Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Arbeitnehmers. Lohnfortzahlungskosten

 

Normenkette

BGB §§ 611, 254, 823 Abs. 1, § 842; LohnFG §§ 2, 4; ZPO § 561

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 09.03.1988; Aktenzeichen 7 Sa 1159/87)

ArbG Köln (Urteil vom 22.07.1987; Aktenzeichen 3 Ca 2485/87)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. März 1988 – 7 Sa 1159/87 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit 1977 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Am 21. November 1985 wurde sie im Betrieb von ihrem Arbeitskollegen W. geohrfeigt. Als die Klägerin diesen zwei Tage später beim Einkaufen in der Stadt traf, schlug sie ihm mit der Handtasche ins Gesicht. W. wurde dabei verletzt, so daß er bis einschließlich 12. Januar 1986 arbeitsunfähig war.

Wegen eines anderen Vorfalls kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 25. März 1987 fristlos.

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Die Beklagte hat Widerklage auf Ersatz des Schadens erhoben, der ihr dadurch entstanden ist, daß sie dem Arbeiter W. für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit Leistungen erbringen mußte.

Im einzelnen hat die Beklagte den Schaden wie folgt beziffert:

1. 30 Tage Lohnfortzahlung

5.032,87 DM

2. Anteiliges Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld

1.018,15 DM

3. Anteiliges Weihnachtsgeld

342,55 DM

6.393,57 DM

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 2.516,43 DM verurteilt. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klägerin auf die Anschlußberufung der Beklagten zur Zahlung von 4.520,91 DM verurteilt. Mit der insoweit zugelassenen Revision wendet die Klägerin sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, soweit sie darin zur Zahlung von 997,91 DM verurteilt wurde. Dieser Betrag umfaßt die Anteile des Urlaubsentgelts (429,60 DM), des Urlaubsgeldes (214,80 DM), der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung (111,26 DM) sowie des Weihnachtsgelds (242,25 DM), die die Beklagte für die Zeit vom 23. November 1985 bis 3. Januar 1986 für den Arbeitnehmer Wagner auf gewendet hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klägerin auch zur Erstattung des anteiligen Urlaubsentgelts, Urlaubsgeldes einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung sowie des anteiligen Weihnachtsgeldes verurteilt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin sei der Beklagten zur Erstattung des anteiligen Urlaubsentgelts verpflichtet, das sie an W. für 1985 gezahlt hat. Wagner sei ab dem 23. November 1985 arbeitsunfähig gewesen. Dies habe die Klägerin zu vertreten, weil sie W. am 23. November 1985 mit ihrer Handtasche ins Gesicht geschlagen habe. Nach § 823 Abs. 1, § 842 BGB könne W. wegen seines Verdienstausfalls von der Klägerin Schadenersatz verlangen. Dieser Anspruch sei nach § 4 LohnFG auf die Beklagte übergegangen.

2. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Nach § 4 LohnFG geht der Anspruch des Arbeiters insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeiter Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat. Das Urlaubsentgelt ist in § 4 LohnFG nicht genannt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber einen Schadenersatzanspruch hinsichtlich des anteiligen Urlaubsentgelts verneinen wollte. Wie sich aus § 2 LohnFG ergibt, ist Arbeitsentgelt im Sinne des § 4 LohnFG alles, was der Arbeiter aufgrund des Arbeitsvertrages vom Arbeitgeber verlangen kann. Ausgenommen sind nur bestimmte Entschädigungen für Aufwendungen, die während der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LohnFG). Das Urlaubsentgelt fällt nicht unter diese Ausnahmen.

b) Vergeblich rügt die Revision, die Urlaubsvergütung sei kein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen, weil der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht die Erbringung von Arbeitsleistungen voraussetze.

