AGG: Ideeler Schadensersatz wegen Diskriminierung steuerfrei

Wird ein Arbeitnehmer diskriminiert, hat er Anspruch auf eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Ob die Entschädigung steuerfrei bleibt oder steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellt, richtet sich danach, welche Art von Schaden ausgeglichen wird.

Eine Einzelhandelskauffrau verklagte ihren Arbeitgeber wegen ihrer ordentlichen Kündigung "aus personenbedingten Gründen". Mit der Kündigungsschutzklage forderte sie auch eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung (wenige Wochen vor der Kündigung war eine Körperbehinderung von 30 Prozent festgestellt worden). 

Vor dem zuständigen Arbeitsgericht schlossen die Einzelhandelskauffrau und ihr Arbeitgeber einen Vergleich, in dem eine "Entschädigung gemäß § 15 AGG" in Höhe von 10.000 Euro vereinbart und das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wurde. Nach Auffassung des Finanzamts handele es sich bei dieser Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Dagegen klagte die Einzelhandelskauffrau erfolgreich beim Finanzgericht.

AGG-Entschädigung: Steuerfreiheit nur bei immateriellem Schadensersatz

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist dem beim Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich zu entnehmen, dass es sich bei der Zahlung um den Ausgleich immaterieller Schäden wegen einer Diskriminierung der Arbeitnehmerin als Behinderte handelt (§ 15 Absatz 2 AGG). Eine solche Entschädigung sei nicht als Arbeitslohn zu qualifizieren. Der Arbeitgeber der Einzelhandelskauffrau habe die Benachteiligung zwar bestritten. Im Wege des Vergleichs sei er jedoch bereit gewesen, eine Entschädigung wegen (nur) behaupteter Benachteiligung zu zahlen. Solche Einnahmen hätten keinen Lohncharakter und seien daher steuerfrei.

Entschädigung für materielle Schäden ist steuerpflichtiger Arbeitslohn

Anders liegt der Fall, wenn ein Verstoß gegen das Benach­teiligungsverbot vorliegt und der Arbeitgeber verpflichtet ist, den hierdurch ent­standenen materiellen Schaden zu ersetzen (15 Absatz 1 AGG - zum Beispiel der Ausgleich von entgangenem Arbeitslohn wegen Kündigung). In diesen Fällen handele es sich bei der Zahlung um steuerpflichtigen Arbeitslohn, weil die Entschädigung ein Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen darstellt (§ 19 Absatz 1 EStG in Verbindung mit § 24 Nummer 1 Buchstabe a EStG).

Dieser Auffassung ist das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 21. März 2017, Aktenzeichen 5 K 1594/14. Das Urteil zeigt die in der Praxis oftmals schwierige Abgrenzung der beiden Entschädigungsarten.

Steuerpflichtiger Schadensersatz versus steuerfreie Entschädigung

Die steuerliche Behandlung des Schadensersatzes hängt also regelmäßig von der Art des Schadens bzw. der vom Gericht zugrunde gelegten Rechtsgrundlage ab. Dies bestätigt die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen in ihrer Kurzinformation ESt Nr. 02/2018 vom 1. Februar 2018.

Der Arbeitgeber ist bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 15 Absatz 1 AGG). 


Bei Schadensersatz nach § 15 Absatz 1 AGG liegt regelmäßig steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, da der Ausgleich eines materiellen Schadens der steuerbaren Sphäre zuzurechnen ist.

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist - sog. immaterieller oder ideeller Schaden -, kann der Arbeitnehmer eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 15 Absatz 2 AGG).


Eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG ist nicht Ausfluss aus dem Arbeitsverhältnis und führt nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Die Entschädigung bleibt steuerfrei.

Die Auffassung der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen bestätigt das eingangs genannte Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2017, Aktenzeichen 5 K 1594/14.

Wissenswert: AGG - oder auch Antidiskriminierungsgesetz 

Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist es, Benachteiligungen aufgrund Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot sieht § 15 AGG als zentrale Rechtsfolge einen Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigung des Betroffenen vor.