4.1 Einleitung

Auch in einem Einzelarbeitsvertrag können wirksam Ausschlussfristen vereinbart werden. Weil dem Arbeitsvertrag allerdings nicht die "Richtigkeitsgewähr"[1] von Tarifverträgen innewohnt, sind einzelvertragliche Ausschlussfristen in den meisten Fällen an den §§ 307 ff. BGB zu messen. Nicht anhand dieser Vorschriften kontrolliert werden nur "echte" einzelvertragliche Ausschlussfristen, die von beiden Vertragsparteien ausgehandelt wurden,[2] vom Arbeitnehmer in den Vertrag eingeführt wurden und auch nicht als vom Arbeitgeber "gestellt" gelten.[3] Im Fall individuell ausgehandelter Ausschlussfristen gelten neben den §§ 134, 138 BGB keine weiteren inhaltlichen Grenzen.[4]

Diese Voraussetzungen liegen allerdings praktisch äußerst selten vor,[5] sodass sich die folgenden Ausführungen auf den Normalfall eines vom Arbeitgeber gestellten (Formular-)Arbeitsvertrags beschränken.

4.2 Inhaltskontrolle einzelvertraglicher Ausschlussfristen

4.2.1 Systematischer Überblick

Bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist ist über § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB mit den dort geregelten Voraussetzungen erfüllt. Dabei wird die zu überprüfende Klausel zunächst anhand der Katalogklauseln des § 309 BGB, dann anhand der Klauseln nach § 308 BGB und schließlich anhand der Generalklauseln in § 307 BGB überprüft. Hierbei stellen sich im Hinblick auf Ausschlussfristen die meisten Probleme bei letzterer Vorschrift. Zu beachten ist dabei stets, dass die folgenden Ausführungen lediglich dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen dienen, also in diesem Fall dem Schutz des Arbeitnehmers. Erweist sich also eine Ausschlussfrist ganz oder teilweise als unwirksam, gilt dies nur, soweit der Arbeitnehmer Gläubiger des Anspruchs ist. Der Arbeitgeber muss daher die von ihm in den Vertrag eingeführte Ausschlussfrist "buchstabengetreu" einhalten ("personale Teilunwirksamkeit").[1]

4.2.2 Ablauf der Inhaltskontrolle

Wird eine Klausel anhand der §§ 307 ff. BGB überprüft, sind gedanklich folgende Schritte vorzunehmen.

Zunächst ist ggf. durch Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen für die Auslegung von Verträgen[1] der objektive Inhalt der Klausel festzustellen. Führt dies nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, ist diejenige Auslegung zu wählen, die am "arbeitnehmerfeindlichsten" ist. Mit dieser Interpretation ist die Klausel anhand der §§ 307309 BGB zu überprüfen. Dabei gilt das "Verbot der geltungserhaltenden Reduktion", d. h. eine Klausel, die nicht gesetzeskonform ist, ist insgesamt unwirksam. Sie wird nicht auf ihren gesetzeskonformen Inhalt "reduziert". Dies folgt aus § 306 Abs. 1 und 2 BGB. Schließlich soll der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht ermutigt werden, unwirksame Klauseln zu implementieren. Dies wäre aber der Fall, wenn ihm nur die Reduzierung der Klausel auf das gerade eben noch zulässige Maß drohte. Erst dann, wenn die Klausel auf Basis der "arbeitnehmerfeindlichsten" Interpretation einer Inhaltskontrolle nach diesen Vorschriften standhält, ist nach § 305c Abs. 2 BGB für die weitere Prüfung die "arbeitnehmerfreundlichste" Auslegung zugrunde zu legen.[2]

4.2.3 Inhaltskontrolle hinsichtlich der Form der Geltendmachung

Soweit ein Arbeitsvertrag in einer Ausschlussfrist – wie häufig – die "schriftliche" Geltendmachung von Ansprüchen vorsieht, entsteht ein Konflikt mit § 309 Nr. 13 Buchst. b BGB. Denn diese Vorschrift verbietet eine Bestimmung, durch die in Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender gegenüber abzugeben sind, eine strengere Form als die Textform vorgesehen wird. Da diese Vorschrift nur für nach dem 30.9.2016 begründete Schuldverhältnisse Anwendung findet[1], sind nur solche Ausschlussfristen, die vor diesem Zeitpunkt einzelvertraglich vereinbart wurden, nach wie vor wirksam. Allein die Anforderung einer "gerichtlichen Geltendmachung" widerspricht allerdings nicht § 309 Nr. 13 BGB.

[1] Art. 227 § 37 EGBGB.

4.2.4 Überraschende Ausschlussfristen

Eine überraschende Klausel i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB liegt eher selten vor, da Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen üblich sind. Dem Überraschungsmoment muss also ein "Überrumpelungseffekt" zugrunde liegen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Da sich das Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrags ergeben kann, ist es möglich, dass auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text sie deswegen als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das Ü...

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