Zu einer Pflichtenkollision kann es kommen, wenn Mitarbeiter mit ausländischer Staatsangehörigkeit ihren Wehrdienst im jeweiligen Heimatland antreten müssen.

Die Wehrpflicht im Spannungs- oder Verteidigungsfall besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Wehrpflichtige neben der deutschen noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt. Dies kann der Fall sein, wenn ein Elternteil Deutscher und ein Elternteil Ausländer ist. Diese Pflicht gilt selbst dann, wenn der in Deutschland Wehrpflichtige wegen seiner doppelten Staatsangehörigkeit durch den Wehrdienst Schwierigkeiten mit dem anderen Staat hat, evtl. sogar von diesem strafrechtlich verfolgt werden sollte.[1]

Die Ableistung des Wehrdienstes kann unabhängig von dieser Kollisionslage eine besondere Härte sein und zur Zurückstellung führen.[2]

3.2.2.1 EU-Staatsangehörige

Nach § 16 Abs. 6 des ArbPlSchG gelten § 1 Abs. 1, 3 und 4 und die §§ 2 bis 8 ArbPlSchG auch für in Deutschland beschäftigte Ausländer, die Staatsangehörige der Vertragsparteien der Europäischen Sozialcharta vom 18.10.1961[1] sind und die ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland haben. Auf Ausländer mit EU-Staatsbürgerschaft ist die Regelung umfassend anwendbar, da alle EU-Mitgliedstaaten auch Vertragspartner der Europäischen Sozialcharta sind. Tatbestandlich greift § 16 Abs. 6 ArbPlSchG ein, wenn die Ausländer in ihrem Heimatstaat zur Erfüllung ihrer dort bestehenden Wehrpflicht zum Wehrdienst herangezogen werden. Unabhängig davon sind EU-Bürger den deutschen Staatsangehörigen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des ArbPlSchG gleichgestellt.[2]

[1] BGBl. 1964 II S. 1262.

3.2.2.2 Ausländer aus Drittstaaten

Für ausländische Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten, die zudem auch der Europäischen Sozialcharta nicht beigetreten sind, gilt das ArbPlSchG nicht. Wenn sie zum Wehrdienst in ihrem Heimatland eingezogen werden, können sie jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 616 BGB analog gegenüber ihrem deutschen Arbeitgeber haben, da sie sich in einer unverschuldeten Pflichtenkollision zwischen Arbeitsvertragspflicht und Wehrdienstverpflichtung befinden. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung sind die Dauer der wehrdienstbezogenen Abwesenheit und die konkreten betrieblichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Dabei ist von einer zeitlichen Obergrenze von 2Monaten auszugehen. Dazu darf die Arbeitsleistung für den geordneten Betriebsablauf nicht von erheblicher Bedeutung sein und der Arbeitgeber darf durch den Ausfall in keine Zwangslage gebracht werden, die durch zumutbare Überbrückungsmaßnahmen nicht behoben werden kann.[1]

Bei längerer Abwesenheit zur Ableistung eines Wehrdienstes im Ausland kann eine ordentliche, personenbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein, wenn der wehrdienstbegründete Ausfall zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt und nicht durch zumutbare personelle und organisatorische Maßnahmen zu überbrücken ist. Zu den zumutbaren Überbrückungsmaßnahmen kann auch eine "innerbetriebliche" Stellenausschreibung für eine Aushilfskraft unternehmensbezogen über den Bereich des Beschäftigungsbetriebs hinaus gehören, wenn der Arbeitgeber im Unternehmensbereich einen Personalabbau betreibt oder plant.[2]

[1] BAG, Urteil v. 20.5.1988, 2 AZR 682/87; zur aufenthaltsrechtlichen Problematik bei begonnener Ausbildung in Deutschland und ausländischer Wehrpflicht siehe OVG Lüneburg, Beschluss v. 4.4.2011, 13 ME 205/10, sowie VG Münster, Beschluss v. 15.10.2020, 3 L 747/20.

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