Doppelte Rentenversicherungspflicht für nebenberufliche Anwälte

Trotz Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte kann sich ein nebenberuflich tätiger Rechtsanwalt nicht von der Rentenversicherungspflicht aufgrund der Hauptbeschäftigung befreien lassen.

Zu diesem Ergebnis kommt das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit seinem Urteil vom 06.12.2012 - S 27 R 24/12. Dem Urteil kommt für viele Juristen eine hohe Bedeutung zu, denn die Kombination einer selbstständigen Ausübung des „Kammerberufes“ neben einer Hauptbeschäftigung ist nicht nur für Existenzgründer ein häufig gewähltes Arbeitsmodell.

Beschäftigung neben eigener Kanzlei

Geklagt hatte eine Volljuristin und selbstständige Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei. Sie ist Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer, dem berufsständischen Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Daneben übt sie in einem Versicherungsunternehmen eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung als Schadensanspruchsprüferin aus. Für die in dieser Beschäftigung bestehende Rentenversicherungspflicht forderte sie die Befreiung. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit, wenn sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Doch der Rentenversicherungsträger lehnte die Befreiung für das Beschäftigungsverhältnis ab.

Mitgliedschaft im Versorgungswerk beruht nicht auf dem Beschäftigungsverhältnis

Im Verfahren vor dem Sozialgericht stritten sich die Parteien insbesondere zu der Frage, ob die ausgeübte Tätigkeit einer typischen anwaltlichen Berufstätigkeit entspreche. Doch nach den Schlussfolgerungen des Gerichts ist der entscheidende Punkt, dass die Klägerin nicht wegen der Beschäftigung Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer ist. Dies sei jedoch nach dem Gesetzestext erforderlich. Die anwaltliche Zulassung setze voraus, dass der Rechtsanwalt eine Kanzlei einrichtet und unterhält (§ 27 Abs. 1 BRAO). Diese Kanzleipflicht erfüllt ein Beschäftigter nicht, wenn er bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber tätig ist. Deswegen habe die Klägerin für die Zulassung als Rechtsanwältin auch eine selbstständige Rechtsanwaltstätigkeit mit eigener Kanzlei aufgenommen.

Berufsrecht und Sozialversicherungsrecht sollten einheitlich sein

Ein Syndikusanwalt werde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes innerhalb seines festen Beschäftigungsverhältnisses nicht anwaltlich tätig (vgl. u.a. BGH, Urteil v. 25.2.1999, IX ZR 384/973). Dies müsse dann erst recht gelten, wenn eine Beschäftigung bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber ausgeübt werde. Zwar bezieht sich dieses Urteil auf das anwaltliche Berufsrecht. Doch es sei kein Grund ersichtlich, warum die Frage sozialversicherungsrechtlich anders zu beurteilen sein sollte.

Gesetzgeber hat die Befreiungsoption bewusst knapp gehalten

Damit folgen die Richter auch der Linie des Bundessozialgerichts (BSG). Dort wurde mit  Urteil v. 31.10.2012 (B 12 R 3/11 R) einem Arzt für seine Tätigkeit als Pharmaberater die Möglichkeit der Befreiung bestätigt. Voraussetzung ist aber nach der Urteilsbegründung auch hier, dass die konkret ausgeübte Tätigkeit objektiv die Qualifikation erfordert, wie sie durch die ärztliche Approbation vermittelt wird. Dabei gehen die Richter ausdrücklich auf die vergleichbare Situation von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern ein.

Gegen das Urteil des SG Düsseldorf wurde zwischenzeitlich Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt. Es bleibt abzuwarten, ab wann sich die Rentenversicherungsträger an der vorliegenden Rechtsprechung orientieren.