Nach dem TOP-Prinzip im Arbeitsschutz sind vorrangig technische, dann organisatorische und als letztes persönliche/individuelle Maßnahmen zu ergreifen[1], um den Schutz der Beschäftigten zu gewährleisten. Die arbeitsmedizinische Vorsorge zählt zu den individuellen Arbeitsschutzmaßnahmen. Sie ist daher immer nur eine Begleitmaßnahme zu den technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen.

Arbeitsmedizinische Vorsorge im Sinne der ArbMedVV[2]

  1. ist Teil der arbeitsmedizinischen Präventionsmaßnahmen im Betrieb;
  2. dient der Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und physischer und psychischer Gesundheit und der Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen sowie der Feststellung, ob bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht;
  3. beinhaltet ein ärztliches Beratungsgespräch mit Anamnese einschließlich Arbeitsanamnese sowie körperliche oder klinische Untersuchungen, soweit diese für die individuelle Aufklärung und Beratung erforderlich sind und der oder die Beschäftigte diese Untersuchungen nicht ablehnt;
  4. umfasst die Nutzung von Erkenntnissen aus der Vorsorge für die Gefährdungsbeurteilung und für sonstige Maßnahmen des Arbeitsschutzes;
  5. umfasst nicht den Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen nach sonstigen Rechtsvorschriften oder individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen.

Kernelement der ArbMedVV ist das dreistufige System von Pflichtvorsorge, Angebotsvorsorge und Wunschvorsorge. Der Arbeitgeber muss die Pflichtvorsorge veranlassen, die Angebotsvorsorge anbieten und die Wunschvorsorge ermöglichen.

Für die Pflicht- und Angebotsvorsorge gibt es im Anhang der ArbMedVV abschließende Kataloge:

  • Teil 1 des Anhangs regelt Tätigkeiten mit Gefahrstoffen,
  • Teil 2 befasst sich mit Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, einschließlich gentechnischen Arbeiten mit humanpathogenen Organismen,
  • Teil 3 führt Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen auf und
  • Teil 4 enthält Regelungen zu sonstigen Einwirkungen.

Der jeweilige Absatz 1 in den einzelnen Teilen führt die Tätigkeiten auf, bei denen eine Pflichtvorsorge durchzuführen ist. Absatz 2 schreibt jeweils vor, bei welchen Tätigkeiten eine Angebotsvorsorge durchzuführen ist.

Die nachgehende Vorsorge ist ein Unterfall der Angebotsvorsorge und ist daher ebenfalls im Anhang zur ArbMedVV geregelt. Sie ist nach Beendigung einer Tätigkeit durchzuführen, wenn nach längerer Zeit Gesundheitsschäden auftreten können.

Für die Wunschvorsorge gibt es keine abschließende Auflistung.

Abgrenzung zur Eignungsuntersuchung

Die Vorsorgeuntersuchung ist abzugrenzen von der Eignungsuntersuchung. Beide Maßnahmen verfolgen unterschiedliche Zwecke. Während die arbeitsmedizinische Vorsorge die Beschäftigten über die Wechselwirkung zwischen ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer Gesundheit aufklären und entsprechende Vorsorgemaßnahmen begründen soll, fußen Eignungsuntersuchungen auf anderen rechtlichen Grundlagen.[3] Sie dienen zur Klärung anderer arbeitsrechtlicher Fragestellungen wie etwa der körperlichen und geistigen Eignung für eine bestimmte Tätigkeit und zielen häufig zusätzlich auf den Schutz Dritter ab.

 
  Vorsorgeuntersuchung Eignungsuntersuchung
Rechtsgrundlage ArbMedVV

Spezielle Rechtsvorschriften, z. B. § 11 FahrerlaubnisVO, § 11 SeeArbG

Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag
Rechtsbereich Arbeitsschutz Arbeitsrecht
Zielsetzung Erkennung und Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen Klärung der gesundheitlichen Anforderungen an die jeweilige Tätigkeit
Schutzziel

Beschäftigte (Eigenschutz)

"Geht von der Tätigkeit eine Gefahr für den Beschäftigten aus?"

Allgemeinheit (Fremdschutz)

"Geht von dem Beschäftigten eine Gefahr für andere (Kollegen, Dritte, Sachmittel) aus?"

6.1 Pflichtvorsorge

Pflichtvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten veranlasst werden muss.[1]

Die Pflichtvorsorge ist Voraussetzung dafür, dass diese Tätigkeiten durch die Beschäftigten ausgeübt werden dürfen. Die Tätigkeiten, für welche die Pflichtvorsorge vorgeschrieben ist, sind abschließend im Anhang zur ArbMedVV aufgeführt. Die Pflichtvorsorge muss beispielsweise durchgeführt werden bei:

  • Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wie etwa Asbest, Kohlenmonoxid, Quecksilber, Schwefelwasserstoff,
  • sonstigen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wie etwa Feuchtarbeiten von regelmäßig mindestens 4 Stunden am Tag, Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Isocyanaten etc.,
  • Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 4,
  • Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen.

Im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG muss der Arbeitgeber prüfen, ob die von seinen Beschäftigten auszuübenden Tätigkeiten unter den Katalog der ArbMedVV fallen oder nicht. Liegen die Voraussetzungen vor, ist er verpflichtet, die arbeitsmedizinische Vorsorge zu veranlassen.

Die Pflich...

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