Keine Beitragsnachforderung ohne gültigen Tarifvertrag

Sozialversicherungsbeiträge auf Grundlage des Tariflohns können ohne anwendbaren Tarifvertrag nicht vom Arbeitgeber nachgefordert werden. Konkret streitig war, ob ein Tarifvertrag wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden war.

Wenn die Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Sozialversicherungsbeiträge nachfordern, muss die Höhe des rechtmäßig zustehenden Entgelts feststehen. So entschieden die Richter des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf mit dem aktuell veröffentlichten und rechtkräftigen Beschluss v. 18.09.2012 (S 26 R 1670/12 ER).

Beiträge auf rechtmäßige Entgeltansprüche

Da in der Sozialversicherung grundsätzlich das Entstehungsprinzip gilt, spielt es zwar keine Rolle, ob und wann nachzufordernde Entgeltansprüche tatsächlich ausgezahlt wurden. Allein die Tatsache, dass es sich um rechtmäßig zustehende Entgeltsummen handelt, löst die Beitragspflicht aus. In dem vorliegenden Rechtsstreit war deshalb zu klären, ob es sich um rechtmäßig zustehende Entgeltansprüche handelt.

Nachforderung wegen untertariflicher Zahlung

Die DRV hatte gegen den Betreiber einer Fastfood-Kette eine nicht unwesentliche Beitragsnachforderung geltend gemacht. Die Nachforderung stützte sich darauf, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten nicht nach dem Entgelttarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe bezahlt hatte. Durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Arbeitsministeriums Nordrhein-Westfalen sei der Tarifvertrag für den Arbeitgeber anzuwenden. Das gelte auch, obwohl der Arbeitgeber nicht selber Vertragspartner des Tarifvertrages sei.

Frage der Allgemeinverbindlichkeit ist noch offen

Allerdings liegt zurzeit noch ein anderer Rechtsstreit vor, in dem es um die Frage der Allgemeinverbindlichkeit des genannten Tarifvertrages geht. Strittig ist dabei die Wirksamkeit der Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit für den rückwirkenden Zeitraum, für den die Beitragsnachberechnung erfolgte. Entscheidend sei nun, dass genau diese Frage noch nicht geklärt sei. Da damit die  Höhe des rechtmäßig zustehenden Entgelts noch nicht abschließend feststehe, dürfen auch die darauf ggf. zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge nicht nachberechnet werden. Es besteht das Risiko, dass der Arbeitgeber mit möglicherweise ungerechtfertigten Nachforderungen belastet und schlimmstenfalls gar in die Insolvenz getrieben wird. Daher sei es geboten, die Forderung der Rentenversicherung zunächst nicht zu vollstrecken.

Hintergrund: Entstehungs- und Zuflussprinzip

Sozialversicherungsbeiträge aus laufendem Entgelt werden fällig, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entsteht (Entstehungsprinzip). Anders bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt: Für Einmalzahlungen gilt - wie auch im Steuerrecht - das Zuflussprinzip. Die Abgabenpflicht entsteht erst mit der tatsächlichen Zahlung.

Zahlt ein Arbeitgeber untertarifliches Entgelt, sind aus dem zu wenig gezahlten laufenden Arbeitsentgelt - im Gegensatz zur Sozialversicherung - keine Steuern zu zahlen, weil die Einnahme nicht zugeflossen ist.