4.1 Abgeltungsverbot

 

Rz. 190

Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses darf der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht finanziell abgegolten werden. Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis darauf, dass der Urlaub "ausbezahlt" wird, so liegt hierin eine gegen §§ 7 Abs. 4 BUrlG, 13 Abs. 1 BUrlG verstoßende Vereinbarung, die nach § 134 BGB zur Unwirksamkeit führt. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall trotz der Auszahlung weiterhin Anspruch auf Gewährung des ihm zustehenden gesetzlichen Urlaubs. Einer Rückforderung des ausgezahlten Abgeltungsbetrags stehen in der Regel die §§ 814, 817 Satz 2 BGB entgegen.[1]

 

Beispiel

Der Arbeitnehmer hat einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Im September trifft er mit dem Arbeitgeber die Vereinbarung, dass der Urlaubsanspruch ausbezahlt wird. Die Auszahlung erfolgt zusätzlich zum Oktobergehalt.

Die Vereinbarung ist in Höhe des gesetzlichen Urlaubsanspruchs von 20 Arbeitstagen unwirksam. Stellt der Arbeitnehmer im November einen Urlaubsantrag, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer 20 Arbeitstage Urlaub zu gewähren und das entsprechende Urlaubsentgelt zu bezahlen. Der anteiligen Rückforderung der Abgeltung im Oktober stehen die §§ 814, 817 Satz 2 BGB entgegen.

Von dem Abgeltungsverbot macht § 7 Abs. 4 BUrlG nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Ausnahme. Mit der Beendigung scheidet die Urlaubsgewährung durch Freistellung aus. Durch die Urlaubsabgeltung soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Erholung bei Schaffung der finanziellen Grundlagen gesichert werden.[2]

 
Hinweis

Das Abgeltungsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis besteht auch dann, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit im Kalenderjahr – einschließlich des Übertragungszeitraums – nicht genommen werden kann. Die geänderte Rechtsprechung des BAG als Folge unionsrechtlicher Vorgaben führt nur dazu, dass der Urlaubsanspruch nicht untergeht (s. Rz. 160 ff.). Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG bestimmt, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Dieses Abgeltungsverbot entspricht dem nationalen Recht.

[1] BAG, Urteil v. 21.3.1968, 5 AZR 270/67, AP BUrlG § 5 Nr. 5.
[2] Friese, Urlaubsrecht, 1. Aufl. 2003, Rz. 454.

4.2 Rechtsnatur und Anspruchsvoraussetzungen

4.2.1 Rechtsnatur

 

Rz. 191

Seit einer Entscheidung des 6. Senats des BAG vom 18.6.1980[1] hatte das BAG in ständiger Rechtsprechung entscheidend darauf abgestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht ist.

Dieses Verständnis des Urlaubsabgeltungsanspruchs als Surrogat des Urlaubsanspruchs hatte zwei wesentliche Konsequenzen:

  • Der Abgeltungsanspruch musste wie der Urlaubsanspruch innerhalb des Fristenregimes des § 7 BUrlG geltend gemacht werden.
  • War ein Arbeitnehmer beim Ausscheiden arbeitsunfähig, war der Abgeltungsanspruch erst mit Ende der Arbeitsunfähigkeit erfüllbar, da auch der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis den Urlaub nicht nehmen konnte. Dauerte die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums fort, ging der Abgeltungsanspruch unter.
 

Rz. 192

Als Folge der Entscheidung des EuGH[2] hat das BAG die Surrogatstheorie aufgegeben. In einer ersten Entscheidung hat es seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber den offenen gesetzlichen Urlaubsanspruch bei Ende des Arbeitsverhältnisses auch dann mit dem Beendigungszeitpunkt abzugelten hat, wenn der Arbeitnehmer über den Beendigungszeitpunkt hinaus arbeitsunfähig erkrankt ist.[3]

 

Rz. 193

Da es in diesem Fall keine sachliche Begründung mehr dafür gab, bei der rechtlichen Bewertung des Abgeltungsanspruchs danach zu unterscheiden, ob ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig war oder nicht, hat das BAG mit Entscheidung vom 19.6.2012[4] konsequenterweise die Surrogatstheorie für den gesetzlichen Urlaubsanspruch insgesamt aufgeben.

 

Rz. 194

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist mithin als ein Geldanspruch anzusehen, der nicht mehr an die urlaubsrechtlichen Vorgaben gebunden ist. Die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs tritt sofort mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Damit kommt es für den Urlaubsabgeltungsanspruch weder auf die Erfüllbarkeit noch auf das Fristenregime des Urlaubsanspruchs an. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung[5] muss der Arbeitnehmer den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr entsprechend dem Urlaubsanspruch innerhalb des Urlaubsjahres oder bei Übertragungsgründen innerhalb des Übertragungszeitraums geltend machen. Ohne Geltendmachung des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber mit der Erfüllung des Abgeltungsanspruchs jedoch nicht in Verzug. Verzugszinsen stehen dem Arbeitnehmer erst am Folgetag nach Geltendmachung zu.[6]

 

Rz. 195

Die Trennung zwischen Urlaubsanspruch und Abgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch führt in Einzelfällen zu Verwerfungen.

 

Beispiel

Ein Arbeitnehmer scheidet im Übertragungszeitraum am 15.3. aus. Es b...

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