bestände dann nämlich kein Anreiz zur Einhaltung der Vorschriften des Bundes-Seuchengesetzes, wenn der diese Vorschriften nicht einhaltende Gastwirt an keinerlei arbeits- und kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen gebunden wäre. Daß der Zweck des § 18 BSeuchG nicht die Nichtigkeit des privatrechtlichen Arbeitsvertrages erfordert, ist im einzelnen von Burchardt in DB 1969, 2087 dargelegt, worauf verwiesen wird.

Eine eingehende Stellungnahme zu dieser Frage erübrigt sich jedoch, da die Klägerin hier gar nicht als Büfettkraft eingestellt worden ist, sondern als Aushilfsserviererin, Als solche fiel sie nicht unter § 17 Buchst. c BSeuchG. Der Arbeitsvertrag war also nicht von vornherein nichtig. Dadurch, daß die Klägerin, nachdem sie einige Tage als Aushilfsserviererin tätig gewesen war, als Büfettkraft verwendet wurde, die ab und an auch mal eine Bulette auf einen Teller zu legen hatte, wurde der einmal wirksam begonnene Arbeitsvertrag nicht nachträglich nichtig. Es lag im Direktionsbereich des Beklagten als des Arbeitgebers, wie er die Klägerin einsetzte. Entweder hätte er sie auffordern müssen, ein Gesundheitsattest vorzulegen; dann hätte er sie auch mit dem Vorlegen von Fleischspeisen beschäftigen dürfen. Oder er hätte diese Arbeit durch seine Frau verrichten lassen und die Klägerin anderweit beschäftigen müssen. Er kann aber nicht, wenn er kraft seines Direktionsrechts die Klägerin in einer Weise eingesetzt hat, durch die er eine gegen ihn gerichtete gesetzliche Bestimmung verletzt hat, daraus noch zu seinem Vorteil eine Preisteilung von allen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen (Kündigungsschutz, Mutterschutz u.ä.) herleiten.

Als die Klägerin nach ihrer Gesundung im August 1968 dem Beklagten ihre Dienste wieder anbot, hätte er sie durchaus in einer das Bundes-Seuchengesetz überhaupt nicht berührenden Weise beschäftigen oder von ihr nunmehr ein Gesundheitsattest anfordern können. Sein Annahmeverzug ist somit nicht durch §§ 17, 18 BSeuchG ausgeschlossen.

Er entfällt auch nicht durch die Beschäftigungsverbote des § 4 Abs. 2 Nr. 2, des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 3 MuSchG.

Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft mit Arbeiten, bei denen sie ständig stehen müssen, soweit diese Beschäftigung täglich vier Stunden überschreitet. Dieses Verbot ist nach seinem Wortlaut nur auf solche Tätigkeiten anzuwenden, bei denen die Frau ständig stehen muß. Es kommt also nicht zur Anwendung, wenn die Arbeit nur teilweise im Stehen, zum anderen Teil aber im Sitzen oder Gehen ausgeübt wird, wie es bei Verkäuferinnen die Regel ist (Bulla, Mutterschutzgesetz, 3. Aufl., § 4 RNr. 16 a; Gröninger-Thomas, Mutterschutzgesetz, 1968, § 4 Anm. 4 b; Meisel-Hirsemann, Mutterschutzgesetz, § 4 RNr. 14). Hier hat die Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des arbeitsgerichtlichen Schlußurteils, auf das das angefochtene Urteil Bezug nimmt, als Büfetthilfe ihre Tätigkeit zum Teil auch im Gehen ausgeübt. Sie fällt deshalb nicht unter dieses Beschäftigungsverbot.

Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, daß die Klägerin vertraglich verpflichtet gewesen sei, Mehr-, Nacht- oder Sonntagsarbeit im Sinne des § 8 MuSchG zu verrichten. Ob die Klägerin, wie der Beklagte vortragen ließ, Mehrarbeit vor Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft geleistet hat, ist unbeachtlich.

Da somit die Voraussetzungen des § 615 BGB vorliegen, ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Das Gehalt für die Zeit vom 8. August bis zum 22. September 1968 beträgt unstreitig 650,– DM netto. In Höhe dieses Betrages ist die Revision begründet. Hinsichtlich des weiteren Ersatzanspruchs in Höhe von 327,60 DM ist zwischen den Parteien streitig, ob der Beklagte der Klägerin nicht nur für sie, sondern auch für ihr erstes Kind freie Station zugesichert hat, wie hoch überhaupt dieser Betrag anzusetzen ist und ob schließlich der Mietwert des zur Verfügung gestellten Zimmers abzurechnen ist. Hierzu bedarf es noch näherer tatsächlicher Aufklärung.

 

Unterschriften

gez. Dr. König, Dr. Meier-Scherling, Dr. Rengier, Dr. Müller, Bundesarbeitsrichter Mayr ist im Urlaub gez. Dr. König

 

Fundstellen

Haufe-Index 1454387

Nachschlagewerk BGH

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