Lohnsteuerhaftung bei fehlenden ELStAM
Der Arbeitgeber haftet für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 EStG), und kann dafür in Haftung genommen werden. In einem aktuellen Streitfall ging es um die Rechtmäßigkeit eines solchen Haftungsbescheids.
Der Fall: Fehlerhafte Einbehaltung der Lohnsteuer
Die Klägerin hatte als Arbeitgeberin für zwei Beschäftigte aus den Niederlanden die Lohnsteuer fehlerhaft nach Lohnsteuerklasse I anstatt nach Lohnsteuerklasse VI einbehalten und an das beklagte Finanzamt abgeführt.
Die Betroffenen hatten in Deutschland keinen Wohnsitz, aber unstreitig lagen steuerpflichtige Lohneinkünfte vor. Die Klägerin war als inländische Arbeitgeberin (§ 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zur Einbehaltung und Abführung der auf den ausgezahlten Löhnen ihrer Angestellten lastenden Lohn- und Annexsteuern verpflichtet. Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) lagen für beide Beschäftigten nicht vor bzw. wurden nicht abgerufen.
Bei fehlenden bzw. nicht vorliegenden Lohnsteuerabzugsmerkmalen hat der Arbeitgeber - im Streitfall die Klägerin - die Lohnsteuererhebung nach der Steuerklasse VI durchzuführen. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ das Betriebsstättenfinanzamt einen entsprechenden Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für den Streitzeitraum.
Entscheidung des Finanzgerichts zur Haftungsfrage
Im Einspruchs- und Klageverfahren begehrte die Klägerin die Aufhebung dieses Haftungsbescheides u. a. mit der Begründung, dass die tatsächliche Einkommensteuerschuld der Betroffenen niedriger sei und eine Haftung auszuscheiden habe. Zur Begründung legte die Klägerin die Einkommensteuerbescheide bzw. Einkommensteuererklärungen der Beschäftigen vor.
Die Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Es kommt nach dem Urteil (Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. April 2025 - 9 K 155/22) nicht darauf an, ob eine abgegebene Einkommensteuererklärung in einen Bescheid mündet und/oder sich aufgrund von vorgelegten Berechnungen ggf. eine geringere Einkommensteuerschuld ergibt. Die Haftung nach Ablauf des Kalenderjahres bezieht sich nach Auffassung der Richter auf die Jahreslohnsteuer und nicht auf eine zu diesem Zeitpunkt entstehende Einkommensteuer des Arbeitnehmers. Das Gericht hat deshalb die Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers bestätigt.
Trennung von Lohnsteuerverfahren und Veranlagungsverfahren
Das Einkommensteuergesetz trenne streng zwischen Lohnsteuerabzugsverfahren und Veranlagungsverfahren (§ 46 EStG). Das Lohnsteuerabzugsverfahren habe keine Bindungswirkung für ein späteres Veranlagungsverfahren. Aus den gleichen Gründen ist nach Auffassung des Gerichts aber auch nicht von Belang, ob sich ggf. eine geringere Einkommensteuerschuld ergibt.
Alles andere würde aus Sicht des Gerichts dazu führen, dass das Betriebsstätten-Finanzamt des Arbeitgebers in solchen Fällen sogenannte Schattenveranlagungen durchführen müsste. Eine derartige Vermischung von Lohnsteuerabzugs- und Veranlagungsverfahren sei aber steuersystematisch verfehlt und verfassungsrechtlich nicht geboten.
Das Finanzgericht hat jedoch die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, die inzwischen auch eingelegt worden ist. Das Az. des BFH lautet VI R 8/25.
Hinweis: Auf das Haftungsproblem weist die Finanzverwaltung in ihrem aktuellen ELStAM-Schreiben explizit hin (BMF-Schreiben vom 13. Dezember 2024, IV C 5-S 2363/19/10007:004, BStBl 2025 I S. 64, Rn. 131): "Behält der Arbeitgeber bei fehlenden Lohnsteuerabzugsmerkmalen … die Lohnsteuer nicht nach der Steuerklasse VI ein und führt diese nicht entsprechend ab, haftet er in Höhe des Differenzbetrages zu der von ihm einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer zuzüglich ggf. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag zur Steuerklasse VI (§ 42d Absatz 1 Nummer 1 EStG)."
Weitere Infos zu den ELStAM, aktuellen Änderungen sowie das Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung finden Sie hier in dieser News: Aktuelle Neuerungen zu den ELStAM.
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