Werkverträge sauber von Leiharbeit abgrenzen
Was das negative Image angeht, hat der Einsatz von Werkverträgen der Zeitarbeit längst den Rang abgelaufen. Das musste zuletzt auch Großproduzent Tönnies erfahren, bei dem nahezu die komplette Produktion an Subunternehmer ausgelagert wurde – via Werkvertrag und zu günstigeren Konditionen.
Werkverträge sind seit jeher im Gesetzbuch etabliert
Werk- und Dienstverträge sind seit jeher im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Wirtschaftsleben als zulässige Vertragsform vorgesehen und etabliert. Outsourcing über Werk- oder Dienstverträge gab es schon immer – auch so, dass auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers Teile der Produktion oder Hilfstätigkeiten durch Fremdfirmen erledigt wurden.
Es scheint klar, dass es auch in der globalisierten und spezialisierten Welt von heute der Arbeitsteilung in Form von Werkverträgen bedarf. Das Problem sind "schwarze Schafe" in einigen Branchen, die das Instrument "Werkvertrag" als Möglichkeit für günstigere Lohnzahlungen und Haftungsvermeidung missbrauchen.
Abgrenzung des Werkvertrags von der Leiharbeit
Ein Werkvertrag setzt voraus, dass der Subunternehmer beim "Inhouse Outsourcing" im fremden Betrieb einen eigenen Betrieb hat. Er übernimmt eigenverantwortlich eine Aufgabe, die er mit seinen Leuten erfüllt. Dabei bedeutet Eigenverantwortung vor allem auch Haftung.
Während beim Werkvertrag also sozusagen ein Ergebnis eingekauft wird, werden bei der Leiharbeit Arbeitnehmer entliehen, die ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellen. Der Auftraggeber ist ihnen gegenüber weisungsbefugt, sie arbeiten quasi wie ein eigener Arbeitnehmer und haften beispielsweise auch nicht für Mängel.
Beim Werkvertrag sind getrennte Arbeitsabläufe der Normalfall, der Werkvertragsnehmer haftet für Mängel und er wird für ein vereinbartes Arbeitsergebnis bezahlt. Die Arbeitsleistung wird beim Werkvertrag also als Ganzes vergütet. Bei der Leiharbeit wird die Arbeitsleistung nach Zeit abgerechnet.
Werkverträge: Neuregelung für die Fleischindustrie geplant
Die Corona-Fälle in den Schlachtbetrieben haben die Bundesregierung unter Handlungsdruck gesetzt. Die Bundesregierung hat Eckpunkte für Neuregelungen beschlossen, um die problematischen Zustände in den Schlachthöfen zu unterbinden. Kern der Neuregelungen soll ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen zum 1. Januar 2021 sein. Dass die komplette Ausführung von Arbeiten bei Subunternehmern eingekauft wird, wäre damit untersagt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will noch im Juli 2020 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.
Risiko bei fehlerhaftem Fremdpersonaleinsatz
Seit der AÜG-Reform 2017 ist die Möglichkeit weggefallen, sich durch eine vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Auftragnehmers die Vorteile des Werkvertragsverhältnisses zu Nutze zu machen, zeitgleich aber das Risiko der unangenehmen Folgen einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu verhindern. Seit 2017 muss ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag auch ausdrücklich als ein solcher bezeichnet werden. Dies ist Anlass genug, den Beauftragungsprozess für den Einsatz von Fremdpersonal rechtssicher zu gestalten. Das Risiko eines Abgrenzungsfehlers besteht darin, dass ein (Schein-)Werk- oder Dienstvertrag – also der Einsatz von Mitarbeitern des Auftragnehmers auf Grundlage eines "gewollten" Werk- oder Dienstvertrags mit hoher Personalintegration in den Betrieb des Auftraggebers – dazu führt, dass ein (ungewolltes) Arbeitsverhältnis zwischen dem eingesetzten Mitarbeiter des Auftragnehmers und dem Auftraggeber entsteht.
Nachvergütungsansprüche, Sozialversicherungsansprüche und Strafbarkeitsrisiko
Dieser Mitarbeiter kann dann zunächst Nachvergütungsansprüche gegen den Auftraggeber auf dem Vergütungsniveau des Kundenbetriebs (sogenanntes "Equal Pay") verlangen. Hiermit einher geht die Verpflichtung des Auftraggebers, Sozialversicherungsbeiträge für den eingesetzten Mitarbeiter ab Einsatzbeginn abzuführen. Dies wiederum birgt ein empfindliches Strafbarkeitsrisiko in sich. Denn die Gefahr einer Strafverfolgung nach § 266a StGB ("Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen") besteht schon dann, wenn in dem Betrieb des Auftraggebers Kenntnis von den tatsächlichen Umständen des Fremdpersonaleinsatzes besteht. Es muss nicht das Bewusstsein bestehen, dass dies nur scheinbar einem Werk- oder Dienstvertrag entspricht.
Irrtum bei der Einordnung als Werkvertrag entlastet nicht
Somit entlastet es die Geschäftsführung nicht, wenn sie über die rechtliche Einordnung des Vertrags im Irrtum war – wenn sie also für ein nach objektiven Kriterien gegebenes Arbeitsverhältnis fälschlicherweise einen Werk- oder Dienstvertrag als vertragliche Gestaltung gewählt hat. Dass ein (Schein-)Werk- oder Dienstvertrag auch ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro für das Unternehmen und die Geschäftsführung nach sich ziehen kann, fällt in Ansehung der Strafandrohung kaum noch ins Gewicht. Das Risiko eines (Schein-)Werk- oder Dienstvertrags beinhaltet auch, dass die Geschäftsführung von den Sozialversicherungsträgern persönlich auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen werden kann.
Werkverträge: Effektives Compliance-System hilfreich
Angesichts der empfindlichen Rechtsfolgen empfiehlt es sich dringend, ein effektives Compliance-System zur rechtssicheren Beauftragung von Werkverträgen zu implementieren. Ausgangspunkt jeder Compliance-Maßnahme bei der Fremdpersonalbeauftragung ist die Identifikation der Personen im Unternehmen, die Fremdpersonal beauftragen. Während die reguläre Arbeitnehmerüberlassung in der Regel in den Personalabteilungen beauftragt wird, werden Werk- und Dienstverträge gewöhnlich von den Fachabteilungen initiiert. Somit besteht meist eine Doppelverantwortlichkeit und damit auch ein Spannungsfeld. Oft wird die fachliche Unterstützung des Fremdpersonals dringend gebraucht, die Beschaffung hat "günstig" und "schnell" abzulaufen. Rechtliche Bedenken werden dabei häufig hintenangestellt.
Richtlinie über Beauftragung von Fremdpersonal sinnvoll
Im Unternehmen sollte eine Richtlinie über die Beauftragung von Fremdpersonal eingeführt werden. Diese dient dazu, die damit befassten Mitarbeiter allgemein zu sensibilisieren und insbesondere die Risiken aufzuzeigen, die mit einer Fehlabgrenzung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung einhergehen. Für besonders risikobehaftete Geschäftsfelder, in denen in der Vergangenheit Werk- oder Dienstverträge nicht rechtssicher beauftragt wurden, können besondere Genehmigungsschlaufen oder Eskalationsstufen in einen HR-Compliance-Prozess eingearbeitet werden.
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