Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachverständigenkosten als Kosten der Einigungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

  • § 76a BetrVG ist auf vor seinem Inkrafttreten (1. Januar 1989) getroffene Honorarvereinbarungen des Betriebsrats mit betriebsfremden Beisitzern einer Einigungsstelle nicht anzuwenden.
  • Zu den Kosten der Einigungsstelle, die nach früherem Recht, nunmehr nach § 76a Abs. 1 BetrVG, vom Arbeitgeber zu tragen sind, zählen auch die Kosten für einen Sachverständigen, den die Einigungsstelle in ihrem Verfahren hinzuzieht.
  • Solche Sachverständigenkosten sind als Kosten der Einigungsstelle nur dann vom Arbeitgeber zu tragen, wenn die Hinzuziehung erforderlich ist und die damit verbundenen Kosten verhältnismäßig sind.
  • Für die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gelten dieselben Maßstäbe wie für die Erforderlichkeit der Kosten des Betriebsrats i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG.
 

Normenkette

BetrVG §§ 76, 76a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 21.08.1990; Aktenzeichen 13 TaBV 62/90)

ArbG Rheine (Beschluss vom 28.02.1990; Aktenzeichen 2 BV 14/89)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. August 1990 – 13 TaBV 62/90 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Der Antragsteller verlangt von der beteiligten Arbeitgeberin die Zahlung von Honorar als betriebsfremder Besitzer einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin stellt Frottiertextilien, darunter Bettwäsche her. Am 16. August 1983 beschloß der in ihrem Betrieb bestehende Betriebsrat für in der Bettwäschenäherei beschäftigte Arbeitnehmerinnen die Einführung eines Zeitakkordsystems. Dabei sollten zum Schutz vor Überforderung die in der Vorgabezeit enthaltenen durch Erholungszeiten von etwas mehr als 40 Minuten pro Schicht durch Bündelung zu mehreren Kurzpausen “sichtbar” gemacht werden. Am 01. Februar 1984 schlossen der Betriebsrat und die Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung über eine Akkordentlohnung und die Einstufung der Näherinnen in die Lohngruppe III. Die Betriebspartner einigten sich über alle Einzelheiten mit Ausnahme der vom Betriebsrat verlangten Bündelung der Erholungszeiten. Die Arbeitgeberin bestand darauf, die Nutzung der Erholungszeit dem individuellen Bedürfnis der einzelnen Arbeitnehmerin zu überlassen. Der Betriebsrat verlangte, etwa 3/4 der Erholungszeit zu drei jeweils zehnminütigen Kurzpausen zusammenzufassen. Um das Zeitakkordsystem einführen zu können, einigten sich die Betriebspartner darauf, diese Frage zunächst auszuklammern, bis der Betriebsrat eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Frage herbeigeführt habe, ob ihm hinsichtlich der Lage und Dauer der Erholungszeiten ein Mitbestimmungsrecht zustehe.

In dem sodann von dem Betriebsrat anhängig gemachten Beschlußverfahren stellte das Bundesarbeitsgericht ebenso wie die Vorinstanzen fest, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Erholungszeiten im Rahmen der Zeitakkordentlohnung in der Näherei zustehe (Beschluß vom 24. November 1987 – 1 ABR 12/86 – AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Akkord). In dem Beschluß heißt es unter anderem:

“Ob und inwieweit Notwendigkeiten eines geordneten und wirtschaftlich sinnvollen Arbeitsablaufes sowie technische Zwänge einer Zusammenfassung von Erholungszeiten zu feststehenden Kurzpausen entgegenstehen, ist von der Einigungsstelle ebenso zu bewerten und zu entscheiden wie die Frage, ob und in welchem Umfang feststehende Kurzpausen aus arbeitsmedizinischer Sicht sinnvoller sind als eine Regelung, die den Arbeitnehmern die Freiheit beläßt, Erholungszeiten nach dem jeweiligen persönlichen Bedürfnis zur Erholung zu nutzen.”

