Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenvertretung. Gemeinsame Ausschüsse

 

Leitsatz (amtlich)

Das Recht der Schwerbehindertenvertretung zur beratenden Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats und dessen Ausschüssen nach § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG umfaßt auch die beratende Teilnahme an Sitzungen gemeinsamer Ausschüsse des Betriebsrats und des Arbeitgebers i. S. des § 28 Abs. 3 BetrVG.

 

Normenkette

SchwbG § 25 Abs. 4 S. 1, Abs. 5; BetrVG § 28 Abs. 3, 1-2, §§ 29-36, 74 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 07.04.1992; Aktenzeichen 6 TaBV 4/92)

ArbG Solingen (Beschluss vom 23.10.1991; Aktenzeichen 3 BV 201/91)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. April 1992 – 6 TaBV 4/92 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Schwerbehindertenvertretung das Recht hat, an den Sitzungen gemeinsamer Ausschüsse des Betriebsrats und der Arbeitgeberin teilzunehmen.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) beschäftigt (Stand September 1991) 447 Arbeitnehmer, darunter 47 Schwerbehinderte. In ihrem Betrieb bestehen ein Betriebsrat (Beteiligter zu 3) und eine Schwerbehindertenvertretung (Antragstellerin).

Der Vertrauensmann der Schwerbehinderten nimmt an den Sitzungen des Betriebsrats, des Betriebsausschusses und des Wirtschaftsausschusses sowie an den gemeinsamen Besprechungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat teil. Die Arbeitgeberin verweigert dem Vertrauensmann der Schwerbehinderten jedoch, an den Sitzungen der sogenannten Akkord-Kommission und der sogenannten Kommission zur Beurteilung von Verbesserungsvorschlägen teilzunehmen. Die Akkord-Kommission beruht auf einer Absprache zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin und ist paritätisch besetzt. Sie befaßt sich mit den die betriebliche Akkordarbeit betreffenden Fragen. Bis zur Bildung der Kommission im Jahre 1986 waren diese Fragen Gegenstand der regelmäßigen monatlichen Besprechungen der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat. An der Akkordarbeit nehmen regelmäßig auch Schwerbehinderte teil. Die Kommission zur Beurteilung von Verbesserungsvorschlägen beruht auf einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1987 über das betriebliche Vorschlagswesen und hat fünf Mitglieder, nämlich ein Mitglied aus der Geschäftsleitung, ein weiteres Mitglied der Arbeitgeberseite aus der Produktions-, Konstruktions- oder Betriebsleitung oder einer kaufmännischen Abteilung, zwei Betriebsratsmitglieder sowie – allerdings ohne Stimmrecht – ein Mitglied der Personalabteilung.

Die Schwerbehindertenvertretung meint, der Schwerbehinderten-Vertrauensmann sei auch berechtigt, mit beratender Stimme an den Sitzungen der beiden genannten Kommissionen teilzunehmen und hat geltend gemacht: Auch wenn diese Kommissionen nicht als Ausschüsse des Betriebsrats anzusehen seien, sich deshalb ein Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung nicht unmittelbar aus § 25 Abs. 4 SchwbG ergebe und insoweit eine gesetzliche Lücke vorliege, stehe dem Vertrauensmann der Schwerbehinderten das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen dieser Kommissionen zu. Es sei dann § 25 Abs. 5 SchwbG, wonach die Schwerbehindertenvertretung an den gemeinsamen Besprechungen nach § 74 Abs. 1 BetrVG teilnehmen darf, entsprechend anzuwenden. Diese gesetzlichen Regelungen über das Recht der Schwerbehindertenvertretung zur Teilnahme an Sitzungen u. a. des Betriebsausschusses und der sonstigen Ausschüsse des Betriebsrats seien entsprechend anzuwenden, weil der Gesetzgeber mit der Gesetzesnovelle 1986 die Rechtsstellung der Schwerbehindertenvertretung insgesamt habe erweitern wollen.

