Arbeitgeber haftet für Falschberatung des Steuerberaters

Bei der Frage nach einer Scheinselbstständigkeit wenden sich Arbeitgeber gerne an ihre Steuerberater. Doch sie sind nicht unbedingt der richtige Ansprechpartner: Erteilt dieser nämlich falsche Auskünfte, kann dem Arbeitgeber die Nichtabführung der Beiträge vorgeworfen werden.

Immer wieder haben Arbeitgeber Zweifel, ob ihre freien Mitarbeiter nicht doch versicherungspflichtig in der Sozialversicherung sind und wenden sich vertrauensvoll an ihre Steuerberater. Das dies zu einem „Bumerangeffekt“ führen kann, ahnen wenige.

Fall des Schleswig-Holsteinischen LSG

Ein Arbeitgeber führt Geldtransporte mit eigenen Beschäftigten und freien Mitarbeitern durch und suchte Rat bei seinem Steuerberater. Dieser stufte die Unterstützung durch die freien Mitarbeiter als unproblematisch ein. Aufgrund einer anonymen Anzeige ermittelte das Hauptzollamt und durchsuchte den Arbeitgeber.
Ergebnis: Die freien Mitarbeiter sind abhängige Beschäftigte. Es kam zur Nachforderung durch die deutsche Rentenversicherung (DRV).

Zentrale Arbeitgeberpflichten verletzt

Die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, hat der Arbeitgeber jeden Monat erneut vorzunehmen (§ 28a SGB IV). Delegiert er seine Arbeitgeberpflichten auf seinen Steuerberater, hat er diesen in geeigneter Weise zu kontrollieren und sobald Zweifel bestehen, diese rechtssicher auszuschließen. Eine fachkundige Stelle ist hier entweder die Einzugs- oder die Clearingstelle der DRV Bund. Eine Auskunft des Steuerberaters entlastet den Arbeitgeber keinesfalls. Der Verzicht eines Statusantrages ist durchaus vorwerfbar mit entsprechenden Konsequenzen (BSG, Urteil v. 09.11.2001, B 12 R 18/09R).

Arbeitgeber haftet als Beitragsschuldner auch mit Privatvermögen

Allein auf die Aussage des Steuerberaters sollte sich der Arbeitgeber daher in diesen Fällen nicht verlassen. Denn schließlich haftet der Arbeitgeber als Beitragsschuldner und kann auch persönlich mit seinem Privatvermögen hierfür zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil v. 27.05.2015, 1 U 89/14). Er hat sicherzustellen, dass die ihm obliegenden Arbeitgeberpflichten korrekt vorgenommen werden.

Keine Befugnis für Steuerberater in optionalen Statusfragen

Das Problem ist, dass Steuerberater zur Beratung in derartigen Fällen nicht befugt sind. Nach Auffassung des BSG (Urteil v. 05.03.2014, B 12 R4/12R) stellt dies eine unerlaubte Rechtsdienstleistung mit der Folge dar, dass der Steuerberater sogar seinen Haftpflichtversicherungsschutz verlieren kann und ein Vergütungsanspruch nicht besteht.

Erweiterte Verjährungsfrist von 30 Jahren

Die Falschberatung wird dem Arbeitgeber als Beitragsschuldner zugerechnet. Obendrein erfolgt im Bereich der SV eine Hochrechnung des Lohnes (Nettolohnhochrechnung § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV), da die Arbeitgeberpflichten verletzt wurden. Der Gesetzgeber unterstellt in diesen Fällen eine illegale Beschäftigung. Da die Zweifel, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, nicht von einer fachkundigen Stelle beseitigt wurden, kommt die erweiterte Verjährungsfrist von 30 Jahren zur Anwendung. Man spricht hier von einem bedingten Vorsatz.

Arbeitgeber zahlt auch Säumniszuschläge und Arbeitnehmeranteil

Als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers muss der Steuerberater für die Falschauskunft mit Schadensersatzansprüchen rechnen (§ 280 BGB). Verliert ein Steuerberater jedoch seinen Haftpflichtschutz, bleibt der Arbeitgeber auf seinen Schaden sitzen.
UND: Neben der erweiterten Verjährungsfrist hat dieser auch die Säumniszuschläge und den Arbeitnehmeranteil zu übernehmen.

Hinweis: Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss v.17.09.2015, L 5 KR 146/15 B ER

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