Die daraufhin aufgenommenen Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin scheiterten am 2. Mai 1988. Am 12. Oktober 1988 beschloß der Betriebsrat die Anrufung der Einigungsstelle. Zugleich bestimmte er drei Personen als Beisitzer der Einigungsstelle, darunter den Antragsteller, der als Gewerkschaftssekretär beim Hauptvorstand der Gewerkschaft Textil-Bekleidung beschäftigt ist. Der Betriebsrat beschloß außerdem, die Beisitzer sollten “7/10 der Gebühr, die der Vorsitzende zu erhalten hätte”, erhalten. Diesen Beschluß teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit seinem Schreiben vom 12. Oktober 1988 mit. Beide beriefen einvernehmlich den Universitätsprofessor Dr. Ing. R. H… zum Vorsitzenden der Einigungsstelle.

Die Einigungsstelle trat erstmals am 18. Oktober 1988 zu einer Sitzung zusammen. Nachdem je ein Antrag der Arbeitnehmerseite und der Arbeitgeberseite zur Abstimmung gestellt worden waren und bei Stimmenthaltung des Vorsitzenden nicht die erforderliche Mehrheit erhalten hatten, wurde zunächst in getrennten Gesprächen und in gemeinsamer Besprechung weiterverhandelt. Sodann beantragte die Arbeitnehmerseite, Herrn Professor Dr. M… mit der Erstellung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens zu beauftragen. Die Arbeitgeberseite wandte ein, dieser Antrag sei zwischen der ersten und der zweiten Abstimmung nicht zulässig. Die Abstimmung über den Antrag auf Erstellung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens wurde daraufhin auf die nächste Sitzung der Einigungsstelle vertagt.

Die Arbeitgeberseite nahm mit einem an den Einigungsstellenvorsitzenden gerichteten Schreiben vom 30. November 1988 gegen den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens Stellung.

Am 31. Januar 1989 fand die nächste Sitzung der Einigungsstelle statt. Vor Sitzungsbeginn verteilte der Antragsteller ein von ihm verfaßtes, an den Vorsitzenden der Einigungsstelle gerichtetes Schreiben vom 30. Januar 1989, in dem der Antragsteller auf das Schreiben der Arbeitgeberseite vom 30. November 1988 erwiderte. Nachdem beide Seiten zunächst unterschiedliche Auffassungen über die Zulässigkeit und die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens vorgetragen hatten, erklärte die Arbeitgeberseite unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsstandpunkte, sich einem arbeitsmedizinischen Gutachten nicht verschließen zu wollen. Sie beantragte, von Prof. Dr. P… ein Gutachten

“dazu einzuholen, ob es arbeitsmedizinisch begründbar ist, daß im Rahmen einer Akkordentlohnung gewährte Erholungszeiten von 10 % (die neben der allgemeinen AZO-Ruhepausen gewährt werden) sinnvoller zu zeitlich feststehenden, organisierten Kurzpausen zusammengefaßt werden, oder aber aus arbeitsmedizinischen Gründen besser nach den individuellen Bedürfnissen der Arbeitnehmer zu nehmen sind”.

Der Antrag wurde mit allen Stimmen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite angenommen.

Prof. Dr. P… legte unter dem 20. März 1989 das Gutachten vor. Es kam zu dem Ergebnis, daß es arbeitsmedizinisch nicht sinnvoll sei, die Erholungszeiten zu zeitlich feststehenden Kurzpausen zusammenzufassen. Solche fremdbestimmten Pausen seien zwar sichtbarer, offenkundiger und garantierbarer, könnten aber nicht den individuellen und schwankenden Bedürfnissen der Arbeitnehmer nach Erholung entgegenkommen. Empfehlenswert sei es, neben den fremdbestimmten AZO-Pausen zusätzliche Pausen nach den individuellen Bedürfnissen zu gewähren. Die von der Arbeitgeberin bezahlten Kosten des Gutachtens beliefen sich auf 4.565,-- DM.

Mit einem an den Einigungsstellenvorsitzenden gerichteten Schreiben vom 30. Mai 1989 nahm der Antragsteller für die Arbeitnehmerbeisitzer der Einigungsstelle zu dem Gutachten Stellung. Er führte unter anderem aus:

“Daß – wie von Herrn Prof. Dr. P… wiederholt zitiert – vom Arbeitnehmer selbst gewählte Pausen erholungswirksamer sind als organisierte Kurzpausen, ist von den Arbeitnehmerbeisitzern nie bestritten worden.

