Dynamische Bezugnahmeklauseln verlieren Dynamik bei Betriebsübergang nicht
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat seine Rechtsprechung präzisert, wie bei einem Betriebsübergang mit dynamischen Bezugnahmeklauseln umzugehen ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auch nach einem Betriebsübergang weiterhin dynamisch wirkt, selbst wenn der Betriebserwerber an diese Tarifverträge gar nicht gebunden ist. Aufgrund der "Alemo-Herron" Entscheidung, war anzunehmen, dass dies im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorschriften steht. Etwas überraschend hat der EuGH entgegengesetzt zu den Schlussanträgen von Generalanwalt Yves Bot entschieden, dass die Wirkung der dynamischen Bezugnahmeklausel, nicht zeitlich zu beschränken ist.
Der Fall: Privater Arbeitgeber an Bezugnahmeklausel im Vertrag gebunden?
Der Arbeitnehmer ist in einem Krankenhaus beschäftigt, das sich bei seinem Eintritt noch in kommunaler Trägerschaft befand. In seinem Arbeitsvertrag wurde auf den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes BMT-G II Bezug genommen. Später übernahm Asklepios, ein privater Betreiber die Klinik, der keinem Arbeitgeberverband angehört und nicht an den BMT‑G II und den diesen seit dem 1. Oktober 2005 ersetzenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gebunden ist. Als laut Tarifvertrag Lohnerhöhungen anstanden, gab der neue Eigentümer des Krankenhauses diese nicht weiter. Der Arbeitnehmer ist der Meinung, dass aufgrund der dynamischen Bezugnahmeklausel der TVöD-VKA auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findet und ihm somit auch entsprechende Tariflohnerhöhungen gezahlt werden müssten.
BAG-Rechtsprechung zu dynamischen Bezugklauseln
Seit der 2005 geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt für alle ab dem Jahr 2002 neu abgeschlossene Arbeitsverträge, in denen dynamisch auf einen bestimmten Tarifvertrag Bezug genommen wird, dass der Betriebserwerber im Falle eines Betriebsübergangs spätere Änderungen dieses Tarifvertrags, wie beispielsweise Tariflohnerhöhungen, gegen sich gelten lassen muss. Er ist also nach Auffassung des Gerichts an die dynamische Bezugnahmeklausel auch dann gebunden, wenn er selbst nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist (BAG, Urteil vom 14.12.2005, Az: 4 AZR 536/04; BAG, Urteil vom 22.10.2008, Az: 4 AZR 793/07).
Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung?
Im Jahr 2013 entschied der EuGH in der englischen Rechtssache "Alemo-Herron", dass Art. 3 der Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG zu dynamischen Bezugnahmeklauseln nicht durchsetzbar ist, wenn der Erwerber nicht die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen über diese nach dem Betriebsübergang abgeschlossenen Kollektivverträge teilzunehmen (EuGH, Urteil vom 18.7.2013, C-426/11). Hierdurch geriet die Rechtsprechung des BAG mit der des EuGH in Konflikt. Infolgedessen legte das BAG den Fall "Asklepios" dem EuGH wegen eines möglichen Verstoßes gegen unionsrechtliche Vorschriften, insbesondere gegen Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, zur Überprüfung vor.
Betriebsübergangsrichtlinie steht dynamischer Bezugnahmeklausel nicht entgegen
In seinem Schlussantrag im Verfahren vor dem EuGH plädierte der Generalanwalt dafür, die Wirkung der dynamischen Bezugnahmeklausel zeitlich zu beschränken. Diese Ansicht teilte der EuGH in diesem Fall nun nicht, in dem der Veräußerer und Arbeitnehmer eine dynamische Vertragsklausel frei vereinbart hätten, welche zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs in Kraft sei. Der Gerichtshof betonte in seinem Urteil, dass die Richtlinie 2001/23 und insbesondere ihr Art. 3 so zu verstehen seien, dass sie grundsätzlich vorsehen, dass diese sich aus einem Arbeitsvertrag ergebende Pflicht auf den Erwerber übergeht. Der erwerbende Arbeitgeber bleibe im Falle eines Betriebsübergangs folglich auch an die Dynamik der Bezugnahmeklausel gebunden.
Änderungskündigung: Die Lösung bei dynamischer Bezugnahmeklausel?
Allerdings wies das Gericht darauf hin, dass der Erwerber eines Unternehmens in der Lage sein müsse, nach dem Übergang, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit aus wirtschaftlicher Sicht erforderlichen Anpassungen vorzunehmen. Das nationale Recht müsse daher sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsehen. Nach deutschen Recht besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Änderungskündigung, auch wenn das BAG hier sehr hohe Anforderungen an die Voraussetzungen stellt. Dem EuGH genügte dies für seine Entscheidung.
Ob diese Anpassungsmöglichkeiten gar nicht vorlägen oder nicht wirksam seien, wie Asklepios vorbrachte, habe nicht der EuGH zu entscheiden. Für die Würdigung des Sachverhalts und die Auslegung des nationalen Rechts sei allein das vorlegende Gericht, somit das BAG, zuständig
Hinweis: EuGH, Urteil vom 27.04.2017, Az: C-680/15 und C-681/15
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