Gericht sieht Jürgen Klopp nicht als Künstler an

Die deutsche Rentenversicherung sah in Jürgen Klopp einen Künstler und verlangte von Opel für Klopps Auftritte in dessen Werbespots die Nachzahlung von Sozialabgaben an die Künstlersozialkasse. Das Sozialgericht Darmstadt musste entscheiden.

Haben Sie jemals zu Jürgen Klopps Dortmunder Trainerzeiten beobachtet, wie Mats Hummels aus der Tiefe des Raumes mit einem weiten Ball einen Angriff einleitete, der von Ilkay Gündogan mit einem Kontakt zu Mario Götze weitergeleitet wird, der wiederum nur mit einem Kontakt einen punktgenauen Schnittstellenpass zu Robert Lewandowski durchsteckt, der den Ball - ebenfalls direkt - ins Tor des Gegners hämmert? Mit vier Kontakten aus dem eigenen Sechzehner zum Tor. Das ist die hohe Kunst des Fußballs. Wer dirigierend und choreografierend seine Elf zu solchen Glanzleistungen befähigt, muss doch selbst ebenfalls ein Künstler sein.

Sozialgericht Darmstadt als Spielverderber

Nein, sagt das Sozialgericht Darmstadt. Klopp ist kein Künstler. Bevor man böse mutmaßt, dass dort ahnungslose Synchronschwimmer die Richterbank bevölkern, muss man zur Ehrenrettung des Gerichts allerdings sagen, dass die verweigerte Zuerkennung des Künstler-Status nicht Jürgen Klopps Fähigkeiten als Trainer gilt, sondern seinen Schauspielkünsten in den Opel-Werbespots. Obwohl man sagen muss, wer sich mit 1,91 Meter Körpergröße dermaßen geschmeidig auf den Fahrersitz eines Opel Corsa schwingen kann, wie Jürgen Klopp, ist auf jeden Fall - Abteilung Akrobatik - ein Künstler … aber das Gericht sah das anders. Doch wie konnte die Causa Klopp überhaupt vor dem Sozialgericht landen?

Geld statt Gelb für Schauspielerei

Man sieht ihn förmlich vor sich, den Sachbearbeiter der Künstlersozialkasse, wie ihn abends auf dem heimischen Sofa vor dem Fernsehgerät aus heiterem Himmel ein Geistesblitz befällt. Ein Mini-SUV von Opel würde sich doch niemals dazu eignen, rauhe, schlaglochstrotzende Schlammpisten zu meistern ... das kann nicht echt sein! Folglich ist Jürgen Klopp hinter dem Steuer des Gefährts … ja genau: Ein Schauspieler! Und wo sind die Sozialabgaben für Schauspieler zu entrichten? Sie ahnen es: Bei der Künstlersozialkasse. Endlich mal einen dicken Fisch an der Angel, statt immer nur die Komparsen aus der Lindenstraße! Man malt sich aus, wie der Geniestreich dem Vorgesetzen vorgetragen wird und wie auch dieser sich bereits vor der nächsten Beförderung wähnt, wenn die nachentrichteten Beiträge von Opel die Kassen der Künstlersozialkasse klingeln lassen ...

Nun, woher auch immer die gute Idee gekommen sein mag, jedenfalls kam es in der Folge dazu, dass die Deutsche Rentenversicherung von Opel für die Jahre 2011 bis 2015 die Nachzahlung von Sozialabgaben in sechsstelliger Höhe verlangte. Das hätte sich gelohnt! Doch das Sozialgericht Darmstadt wollte nicht mitspielen.

Trainer sind Sportler

Geht es um die Perspektive der Künstlersozialversicherung, dann sind Trainer keine Künstler, sondern Sportler. Nun ja, wer gesehen hat, wie Huub Stevens beim letzten Schalke-Rettungsversuch kaum noch die Treppen in die Katakomben der Schalke-Arena hinunterkam, mag dies für einen gewagten Vergleich halten. Aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind aktive Profisportler, die ihre Bekanntheit zu Werbezwecken nutzen und damit nicht unerhebliche Einnahmen erzielen, keine Künstler und unterfallen deshalb auch nicht der Künstlersozialversicherung.

Dieser Grundsatz ist nach Ansicht des Sozialgerichts Darmstadts auch auf Trainer zu übertragen. Mit dem Abschluss eines Werbevertrags würden zusätzliche Einnahmen erzielt, ohne dass dadurch der eigentliche Hauptberuf als Trainer im Sport aufgegeben werde. Und diese Haupttätigkeit ist für die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung maßgeblich. Entscheidend sei nicht, dass durch die werbende Tätigkeit ein erheblicher Teil des Einkommens erzielt werde, sondern vielmehr, dass dies nur deshalb möglich sei, weil durch die Haupttätigkeit als Fußballtrainer eine solche Popularität bestehe, dass es für den Werbepartner lukrativ sei, die Person zu Werbezwecken einzusetzen. Auch sei nicht die Prominenz der Person dafür entscheidend, ob jemand als Künstler anzusehen sei, sondern vielmehr, dass sich seine Werbetätigkeit maßgeblich als Annex zu der Haupttätigkeit als Trainer darstelle.

Da stellt sich doch direkt die Frage, ob nicht bei Nivea etwas zu holen wäre, jetzt wo Jogi Löw nicht mehr Bundestrainer ist und keine Haupttätigkeit mehr hat ...

Hinweis: Sozialgericht Darmstadt, Urteil vom 30. August 2021, Az: S 8 R 316/17


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