Die Erholungswirksamkeit solcher Pausen setzt aber voraus, daß die AN diese selbstgewählten Pausen in ihrer zeitlichen Lage und dem Umfang selbst bestimmen, und die Umgebungseinflüsse auch einen Erholungseffekt ermöglichen. (Das hätte von einem Gutachter vor Ort untersucht werden müssen.) Außerdem muß sichergestellt sein, daß die AN die Pausen auch in vollem Umfang nehmen können.

Leider ist Herr Prof. Dr. P… auf diese Fragen überhaupt nicht eingegangen.”

Am 6. Juni 1989 fand die dritte Sitzung der Einigungsstelle statt. Die Sitzung endete mit einem Spruch der Einigungsstelle.

Der Vorsitzende der Einigungsstelle berechnete für seine Tätigkeit – ausgehend von einem Tageshonorar in Höhe von 2.000,-- DM – ein Honorar von 6.000,-- DM sowie Auslagen wie Fahrtkosten, Abwesenheitsgelder etc. Die Arbeitgeberin zahlte an den Einigungsstellenvorsitzenden entsprechend seiner Liquidation insgesamt 8.735,88 DM.

Der Antragsteller verlangt von der Arbeitgeberin die Zahlung von 7/10 des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden (7/10 von 6.000,-- DM = 4.200,-- DM) zuzüglich Mehrwertsteuer.

Der Antragsteller hat vorgebracht: Sein Honoraranspruch richte sich nach dem im Zeitpunkt der Honorarzusage geltenden Recht. Danach sei ein Honorar in Höhe von 7/10 der Vergütung des Vorsitzenden angemessen. Hieran habe sich auch ab dem 1. Januar 1989, also unter der Geltung des § 76a BetrVG, nichts geändert. Der Zeitaufwand und die Schwierigkeit der Streitsache rechtfertigten die Höhe des von dem Vorsitzenden liquidierten Honorars. Hiervon sei der Honoraranspruch des Beisitzers abhängig.

Sein Honoraranspruch sei weder rechtsmißbräuchlich noch sei er infolge der von der Arbeitgeberin erklärten Aufrechnung erloschen. Die Einholung des Sachverständigengutachtens sei mit Rücksicht auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 24. November 1987 (aaO) erforderlich gewesen, weil weder der Vorsitzende noch die Mitglieder der Einigungsstelle eine arbeitsmedizinische Ausbildung gehabt hätten. Von einem pflichtwidrigen oder rechtsmißbräuchlichen Verhalten des Antragstellers könne daher nicht die Rede sein.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, an den Antragsteller 4.788,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Antragstellung zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Antragsteller könne die Erstattung der Mehrwertsteuer nicht verlangen. Außerdem dürfe er kein Honorar für die zweite und dritte Sitzung der Einigungsstelle verlangen. Der Antragsteller habe diese Sitzungen durch pflichtwidriges und rechtsmißbräuchliches Verhalten verursacht, indem er auf der Einholung eines Sachverständigengutachtens bestanden habe, obwohl dies nicht erforderlich gewesen sei. Die Frage, ob selbstgewählte Pausen erholungswirksamer seien als organisierte Kurzpausen, sei zwischen den Mitgliedern der Einigungsstelle überhaupt nicht streitig gewesen.

Auch für die erste Sitzung könne der Antragsteller kein Honorar verlangen. Der Honoraranspruch sei erst nach Abschluß des Einigungsstellenverfahrens fällig geworden und damit nach dem Inkrafttreten des § 76a BetrVG. Diese Vorschrift erfasse alle Einigungsstellenverfahren, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht beendet gewesen seien. Aus § 76a BetrVG ergebe sich ein Vergütungsanspruch nur in Höhe von 400,-- bis 700,-- DM. Der Anspruch des Antragstellers sei aber insgesamt erloschen. Sie habe gegenüber dem Honoraranspruch hilfsweise mit einem Schadenersatzanspruch in Höhe der Gutachterkosten von 4.565,-- DM aufgerechnet. Die Einholung des Sachverständigengutachtens habe der Antragsteller durch sein grob pflichtwidriges und rechtsmißbräuchliches Verhalten verursacht.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag bis auf die begehrte Mehrwertsteuer stattgegeben. Hinsichtlich der Mehrwertsteuer hat es den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat nur die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Arbeitgeberin die Abweisung des Antrags insgesamt erreichen. Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Honoraranspruch in Höhe von 4.200,-- DM zuzüglich 4% Verfahrenszinsen zu.

I. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Honoraranspruch des Antragstellers betrage 7/10 des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden, mithin 4.200,-- DM.

1. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, der Anspruch des Antragstellers beruhe auf der Honorarvereinbarung anläßlich der Bestellung des Antragstellers zum Einigungsstellenmitglied aufgrund des Beschlusses des Betriebsrats vom 12. Oktober 1988. Die damalige Honorarvereinbarung sei wirksam. Hiernach betrage das Honorar 7/10 des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden. Dessen Honorar von 6.000,-- DM habe die Arbeitgeberin gezahlt. Die habe die Angemessenheit des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden auch nicht in Frage gestellt. Diese wirksame Honorarvereinbarung aus dem Jahre 1988 werde durch die erst am 1. Januar 1989 in Kraft getretene Regelung des § 76a BetrVG nicht berührt. Weil die Bestellung des Beisitzers einer Einigungsstelle ein besonderes Rechtsverhältnis schaffe, sei für dessen Honoraranspruch auf die Rechtslage im Zeitpunkt seiner Bestellung zum Einigungsstellenbeisitzer abzustellen.

2. Für die Honorarforderung des Antragstellers ist von § 76 BetrVG als Anspruchsgrundlage auszugehen. Die aufgrund des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2312) geschaffene Vorschrift des § 76a BetrVG ist im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.

a) Der strittige Honoraranspruch beruht auf einer wirksamen Honorarvereinbarung anläßlich der Bestellung des Antragstellers zum Einigungsstellenbeisitzer im Jahre 1988. Weder diese Honorarvereinbarung selbst noch der sich hieraus ergebende Honoraranspruch des Antragstellers werden durch § 76a BetrVG berührt, auch wenn das Einigungsstellenverfahren erst nach Inkrafttreten dieser Bestimmung (1. Januar 1989) im Jahre 1989 abgeschlossen worden ist und dementsprechend der Anspruch auf die Beisitzervergütung erst nach Inkrafttreten des § 76a BetrVG fällig geworden ist. Der Regelung des § 76a BetrVG kommt keine rückwirkende Kraft zu. Sie läßt Honorarvereinbarungen unberührt, die bereits vor Inkrafttreten des § 76a BetrVG wirksam getroffen worden sind. Das ist vorliegend der Fall.

Der Umstand, daß die Tätigkeit der Einigungsstelle erst im Laufe des Jahres 1989 geendet hat und der strittige Honoraranspruch erst nach Beendigung der Tätigkeit der Einigungsstelle im Jahre 1989 fällig geworden ist, ändert hieran nichts. Insoweit handelt es sich nicht um Umstände, die auf die Honorarvereinbarung selbst einwirken, sondern nur um solche des tatsächlichen Entstehens und der Fälligkeit der Honorarforderung. § 76a BetrVG greift insoweit schon deshalb nicht ein, weil sich diese Bestimmung nur auf die Frage bezieht, inwieweit die Grundlage der Vergütung von Einigungsstellenbeisitzern der privatrechtlichen Disposition durch Vertrag oder durch einseitige Leistungsbestimmung unterliegt.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur hier maßgeblichen früheren Rechtslage vor Inkrafttreten des § 76a BetrVG entsteht mit der Anrufung der Einigungsstelle durch den Betriebsrat oder durch den Arbeitgeber ein besonderes betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebspartnern. Inhalt dieses Rechtsverhältnisses ist nach § 76 Abs. 2 BetrVG auch die Befugnis des Betriebsrates, die Beisitzer einer Einigungsstelle auf Arbeitnehmerseite in der zuvor mit dem Arbeitgeber vereinbarten oder vom Arbeitsgericht festgesetzten Zahl zu bestellen. Durch seine Bestellung zum Mitglied der Einigungsstelle nimmt auch deren Beisitzer an dem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat durch die Anrufung der Einigungsstelle entstandenen und bestehenden besonderen Rechtsverhältnis teil, welches auch die Rechte und Pflichten des Einigungsstellenbeisitzers bestimmt. Hierzu gehört auch der Anspruch des betriebsfremden Beisitzers auf Vergütung für seine Tätigkeit in der Einigungsstelle, sofern sie erforderlich war oder der Betriebsrat sie für erforderlich halten durfte (vgl. statt vieler: BAGE 62, 129, 132 f. = AP Nr. 35 zu § 76 BetrVG 1972, unter B II 1 der Gründe, m.w.N.). Der Betriebsrat ist grundsätzlich berechtigt, einem bei einer Gewerkschaft beschäftigten betriebsfremden Beisitzer einer Einigungsstelle eine Honorarzusage zu machen, sofern er keine Person seines Vertrauens zu finden vermag, die bereit ist, die Aufgabe ohne Honorar wahrzunehmen. Vereinbaren der Betriebsrat und der zum Beisitzer bestellte Gewerkschaftssekretär für dessen Mitwirkung in der Einigungsstelle eine Vergütung in Höhe von 7/10 des dem Einigungsstellenvorsitzenden vom Arbeitgeber zugesagten oder gezahlten Honorars, so entspricht dies in der Regel den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 14. Dezember 1988 – 7 ABR 73/87 – AP Nr. 30 zu § 76 BetrVG 1972, unter C II 1 der Gründe, m.w.N.).

