Nach langjähriger Rechtsprechung des BAG konnte eine betriebliche Übung durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden. Der 10. Senat hat dies bei Gratifikationszahlungen dann angenommen, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, die Zahlung der Gratifikation sei eine freiwillige Leistung, auf die zukünftig kein Rechtsanspruch bestehe, und die Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von 3 Jahren hinweg nicht widersprochen haben. Aufgrund der dadurch zustande gekommenen konkludenten Vereinbarung sei der Arbeitgeber nicht mehr zur Zahlung der Gratifikation verpflichtet. Durch die dreimalige widerspruchslose Annahme einer ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation schaffe der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Dieser habe aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers keine Veranlassung, eine ausdrückliche Änderung der vertraglichen Abrede herbeizuführen. Diese Rechtsprechung wurde unter Hinweis auf das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aber aufgegeben.
Eine dreimalige widerspruchslose Annahme einer vom Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation kann nach § 308 Nr. 5 BGB nicht mehr den Verlust eines vertraglichen Anspruchs auf die Gratifikation bewirken.
Anspruch auf Gratifikation besteht fort
Der Arbeitgeber erklärt seinen Arbeitnehmern, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Gratifikationszahlung beendet wird und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht. Diese Erklärung wird als Änderungsangebot verstanden. Es liegt eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB vor.
Die Annahme, durch eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation werde die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung beendet, ist mit dem Klauselverbot für fingierte Erklärungen in § 308 Nr. 5 BGB nicht zu vereinbaren.
Ein im Arbeitsvertrag vereinbarter Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Gratifikation kann also nur durch Kündigung oder vertragliche Abrede unter Vorbehalt gestellt, verschlechtert oder beseitigt werden, nicht aber durch eine gegenläufige betriebliche Übung. Da eine dreimalige vorbehaltlose Gratifikationszahlung den Arbeitgeber vertraglich zur Leistung verpflichtet, kann er einen nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung entstandenen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gratifikation ebenso wie einen im Arbeitsvertrag geregelten Gratifikationsanspruch nach der (neuen) Rechtsprechung auch nur durch Kündigung oder eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer unter Vorbehalt stellen, verschlechtern oder beseitigen. Der nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung entstandene Rechtsanspruch ist kein vertraglicher Anspruch minderer Rechtsbeständigkeit. Der Arbeitgeber kann ihn daher im Vergleich zu einem durch ausdrückliche arbeitsvertragliche Abrede begründeten Anspruch des Arbeitnehmers nach der geänderten Auffassung des BAG nicht mehr unter erleichterten Voraussetzungen zu Fall bringen.
Hinweis auf Wegfall des Rechtsanspruchs in der Regel nicht ausreichend
Haben die Arbeitsvertragsparteien nicht (individuell ausgehandelt) vereinbart, dass das Schweigen des Arbeitnehmers zu einem Änderungsangebot des Arbeitgebers als Annahme des Angebots gilt, reicht selbst ein ausdrücklicher Hinweis des Arbeitgebers bei der Zahlung der Gratifikation nicht aus, dass eine dreimalige widerspruchslose Annahme der unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit geleisteten Zahlung zum Verlust des Rechtsanspruchs auf die Gratifikationszahlung führt. Das Schweigen gegenüber einem Angebot auf Verschlechterung eines Vertrags ist grundsätzlich keine Annahme eines solchen Angebots. Auf die bloße Mitteilung des Schuldners, er werde einen Anspruch nicht erfüllen, muss der Gläubiger nicht ablehnend reagieren. Er kann seinen Anspruch jederzeit geltend machen, solange diesem nicht Ausschluss- oder Verjährungsfristen entgegenstehen. Tut er das nicht, kann der Schuldner daraus nicht herleiten, der Gläubiger habe auf seinen Anspruch verzichtet.
Diese Grundsätze gelten jedoch nur dann, wenn der Anspruch auch durch eine betriebliche Übung begründet worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Anspruch aus betrieblicher Übung nur entstehen, wenn es an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlt.
Gegenüber neuen Arbeitnehmern kann eine begünstigende betriebliche Übung durch eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers beseitigt werden.