Die Schwerbehindertenvertretung hat beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, sie an den Sitzungen der Akkord-Kommission und an den Sitzungen der Kommission zur Beurteilung von Verbesserungsvorschlägen beratend teilnehmen zu lassen.

Der Betriebsrat hat sich dem Antrag der Schwerbehindertenvertretung angeschlossen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat erwidert: Das von der Schwerbehindertenvertretung geltend gemachte Recht zur Teilnahme an den Sitzungen dieser beiden Kommissionen bestehe nach der geltenden Gesetzeslage nicht. Das Gesetz räume der Schwerbehindertenvertretung in § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG zwar das Recht ein, an Sitzungen des Betriebsausschusses und anderer Ausschüsse des Betriebsrats teilzunehmen.

Gemeinsame Ausschüsse i. S. des § 28 Abs. 3 BetrVG, zu denen auch die in Rede stehenden Kommissionen gehörten, seien jedoch keine Ausschüsse des Betriebsrats i. S. des § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG. Für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung oder des § 25 Abs. 5 SchwbG sei kein Raum. Es fehle an einer ausfüllbaren Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber habe für die Schwerbehindertenvertretungen kein Recht zur auch nur beratenden Teilnahme an Sitzungen gemeinsamer Ausschüsse i. S. des § 28 Abs. 3 BetrVG vorgesehen, obwohl es bei der entsprechenden Novelle des Schwerbehindertengesetzes im Jahr 1986 bereits eine große Zahl derartiger gemeinsamer Ausschüsse gegeben habe. Ein umfassendes Recht der Schwerbehindertenvertretung zur Teilnahme an den Sitzungen aller in der Betriebsverfassung vorgesehenen Gremien gebe es nicht.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin die Zurückweisung des Antrags weiter. Dagegen beantragen die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu Recht stattgegeben. Der Schwerbehindertenvertretung steht das Recht zu, durch den Vertrauensmann der Schwerbehinderten oder dessen Vertreter auch an den Sitzungen der Akkord-Kommission und der Kommission zur Beurteilung von Verbesserungsvorschlägen im Betrieb der beteiligten Arbeitgeberin mit beratender Stimme teilzunehmen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Das Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung folge unmittelbar aus § 25 Abs. 5 SchwbG i. V. m. § 74 Abs. 1 BetrVG. Die Übereinkunft des Betriebsrats mit der Arbeitgeberin, künftig den das Akkordwesen betreffenden Themenkreis nicht mehr in den Monatsgesprächen nach § 74 Abs. 1 BetrVG zu behandeln, sondern einer paritätisch besetzten Kommission zuzuweisen, könne nicht dazu führen, daß das gesetzlich normierte Recht der Schwerbehindertenvertretung zur Teilnahme an den Monatsgesprächen insoweit ausgeschlossen werde. Entsprechendes gelte für die Teilnahme an den Sitzungen der Kommission zur Beurteilung von Verbesserungsvorschlägen.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zu folgen. Der Schwerbehindertenvertretung steht das Recht zur beratenden Teilnahme an den Sitzungen der Akkord-Kommission und der Kommission zur Beurteilung von Verbesserungsvorschlägen nicht nach § 25 Abs. 5 SchwbG i. V. m. § 74 Abs. 1 BetrVG zu, sondern unmittelbar nach § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG. Bei den beiden Kommissionen handelt es sich um Ausschüsse des Betriebsrats im Sinne dieser Vorschrift.