c) Diese Voraussetzungen sind, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben und worüber die Beteiligten auch nicht streiten, im vorliegenden Fall bis auf die im ersten Rechtszug bereits rechtskräftig abgewiesene Forderung nach Mehrwertsteuer hinsichtlich des Honorars des Antragstellers erfüllt. Insbesondere ist das dem Antragsteller zugesagte Honorar nicht unverhältnismäßig hoch. Vielmehr orientiert sich seine Relation zum Honorar des Einigungsstellenvorsitzenden in vollem Umfang an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur bis 31. Dezember 1988 geltenden Rechtslage. Das maßgebliche Honorar des Einigungsstellenvorsitzenden hat 6.000,-- DM betragen; der Antragsteller verlangt 7/10 hiervon, nämlich 4.200,-- DM.

II. Der Honoraranspruch des Antragstellers besteht in vollem Umfang. Er ist weder unter dem Gesichtspunkt der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung gemäß § 242 BGB nur teilweise durchsetzbar noch durch die von der Arbeitgeberin hilfsweise erklärte Aufrechnung mit ihr angeblich zustehenden Schadenersatzansprüchen in Höhe der Gutachtenkosten von 4.565,-- DM erloschen. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im wesentlichen ausgeführt, die Einholung des arbeitsmedizinischen Gutachtens sei nicht überflüssig gewesen. Entsprechend dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 24. November 1987 (aaO) habe die Einigungsstelle für die umstrittene Pausenregelung auch arbeitsmedizinische Gesichtspunkte zu beachten gehabt. Hierzu habe sie sich eines arbeitsmedizinischen Gutachtens bedienen dürfen, weil keines ihrer Mitglieder arbeitsmedizinischen Sachverstand besessen habe.

2. Auch insoweit ist dem Landesarbeitsgericht zu folgen.

a) Der von der Arbeitgeberin erhobene Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber der Honorarforderung des Antragstellers sowie die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadenersatzforderung der Arbeitgeberin setzen voraus, daß der Antragsteller die Einholung des Sachverständigengutachtens und die dadurch verursachten Kosten pflichtwidrig veranlaßt hätte. Eine solche Pflichtverletzung liegt indessen nicht vor.

