Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs mit dem Ende des Übertragungszeitraums. fortdauernde Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann im Arbeitsprozess darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Voraussetzung ist dabei allerdings, dass die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt.

2. Die Frage, ob ein Urlaubsabgeltungsanspruch auch dann fortbesteht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres arbeitsunfähig ist, ist klärungsbedürftig und entscheidungserheblich.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4; EGRL 88/2003 Art. 7 Abs. 2; ArbGG § 72a Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 17.09.2007; Aktenzeichen 2 Sa 832/07)

ArbG Köln (Urteil vom 14.03.2007; Aktenzeichen 3 Ca 4619/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. September 2007 – 2 Sa 832/07 – zugelassen, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14. März 2007 – 3 Ca 4619/06 – hinsichtlich der Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.650,48 Euro zurückgewiesen hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des durch Teilverwerfung abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens aus einem Streitwert von 308,21 Euro zu tragen.

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung für das Jahr 2005 in Höhe von 1.650,48 Euro brutto. Darüber hinaus verlangt der Kläger die Erstattung seiner Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Höhe einer Geschäftsgebühr von 308,21 Euro.

Der Kläger arbeitete seit 1998 für die Beklagte. Ihm stand nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen in der Fünftagewoche zu. Der Kläger nahm im Jahr 2005 keinen Urlaub in Anspruch. Er erkrankte im August 2005 und wurde zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz am 17. September 2007 nicht wieder arbeitsfähig. Beginnend mit März 2006 wurde dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete einvernehmlich Ende Februar 2006.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsurteil ist dem Klägervertreter am 26. November 2007 zugestellt worden. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage stützt. In der Beschwerdebegründung hat sich der Kläger nur mit der Abweisung des Urlaubsabgeltungsanspruchs auseinandergesetzt.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit das Landesarbeitsgericht über den Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 308,21 Euro entschieden hat. Der Kläger hat die Beschwerde im Hinblick auf diesen Streitgegenstand nicht innerhalb der am 28. Januar 2008 verstrichenen zweimonatigen Notfrist begründet (§ 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG). Er hat das Problem des Kostenerstattungsanspruchs erstmals in seinem am 6. März 2008 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag behandelt.

C. Hinsichtlich der verlangten Urlaubsabgeltung ist die Beschwerde begründet.

I. Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das setzt voraus, dass die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 26. September 2000 – 3 AZN 181/00 – BAGE 95, 372, zu II 2 der Gründe). Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (Senat 23. Januar 2007 – 9 AZN 792/06 – Rn. 5, AP ArbGG 1979 § 72a Grundsatz Nr. 66). Sie muss klärungsfähig und klärungsbedürftig sein.

II. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

1. Die Beschwerde meint sinngemäß, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch auch dann fortbestehe, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres arbeitsunfähig sei.

2. Diese Rechtsfrage ist klärungsbedürftig und entscheidungserheblich.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erlischt der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch (§ 7 Abs. 4 BUrlG) zwar ebenso wie der Freistellungsanspruch auf Grund seiner Befristung mit dem Ende des Übertragungszeitraums, wenn der Freistellungsanspruch auf Grund fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht hätte erfüllt werden können (vgl. nur 27. Mai 2003 – 9 AZR 366/02 – EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 9, zu I 1 der Gründe). Hier besteht jedoch Veranlassung, den Zugang zum Bundesarbeitsgericht erneut zu eröffnen. Gegen die Richtigkeit der Senatsrechtsprechung hat die Generalanwältin in den Schlussanträgen des vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens “Schultz-Hoff” Gesichtspunkte von einigem Gewicht vorgebracht (vgl. die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24. Januar 2008 in der Rechtssache C-350/06 [Schultz-Hoff] Rn. 31 ff., insbesondere Rn. 69 ff. und 85). Die Generalanwältin schlägt dem Gerichtshof als Antwort auf eine der Vorlagefragen vor, Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG sei dahin zu verstehen, dass Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf jeden Fall ein Anspruch auf finanzielle Vergütung als Ersatz für erworbenen und nicht genommenen Urlaub (Urlaubsabgeltung) zustehe. Art. 7 der Richtlinie sei ferner dahin zu verstehen, dass der Anspruch auf Jahresurlaub oder auf finanziellen Ersatz auch bei entschuldigtem Fehlen (wegen Krankheit) im gesamten Urlaubsjahr entstehe.

b) Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der aufgeworfenen Rechtsfrage ab. Das Landesarbeitsgericht ist auf der Grundlage der ständigen Senatsrechtsprechung von einem Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs mit dem Ende des Übertragungszeitraums ausgegangen.

D. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, soweit die Beschwerde als unzulässig verworfen worden ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

E. Soweit die Beschwerde erfolgreich ist, wird das Beschwerdeverfahren nun als Revisionsverfahren fortgesetzt. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Revisionsbegründungsfrist von zwei Monaten (§ 72a Abs. 6 iVm. § 74 Abs. 1 ArbGG).

 

Unterschriften

Düwell, Krasshöfer, Gallner, Neumann, Starke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2130306

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