1. Die Vorschrift des § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG (i. d. F. der Bekanntmachung vom 26. August 1986, BGBl. I, S. 1421) räumt der Schwerbehindertenvertretung das Recht ein, an allen Sitzungen “des Betriebs-, Personal-,…rats und deren Ausschüssen beratend teilzunehmen”. Dasselbe Recht war dem Vertrauensmann der Schwerbehinderten bereits in dem durch diese Novelle abgelösten § 22 Abs. 4 Satz 1 SchwbG a. F. zugebilligt worden. Zu “deren” Ausschüssen, hier des Betriebsrats, zählen nicht nur der Betriebsausschuß nach § 27 BetrVG sowie die weiteren Ausschüsse, die der Betriebsrat aus seinen Mitgliedern gemäß § 28 Abs. 1 und 2 BetrVG bilden kann, und der Wirtschaftsausschuß nach § 106 BetrVG (BAGE 55, 332, 335 = AP Nr. 2 zu § 22 SchwbG, zu III 3 der Gründe; zustimmend unter Aufgabe seiner früheren Ansicht: Jung/ Cramer, SchwbG, 3. Aufl., § 25 Rz 10; a. A. Hess/Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 32 Rz 16 unter Hinweis auf u. a. die besonderen Aufgaben des Wirtschaftsausschusses), sondern auch die aufgrund des § 28 Abs. 3 BetrVG errichteten gemeinsamen Ausschüsse, deren Mitglieder vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber benannt werden und deren Betriebsratsmitgliedern Aufgaben zur selbständigen Entscheidung übertragen sind.

a) Die Literatur sieht mit Rücksicht auf ihre Bildung und Zusammensetzung die auf § 28 Abs. 3 BetrVG beruhenden gemeinsamen Ausschüsse nicht als Ausschüsse (allein) des Betriebsrates, sondern als insoweit eigenständige Organe der Betriebsverfassung an (allgemeine Ansicht, statt vieler: Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 28 Rz 25; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 28 Rz 27, jeweils m. w. N.). Allein hieraus läßt sich jedoch nicht folgern, nach § 28 Abs. 3 BetrVG gebildete gemeinsame Ausschüsse fielen nicht unter § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG, sodaß sich hieraus auch kein Recht der Schwerbehindertenvertretung zur beratenden Teilnahme an den Sitzungen solcher gemeinsamer Ausschüsse ergäbe. Dies zeigt die Auslegung des § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG.

b) Der den Ausgangspunkt jeden Verständnisses einer gesetzlichen Bestimmung bildende Wortsinn (vgl. insoweit nur: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 320 ff.) mag zwar auf den ersten Blick darauf hindeuten, daß unter “deren” (hier: des Betriebsrats) Ausschüsse nur solche zu verstehen sind, die allein aus Mitgliedern des Personalvertretungsorgans zusammengesetzt sind. In seinem Beschluß vom 4. Juni 1987 hat der damals zuständige Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Frage des Teilnahmerechts des Schwerbehindertenvertreters an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses (§ 108 BetrVG) darauf abgestellt, daß es sich bei dem Wirtschaftsausschuß um einen Ausschuß des Betriebsrats und nicht um ein eigenständiges betriebsverfassungsrechtliches Organ handelt (BAGE 55, 332, 335 f. = AP Nr. 2 zu § 22 SchwbG, unter III 3 der Gründe). Zur näheren Begründung der Ansicht, es handele sich bei dem Wirtschaftsausschuß um einen Ausschuß des Betriebsrats, hat der Sechste Senat auf den Beschluß des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 18. November 1980 verwiesen, der seinerseits darauf abgestellt hat, daß im Gegensatz zur Regelung im Betriebsverfassungsgesetz 1952 seit dessen Novelle 1972 alle Mitglieder des Wirtschaftsausschusses vom Betriebsrat bestellt und jederzeit von ihm abberufen werden können und der Wirtschaftsausschuß lediglich eine Hilfsfunktion für den Betriebsrat ausübe (BAGE 34, 260, 268 = AP Nr. 2 zu § 108 BetrVG 1972, zu B II 2b der Gründe = SAE 1981, 243 (Koch) = AuR 1981, 220 und 1983, 33 (Richardi) = EzA § 108 BetrVG 1972 Nr. 4 (Wohlgemuth). Dies deutet auf ein Verständnis des § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG hin, wonach zu “deren” Ausschüssen nur solche zählen, deren sämtliche Mitglieder vom Vertretungsorgan (Betriebsrat, Personalrat usw.) bestellt und ggfs. abberufen werden. Eine solche Auffassung teilt der inzwischen für diese Fragen allein zuständige erkennende Senat nicht.

c) Vielmehr sprechen Sinn und Zweck der Regelung in § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG entscheidend dafür, als “deren” Ausschüsse auch die gemeinsamen Ausschüsse i. S. des § 28 Abs. 3 BetrVG anzusehen, soweit den ihnen angehörenden Betriebsratsmitgliedern gesetzliche Aufgaben des Betriebsrats zur selbständigen Entscheidung übertragen worden sind.