b) Nach § 76a Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Einigungsstelle. Mit dieser am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Bestimmung hat der Gesetzgeber die schon bisher einhellige Ansicht in Rechtsprechung und Lehre festgeschrieben. Bei der vorherigen Rechtslage war lediglich umstritten, ob die Rechtsgrundlage für die Pflicht des Arbeitgebers, die Kosten der Einigungsstelle zu tragen, unmittelbar aus § 40 Abs. 1 BetrVG unter dem Gesichtspunkt folgt, es handele sich um Kosten des Betriebsrats, ob § 40 Abs. 1 BetrVG insoweit analog anzuwenden ist oder ob eine Analogie zu den Grundgedanken der Kostentragung im Betriebsverfassungsrecht heranzuziehen sei, wie sie in § 20 Abs. 3 Satz 1, § 44 Abs. 1, § 65 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommt (vgl. zusammenfassend: Kreutz, GK-BetrVG, Bd. 2, 4. Aufl. 1990, § 76a Rz 4, m.w.N.). Ob die Pflicht zur Tragung der Kosten des Gutachtens im vorliegenden Fall aus § 76a Abs. 1 BetrVG folgt, weil die Einigungsstelle erst nach Inkrafttreten dieser Bestimmung beschlossen hat, das Gutachten einzuholen, oder ob sie mit Rücksicht darauf, daß das Einigungsstellenverfahren schon vor Inkrafttreten des § 76a BetrVG eingeleitet worden ist, noch auf der bisherigen Rechtslage beruht, kann dahinstehen, denn insoweit besteht kein Unterschied zwischen der früheren und der neuen Rechtslage. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Einigungsstelle zählen auch die Kosten für einen von der Einigungsstelle hinzugezogenen Sachverständigen, dessen Fachkenntnis sich mangels eigener Sachkunde der Einigungsstellenmitglieder als notwendig erweist, um eine angemessene, vor allem auch ermessensfehlerfreie Entscheidung treffen zu können (vgl. Kreutz, aaO, Rz 12, m.w.N.).

c) Indessen sind auch diese Kosten nur dann vom Arbeitgeber zu tragen, wenn der Aufwand erforderlich war und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprach. Diese Einschränkung ist zwar im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck gekommen, insbesondere auch nicht in der Neufassung des § 76a Abs. 1 BetrVG. Die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten als Voraussetzung dafür, daß sie vom Arbeitgeber zu tragen sind, durchzieht jedoch das gesamte Betriebsverfassungsrecht als Grundsatz. Er hat im Betriebsverfassungsgesetz vielfach Ausdruck gefunden (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 2, § 37 Abs. 2, § 37 Abs. 6 Satz 1, § 40 Abs. 2). Er ist insbesondere auch für die Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen (§ 40 Abs. 1 BetrVG), allgemein anerkannt und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Aber auch für die Kosten einer Einigungsstelle selbst hat das Bundesarbeitsgericht diesen Grundsatz in ständiger Rechtsprechung herangezogen (vgl. statt vieler: BAGE 62, 129, 136 = AP Nr. 35 zu § 76 BetrVG 1972, zu B II 1c der Gründe; vgl. Kreutz, aaO, Rz 7, m.w.N. für Rechtsprechung und Literatur). Folglich kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Einigungsstelle nur in Betracht, wenn dies zur sachgerechten und vernünftigen Erledigung des Einigungsstellenverfahrens erforderlich ist (vgl. Pünnel, Die Einigungsstelle des BetrVG 1972, 3. Aufl., Rz 96; wohl auch Löwisch, DB 1989, 223; Gaul, Die betriebliche Einigungsstelle, 2. Aufl., M III Rz 3). Dabei ist die Erforderlichkeit der Kostenverursachung nicht rückblickend nach einem rein objektiven Maßstab, sondern vom Zeitpunkt der Entscheidung der Einigungsstelle aus zu beurteilen. Grundsätzlich ist die Erforderlichkeit zu bejahen, wenn die Einigungsstelle wie ein vernünftiger Dritter bei gewissenhafter Überlegung und verständiger und ruhiger Abwägung aller Umstände zur Zeit ihres Beschlusses zu dem Ergebnis gelangen durfte, der noch zu verursachende Kostenaufwand sei für ihre Tätigkeit erforderlich. Die Grenzen der Erforderlichkeit der Kosten durch Hinzuziehung eines Sachverständigen sind jedoch überschritten, wenn die Hinzuziehung ohne hinreichenden Anlaß eingeleitet oder mutwillig durchgeführt wird oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mißachtet wird. Insoweit steht der Einigungsstelle jedoch ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die Einigungsstelle muß dabei wie jeder andere, der auf Kosten eines Dritten handeln darf, die Maßstäbe einhalten, die sie auch einhalten würde, wenn sie als Gremium selbst oder wenn ihre Mitglieder die Kosten zu tragen hätten. Insoweit sind an die Beurteilung der Erforderlichkeit der Kosten, die die Einigungsstelle durch Heranziehung eines Sachverständigen verursacht, dieselben Maßstäbe anzulegen, wie sie auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit der vom Betriebsrat selbst verursachten Kosten gelten (vgl. zur Erforderlichkeit der Kosten des Betriebsrates selbst: BAG Beschluß vom 28. August 1991 – 7 ABR 72/90 –, zu B I der Gründe, m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen).

