Zusammenfassung

 
Überblick

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die Merkmale "Geschlecht" und "sexuelle Identität" sind Ausdruck einer erhöhten gesellschaftlichen Sensibilität für geschlechtsbezogene Themen. Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie Praktiken und tradierte Rollenbilder, die früher gesellschaftlich akzeptiert waren, rechtlich auf den Prüfstand stellen müssen. Die Rechtsprechung zum Entschädigungsanspruch des AGG zeigt aber, dass Arbeitgeber keinen großen Aufwand leisten müssen, um sich vor Entschädigungsansprüchen zu schützen. Solange sie Stellenausschreibungen neutral und mit Fokus auf die Stelle statt auf den Bewerber formulieren, sind sie regelmäßig auf der sicheren Seite. Während des gesamten Bewerbungsprozesses sollten sich Arbeitgeber stets professionell verhalten und sich zu keinen unnötigen persönlichen Äußerungen herablassen. Hierfür bietet es sich an, dass Arbeitgeber extra dafür geschultes Personal einsetzen.

Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitgeber auf ein Arbeitsumfeld achten, dass frei von Belästigung und sexueller Belästigung ist. Das erreicht er am besten durch entsprechende präventive Maßnahmen und frühzeitiges Reagieren.

Auf die Grundlagen sowie auf die konkreten Anwendungsfälle des AGG in Hinblick auf die Kriterien "Geschlecht" und "sexuelle Identität" geht dieser Beitrag ein.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

1 Grundlagen

1.1 Zweck des AGG

Zweck des AGG ist die Schaffung einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt. § 1 AGG normiert eine Reihe an Merkmalen, die das Gesetz vor Diskriminierung schützen will.

1.2 Anwendung des AGG im arbeitsrechtlichen Kontext

Auf das AGG berufen können sich nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Bewerber. Das ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG. Das AGG greift in jeder diskriminierungsrelevanten Arbeitssituation. Das heißt Diskriminierungen sind nicht nur unzulässig beim Lohn, dem Arbeitsklima oder bei der Beförderung, sondern auch bei jeder anderen Situation, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergibt.

1.3 Merkmale "Geschlecht" und "sexuelle Identität"

"Geschlecht" und "sexuelle Identität" zählen zu den Merkmalen, die § 1 AGG aufführt. Die Abgrenzung zwischen beiden Merkmalen ist nicht immer einfach – bisweilen gibt es Überschneidungen. Uneinigkeit besteht zum Beispiel bei der Frage, ob Transsexuelle unter das Merkmal "Geschlecht" oder "sexuelle Identität" fallen. Das BAG hält beides für möglich.[1] Praktisch hat die Unterscheidung keine Relevanz; alle Merkmale des § 1 AGG sind gleichwertig.

Geschlecht

Grundsätzlich ist das Merkmal "Geschlecht" biologisch zu verstehen. Es bezieht sich auf die biologische Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht, wobei hier ein Spektrum besteht, das von männlich zu weiblich, zwischengeschlechtlich, zweigeschlechtlich und divers reicht.[2]

Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit welchem das Gericht die Existenz eines dritten Geschlechts rechtlich anerkannt hat,[3] ist klar, dass unter das Merkmal "Geschlecht" nicht nur Männer und Frauen fallen.

Gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG fallen Benachteiligungen Schwangerer und Mütter auch unter das Merkmal "Geschlecht".

Sexuelle Identität

Das Merkmal "sexuelle Identität" bezieht sich grundsätzlich auf die sexuelle Ausrichtung. Zu den Betroffenen von Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Identität zählen vorwiegend Homosexuelle und Bisexuelle. Wichtig dabei ist, dass es sich bei der sexuellen Präferenz um diejenige handeln muss, die identitätsstiftend ist.[4]

1.4 Unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen

Das AGG differenziert zwischen unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen.

Unmittelbare Benachteiligungen

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn jemand wegen eines der Merkmale eine schlechtere Behandlung erfährt oder erfahren würde als jemand in einer vergleichbaren Situation. Die unmittelbare Benachteiligung ist der Regelfall bei Benachteiligungen im Bewerbungsprozess.

Mittelbare Benachteiligungen

Eine mittelbare Benachteiligung liegt gem. § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn scheinbar neutral wirkende Verhaltensweisen des Arbeitgebers Diskriminierungen verbergen. Dazu zählen Stellenausschreibungen, Entlohnung, Beförderungen, also jegliches mögliche Verhalten des Arbeitgebers, das sich auf Mitarbeiter auswirkt. Dieses Feld ist also deutlich schwieriger zu überblicken als das der unmittelbaren Benachteiligungen.

 
Praxis-Beispiel

Praxisbeispiel

Ein Beispiel aus der Praxis für eine geschlechtsbezogene mittelbare Benachteiligung findet sich im kollektiven Arbeitsrecht.[1] In diesem Fall ging es um einen Sozialplan, der für einen pauschalen Zuschlag auf die Abfindung für unterhaltsberechtigte Kinder an die Eintragung des Kindes auf der Lohnsteuerkarte anknüpfte. Das Finanzamt trägt Kinder nicht in die Lohnsteuerkarte ein, wenn der Träger der Karte zur Lohnsteuerklasse V gehört. Das führte dazu, dass Personen, die zur Lohnsteuerklasse V gehören, ...

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