Stellenanzeige: Trotz Diskriminierung keine AGG-Entschädigung

Stellenanzeigen sind häufig Anlass für AGG-Streitigkeiten. Zuletzt fühlte sich ein 60-jähriger Anwalt diskriminiert, weil eine Kanzlei seine Bewerbung ablehnte. Sie hatte Berufsanfänger gesucht. Letztlich gab das LAG Hamm zwar der Kanzlei recht, ließ jedoch die Revision zum BAG zu.

Für Arbeitgeber sind Stellenanzeigen Fehlerquelle und Einfallstor für AGG-Entschädigungsklagen zugleich. Bewerbern wiederum hat der Gesetzgeber ein starkes Instrument an die Hand gegeben, um auf Diskriminierungen aufmerksam zu machen. Manche Kandidaten nutzen dieses Instrument jedoch derart exzessiv, dass sich verschiedene Gerichte bereits der Fragen des Missbrauchs bei Entschädigungsklagen nach dem AGG auseinandersetzen mussten. So hatte bereits im Oktober 2013 das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden: Arbeitgeber müssen keine Entschädigung nach dem AGG zahlen, wenn Bewerber nicht ernsthaft an der Stelle interessiert sind.

LAG Hamm: Berufung abgewiesen, Revision zugelassen

Über den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs diskutierten die Parteien auch im aktuellen Fall vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 10 Sa 503/14). Ob ein rechtsmissbräuchliches Verhalten jedoch ausschlaggebend dafür war, dass die Richter die Berufung des abgelehnten Rechtsanwalts abwiesen, lässt sich der Pressemitteilung des Gerichts nicht entnehmen. Für eine Klärung dessen müssen die Urteilsgründe abgewartet werden. Ebenso wie für eine Antwort darauf, ob möglicherweise unscharfe Kriterien zum Rechtsmissbrauch zumindest auch den Anlass dafür lieferten, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.

Für die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Hamm (Az. 1 Ca 721/13), war Rechtsmissbrauch jedenfalls keine entscheidungserhebliche Frage. Das Arbeitsgericht ließ offen, ob der klagende Rechtsanwalt rechtsmissbräuchlich handelte. Denn obwohl ihm eine gut gehenden Einzelpraxis gehörte, soll er sich bereits auf viele andere Stellen beworben haben, die an Berufsanfänger gerichtet waren. Den Richtern am Arbeitsgericht genügten bereits andere Argumente der beklagten Kanzlei, um die Entschädigungsklage abzulehnen.

Begriffe wie "Berufseinsteiger" oder "kürzere Berufserfahrung" sind diskriminierend

Im konkreten Fall hat sich ein selbstständiger Rechtsanwalt mit einer eigenen Kanzlei im süddeutschen Raum auf eine Stellenanzeige einer Kanzlei beworben. Diese hatte "eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt im Bereich des Medizin- und Haftungsrechts" mit überdurchschnittlichen Examina als "Berufsanfänger/in oder ein/e Kollege/in mit kürzerer Berufserfahrung" gesucht. Nach einem ablehnenden Schreiben der Kanzlei verlangte der Kläger eine Entschädigung nach dem AGG, da er wegen seines Alters diskriminiert worden sei.

Im ersten Schritt waren sich die Richter der Vorinstanz und der abgelehnte Rechtsanwalt noch einig. Auch nach Auffassung des Arbeitsgerichts Hamm stellte das als neutrales Kriterium formulierte Merkmal des "Berufsanfängers" oder Kollegen "mit kürzerer Berufserfahrung" in der Stellenanzeige eine mittelbare Benachteiligung des Klägers als Bewerber dar. Der Kläger werde wegen seines Alters benachteiligt, da mit zunehmender Berufserfahrung auch das Lebensalter steige, erklärten die Richter.

BAG: Young Professionals als Indiz einer Benachteiligung

Bereits das BAG tendierte zu einer solchen Auslegung. Anfang 2013 entschieden die Bundesrichter bereits (Az. - 8 AZR 429/11): Werden in einer "Stellenausschreibung für ein Traineeprogramm 'Hochschulabsolventen/Young Professionals' gesucht und richtet sich die Ausschreibung ausdrücklich an 'Berufsanfänger', so kann dies ein Indiz für die Vermutung einer unzulässigen altersbedingten Benachteiligung darstellen.“

ArbG Hamm: Anforderungen nicht erfüllt, keine Entschädigung

Eine Diskriminierung bedeutet jedoch nicht zwingend, dass eine Entschädigung nach AGG zu leisten ist – gerade wenn der ältere Bewerber die objektiven Stellenanforderungen nicht erfüllt.

Daher lehnten auch die Richter der ersten Instanz in Hamm eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ab. Denn, so urteilte das Arbeitsgericht,  die Kanzlei habe Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergebe, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zur Ablehnung der Bewerbung des Anwalts geführt hätten. Weder hatte der Rechtsanwalt die geforderten überdurchschnittlichen Examensnoten vorzuweisen, noch die entsprechende Erfahrung im Medizinrecht. Schließlich sei der abgelehnte Anwalt in der Vergangenheit nur für Patienten tätig gewesen. Die Kanzlei vertrete dagegen nicht Patienten, sondern Versicherer, argumentierten die Richter der ersten Instanz.

Entscheidet bald das Bundesarbeitsgericht darüber?

Gerade über das letzte Argument ließe sich vermutlich trefflich streiten – was die Parteien in der Berufung vor dem LAG Hamm auch sicherlich getan haben. Auf den Vergleichsvorschlag des LAG Hamm, 1.750 Euro zu bezahlen, ließ sich die Kanzlei jedenfalls nicht ein. Im Ergebnis blieb es dann auch dabei: Dem Anwalt steht keine Entschädigung zu – außer das BAG findet bald ein anderes Ergebnis.

Hinweis:  Aktuelle Entscheidung: LAG Hamm, Az.10 Sa 503/14; Vorinstanz: ArbG Hamm, Az. 1 Ca 721/13