Die Regelung über die Teilnahmerechte der Schwerbehindertenvertretung im Rahmen der Betriebsverfassung in § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG knüpft an die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes an. Dazu gehört, daß der Betriebsrat über seine gesetzlichen Aufgaben grundsätzlich in Sitzungen berät und beschließt (vgl. §§ 29 bis 36 BetrVG). Insbesondere hieran soll die Schwerbehindertenvertretung beratend teilnehmen dürfen. Dies bestimmt nicht nur § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG, sondern daneben nochmals § 32 BetrVG. Damit stellt der Gesetzgeber sicher, daß die Schwerbehindertenvertretung durch ihr Recht zur beratenden Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats auf dessen Willensbildung und Entscheidungsfindung Einfluß nehmen kann.

Indessen sind die Sitzungen des Betriebsrats, d. h. des Plenums, nicht die einzige Möglichkeit der Entscheidungsfindung. Die Vielfalt der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats und dessen personelle Größe waren Anlaß für den Gesetzgeber, die Bildung eines Betriebsausschusses zwingend vorzuschreiben, wenn der Betriebsrat neun und mehr Mitglieder hat, und anzuordnen, daß der Betriebsausschuß die “laufenden Geschäfte führt” (§ 27 Abs. 1 bis Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Der Betriebsrat kann daneben dem Betriebsausschuß mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder “Aufgaben zur selbständigen Erledigung”, nicht aber den Abschluß von Betriebsvereinbarungen, übertragen und solche Übertragung widerrufen (§ 27 Abs. 3 Satz 2 ff. BetrVG). Ist ein solcher Betriebsausschuß eingerichtet worden, so können nach § 28 Abs. 1 und 2 BetrVG weitere Ausschüsse des Betriebsrats gebildet werden, denen ebenfalls bestimmte Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen werden können, um auch auf diese Weise die Betriebsratsarbeit zu intensivieren und flexibler zu gestalten (vgl. BR-Drucks. 715/70, S. 39 sowie Bericht 10. Ausschußsitzung zu BT-Drucks. VI/2729, S. 14). Diesem Zweck dient aber auch die zusätzlich in § 28 Abs. 3 BetrVG vorgesehene Möglichkeit, mit dem Arbeitgeber gemeinsame Ausschüsse zu bilden, deren dem Betriebsrat angehörenden Mitgliedern der Betriebsrat wiederum Aufgaben “zur selbständigen Entscheidung” übertragen kann.

Das Recht der Schwerbehindertenvertretung auf beratende Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats zu dem Zweck, auf dessen Willensbildung und Entscheidungsfindung Einfluß zu nehmen, damit auch die besonderen Belange der schwerbehinderten Arbeitnehmer des Betriebs Berücksichtigung finden können, liefe aber in Betrieben mit neun und mehr Betriebsratsmitgliedern ins Leere, wenn sich die Entscheidungsfindung nicht mehr im Plenum des Betriebsrats, sondern in Ausschüssen vollzieht, und der Schwerbehindertenvertretung nicht das Recht zur beratenden Teilnehme an auch solchen Ausschußsitzungen zusteht. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG das Recht der Schwerbehindertenvertretung zur beratenden Teilnahme auch an den Sitzungen der Ausschüsse des Betriebsrats vorgesehen. Hierdurch will der Gesetzgeber sicherstellen, daß die Schwerbehindertenvertretung an der Willensbildung des Betriebsrats auch dann beratend mitwirken kann, wenn sie sich nicht im Betriebsratsplenum, sondern in den Ausschüssen vollzieht. Dementsprechend ist § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG dahin zu verstehen, daß zu den dort genannten Ausschüssen des Betriebsrats auch die nach § 28 Abs. 3 BetrVG gebildeten gemeinsamen Ausschüsse gehören. Denn auch in deren Sitzungen erfolgt eine Willensbildung und Entscheidungsfindung der Betriebsratsmitglieder, die vom Betriebsrat mit der selbständigen Erledigung der dem Ausschuß übertragenen Aufgaben betraut sind.

d) Dem steht die Tatsache, daß den nach § 28 Abs. 3 BetrVG gebildeten gemeinsamen Ausschüssen nicht nur Betriebsratsmitglieder angehören, sondern auch der Arbeitgeber bzw. dessen Vertreter, nicht entgegen. Dies zeigt § 25 Abs. 5 SchwbG. Hiernach ist die Schwerbehindertenvertretung zu den Besprechungen nach § 74 Abs. 1 BetrVG hinzuzuziehen. Mit der Begründung, es handele sich dabei nicht um Sitzungen des Betriebsausschusses i. S. des § 22 Abs. 4 SchwbG (a. F.), hatte der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts mit seinem Beschluß vom 19. Januar 1984 ein Recht der Schwerbehindertenvertretung zur auch nur beratenden Teilnahme an diesen Besprechungen abgelehnt (BAGE 45, 22, 24 ff. = AP Nr. 4 zu § 74 BetrVG 1972, zu 2 der Gründe). In der Novelle des Schwerbehindertengesetzes (Neubekanntmachung vom 26. August 1986, BGBl. I S. 1421) hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 5 SchwbG ausdrücklich bestimmt, daß die Schwerbehindertenvertretung zu solchen Besprechungen hinzuzuziehen ist. Dabei ist die im Gesetzentwurf noch vorgesehene Einschränkung, wonach die Hinzuziehung nur erfolgen sollte, wenn Angelegenheiten der Schwerbehinderten auf der Tagesordnung stehen, fallengelassen worden (BT-Drucks. 10/5701, S. 11). Gegenstände, die Inhalt solcher regelmäßigen gemeinsamen Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sein können, können aber, wie der vorliegende Fall hinsichtlich der Akkordfragen zeigt, stattdessen auch in gemeinsamen Ausschüssen nach § 28 Abs. 3 BetrVG behandelt werden. Geschieht dies, so liefe das Recht der Schwerbehindertenvertretung insoweit ins Leere, wenn sie auf die Willensbildung und Entscheidungsfindung bei derartigen Themenbereichen nicht auch in den Sitzungen solcher gemeinsamer Ausschüsse Einfluß nehmen könnte. Das aber widerspräche dem Sinn und Zweck der Regelungen in § 25 Abs. 4 und 5 SchwbG.

2. Sowohl bei der Akkord-Kommission als auch bei der Kommission zur Beurteilung von Verbesserungsvorschlägen im Betrieb der beteiligten Arbeitgeberin handelt es sich um gemeinsame Ausschüsse i. S. des § 28 Abs. 3 BetrVG und damit auch um Ausschüsse i. S. des § 25 Abs. 4 Satz 1 SchwbG. Beide Kommissionen haben sich mit Gegenständen der betrieblichen Mitbestimmung zu befassen, nämlich mit Akkordlohnfragen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG) und mit Fragen des betrieblichen Vorschlagswesens (§ 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG). Die Bildung der gemeinsamen Ausschüsse (Kommissionen) setzt ferner die Errichtung eines Betriebsausschusses voraus (§ 28 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 BetrVG). Auch diese Voraussetzung liegt angesichts der personellen Größe des Betriebs der Arbeitgeberin, wie sie vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist, vor. Bei (Stand September 1991) 447 Arbeitnehmern war ein aus neun Personen bestehender Betriebsrat zu wählen (vgl. § 9 Satz 1 BetrVG), sodaß auch ein Betriebsausschuß zu errichten war (vgl. § 27 Abs. 1 BetrVG).

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Dr. Johannsen, Dr. Klebe

 

Fundstellen

Haufe-Index 845842

BAGE, 93

BB 1994, 716

NZA 1994, 43

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