Rz. 159
Liegt ein Übertragungsgrund vor, so ist bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber der Urlaub im Übertragungszeitraum zu nehmen, ansonsten geht er unter. Der Urlaubsanspruch erlosch nach alter Rechtsprechung des BAG grundsätzlich auch dann, wenn dem Arbeitnehmer im Übertragungszeitraum die Inanspruchnahme von Urlaub unmöglich war. Entgegen einer Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 1969 gab es bisher keine Ausnahme von der Befristung des Urlaubsanspruchs, etwa für den Fall, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war.
Befristung des Urlaubsanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit
Rz. 160
Diese Rechtsprechung des BAG zum Untergang des Urlaubsanspruchs auch bei Arbeitsunfähigkeit wurde in der Vergangenheit vorgehalten, dass diese zu sozialpolitisch unangemessenen Ergebnissen führe.
Als Folge von 2 Entscheidungen des EuGH zum Untergang des Urlaubsanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit als Verstoß gegen die Arbeitszeitrichtline und zur unionsrechtlichen Möglichkeit, national in diesen Fällen das unbegrenzte Ansammeln der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub zu begrenzen hat das BAG seine Rechtsprechung für den Fall geändert, dass der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist.
Rz. 161
Die geänderte Rechtsprechung betrifft den Untergang des Urlaubsanspruchs.
Dass dieser zum Ende des Kalenderjahres nicht untergeht, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte, ist nicht neu. In diesem Fall liegt ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vor.
Neu ist, dass der Urlaubsanspruch am Ende des Übertragungszeitraums von 3 Monaten nicht untergeht, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt nicht genommen werden konnte. Damit wurde im Wege der unionsrechts-konformen Rechtsfortbildung quasi ein neuer Übertragungsgrund geschaffen und insoweit die bisher klare Befristung des Urlaubsanspruchs aufgegeben.
Rz. 162
Nicht entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit im laufenden Kalenderjahr den Urlaub hätte in Anspruch nehmen können. Im Fall, der dem EuGH zur Entscheidung vorlag, war ein Arbeitnehmer von Januar bis September 2004 arbeitsfähig.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer ist in der Zeit vom 1.11. eines Kalenderjahres bis zum 31.3. des Folgejahres arbeitsunfähig erkrankt.
Der Urlaubsanspruch geht hier nicht mit dem 31.3. des Folgejahres unter. Der Arbeitnehmer ist frei in der Entscheidung, wann er den Urlaub innerhalb des Kalenderjahres nehmen will. Bei zeitweiser Arbeitsunfähigkeit ist allein darauf abzustellen, ob er wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit am Ende des Übertragungszeitraums gehindert war, den bestehenden Urlaubsanspruch bis zum Ende des Übertragungszeitraums zu nehmen.
Rz. 163
Hieraus ergibt sich umgekehrt, dass der Urlaubsanspruch bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten untergeht, wenn nach bestehender Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer im Kalenderjahr oder im Übertragungszeitraums so rechtzeitig wieder arbeitsfähig wird, sodass er im verbleibenden Zeitraum seinen Urlaub nehmen kann. Das BAG deutet die Entscheidung des EuGH dahin gehend, dass die Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs an enge Voraussetzungen zu binden ist.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer war vom 1.1. eines Kalenderjahres bis zum 15.2. des Folgejahres arbeitsunfähig erkrankt. Er hat noch 10 Tage Urlaub. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums den Urlaub nehmen. Tut er dies nicht, geht der Urlaubsanspruch unter.
Ein Arbeitnehmer war vom 1.1. eines Kalenderjahres bis zum 26.3. des Folgejahres arbeitsunfähig erkrankt. Verbleibt einem Arbeitnehmer nach Arbeitsunfähigkeit nicht genügend Zeit, um den gesamten Urlaub zu nehmen, so geht in der Konsequenz der bisherigen Rechtsprechung nur der Teil des Urlaubs nicht unter, den der Arbeitnehmer bis zum 31.3. nicht nehmen konnte. Das sind hier 5 Tage.
Dies führt dazu, dass in der Tradition der bisherigen Rechtsprechung des BAG ein Arbeitnehmer in diesen Fällen gezwungen wird, sofort nach Ende der Arbeitsunfähigkeit den Urlaub in Anspruch zu nehmen, damit dieser nicht untergeht. Vermieden werden kann dies durch eine zulässige Vereinbarung über die Übertragung des offenen Urlaubsanspruchs in das Folgejahr (s. Rz. 188).
Wird der Antrag auf Urlaub zu Unrecht abgelehnt, entfällt die Befristung des Urlaubsanspruches nach § 7 Abs. 3 BUrlG (s. Rz. 11).
Rz. 164
Gesetzliche Urlaubsansprüche verfallen jedoch auch bei dauernder Arbeitsunfähigkeit mit dem 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres, damit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Da die Richtlinie kein unbegrenztes Ansammeln gebietet, ist der in § 7 Abs. 3 BUrlG zum Ausdruck gebrachte Wille des nationalen Gesetzgebers zu berücksichtigen, der eine Begrenzung des Übertragungszeitraums vorsieht. Der Urlaub, der aus gesundheitlichen Gründen bis zum 31.3. des Folgejahres nicht genommen werden kann, ...