Zwar setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit BAGE 37, 382 = AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch) der Urlaubsanspruch nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen voraus. Für die Frage, ob dem Arbeiter durch das rechtswidrige und schuldhafte Handeln eines Dritten ein Schaden entstanden ist, spielt dieser Gesichtspunkt jedoch keine Rolle. Der Schädiger darf nicht dadurch entlastet werden, daß an die Stelle der ursprünglichen Grundvorstellung vom verdienten Urlaubsentgelt eine sozialstaatliche Grundlage getreten ist. Schadensrechtlich gesehen wird der Anspruch auf Urlaubsentgelt nur deshalb durch die vom Schädiger zu verantwortende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigt, weil dieser ihm an sich erwachsene Schaden von Dritten aufgefangen wird. Es ist daher dem Schädiger verwehrt, sich darauf zu berufen, daß der Verletzte aufgrund der gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen keinen Schaden erlitten hat. Damit folgt der Senat der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 43, 378 ff.; 59, 109 ff.).

c) Der Berücksichtigung des anteiligen Urlaubsentgelts steht auch nicht der Mangel der zeitlichen Kongruenz zwischen krankheitsbedingter Ausfallzeit und Urlaub entgegen. Für die schadensrechtliche Wertung ist das Urlaubsentgelt ein zusätzlicher Personalkostenbestandteil, den der Arbeitgeber letztlich nur durch erbrachte oder zu erbringende Arbeitsleistungen seiner Arbeitnehmer zu leisten in der Lage ist. Es kann schadensrechtlich nicht darauf ankommen, daß der einzelne Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch auch ohne Erfüllung von Arbeitsleistungen erwerben kann. Das Urlaubsentgelt muß deshalb, wenn der Arbeitnehmer durch die schädigende Handlung nur zeitweilig arbeitsunfähig war, für die Schadensberechnung auf das ganze Jahr verrechnet und entsprechend nach Tagen aufgeteilt werden, wobei die Urlaubszeit abzuziehen ist (BGHZ 59, 109, 115).

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch das anteilige Urlaubsgeld berücksichtigt. Auch wenn man der Revision darin folgt, daß es sich bei dem Urlaubsgeld um eine Zahlung mit Gratifikationscharakter handelt, ist es schadensrechtlich als Arbeitsentgelt im Sinne des § 4 LohnFG anzusehen. Ebensowenig wie bei der Urlaubsvergütung kommt es darauf an, daß der Anspruch keine Arbeitsleistungen voraussetzt.

4. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend das Weihnachtsgeld als fortzuzahlendes Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 2, 4 LohnFG angesehen, so daß auch dieses anteilig in die Schadensberechnung einzubeziehen ist (vgl. dazu BGH in VersR 1972, 566 zu § 87 a BBG). Auch das Weihnachtsgeld ist aus den für das Urlaubsentgelt und das Urlaubsgeld genannten Gründen anteilig für die Ausfalltage zu berechnen und insoweit als Schaden anzusetzen.

5. Der Übergang des Schadenersatzanspruchs des Arbeiters W. auf die Beklagte in Höhe des anteiligen Urlaubsentgelts, Urlaubs- und Weihnachtsgeldes hat zur Folge, daß die Beklagte von der Klägerin auch die entsprechenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung verlangen kann (§ 4 LohnFG).

6. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Berechnung der einzelnen Beträge sowie der entsprechenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Der Senat ist insoweit an die nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gebunden (§ 561 ZPO). Der Umstand, daß im Betrieb der Beklagten am 23. Dezember 1985 Betriebsferien angeordnet waren, ändert nichts an der Höhe der anteiligen Leistungen, die die Beklagte an W. zu erbringen hatte.

7. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht auch davon abgesehen, den Anspruch der Beklagten aufgrund eines mitwirkenden Verschuldens des Arbeiters W. zu mindern (§ 254 Abs. 1 BGB). Der Umstand, daß Wagner die Klägerin zwei Tage zuvor geohrfeigt hatte, fällt gegenüber dem vorsätzlichen und durch Benutzung der Handtasche als Schlagwerkzeug verschärften Angriff der Klägerin vom 23. November 1985 nicht ins Gewicht. Soweit die Klägerin sich gegenüber dem Klageanspruch auf Treuwidrigkeit beruft, ist sie darauf zu verweisen, daß sie ihrerseits gegen W. hätte gerichtlich vorgehen müssen, wenn sie wegen des Angriffs W. vom 21. November 1985 Ansprüche erheben wollte.

8. Soweit die Klägerin in der Revision behauptet, der Anspruch sei durch Teilaufrechnung vom 3. Dezember 1987 erloschen und hilfsweise mit dieser Forderung aufrechnet, handelt es sich um neuen Sachvortrag und einen Anspruch, der bisher nicht Gegenstand des Rechtsstreits war, so daß der Senat hierüber nicht befinden kann (§ 561 ZPO).

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Dr. Haible, Brückmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI988672

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