d) Gemessen hieran war die Einholung des Sachverständigengutachtens zu dem von der Einigungsstelle selbst formulierten Thema im vorliegenden Fall erforderlich.

Die Einigungsstelle mußte sich hinsichtlich der zur Entscheidung stehenden Pausenmodelle auch mit der Frage auseinandersetzen, welche Folgen welches Pausenmodell für die Gesundheit der betroffenen Arbeitskräfte hat. Dies folgt bereits aus § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG, wonach die Einigungsstelle verpflichtet ist, auch die Belange der betroffenen Arbeitnehmer bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Entsprechend dem im Verfahren zwischen dem Betriebsrat und der beteiligen Arbeitgeberin ergangenen Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 24. November 1987 (aaO) mußte die Einigungsstelle auch berücksichtigen und bewerten, ob und in welchem Umfang feststehende Kurzpausen aus arbeitsmedizinischer Sicht sinnvoller sind als eine Regelung, die den Arbeitnehmern die Freiheit beläßt, Erholungszeiten nach ihren jeweiligen persönlichen Bedürfnissen zur Erholung zu nutzen. Hierbei handelt es sich, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, um eine arbeitsmedizinische Frage. Arbeitsmedizinischer Sachverstand war indessen bei den Mitgliedern der Einigungsstelle nicht vorhanden. Eine Entscheidung der Einigungsstelle, die diese arbeitsmedizinische Frage nicht hinreichend berücksichtigt hätte, wäre daher möglicherweise nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG wegen Nichtberücksichtigung der gesundheitlichen Belange der betroffenen Arbeitnehmer angreifbar gewesen. Unter diesem Gesichtspunkt hing die Entscheidung der Einigungsstelle wesentlich auch davon ab, wie diese arbeitsmedizinische Frage sachverständig zu beantworten war. Die Arbeitgeberin hatte zudem ihren Standpunkt, es bei der freien Wahl der Erholungszeiten zu belassen, nicht allein mit betrieblichen Notwendigkeiten, sondern auch mit arbeitsmedizinischen Argumenten begründet.

Wegen des Fehlens des arbeitsmedizinischen Sachverstandes bei den Mitgliedern der Einigungsstelle kommt es auch nicht darauf an, ob unter den Mitgliedern der Einigungsstelle überhaupt unterschiedliche Auffassungen darüber bestanden haben, ob freigewählte Erholungszeiten arbeitsmedizinisch sinnvoller seien als festgelegte Kurzpausen. Es ist von daher rechtlich unbeachtlich, daß der Antragsteller in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30. Mai 1989 zum Gutachten des Prof. Dr. P… selbst ausgeführt hat, die bessere Erholungswirkung frei gewählter Pausenzeiten sei von seiner Seite nie in Frage gestellt worden.

Gegen die Verhältnismäßigkeit der durch die Einholung des Gutachtens bei Prof. Dr. P… entstandenen Kosten bestehen keine Bedenken; insbesondere macht auch die Arbeitgeberin insoweit keine Einwände geltend. Sie meint vielmehr nur, die Einholung des Gutachtens sei nicht erforderlich gewesen.

III. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf den §§ 291, 288 BGB. Der Antragsteller macht einen ihm selbst zustehenden Zahlungsanspruch geltend, der der Prozeßverzinsung unterliegt (vgl. BAGE 60, 385, 391 = AP Nr. 28 zu § 40 BetrVG 1972, zu B III 3 der Gründe).

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Kremhelmer, Schliemann, Trettin, Dr. Gerschermann

 

Fundstellen

Haufe-Index 838621

BB 1992, 855

NZA 1992, 459

RdA 1992, 158

ZIP 1992, 853

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge